Dienstag, 30. September 2014

Das letzte urbane Abenteuer

Schon zweimal kam es vor, dass ich mir Dinge im Ausland bestellt hatte, diese aber vom Absender ohne vorschriftsgemäß sichtbare Deklaration über Wert und Art der Ware versandt worden waren (einmal das "Monty Python's Flying Circus"-Boxset, das andere Mal ein zusammengerollter Kunstdruck). Folge: Die Sendungen wurden vom Zoll einbehalten, und ich bekam die Aufforderung zugestellt, dass ich mich binnen 14 Tagen ebendort zu melden hätte. Ich musste mich in ein entlegenes, tristes Gewerbegebiet in Frankfurt-Fechenheim begeben, wo das Hauptzollamt Darmstadt (?!) seinen Sitz hat. In einem funktionalen Büro in einem jedwedem Anspruch staatsgewaltlicher Würde trotzenden Plattenbau musste ich die jeweilige Versandbestätigung vorlegen, mündlich vortragen, was in dem Päckchen zu finden sein würde, und dieses sodann mit einem leichtsinnigerweise ausgehändigten Teppichmesser vor den Augen der Beamten öffnen. In einem Fall war zudem ein Geldbetrag zu entrichten (ob Lagerungsgebühr oder Steuern, weiß ich nicht mehr). Die Zahlstelle setzte der Bürokratiemuffigkeit des schulsekretariatsähnlichen Zöllnerstübchens noch eins drauf: ein winziger Raum im Originalzustand von schätzungsweise 1978! Durch eine martialische Gelddurchreiche à la Postschalter mit Sicherheitstrennglas reichte ich das Geld. Quittung, danke! Das muss man mal erlebt haben. Nett waren sie jedenfalls alle.

Sonntag, 28. September 2014

Back home

Ich war in den vergangenen zwei Wochen im Urlaub. Alle Postings in diesem Zeitraum hatte ich voreingestellt. Man sehe es mir nach, dass ich einmal mehr auf eine unveröffentlichte Uraltgeschichte zurückgegriffen habe – deren letzten Teil ich wegen gleichzeitiger Hanebüchen- und Abgedroschenheit immerhin komplett entfernt habe ("origineller" Twist: Der Ich-Erzähler existiert nicht wirklich, sondern ist ein "brain in a vat").

Nun also wieder business as usual. Übrigens wurde in meiner Abwesenheit die 50.000-Besuchermarke geknackt.

Donnerstag, 25. September 2014

Stellen einer Ausbildung (Teil 4)

Das Haus, vor dem ich stand, wies verspielte Ornamente im gesamten Farbspektrum auf. Zudem waren die Dachgiebel mit allerhand Tonfiguren und Motiven aus der indischen Mythologie verziert. Als endlich die Tür aufgetan wurde, erschien eine schätzungsweise siebenundzwanzigeinhalb Jahre alte Frau. Hurtig verliebte ich mich. Vom Äußeren her entsprach sie in etwa meinen Vorstellungen der idealen Partnerin. Die vielzitierten inneren Werte mussten noch ergründet werden, ich malte mir aber diesbezüglich gute Chancen aus. Hauptsache, sie gehörte nicht der mir verhassten Kategorie der Diskoschlampen an, welche einen Großteil der Mädelfraktion meiner ehemaligen Schulklasse stellte. Ich hatte eher einen Zugang zu den verschwiegenen, zahnbespangten, sittlich integren Streberinnen aus dem Algebra-Club zur Ausprägung gebracht. Denn wisset, ihr Spötter: In früher Schulzeit noch introvertiert, blühen jene Geschöpfe allmählich auf und entfalten sinnliche Brillenschlangen-Erotik, gepaart mit Intelligenz und einem wohligen Wesen. Mit so einer ließ sich die Zeit auf angenehme Weise verbringen! Man könnte nach einem ausgedehnten Skilanglauf in ein uriges Schankhaus einkehren und bei Kaffee und Apfelstrudel über neuronale Netzwerke parlieren. Cousin Pontius hatte geringere Ansprüche: "Sie muss nur dumm genug sein, um gefälschten Schmuck nicht zu erkennen!"

