Durch die britische Miniserie "The Guest" (Besprechung folgt) erfuhr ich von einem alternativen globalen Orientierungs- bzw. Ortungssystem, von dem ich noch nie gehört hatte, obwohl es seit über zehn Jahren existiert: what3words. Ich werde die Startseite des Unternehmens hier nicht verlinken, denn angesichts herber finanzieller Verluste in jüngerer Vergangenheit und wiederholter Kritik an der Praktikabilität steht zu befürchten, dass dieser Link eher früher als später ins Leere laufen könnte.
Das Prinzip ist das folgende: what3words hat die Welt in 3x3 m große Quadrate eingeteilt und jedes Quadrat mit einer Kombination aus drei durch Punkte separierten Wörtern markiert. Beispielsweise hat ein beliebter Aussichtspunkt in meiner Wohngegend, der Dettweiler Tempel, die "Koordinaten" ///kartoffel.vororte.igel. Wobei man ihn auch mit Hilfe der Angabe ///erwachte.katze.bewohnt finden würde, oder auch ///erstens.sommer.tänzer. (Der Kartenmarker weicht übrigens ein wenig vom tatsächlichen Standort ab; hier müsste mal jemand justierend eingreifen.) Die Kleinteiligkeit begründet das Londoner Unternehmen wie folgt: "Straßenadressen sind im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß. Sie sind nicht genau genug, um Orte wie Gebäudeeingänge präzise zu beschreiben. Für Parks oder in vielen ländlichen Gegenden gibt es überhaupt keine Straßenadressen. Das erschwert das Finden bestimmter Plätze und macht es in Notfällen unmöglich, genau zu beschreiben, wo Hilfe nötig ist." Insbesondere Firmen könnten Dreiwortadressen teilen, um es Partnern und Kunden zu ermöglichen, sich punktgenau zu ihrem Sitz lotsen zu lassen. Das Navigieren selbst erfolgt auf der Webseite oder in der App über Schnittstellen zu Google Maps, Apple Maps, Waze, Bing Maps und Citymapper.
Und ja, die haben tatsächlich den gesamten Planeten gerastert, auch die Ozeane! Wir sprechen hier von rund 57 Billionen Quadraten. Die "Adressnamen" im Meer setzen sich allerdings ausschließlich aus englischen Wörtern zusammen, während die Rechtecke auf dem Festland neben Englisch auch wahlweise auf Deutsch (s.o.), Spanisch, Türkisch, Gujarati, Kasachisch oder mit Wortmaterial aus vielen anderen Sprachen angezeigt werden können; es handelt sich dabei nicht um die jeweiligen Übersetzungen. "Die englische Wortliste von what3words besteht aus 40.000 Wörtern [...] Jede weitere what3words-Sprache verwendet eine Wortliste mit 25.000 Wörtern zur Abdeckung der weltweiten Landfläche. Die Listen gehen durch mehrere automatisierte und menschliche Prozesse, bevor sie nach einem Algorithmus sortiert werden, der die Verwechslungsgefahr minimieren soll, und beleidigende Wörter werden entfernt." (Wikipedia)
Das Prinzip ist schon irgendwie genial, und ich wünsche what3words, dass es noch lange bestehen bleibt und stärker wahrgenommen wird. Doch wie zukunftsfähig ist es wirklich? Die bei Wikipedia angeführten Kritikpunkte leuchten ein: "Der alltägliche Nutzen des Systems ist gering. Ohne elektronisches Gerät können w3w-Adressen nicht lokalisiert werden, und der Abstand zwischen zwei w3w-Adressen kann nicht abgeschätzt werden. Dadurch ist es schwer, Fehleingaben von unbekannten Orten zu erkennen. Auch die einfache Merkbarkeit ist fraglich, da die Wortliste viele sinnähnliche und Pluralversionen mancher Wörter enthält. [...] Dadurch, dass entgegen der Behauptungen von what3words annähernd gleich klingende Adressen durchaus nur wenige Kilometer voneinander entfernt sein können und das System sprachgebunden ist, kann es für Fremdsprachler sehr schwer bis unmöglich sein, sie sicher zu unterscheiden." Ganz zu schweigen von dem nicht völlig undenkbaren Fall, dass in einer Adresse ein Wort ersetzt oder auch nur ein einziger Buchstabe geändert wird ...
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