Montag, 31. Juli 2023

Dinner time!

Via TYWKIWDBI: Wann wird in US-amerikanischen Haushalten zu Abend gegessen? Eine Berechnung auf Grundlage von Erhebungen des American Time Use Survey 2018 bis 2022 ergibt folgenden Graphen (ich hoffe, es ist okay, den hierher zu kopieren):


18 Uhr 19 als Spitzenzeit überrascht mich. Nach dem, was ich in amerikanischen Filmen und Serien gesehen habe, hätte ich vermutet, dass viel später diniert wird. Der Datensatz lässt sich nach Bundesstaaten aufdröseln; demzufolge versammelt man sich in Pennsylvania am allerfrühesten am Esstisch, durchschnittlich um 17 Uhr 37, was ein Kommentator im verlinkten Blog damit zu erklären versucht, dass es in Pennsylvania eine hohe Population von Amish ohne Strom gibt. Diese Annahme lässt sich mit Blick auf die nackten Zahlen kontern: In Pennsylvania leben zwar mit 23,7 % die meisten Amish der USA, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung des Staates beträgt aber nur 0,67 %, was sogar von Ohio (0,69 %) und Indiana (0,92 %) übertroffen wird, deren Essenszeiten im Mittelfeld liegen. Texas ist übrigens Schlusslicht (19 Uhr 02), geschlagen nur vom District of Columbia (19 Uhr 10). Über die Gründe kann man spekulieren. ("Is it an age thing? A sunlight thing?")

Gäbe es auf meinem Blog so etwas wie Publikumsinteraktion, würde ich jetzt fragen: Wie ist das bei euch, wann esst ihr Abendbrot? Überhaupt hätte ich gern entsprechende Daten für Deutschland.

Samstag, 29. Juli 2023

Bilder und Screenshots mit Unter- und Überschriften

Aktuelle Urlaubstips (fotografiert in Neu-Ulm)

Idee: Statt leere Dosen und "Frisch vermählt"-Schild diese Tuben ans Auto hängen, wenn man geheiratet hat:

Hass-Avocados waren gestern, jetzt gibt es


Verfügten sie beim Spiegel über ein My mehr Bildung und Humor, hätten sie geschrieben: "... weicht [...] von der Justizreform [...] kein Jod ab."

Angriff der Klonkrieger (fotografiert in Frankfurt am Main)

Wer nannte es Aufspaltung der Deutschen Bahn und nicht Zugteilung?

Vorsicht, dieses Bier verursacht Anal-Koliken!

Das waren am 24. Juli die zwei meistgelesenen Artikel der Berliner Zeitung. Verständlich!


Anders formuliert: Seitensprünge bald weniger riskant!

Manche Wortspiele sind reine "Ku"al.

Donnerstag, 27. Juli 2023

TITANIC vor zehn Jahren: 8/2013

Ladies and gentlemen, wir haben ein Sommerloch! Diese Ausgabe ist, um das vorwegzunehmen, kein Fehlschlag, doch merkt man fast jeder Seite an, dass aufwühlende Themen und Debatten rar gesät waren. Heutzutage unvorstellbar! Immerhin die "Schnüffelaffäre", die bereits im Juliheft ihren Schatten sozusagen vorausgeworfen hatte, schien genug Momentum aufgenommen zu haben, um den Titel (Idee: Stefan Gärtner) zu stemmen.


Entsprechend schwer taten wir uns damit, einen Aufmacher aus der Taufe zu heben. Es wurde auf den letzten Drücker ein recht zielloses "Heft im Heft", die "Bunte Politik Edition" (S. 13-17), die Michael Ziegelwagner und ich in chaotischer Zusammenarbeit erstellten (bemerkenswerterweise mein einziger Beitrag in diesem Monat abgesehen von der Aboanzeige und einem winzigen Kasten in "55ff"!). Na ja, beim Wiederlesen musste ich gerade doch ein paarmal schmunzeln.


Mit Edward Snowden, welcher in dieser Ausgabe mehrmals auftritt, war zumindest das Thema Whistleblower als internationaler Aufreger von Relevanz. Auf S. 28-31 gab es dazu einen an Dürrenmatts "Physiker" angelehnten Dramenauszug von Tietze/Wolff:


Die sonstigen Themen: Grundsteinlegung des Berliner Stadtschlosses (Foto des Monats, S. 22f.), Protest-Sommer (Türkei, Brasilien, Ägypten, Syrien; okay, ich gebe zu: Es war doch einiges los in der Welt), Beginn der Bundesliga-Saison und natüüürlich die kommende Bundestagswahl, wozu es neben einer politischen Umfrage (S. 24f.) und einem weiteren "Der Unglaubliche Ulk"-Comic (S. 34f.) eine hübsche Doppelseite anlässlich eines Moments auf dem SPD-Parteikonvent gab, bei dem Gertrud Steinbrück ihren Mann mit Erinnerungen an gemeinsame Scrabble-Runden zu Tränen gerührt hatte. Das hier ist keine Fotomontage, sondern wurde in liebevoller Handarbeit auf dem Balkon der alten Redaktionsvilla gelegt:


Noch liebevoller wurde der Fuß auf der "55ff"-Titelseite von Sebastian Klug zurechtgemacht: mit Miniaturschlafmützen. Dafür erhielten wir sogar briefliches Lob von einer Leserin, wobei man sich als gnadenlose Satiriker freilich fragen muss, ob man alles richtig macht, wenn man Zustimmung für dezidiert niedlichen Humor einheimst, haha.


Aber S. Klug beherrschte ja auch härtere Klaviaturen und tobte sich auf den Seiten 36 bis 37 provokant-vulgärst über "Die graue Lust" aus: "Sex im Alter ist die größte Perversion des Menschengeschlechts. Sie war es schon seit jeher und wird es immer sein."