Fräulein Lenhardt ließ all dies vergessen. Folgendes Gespräch entspann sich: "Guten Tag, ich bin Gerhard. Ich arbeite bei der Möbelpackfirma und habe eine Lieferung für Sie." – "Möbelpackfirma? Du? Was soll das heißen? Ich erwarte keine Lieferung." – "Ist das hier Indien?" – "Nein, nein. Das ist nur die indische Besatzungszone Deutschlands. Willst du reinkommen?" – "Es wär mir ein Plaisir!" Im Wohnzimmer ließen wir uns nieder. Ich erläuterte die Sachlage. Fräulein Lenhardt kuckte mitleidig und sagte: "Das ist bestimmt ein Missverständnis!" "Na schön, zur Klärung sollte ich meine drei Kollegen hinzuziehen", schlug ich vor, worauf das Fräulein erbleichte und schrie: "Nein! Alles, nur das nicht! Bleib, bitte, junger Gerhard, ich weihe dich in ein Geheimnis ein!" Ratlos hielt ich inne und wartete darauf, was sie zu sagen hatte. "Diese drei Männer stellen mir nach", seufzte sie. "Seit zehn Jahren sind sie mir auf den Fersen. Ich hätte nie geglaubt, dass sie meinen geheimen Aufenthaltsort aufspüren würden." "Aber woher kennen die Rowdys Sie?" "Komm mit in den Keller ... ich zeige es dir." Wir deszendierten, und Frl. Lenhardt kramte eine Pappkiste hervor, die etliche vergilbte Magazine barg. Ich staunte nicht schlecht, als ich las, um welche Publikation es sich handelte, nämlich die Zeitschrift Busen! Die Lenhardtsche zog wahllos ein Exemplar heraus und reichte es mir. Schamvoll blätternd entdeckte ich auf mehreren Farbfotos ... sie. "Das sind ja Sie!", rief ich aus. "Meine Güte, ich bin selber Konsument dieses Journals, aber Sie sind mir bis dato nie aufgefallen! Ich lese immer nur die Texte." "Ich war jung und brauchte das Geld", flüsterte die Frau, "außerdem wollte ich rebellieren. Da hab ich mich für dieses Schundblatt ablichten lassen. Seitdem sind die drei schwanzgesteuerten Machos Ebby, Ralle und Herr Spinne hinter mir her." Ich schaute mir das Impressum an und wurde vom nächsten Schlag getroffen: Herausgeber des Magazins war ... "Opa Waldemar!", keuchte ich. "Das ist die Graue Eminenz der Möbelpackerei. Er muss den dreien verraten haben, dass du in Indo-Deutschland lebst! Deswegen vergöttern sie ihn so!" Lenhardt winkte ab: "Der Alte hat mal ranzige Margarine gefressen ... Aber jetzt sollten wir die ungehobelten Kerle entsorgen. Mir nach, Gerhard!" "Da will ich gern behilflich sein!", rief ich.

Im Vorgarten schlummerten die Kollegen nach wie vor in ihren Röhren. "Die betonieren wir zu", riet Frl. Lenhardt. Binnen fünf Minuten war der Streich erledigt. Wir wuchteten die Litfaßsäulen in ihre natürliche Position, worauf aus dem Innern lautes Klopfen ertönte, was aber nach wenigen Stunden erstarb. Die junge Frau lud mich in ihr Eigenheim ein. Sie verriet mir sogar ihren Vornamen: Maximilia. "Süüüüß", jauchzte ich. "Darf ich hier wohnen?" "Hast du denn keine Freunde, Kleiner?" Ich klagte: "Leider nein. Meine einzigen Freunde sind Leela, Fry, Bender, Professor Farnsworth, Amy und Hermes." "Und was ist mit Dr. Zoidberg?", fragte Maxi. – "Ach", puffte ich, "den mag niemand. Aber ich bin ein Freund des Fernsehens." "Ich auch", erwiderte sie. "Was kommt denn gerade?" Ich sagte: "Entweder 'Arg sportlich für euch' oder 'In einer unteren Bildschirmecke sitzt ein Prominenter und kommentiert den hinter ihm auf einem Blue-Screen laufenden Filmbeitrag mit Biss und Humor'. Wir können aber auch Schach spielen. Für Sex bin ich noch zu jung." "Einverstanden", meinte Maximilia.

