Dienstag, 25. Juli 2023

Es heißt ja nicht "künstlerische Intelligenz"

Eine auf Reiseschnäppchen und Billigflüge spezialisierte Webseite hat vergangene Woche einen Beitrag veröffentlicht, dessen Überschrift mein Interesse weckte, steht doch das darin vorgestellte Land schon länger auf meiner Traumzielliste: "Äthiopien: Welche Gründe gibt es, das Land zu besuchen?" Beim Lesen wurde mir dann klar: Dieser Beitrag wurde von einer KI geschrieben ... und zwar nicht gerade gut. Schauen wir uns mal ein paar Passagen an.

1. Historisches Erbe: Äthiopien hat eine reiche Geschichte, die bis ins antike Äthiopien zurückreicht.

Ja, Mensch! Als Laie hatte ich geglaubt, die Geschichte Äthiopiens reiche gerade mal bis ins mittelalterliche Äthiopien zurück, aber sie reicht sogar bis in die graue Vorzeit zurück:

Es ist die Heimat einiger der ältesten menschlichen Fossilien, darunter das berühmte Lucy-Skelett. Das Land hat auch eine beeindruckende Sammlung von historischen Stätten wie die Felsenkirchen von Lalibela, die Ruinen von Aksum und die Schlösser von Gondar. [...]

3. Naturschönheiten: Äthiopien ist ein Land mit atemberaubenden Naturlandschaften. Es beherbergt den höchsten Berg Afrikas, den Mount Äthiopien,

Hä?

sowie den größten See des Landes, den Tana-See.

Welch glücklicher Zufall, dass der größte See des Landes im Land selbst liegt!

4. Kulinarische Erfahrungen: Äthiopische Küche ist bekannt für ihre Vielfalt und Geschmack. In Äthiopien können Besucher traditionelle Gerichte wie Injera (eine Art Fladenbrot), Doro Wat (ein würziges Hühnchen-Curry) und Kitfo (rohes Rindfleisch) probieren. Es ist auch ein Land, das für seinen Kaffeeanbau bekannt ist, und Besucher können die traditionelle äthiopische Kaffeezeremonie erleben.

Äthiopische Küche: bekannt für Geschmack. Es folgt ein neuer Abschnitt, in dem es plötzlich um ... Argentinien geht?

Was kosten Hotels und Essen in Argentinien?

Hm, vielleicht hat hier der Seitenbetreiber/Redakteur geschusselt. Menschlicher Eingriff, der allerdings nur verschlimmbessert, ist auch an anderen Stellen zu erkennen (Zwischenüberschrift: "Zur Bilde-Galerie von Äthopien"). Aber gut, weiter mit der Kostenfrage:

Die Kosten für Hotels und Essen in Äthiopien variieren je nach Standort und Art der Unterkunft bzw. des Restaurants.

Wow, das kennt man ja aus keinem anderen Land der Welt.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass Äthiopien eine reiche kulinarische Tradition hat, insbesondere mit Gerichten wie Injera (einem sauren Fladenbrot) und Doro Wat (einem würzigen Hühnereintopf). Diese Gerichte sind oft preiswert und können ein einzigartiges kulinarisches Erlebnis bieten.

Das hatten wir schon, aber wenn es wichtig zu beachten ist ... Und immerhin lernt man was. Es folgen allgemeine "Tipps" zu Flugbuchung und Reisezeit sowie eine kleine Liste mit UNESCO-Welterbestätten ("Welche UNESCO Kulturerbe gibt es in Äthiopien?"):

2. Die historische Stadt Aksum: Aksum war einst das Zentrum des mächtigen Aksumitischen Reiches und beherbergt beeindruckende Ruinen und Stelen, darunter die berühmte Obelisk von Aksum.

3. Die archäologischen Stätten von Tiya: Diese Stätten umfassen eine große Anzahl von Stehlen mit mysteriösen Gravuren, die als Grabstätten dienen.

4. Der Simien-Nationalpark: Dieser Nationalpark ist bekannt für seine atemberaubende Landschaft, einschließlich der Simien-Berge, und beherbergt eine Vielzahl von endemischen Tierarten wie dem äthiopischen Wolf und dem Walia-Ibex.

Den Satz hinter Punkt 3 würde man einem Grundschüler um die Ohren hauen. Nun gut, ChatGPT & Co. stecken ja auch noch in den Kinderschuhen, deswegen drücken wir ein Auge zu. Dass Punkt 6 identisch mit Punkt 1 ist, fällt schon stärker ins Gewicht ("Die Felsenkirchen von Lalibela: Diese beeindruckenden Kirchen wurden im 12. Jahrhundert aus dem Fels gehauen und sind ein wichtiges Pilgerziel für äthiopische Christen.").

Halten wir fest: Dieser Artikel, der Lust auf Äthiopien machen und hilfreiche Ratschläge mit Aha-Faktor liefern soll, ist nichts als eine grobe Aufzählung von oberflächlichst "recherchierten" Fakten, unter die sich sogar reiner Blödsinn geschlichen hat ("Mount Äthiopien"), und der Stil ist mit dröge noch gnädig beschrieben (fünfmal findet sich die Wendung "Besucher können", viermal das Attribut "beeindruckend", 5x "Vielzahl", 5x "beherbergen"). Warum sollte ich so einen Beitrag lesen? Er ist nicht schön, er fesselt nicht, er setzt mir lieblos eine Handvoll Wikipedia-Schnipsel vor, die ich auch kriege, wenn ich einen modernen KI-Bot direkt konsultiere – was gewiss praktisch und noch immer ein bisschen magisch ist. Den Journalismus und Berufsschreiberei als solche, sofern diese Bereiche noch einen Rest ihres traditionellen Selbstverständnisses haben, sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt hingegen nicht bedroht.

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