Mein Highlight kommt, wie so oft, zum Schluss, nämlich in der Rubrik "Der letzte Mensch", die hier unter dem Alternativtitel "Der liebste Mensch" erscheint und ein "Making of Tom Hintner" enthält. Sehr insiderig und sehr, sehr on point; ich höre beim Lesen jeder Zeile Toms Stimme, die Zitate dürften zu 90 Prozent O-Töne sein. Fischer/Ziegelwagner: "Tausende Arbeitsschritte sind nötig, um aus einem gesunden deutschen Baum eine TITANIC zu drechseln. TITANIC-Grafikchef Tom Hintner leistet jeden Monat zwei oder drei davon. Der umstrittene Kleinkünstler, Politclown und mehrfach vorbestrafte Familienvater über ein Heft, dessen Konzeption er in der Konferenz verschlafen hat".


Weiteres Notierenswertes
- Umschlagseite innen (sog. U2): eine der besten Anzeigenparodien des Jahres; eine Schande, dass ich mich gar nicht mehr an sie erinnern konnte.
- Schon im Editorial wird deutlich, wie kopflos und "Spitz auf Knopf" in jenen Wochen gearbeitet wurde: "Gemeinsam mit mir stehen Sie nun vor dem ersten komplett konzept- und inspirationslosen Editorial. Statt wie sonst weite Bögen zu spannen, das Unwichtige vom Belanglosen zu trennen und Ihnen tüchtig das Gehirn zu waschen, muß ich, gleich Ihnen Opfer dieser journalistischen Extremsituation, hilflos Satz an Satz montieren – ohne selbst zu wissen, worauf ich eigentlich hinauswill. Gleichwohl: Schauen wir mal, wohin uns dieses kleine Textabenteuer führt, lassen wir uns ein auf das Wagnis des automatischen Schreibens!"
- Weird und unerwartet: Dietmar Dath "[z]um Tode des Profi-Emanzipanten Nelson Mandela" (S. 11)
- David Schuh über Georg Diez von "Spiegel online" (S. 58f.): "wer so fragt, will keine Antworten, sondern pseudospekulativ bigstylen, durch Verquastheit Intellekt und durch Totaldeutung Totalkompetenz suggerieren; ein trostloser Bluff, der erstaunlich oft funktioniert."
- Ah, die "TITANIC-Bibel" erschien im September 2013, wie ich einer Werbeanzeige dafür entnehme!

Schlussgedanke
(entfällt wg. Sommerloch)

Dienstag, 25. Juli 2023

Es heißt ja nicht "künstlerische Intelligenz"

Eine auf Reiseschnäppchen und Billigflüge spezialisierte Webseite hat vergangene Woche einen Beitrag veröffentlicht, dessen Überschrift mein Interesse weckte, steht doch das darin vorgestellte Land schon länger auf meiner Traumzielliste: "Äthiopien: Welche Gründe gibt es, das Land zu besuchen?" Beim Lesen wurde mir dann klar: Dieser Beitrag wurde von einer KI geschrieben ... und zwar nicht gerade gut. Schauen wir uns mal ein paar Passagen an.

1. Historisches Erbe: Äthiopien hat eine reiche Geschichte, die bis ins antike Äthiopien zurückreicht.

Ja, Mensch! Als Laie hatte ich geglaubt, die Geschichte Äthiopiens reiche gerade mal bis ins mittelalterliche Äthiopien zurück, aber sie reicht sogar bis in die graue Vorzeit zurück:

Es ist die Heimat einiger der ältesten menschlichen Fossilien, darunter das berühmte Lucy-Skelett. Das Land hat auch eine beeindruckende Sammlung von historischen Stätten wie die Felsenkirchen von Lalibela, die Ruinen von Aksum und die Schlösser von Gondar. [...]

3. Naturschönheiten: Äthiopien ist ein Land mit atemberaubenden Naturlandschaften. Es beherbergt den höchsten Berg Afrikas, den Mount Äthiopien,

Hä?

sowie den größten See des Landes, den Tana-See.

Welch glücklicher Zufall, dass der größte See des Landes im Land selbst liegt!

4. Kulinarische Erfahrungen: Äthiopische Küche ist bekannt für ihre Vielfalt und Geschmack. In Äthiopien können Besucher traditionelle Gerichte wie Injera (eine Art Fladenbrot), Doro Wat (ein würziges Hühnchen-Curry) und Kitfo (rohes Rindfleisch) probieren. Es ist auch ein Land, das für seinen Kaffeeanbau bekannt ist, und Besucher können die traditionelle äthiopische Kaffeezeremonie erleben.

Äthiopische Küche: bekannt für Geschmack. Es folgt ein neuer Abschnitt, in dem es plötzlich um ... Argentinien geht?

Was kosten Hotels und Essen in Argentinien?

Hm, vielleicht hat hier der Seitenbetreiber/Redakteur geschusselt. Menschlicher Eingriff, der allerdings nur verschlimmbessert, ist auch an anderen Stellen zu erkennen (Zwischenüberschrift: "Zur Bilde-Galerie von Äthopien"). Aber gut, weiter mit der Kostenfrage:

Die Kosten für Hotels und Essen in Äthiopien variieren je nach Standort und Art der Unterkunft bzw. des Restaurants.

Wow, das kennt man ja aus keinem anderen Land der Welt.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass Äthiopien eine reiche kulinarische Tradition hat, insbesondere mit Gerichten wie Injera (einem sauren Fladenbrot) und Doro Wat (einem würzigen Hühnereintopf). Diese Gerichte sind oft preiswert und können ein einzigartiges kulinarisches Erlebnis bieten.