ENDE

Dienstag, 23. September 2014

Stellen einer Ausbildung (Teil 3)

Herr Spinne fuhr uns in die Agavenchaussee, wo die wohnungswechselnden Eheleute schon warteten. "Wo kommen Sie denn jetzt her, verdammt? Es ist 23 Uhr!", schimpfte Herr Beutelmüller. Ebby rülpste laut und griff dem Mann ans Schlafittchen. "Wir können auch wieder abdampfen, du Backpfeifengesicht! Dann kannste sehen, wo du neue Möbel herkriegst." "Genau!", warf Ralle ein. "Außerdem waren wir bei Opa Waldemar!" Da hatten die Beutelmüllers ein Einsehen. Nichtsdestotrotz gaben sie kein Trinkgeld, denn die Möbel waren allesamt zertrümmert. Auch die neue Erdgeschosswohnung des Ehepaars war größtenteils zerstört worden, als der Lastkraftwagen mit 100 Sachen hineingekachelt war. Ein herbeibeorderter Polizist konnte nur noch feststellen, dass der Grund für den Unfall das Fehlen einer Bremse war. Zusammen mit den Packern ging er dann einen trinken. Ich musste den Beutelmüllers noch beim Aufräumen helfen, ehe ich nach Hause gehen durfte. Erst vier Uhr früh lag ich auf meiner Couch und sah fern. Als die Sendung "Um Geld knobeln mit Spaß" vorbei war, schellte mein Wecker. Unter dem Sofa rollte Pontius hervor, nahm mich auf und lieferte mich abermals im Umzugsfirmencontainer ab.

Wie am Vortag hatte ich mich ins Schlepptau des klobigen Herrn Spinne nebst seinen zwei Lakaien Ebby und Ralle zu fügen. Dabei fiel mir auf, dass der Mann, der gestern noch Ralle geheißen hatte, mit "Ebby" angesprochen wurde, während der andere "Ralle" genannt wurde, obwohl ich jenen unter dem Namen Ebby abgespeichert hatte. Oder verwechselte ich die beiden? Möglich war's eingedenk meiner chronischen Verwirrtheit und des Schlafdefizits. "Auf zum Schwansteiner Platz!", blökte Herr Spinne. Wir gingen per pedes. Auf dem angekündigten Marktplatz herrschte reges Treiben, und der Chef erklärte: "Die Litfaßsäulen müssen mitgenommen werden. Beeilt euch aber, wir wollen nicht zu viel Aufsehen erregen!" "Was ist denn das für'n komischer Auftrag?", sagte ich. "Ich dachte, wir sind eine Möbelpackerei." Herr Spinne wurde fuchtig und zog mir die Ohren lang. Ich versuchte mich zu widersetzen, wies auf die offensichtliche Sinnlosigkeit unseres Tuns hin, aber Herr Spinne saß am längeren Hebel.

Insgesamt waren drei Säulen zu entfernen. Sie steckten in stählernen Verankerungen im Asphalt und konnten nur durch heftiges Rütteln und unter großer Kräftezehrung extrahiert werden. Am frühen Nachmittag nannte Spinne mir eine Adresse: "Hermelingässchen 60. Da müssen die Litfaßsäulen hingerollt werden! Ebby, Ralle und ich sind jetzt müde. Jeder von uns legt sich in eine Säule, und du rollst uns zum Bestimmungsort! Keine Widerrede! Verwende diesen Holzstab. Bis später." Ich wunderte mich, warum wir nicht erst Opa Waldemar besuchten, da hatten sich die drei Männer schon in ihren steinernen Schlafsäcken verkrochen. 

Wenn mich jemand sah, was musste der denken?! Ein halbwüchsiger Lehrling drischt mit einem Holzstecken drei vermeintlich leere Litfaßsäulen vor sich her! Welches Konzept sollte hinter so einer Aktion verborgen sein? Ich stieg nicht dahinter. Einerlei – ich hatte schweigen gelernt und erledigte meine Aufgabe verantwortungsbewusst. 16 Uhr 30 erreichte ich einen indisch anmutenden Landstrich, der als Hermelingässchen (in Devanagarischrift) ausgewiesen war. Ich hatte ohne Landkarte mein Ziel gefunden! So was lernt man in keiner Schule! Hausnummer 60 war schnell ausfindig gemacht, "Fräulein Lenhardt" wohnte dort laut Briefkastenbeschriftung. Ich läutete. Erst jetzt bemerkte ich das eigentümliche Odeur, das in der Luft schwebte und Nuancen von Pfeffer, Safran, Koriander, Curry, Kardamom und Ingwer zu enthalten schien. Schnuppernd sinnierte ich, ob ich tatsächlich auf dem indischen Subkontinent gelandet war.