Das hatten wir schon, aber wenn es wichtig zu beachten ist ... Und immerhin lernt man was. Es folgen allgemeine "Tipps" zu Flugbuchung und Reisezeit sowie eine kleine Liste mit UNESCO-Welterbestätten ("Welche UNESCO Kulturerbe gibt es in Äthiopien?"):

2. Die historische Stadt Aksum: Aksum war einst das Zentrum des mächtigen Aksumitischen Reiches und beherbergt beeindruckende Ruinen und Stelen, darunter die berühmte Obelisk von Aksum.

3. Die archäologischen Stätten von Tiya: Diese Stätten umfassen eine große Anzahl von Stehlen mit mysteriösen Gravuren, die als Grabstätten dienen.

4. Der Simien-Nationalpark: Dieser Nationalpark ist bekannt für seine atemberaubende Landschaft, einschließlich der Simien-Berge, und beherbergt eine Vielzahl von endemischen Tierarten wie dem äthiopischen Wolf und dem Walia-Ibex.

Den Satz hinter Punkt 3 würde man einem Grundschüler um die Ohren hauen. Nun gut, ChatGPT & Co. stecken ja auch noch in den Kinderschuhen, deswegen drücken wir ein Auge zu. Dass Punkt 6 identisch mit Punkt 1 ist, fällt schon stärker ins Gewicht ("Die Felsenkirchen von Lalibela: Diese beeindruckenden Kirchen wurden im 12. Jahrhundert aus dem Fels gehauen und sind ein wichtiges Pilgerziel für äthiopische Christen.").

Halten wir fest: Dieser Artikel, der Lust auf Äthiopien machen und hilfreiche Ratschläge mit Aha-Faktor liefern soll, ist nichts als eine grobe Aufzählung von oberflächlichst "recherchierten" Fakten, unter die sich sogar reiner Blödsinn geschlichen hat ("Mount Äthiopien"), und der Stil ist mit dröge noch gnädig beschrieben (fünfmal findet sich die Wendung "Besucher können", viermal das Attribut "beeindruckend", 5x "Vielzahl", 5x "beherbergen"). Warum sollte ich so einen Beitrag lesen? Er ist nicht schön, er fesselt nicht, er setzt mir lieblos eine Handvoll Wikipedia-Schnipsel vor, die ich auch kriege, wenn ich einen modernen KI-Bot direkt konsultiere – was gewiss praktisch und noch immer ein bisschen magisch ist. Den Journalismus und Berufsschreiberei als solche, sofern diese Bereiche noch einen Rest ihres traditionellen Selbstverständnisses haben, sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt hingegen nicht bedroht.

Sonntag, 23. Juli 2023

Das gute Sonntagsvideo

"Woah, woah, woah, jetzt auch noch ein Sonntagsvideo?" Ganz recht, denn diese Ausgabe meiner losen Kreuzworträtsel-LP-Reihe ist nicht weniger als ein Meilenstein. Aber seht selbst:

Samstag, 22. Juli 2023

Das gute Samstagsvideo

Schon wieder ein Samstagsvideo?! Ja-ha, und dieses zu teilen, liegt mir besonders am Herzen, ist es doch das erste Adventure, das ich (blind) let's-playe! Es handelt sich um Lost in Time, das bei Erscheinen 140,- DM gekostet hat, auf CD-Rom bzw. auf 12 Disketten erschien und in deutschen Spielemagazinen nicht eben Top-Wertungen einfuhr; den Rest erzähle ich im Video. Eine Playlist gibt es auch wieder.

Donnerstag, 20. Juli 2023

In the news: (Mir) unbekannte Inseln

Zwei Artikel auf "Spiegel online" erregten diese Woche wegen ihrer Insel-Thematik meine Aufmerksamkeit:

1.) Ein Inselparadies, das ohne Touristen auszusterben drohe, wurde, leider hinter der Bezahlschranke, portraitiert. "Vor der Küste von Mauke tanzen die Wale, und jede Urlauberin wird mit einem Blumenkranz begrüßt. Unsere Autorin entdeckt eine entschleunigte Insel, die ums Überleben kämpft." Mauke, das liest sich erst mal wie der Singular des brandenburgisch-berlinerischen Dialektwortes für "Füße", ist aber nach mündlicher Überlieferung der polynesischen Eingeborenen die "Insel von Uke", i.e. des legendären ersten Siedlers, weswegen ich für die alternative Schreibung Ma'uke plädiere. Die vormals auch als Akatokamanava oder Parry's Island bekannte Insel gehört zu den Cookinseln, und der im "Spon"-Vorspann erwähnte Blumenkranz wird aus den Blättern eines lokalen Gewächses namens maire geflochten. Die eis genannten Kränze gehören zu den wenigen Erfolgsschlagern des Eilands und werden sogar nach Hawaii exportiert, wo sie als leis um allerlei Hälse gehängt werden. Diese Informationen habe ich einer Seite mit der verwunderlichen Adresse www.ck entnommen.

2.) Nach einem grausigen Kampf zwischen rivalisierenden Banden in einem Gefängnis in Honduras, bei dem 46 weibliche Mitglieder ums Leben kamen, äußerte die honduranische Präsidentin Xiomara Castro einen radikalen Vorschlag: "Auf der Inselgruppe Islas del Cisne, rund 155 Meilen vor der Küste, soll demnach ein isoliertes Gefängnis für etwa 2000 Bandenführer entstehen." Die Islas del Cisne ("Schwaneninseln") sind ein aus drei Inseln bestehender Archipel im Karibischen Meer, der während der Kubakrise durch einen Piratensender und den Konflikt um die Schwaneninseln in die Geschichtsbücher einging. Nach dem Guano Island Act waren die "Swan Islands" nämlich ab 1856 von den USA beansprucht worden, bis diese ihren claim 1971 fallen ließen und der Archipel ein Jahr später offiziell an die spanischsprachige Republik überging. Ihre sowohl kommunikative als auch räumliche Abgeschiedenheit – die Anreise per Boot dauert einen Tag, Kontakt ist nur via Satellit möglich – prädestiniere die unbewohnten Inseln für die Unterbringung schwerstkrimineller Strippenzieher. "Die Idee ist, dass sie den Kontakt zu allem verlieren, den Kontakt zur gesamten Gesellschaft und dass sie wirklich für ihre Verbrechen bezahlen", zitiert "Spiegel online" den Chef der nationalen Streitkräfte.

Dienstag, 18. Juli 2023

Alle unter einem Dach

Zum ersten Mal begegnete ich dem Konzept Simultankirche in Heidelberg. Die heute evangelische Heiliggeistkirche wurde bis 1936 von Katholiken und Protestanten paritätisch genutzt (man spricht auch von einer "paritätischen Kirche"), die beiden Bereiche wurden von einer Scheidemauer voneinander getrennt. Mehr Kirchen in Deutschland, als man denkt, dienten lange Zeit der Ausübung beider christlicher Glaubensrichtungen, und eine stattliche Zahl von Simultankirchen existiert nach wie vor. Die ersten Gotteshäuser, die zu Simultankirchen wurden, taten dies im Zuge der Reformation, viele kamen am Ende des zerstörungsreichen Dreißigjährigen Krieges und danach hinzu. Nicht als Simultankirchen gelten dabei solche Gotteshäuser, die einen einzigen Besitzer haben, aber von einer anderen Konfession mitgenutzt werden. Ein Beispiel ist die Mennonitenkirche in Worms-Ibersheim, welche der angestammten Mennonitengemeinde gehört und zugleich von der evangelisch-unierten Kirche Hessen-Nassau genutzt wird.

Rheinland-Pfalz ist ein gutes Stichwort: In keinem Bundesland gibt es mehr Simultankirchen, 29 der insgesamt 64 stehen hier. In Sachsen gibt es gerade mal eine, dafür aber auch die älteste und größte, den St.-Petri-Dom zu Bautzen. Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Hamburg, Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein haben gar keine, wobei die thüringische Kirche St. Bonifatius in Bechstedtstraß (Landgemeinde Grammetal), soweit ich das sehe, diejenige Simultankirche im gesamtdeutschen Gebiet war, deren paritätischer Betrieb als letztes eingestellt wurde, nämlich 1972. Es war zugleich die Kirche mit dem spätesten Beginn einer Simultannutzung: 1946. Die einzige Simultankirche im Saarland, die Stephanuskirche in Böckweiler, ist ein Beispiel für leichtes Ungleichgewicht: Das Bistum Speyer darf für seine katholischen Schäfchen gerade mal acht Sonntagsgottesdienste pro Jahr abhalten, der Rest steht der Evangelischen Kirche der Pfalz zu. Die Abteikirche Otterberg in Rheinland-Pfalz wiederum kann von sich behaupten, zeitweise von nicht weniger als vier Gemeinden beansprucht worden zu sein: der französisch-reformierten, der deutsch-reformierten, der lutherischen sowie der römisch-katholischen.

Eine Extremform der gleichzeitigen Nutzung war das Simultaneum mixtum, das zwischen 1650 und 1850 ausschließlich in Goldenstedt im Landkreis Vechta existierte: Die Kirche St. Gorgonius wurde nicht nur sowohl von Protestanten als auch Katholiken genutzt, auch die Gottesdienste für beide Ausrichtungen wurden simultan gefeiert! Die skurrilen Regularien für das Haus unter dem Simultaneum mixtum sind detailliert in Band 2 von Carl Ludwig Niemanns Das oldenburgische Münsterland in seiner geschichtlichen Entwickelung von 1891 nachzulesen. Auszug:

Unter dem Hochamte durften die Katholiken keine katholische Lieder aufführen, sondern der luth. Küster sang unter demselben blos mit seiner Gemeinde unter Begleitung der vom kath. Lehrer gespielten Orgel luth. Lieder. Diese Lieder waren ein für allemal festgesetzt und "simultanen Charakters". Nur was dem Priester beim Hochamte zu antworten war (Et cum spiritu tuo etc.), sangen die Katholiken. Bei der Postcommunio wählte der Küster ein beliebiges, meist specifisch lutherisches Lied. Hatte der Pastor den Kelch zugedeckt, so mußte der Gesang aufhören, wenn auch die Gemeinde mitten im Verse war. Des Friedens wegen ließen die Pastöre den Gesang meist erst endigen. Die Wahl der Lieder vor und nach der Predigt war dem Belieben des Küsters anheimgestellt. Hatten mal konfessionelle Streitigkeiten in der Gemeinde stattgefunden, dann wurden mit Behagen Kampfeslieder gesungen.

Mich erinnert das an großelterliche Erzählungen von überfüllten Klassenzimmern, wo ein Lehrer oder eine Lehrerin mehrere Jahrgangsstufen gleichzeitig zu unterrichten hatte und sich vor den nach Klasse und Fach getrennt sitzenden Schülern hin und her bewegen musste, dabei permanent den Stoff wechselnd. Bleibt noch festzuhalten, dass seit 2021 jedes Jahr die "Simultankirche des Jahres" gekürt wird; heuer ist es St. Margareta in Frankenhof (Bayern). Außerdem gibt es unter dem Motto "Erleben. Erfahren. Entdecken." einen Simultankirchenradweg mit 51 Stationen: "Auf circa 400 Kilometern verläuft der Radweg durch herrliche Landschaften in den Landkreisen Amberg-Sulzbach, Neustadt an der Waldnaab, Tirschenreuth und der Stadt Weiden."