Sonntag, 21. September 2014

Stellen einer Ausbildung (Teil 2)

Als ich erwachte, befand ich mich bereits auf dem Rücksitz der Droschke meines Cousins, der mich zu meiner Arbeitsstelle fuhr. "Guten Morgen", sagte er und reichte mir eine Thermoskanne, "du musst Kaffee trinken. Das gehört dazu. So beginnen wir Deutschen unseren Arbeitstag." "Und wie beenden wir ihn?", wollte ich wissen. – "Mit Bier." 'Das hört sich doch gut an!', frohlockte ich innerlich. Irgendwann bremste Pontius unvermittelt. "Hier musst du aussteigen!", rief er. "Geh in den schlammbespritzten Container!" Ich tat wie geheißen. "Guten Morgen", sagte ich, als ich den Container betreten hatte. Tätowierte Muskelpakete nickten mir zu. Einer von ihnen erhob sich von seinem Klappstuhl und ging auf mich zu: "Du bist der Neue, was? Ich bin Herr Spinne, dein Chef. Komm mit, wir fahren zum ersten Auftrag. Ebby, Ralle!! Einsteigen!" Wir stiegen in einen Lkw und fuhren los. Der Laster hatte keine Sitze, selbst der Fahrer musste stehen! Keiner von uns vieren sagte einen Ton, bis ich mich dazu durchrang, eine Frage zu stellen: "Wo fahren wir denn hin?" Die drei sahen einander an und brachen alsdann in schepperndes Gelächter aus. Fortan hielt ich mich geschlossen. 

Als es elf Uhr schlug, riss der Fahrer die Handbremse hoch und der Lkw machte einen heftigen Satz. Ein bisschen Kaffee wurde dabei verschüttet. "Alle raus!", rief Herr Spinne, und wir folgten ihm in ein kirschrotes Mehrfamilienhaus. Jetzt wurde mir klar, dass hier diejenigen wohnten, die heute umziehen wollten. Bevor wir die entsprechende Wohnung betraten, schmierten sich meine Kollegen ordentlich Matsch an die Stiefel. "Für die Teppiche", flüsterte Ralle zwinkernd. Dann gab er mir noch ein handbeschriebenes Blättchen, das ich lesen sollte: »SPIEL: Kaputtmachen → Lampe 10 Punkte, Aquarium 20 Punkte, techn. Geräte 50 Punkte, Haustier 100 Punkte, Geschirr je 5 Punkte.« Wir klingelten. Ein kleiner rundlicher Mann mit Glatze und Schnauzbart öffnete. "Hallo", sagte er, "kommen Sie rein. Mein Name ist Beutelmüller. Alle Möbelstücke im Korridor müssen in die neue Wohnung. Sie wissen ja, wo die ist. Meine Frau und ich fahren mit dem Kleinkram vor. Bis dann!" Er verschwand. Ich trug einen Ohrensessel nach unten. Die anderen taten nicht dergleichen, sondern begaben sich ins Badezimmer und urinierten. Es endete damit, dass ich sämtliche Möbeleinheiten alleine in den Lkw schleppte, wobei mir insgesamt dreimal die Beckenpfanne aus der Hüfte sprang. Abgekämpft betrat ich ein letztes Mal das Appartement und verkündete, dass wir aufbrechen können. "Gute Arbeit!", sagte Herr Spinne. Die Kollegen rauchten ihre Zigaretten zu Ende, zerschlugen die übrig gebliebenen Glühlampen und trotteten hinter mir her. "Auf zu Opa Waldemar!", brüllten sie wie aus einem Halse, als der Wagen losfuhr. Ich fragte lieber nicht, was das schon wieder zu bedeuten hatte.