Sonntag, 16. Juli 2023

Süßer Paradigmenwechsel

"Aspartam gilt heute als sicher", schrieb ich 2015 im Rahmen meines kleinen Streifzugs durch die Welt der alternativen Süßungsmittel. Nun ja, was ist schon sicher? Neue Erkenntnisse, in diesem Fall: eine neue Einstufung, drängen Aspartam womöglich bald aus den Regalen oder wo immer Aspartam rumliegt. Aber mal halblang.

"Die neue Einstufung als 'möglicherweise krebserregend' für Aspartam stammt von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon. Sie gehört zur WHO. Die IARC veröffentlichte ihre Erkenntnisse am Freitag in der Fachzeitschrift 'The Lancet Oncology'. Sie sah in drei Studien mit Menschen begrenzte Hinweise auf einen Zusammenhang mit einer bestimmten Form von Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom)." So die FAZ (abgerufen auf faz.net am 14. Juli). Nun der springende Punkt: "Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ändert ihre Richtlinien trotz der neuen Einstufung nicht." Und: "Die IARC-Fachleute beurteilen nur, ob ein Stoff im Prinzip Krebs verursachen könnte. Sie berücksichtigen nicht, wie viel davon ein Mensch zu sich nehmen müsste, um ein Krankheitsrisiko zu haben, erklärte Mary Schubauer-Berigan. Sie leitet das für die Einstufung zuständige IARC-Monographs-Programm." Mitglieder eines gemeinsamen Expertenkomitees von WHO und Welternährungsorganisation "betonten, dass die bisher geltenden Grenzwerte für den täglichen Konsum auch weiter sicher seien", ergänzt die Süddeutsche.

Conclusio: Ruhe bewahren! Solange man sich weder kellenweise Aspartam in den Kopp schüttet noch vorsorglich auf "Zucker only" setzt, braucht man keine Angst vor Krebs zu haben. Doch, muss man natürlich trotzdem, aber Maßhalten ist hier wie so oft nicht der falscheste Weg.

Mittwoch, 12. Juli 2023

Let's talk about Zack

Ich war spätestens mit "300" ein Fan von Zack Snyder. Ich hatte sogar schon sein "Dawn of the Dead"-Remake von 2004 im Kino gesehen und für gelungen erachtet, ohne der Regie irgendwelche Bedeutung beigemessen zu haben. (Das Drehbuch stammte übrigens von James Gunn! Hätte man damals schon ahnen können, dass hier zwei künftige Könige der Superhelden-Action zusammenarbeiten?) "Sucker Punch" musste ich im Kino sehen, tat ich auch und war begeistert. Beim Wiederschauen ca. zehn Jahre später war ich ernüchtert und konnte nicht recht einordnen, wie diese Musikvideo-Montage gemeint war (dazu gleich mehr). Mit Snyders DC-Schaffen befasste ich mich erst ab 2021: "Batman v Superman" konnte ich nicht viel, aber doch einiges abgewinnen, seinen "Justice League"-Cut empfand ich als Meisterwerk, "Man of Steel" steht bei mir weit oben auf der Watchlist.

Im hier schon mehr als einmal erwähnten und mittlerweile auf 1048 Seiten* angewachsenen "Something Awful"-Forenthread "Media that did not age well" ging es zuletzt um: Zack Snyder. Statt die schlauesten Erkenntnisse über diesen Mann zusammenzufassen, kopiere ich hier einfach mal mir aufschlussreich erscheinende Zitate hinein, inklusive verschiedener Gedanken zu Intention und Rezeption von "Sucker Punch". (Geringe Spoiler möglich.)

* Stand: 7.7.2023, 11:18. Ich habe alle gelesen, mindestens überflogen. Jemand sollte daraus ein Buch kompilieren!

You know what? I decided to rewatch Man of Steel, BvS and Snyder's version of Justice League this week and I'm really coming around on them.

Only rewatched the first two so far, but I like the idea that Snyder is just taking these characters and using them to build his own wagnerian epic. Some of those interpretations are weird (Batman being a lot more lethal) but they fit that very specific mythological vibe (Batman being basically an errant knight who needs to be brought back from madness).

It's not without faults, but it has a strong feeling of authorship that makes it unique. And it's much easier to love something that is overly self-serious if it is sincere.

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I really like parts of both films, but I think this is exactly why I don't think either film works. Their tone is too realistic, for lack of a better word, that the skin tight uniforms and bat ears feel just completely out of place. I still maintain that they would have been fantastic films as being just about super powered aliens coming to Earth, and formerly powerful people having to deal with that. Lose the baggage of superhero comics and you have a good tonally consistent story.

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Weird confession, but [Army of the Dead] is one of the few films that made me tear up a little. Which is kinda embarrassing. But watching that film while knowing what happened to Snyder and his wife in real life is fucking heartbreaking. The protagonist, the antagonist: all of them are driven because they want to do right for their children but fail miserably.

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The Snyder Cut absolutely wrecked me for this reason - it's entirely a film about parents wanting the best for their kid - Cyborg and his dad, Flash and his Dad, Supes and both of his dads. I watched it just after losing my dad and gaining a niece and a nephew, and with all that and the stuff Snyder had to deal with...damn, it's a proper gut punch. From everything I've seen of Snyder and the way he talks about life and film-making, he must have been a damn cool dad. I'm glad he got to finish it, and I hope it gave him some closure. 

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I watched sucker punch in theaters and still have no idea what I watched and why

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From the ad campaign, I'm going to say "schoolgirl uniforms and panty shots".

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As I understand it, that was the point of the movie - to get people in with that marketing and have the whole movie tell you that you, personally, suck for wanting to see that and making its plot about the psychological and sexual abuse that goes into making that kind of cinema (through metaphor, not as an exposé or anything).

I don't know if the end result made for a good movie necessarily but I respect the idea.

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I really liked Sucker Punch because it was a series of fun music videos.

The conceit was kinda gross but the movie was rad :shrug:

I don't get why everyone hates it so much. I think one generally only dislikes Sucker Punch if one is disappointed in it, and if one is disappointed in Sucker Punch, their expectations are bananas.

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I just don't think Zack Snyder is the guy to Make A Statement about sexist exploitation movies by making a sexist exploitation movie. I don't think it can't be done, but I also am fundamentally uninterested in his take on it.

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Like a lot of Snyder films, he does not believe in brevity. Except for Legend of the Guardians, that movie explains anti-facism pretty well in 100 minutes. Plus owls, so it owns

Ah! "Legend of the Guardians", hatte ich den nicht in meinem alten Blog kurzrezensiert? Und habe ich ihn seinerzeit schon als Faschismus-Parabel erkannt? Steigen wir ins Archiv hinab. Am 17.4.2011 schrieb ich dies:

Animationsfilme waren bisher nie mein Bier, lediglich die ersten zwei Toy Stories und Shrek habe ich gesehen. Zu einfach gestrickt schienen mir die Kassenschlager von Pixar und Dreamworks zu sein. (Bei dieser Gelegenheit muss auf diesen herrlichen Mini-Comic hingewiesen werden.)
Die Legende der Wächter hat mich dann aber doch interessiert, allein aus dem Grund, dass Zack Snyder Regie geführt hat, und von Zack Snyder ist ALLES gut (aktuelles Beispiel: Sucker Punch)!
In der Buchverfilmung von 2010 geht es um Eulen (normalerweise Nischentiere im Wald der Niedlichkeiten), genauer um zwei junge Brüder, die eines Tages mitsamt einer Reihe anderer Eulenkinder von einer mysteriösen Eulen-Gruppierung entführt werden, die sich "die Reinsten" nennt (= "Arier", is' klar, ne). Hoffnung besteht nur noch in Gestalt der sagenhaften "Wächter", von denen die alten Legenden erzählen.
Dieses Epos hätte ich gerne auf der Riesenleinwand gesehen. Eine derart fantastische Edeloptik ist mir noch nie untergekommen. Ist das mittlerweile Standard? An manchen Stellen erkennt man sogar die Handschrift des Regisseurs (Stichwort Ramping).
Der Film setzt so gut wie gar nicht auf Humor - obwohl es freilich auch den ein oder anderen comic relief gibt -, stattdessen präsentiert uns Snyder ein action-geladenes Abenteuer, das zugleich eine kindgerechte Parabel über die Sinnlosigkeit von Krieg und Elitenbildung ist. Unbedingt kucken!

Fazit: "Legende der Wächter" sei hiermit nachträglich empfohlen, "Sucker Punch" cum grano salis ebenfalls.

Montag, 10. Juli 2023

Geographisches Geständnis (fortges.)

Anfang 2015 sah ich mich gezwungen, öffentlich zuzugeben, die Stadt Mannheim jahrelang in Rheinland-Pfalz verortet zu haben, "dabei handelt es sich doch um die drittgrößte Stadt Baden-Württembergs" (Zitat ich).
Gestern nun war in Mannheim Oberbürgermeisterwahl (Wahlbeteiligung: 30 Prozent), heute schreibt "Spiegel online" darüber, und was lese ich da in der Oberzeile? "Zweitgrößte Stadt in Baden-Württemberg"! Tatsache: 2020 hat Mannheim Karlsruhe überholt, nachdem die Quadratestadt (in jedem Text über Mannheim muss dieses Synonym bemüht werden!) bis 2011 bereits die zweithöchste Einwohnerzahl aller Städte in BaWü gehabt hatte. Wer Genaueres, Staubtrockeneres wissen will: klick.
Ich fürchte, um dem Einschleichen weiterer Mannheim-Falschinformationen zuvorzukommen, muss ich der Stadt noch in diesem Jahr einen ausgiebigen Besuch abstatten. Freilich hat es mich in der Vergangenheit schon nach Mannheim verschlagen, in der Regel jedoch nur zwecks Zugumstieg, ein-, zweimal auch anlässlich einer Veranstaltung. Jetzt ist es aber Zeit für eine intensivere Erkundung. Die Bundesgartenschau wurde mir kürzlich wärmstens empfohlen.

PS: Gutscheine für die Kinokette Cinemaxx sind in allen Häusern gültig, außer in Mannheim. Das hatte ich schon mal gelesen, zufällig wurde ich erst letzte Woche erneut daran erinnert.

Donnerstag, 6. Juli 2023

Throwback Thursday: Meedia

(Das wird jetzt weniger ein Throwback als vielmehr ein Abgesang, aber heute ist halt Donnerstag, darum die Überschrift.)

Es war einmal ein Online-Portal, das hieß "Meedia" und gehörte in jenen Tagen, da ich noch berufshalber wie privat von Debatten, Journalismus und Debattenjournalismus begeistert war, zu den ersten Webseiten, die ich Morgen für Morgen als erste ansteuerte. In Sachen Medien war es für mich fast so wichtig wie das "BildBlog". Wollte ich was über neueste Entwicklungen erfahren, Titelbilder aktueller Zeitschriften sehen, eine kundige Kolumne lesen oder mir eine quotenträchtige TV-Sendung zusammenfassen lassen, surfte ich bei "Meedia" vorbei, wie man schon damals nicht mehr sagte.