Vor Erschöpfung und Gliederschmerz verlor ich kurzzeitig das Bewusstsein. Ich schreckte erst auf, als ich gegen die Windschutzscheibe knallte, weil der Laster einen gewaltigen Sprung machte. Ebby, der gefahren war, hielt die Handbremse in der Hand. "Ups, ich hab sie rausgerissen", feixte er. Vor einem baufälligen Jugendstilhaus waren wir zum Stehen gekommen. Diesmal halfen mir die drei Packer sogar beim Tragen. Als alle Möbel in der obersten Etage des muffigen Gebäudes aufgestellt waren, setzten wir uns auf den Boden. Ich hörte etwas quietschen. "Was ist das?", fragte ich. Leise antwortete Herr Spinne: "Das ist Opa Waldemar, unser Held. Er hat mal eine vier Wochen überlagerte Margarinedose ausgelöffelt." Und da kam er auch schon: ein freundlich blickender Mann im Rollstuhl. "Tach, Jungens. Hallo, Gerhard", sagte er. Verdutzt stotterte ich: "Äh, Sie müssen Opa Waldemar sein. Aber woher kennen Sie meinen Namen?" Die Männer kicherten frech. "Opa Waldemar weiß alles", erklärte Ralle. Ich wusste trotzdem nicht, was hier los war. "Und was machen wir mit den Möbeln?", erkundigte ich mich. Herr Spinne verdrehte die Augen. "Mensch, die bringen wir in die neue Wohnung der Beutelmüllers. Das ist doch klar!" "Aha", brummte ich, "aber wieso haben wir sie hier hoch getragen? Die hätten wir doch im Laderaum lassen können." Herr Spinne gab mir eine saftige Ohrfeige. "Werd nich' vorlaut, Bengel!", versetzte er. "Wir machen das schon seit Jahren so. Die Möbelstücke müssen immer zu Opa Waldemar!" "Genau", bestätigte Ralle, um darauf ehrfürchtig zu flüstern: "Opa Waldemar, der mal eine vier Wochen überlagerte Margarinedose ausgelöffelt hat ..." Ich blieb stumm, genau wie die restlichen Männer. So verharrten wir, bis es dämmerte. "Auf geht's!", schnalzte der Chef schließlich. Zur Strafe für meine vorangegangene Aufmüpfigkeit sollte ich den Laster wieder ohne Hilfe beladen. Mitleidig sah ich Opa Waldemar an. Der schüttelte aber nur den Kopf. "Nee, nee, Junge! Da musste durch", brabbelte er. Der Alte war mir unsympathisch. Vier Wochen alte Margarine – was war da schon Besonderes dran?

Freitag, 19. September 2014

Stellen einer Ausbildung (Teil 1)

(geschrieben im Mai 2005)

Pontius van der Liet ist für ein menschliches Wesen eindeutig zu groß. Die Angewohnheit, seine Gesprächspartner zur Wahrung des Blickkontakts mit seinen enormen Pranken zu packen und vor sein Gesicht zu halten, schreckt die meisten seiner Freunde ab – deshalb hat er auch keine. Im Moment befand ich mich in seinem stählernen Griff und starrte in glasige Augäpfel. Aber lassen Sie mich kurz ausholen.

Mein Name ist Gerhard von Smyrna. Ich bin, wie man an meinem Namen erkennt, adelig. Unter der grausamen Herrschaft meiner Eltern wuchs ich auf, bis diese beim Schnorcheln in der Adria in eine Schiffsschraube gerieten. Seitdem lebe ich unter den Fittichen meines ebenfalls adeligen Cousins Pontius. Zum Beginn dieser Geschichte war ich fünfzehn Jahre alt und es ging mir gut. (Am Ende der Geschichte war ich auch fünfzehn Jahre alt; sie erstreckt sich über eine nicht allzu lange Spanne.) Pontius ließ mich tun und lassen, wonach mir der Sinn stand, und dies war im Wesentlichen Faulenzen und Fernsehen. Nicht mal mein Zimmer ersuchte er mich aufzuräumen. Himmel, was war das vormals für ein Martyrium gewesen! Meine Eltern hatten mich sogar jedes Wochenende gezwungen, meine Tapeten zu wechseln.