Irgendwann Mitte/Ende der Zehnerjahre wurden die Schwerpunkte der Seite jedoch von Grundauf verlegt. Statt um Inhalte von Presse, Funk und Fernsehen ging es plötzlich ausschließlich um Zahlen und Personalien. Und geht es auch heute noch. Ja, meiner frischesten Erinnerung zufolge spielen sogar Medien selbst nur am äußersten Rand eine Rolle, der Fokus liegt nun auf PR, Marketing und vielerlei, von dem ich nichts verstehe. Ich gucke aus Neugier mal wieder rein. Hier sind die Überschriften der Top-Artikel von heute:

- "People Experience. Wie das Employer Branding made by Castenow funktioniert"
- "
Diversified Agency Services. Omnicom übernimmt Grabarz & Partner"
- "
Doris Brückner übernimmt die Chefredaktion von VIP.de"
- "Streaming-Studie. CTV-Werbung macht Marken moderner"
- "Alexander Nagel ist neuer Creative Lead bei Serviceplan Make"
- "Pitchgewinn. M&C Saatchi wird Sponsoring-Agentur für Porsche"

- "
Anneli Bergström rückt zur neuen CFO der BBDO Group Germany auf"
- "
PHD Germany befördert Andreas Schmitt und Lukas Pietrowski"

Hä? Also, es ist ja schön für Meedia, dass die Seite sich noch halten kann und offenbar ihre Zielgruppe hat, aber zu der gehöre ich definitiv nicht (mehr). Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass noch immer eine Rubrik "Medien" existiert, die zwei meistgelesenen Beiträge darin stammen allerdings vom April resp. Februar dieses Jahres! Einen Bezahlbereich gibt es auch; der am häufigsten aufgerufene Plus-Artikel ist die Meldung über den Chefredaktionswechsel bei Bild im März 2023. In das seit einer Weile dazugehörige (E-)Magazin habe ich noch nie geschaut, die Cover machen aber den Eindruck, dass sich dort ebenfalls alles um Werbung, Geschäfte und Branchen-Interna dreht.

Bei Wikipedia erfahre ich, dass das Elend vor gut vier Jahren begann: "[Z]um 1. Februar 2019 wurde Meedia an den Verlag Busch Glatz, ehemals G+J Entertainment Media, verkauft. Timo Busch stellte Meedia neu auf, holte Matthias Oden als Chefredakteur und verlegte den Redaktionssitz von Hamburg nach München." Zuvor, 2013, war Meedia an die Verlagsgruppe Handelsblatt verkauft worden, damit waren die Weichen wohl schon gestellt. Sollte es in Zukunft eine abermalige Neuausrichtung geben, surfe ich eventuell vorbei, wie man dann – ironisch – wieder sagen wird.

Dienstag, 4. Juli 2023

Betr.: Inflation, Ketchup, Bankomat, Simpsons

Die "gefühlte Inflation" betrage in Deutschland 18 Prozent, wurde Mitte letzten Monats in der Presse verlautbart, die tatsächliche Inflationsrate für den Juni wurde nun auf 6,4 taxiert. Die Folgen der Teuerung, was Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs angeht, gelingt es mir nach wie vor zu umschiffen, denn glücklicherweise habe ich Zeit und Geduld, Sonderangebote zu recherchieren und Preisvergleiche anzustellen (wenn auch neuerdings überwiegend digital).
In anderen Bereichen werde jedoch auch ich hin und wieder unvermittelt vom Preishammer getroffen. Ich komme gerade von der Apotheke und habe dort fast 20 Euro gelatzt: für eine gewöhnliche Packung 400er-Schmerztabletten (Nun gut, immerhin original Ratiopharm-Ibus. Wo sind die Zeiten hin, als einem standardmäßig das günstigere Generikum angeboten wurde?) sowie 10 Gramm eines Mundhöhlen-Gels, das ich für eine verletzte Stelle am Zahnfleisch brauche (Slogan: "Wund im Mund / Gesund im Mund").
Vorher habe ich Hemden zu meiner Stamm-Wäscherei gebracht. Hat ein Teil früher mit 1 Euro zu Buche geschlagen, kostet die Reinigung jetzt fast 2,- € pro Stück. Puh.

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Bei Rewe stand ich etwas unschlüssig vorm Ketchup-Regal, auch hier wieder Überlegungen zu Kosten und Qualität anstellend. Ein anderer Kunde, ein mittelalter Mann, rief mir zu: "Nehmen Sie bloß nicht Heinz! Der wurde neulich von Öko-Test mit der allerschlechtesten Note bewertet. Die Eigenmarke ist völlig in Ordnung, und Sie sparen auch noch Geld." Von dem Test hatte ich gehört, leider bin ich Heinz-Fan, so lange ich denken kann, und war auch jetzt wieder kurz davor, zur klassischen Heinz-Flasche zu greifen. Manchmal braucht man aber einen sanften Schubser, und so nahm ich die Sorte "Weniger Zucker" von Thomy mit.

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Eine ungleich unschönere, ja regelrecht erzürnende Erfahrung mit einem Mitmenschen musste ich vor einem Geldautomaten-Kabuff machen. Weil bereits eine Person zum Zweck des Geldabhebens darinnen war, wartete ich brav vor dem winzigen Raum, damit dieser nicht verstopft würde. Was aber macht jener Anzugtyp, der sich stracks von hinten nähert? Marschiert in die Bankomaten-Kammer und platziert sich ungeduldig hinter der darin noch sich betätigenden Person like he fucking owns that place! Man müsste solche Hirnis von Rechts wegen wie eine unartige Töle zurückpfeifen und mit "Hey, Männeken!" oder noch Despektierlicherem in die Schranken weisen, aber ich hielt natürlich die Klappe.
Diese Begebenheit lässt mich nach 13 Jahren noch derart rotsehen, dass ich sie endlich mal aufschreiben musste.

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Ich lese zurzeit das Sach- und Lachbuch "Springfield Confidential", einen herrlichen Wälzer, den der langjährige "Simpsons"-Autor und -Showrunner Mike Reiss gemeinsam mit Mathew Klickstein verfasst hat. Pflichtlektüre nicht nur für Anhänger der Serie, sondern für alle, die Einblicke in komisches Schaffen bekommen möchten! Einen handlichen Terminus lernte ich dadurch kennen: wacky stack. Darunter verstehen Schreibende "eine Ansammlung von irgendwie komischen Wörtern, von denen sie hoffen, dass am Ende ein Gag dabei herauskommt". Als Beispiel wird der Name des Springfielder Comicshops genannt: "The Android's Dungeon & Baseball Card Shop". Reiss: "Ich fand, es war gut genug, denn schließlich würde dieser Comicbuchladen ja nur ein einziges Mal im Blick sein." (nämlich in der Folge "Three Men and a Comic Book" von 1992) "Seitdem ist der Laden mit seinem doch nicht so witzigen Namen in Dutzenden von Folgen aufgetaucht. Es ist mir jedes Mal neu peinlich."
Wacky stack, das werde ich mir merken, auf dass ich nie einen baue.

Sonntag, 2. Juli 2023

Serientagebuch 06/23

01.06. Safe 1.07
Servant 4.01
02.06. Servant 4.02
Safe 1.08
03.06. Scrubs 4.17
05.06. Doctor Who (Classic) 12.2.1
Doctor Who (Classic) 12.2.2
Servant 4.03
Servant 4.04
07.06. Scrubs 4.18
Scrubs 4.19
Servant 4.05
08.06. The Marvelous Mrs. Maisel 5.05
The Marvelous Mrs. Maisel 5.06
12.06. Servant 4.06
14.06.
Doctor Who (Classic) 12.2.3
Doctor Who (Classic) 12.2.4
15.06. Servant 4.07
Servant 4.08
18.06. The Marvelous Mrs. Maisel 5.07
19.06. Servant 4.09
Servant 4.10
The Capture 2.01
The Capture 2.02
The Legend of Vox Machina 2.01
20.06. The Capture 2.03
Scrubs 4.20
21.06. The Legend of Vox Machina 2.02
22.06. Scrubs 4.21

Zwei Stoffe des schaffensfreudigen Thriller-Autors Harlan Coben waren mir bekannt: die Fernseh-Adaption "The Five" sowie ein Roman, dessen Titel ich vergessen habe. Erstere fand ich gelungen, Zweiteren ordnete ich eher als Stangenware ein. Sozusagen ins Stechen ging ich nun mit der auch schon wieder fünf Jahre alten britisch-französischen Co-Produktion Safe, an deren Entwicklung Coben als Ausführender Produzent beteiligt war. Mein Urteil: In keiner der acht Episoden kommt Langeweile auf, atemlos poltert die Handlung um ein verschwundenes Mädchen und deren ermordeten (?) Freund voran, wobei das Erfrischende ist, dass sich so mancher Cliffhanger und Twist wenig später in Harmlosigkeit oder einen red herring auflöst. Hauptdarsteller ist Michael C. Hall ("Dexter"), der hier trotz vermurkstem englischen Akzent eine würdige Performance abgibt.

Tja, nun ist Servant also auserzählt. Wohnte dem Grusler von Anfang an ein gerüttelt Maß an Abseitigkeit und Irrwitz inne, war die vierte Staffel vollends bananas, ohne dabei das bedrückende Grundthema der Lächerlichkeit preiszugeben. Psychospielchen und zwischenmenschliche Dramen wechseln sich ab mit blutiger Action und amtlichem Hitchcock-Tierhorror. Es geht um Abhängigkeit, Verrat, Manipulation. Die Foodporn-Szenen wurden deutlich zurückgeschraubt, was meinen Segen bekam, hatten sie doch als anfänglich neckisches Gimmick mit der Zeit ausgedient. Faszinierend ist, wie die Figurenkonstellationen sich verändert haben: Babysitterin Leanne hat nun die aktivste Rolle, hält die Zügel in der Hand und ist eindeutig als böse gekennzeichnet; villain ist sie dennoch nicht, vielmehr rootet man für sie, während man die Turners, die allesamt Opfer finsterer Machenschaften sind, irgendwann verabscheut. Ein cleveres Spiel mit Machtgefälle und Zuschauersympathie! Apropos finstere Machenschaften: An einem Punkt wird infrage gestellt, ob die vorangegangenen Geschehnisse wirklich nur mit Übersinnlichem zu erklären sind. Diesen Erzählmechanismus hat man zwar zuletzt im Werk von M. Night Shyamalan (der wieder, wie seine auch als Autorin eingespannte Tochter, Regie geführt hat) wiederholt vorgesetzt bekommen, hier verleiht er der urbanen Schauermär aber eine willkommene Würze auf den letzten Metern. Und ganz am Ende, so viel sei verraten, denkt man sich: Aha, es könnte also doch noch weitergehen! Falls nun aber definitiv Schluss ist, kann man von einer wahrhaft runden Sache sprechen. Ich glaube, ich habe es schon einmal geschrieben: Apple TV+ hat von allen Streamern die besten selbstproduzierten Serien.

Das Doctor Who-Serial "The Ark in Space" empfand ich leider nur als Hausmannskost. Es war zwar schön, mal wieder den Vierten Doktor (nebst Sarah Jane) zu begleiten, aber die Geschichte erinnerte mich zu sehr an die First-Doctor-Episode "The Ark", echte Spannung kam nie auf. Das knappe Budget war spürbar wie selten: Alles spielte durchgängig in einem Raumschiff (gähn!), und die Kulissen sowie die Kostüme (grün angemalte Ploppfolie!) waren nicht mehr bloß charmant behelfsmäßig, sondern trashig-billig. Ich habe gelesen, dass viele Fans diesen auch quotenmäßig respektablen Vierteiler hochhalten und vielmehr dem Film "Alien" vorwerfen, bei "The Ark in Space" abgekupfert zu haben, aber meins war's halt nicht.