Es war am frühen Abend, als ich auf der Couch lag und die Fernsehshow "Lachen muss sein!" anguckte. Man zeigte Ausschnitte aus einer inzwischen abgesetzten Show, in welcher wiederum Ausschnitte aus anderen Shows gezeigt wurden, die wiederum Shows zeigten, und so weiter ... Ich wusste gar nicht mehr, welche Ebene der Realität entsprach. Die Fernsteuerung greifend, murmelte ich: "Was für eine gottlose Kacke! Ich verschwende hier nur meine Zeit." In dem Moment kroch mein Cousin aus der Sofaritze und griff nach mir wie nach einem Welpen. "Du verschwendest deine Zeit?", raunte er. "Gut, dass du das endlich merkst!" Ich zitterte und fragte den Hünen, was er vorhabe. "Du musst endlich was Sinnreiches anstellen! Ich werde dir einen Ausbildungsplatz besorgen." Dann ließ er mich fallen und stolzierte zum Telefon. "Nein, nein, alles, bloß das nicht! Ich will nicht arbeiten! Nein!", schrie ich, doch es war zwecklos. Pontius kurbelte am Fernsprecher und rief begeistert: "So wirst du wieder Sonnenlicht sehen, Gerhard. Ich kann dein Nichtstun nicht länger ertragen. Wann warst du das letzte Mal in der Schule?" Ich zuckte mit den Achseln. Bildungserwerb hatte ich nach dem Tode meiner Eltern beizeiten verworfen. Erwachsene scheinen eine absonderliche Vorstellung von dem zu haben, womit man in der Schule vollgedröhnt wird. In Mathematik befasst man sich mit Zahlen, in Biologie steht ausschließlich Tierkunde auf dem Lehrplan, in Geografie muss man Hauptstädte lernen, und in Reli wird nur gebetet – derartige Klischees findet man in elterlichen Gehirnen! Ich erachtete mittlerweile den Fernsehapparat als unterschätzten Born des Wissens. Außerdem war ich sogar des Lesens mächtig. Meine Lieblingslektüre waren der Videotext vom Sport-Kanal und die Zeitschrift Busen.

Nach wenigen Minuten hängte Pontius den Hörer ein und pfiff mich herbei. "Ich habe mit dem Arbeitsamt gesprochen. Du wirst ab morgen als Möbelpacker arbeiten. Stell dir einen Wecker!" Möbelpacker?! Der Schock fuhr mir in die Glieder. "Du spinnst wohl?", rief ich aus und rannte bockig davon. Kopflos berief ich eine Eilkonferenz mit meinen Kuscheltieren ein. Der Hohe Rat beschloss, dass ich mich meinem Schicksal zu fügen hatte. Na toll! Jetzt war ich also Möbelpacker.

Dienstag, 16. September 2014

26 Kreuzworträtsel-Lösungen von gewisser Obskurität

  • Raum im niedersächsischen Bauerngehöft: Flett
  • Moorentwässerungsgraben: Lagg
  • Torfart: Darg
  • Stickunterlage: Aida
  • dünne Erdschicht: Krume
  • Vertiefstempel: Anke
  • Holzballen (süddt.): Tramen
  • Erdölrückstand: Masut
  • Ofen für Erze: Röste
  • Schleppkahn: Prahm
  • Sitzbank im Boot: Ducht
  • Achsnagel: Lünse
  • Schellfisch: Leng
  • wiegende Pferdegangart: Zelt
  • norddt. Sumpf, Moorland: Fenn
  • junger Stier: Farre
  • Art von Leuchte: Blaker
  • Leiterwagenleiste: Lisse
  • Pechkohle: Gagat
  • Gerstenkorn: Werre
  • Hering nach dem Laichen: Ihle
  • Sockel: Plinthe
  • Schulterstück: Passe
  • Bienenzüchter: Beutner
  • blauer Aufdruck auf Schecks: Azureelinien
  • Futterkrippe: Raufe

Sonntag, 14. September 2014

Der gute Sonntagslink

Spleen24 (Tumblr), ein Zwangsneurosenbeichtportal mit "So isses"-Faktor. Nicht von dem affigen Namen im Header ("Schlecky Silberstein") abschrecken lassen!


Freitag, 12. September 2014

Albernes zum Wochenschluss

Zehn Bücher, die mich nicht interessieren und die ich niemals lesen will ("Boring Book Challenge")

1. James Joyce - Ulysses
2. Ayn Rand - Atlas Shrugged
3. Joseph Conrad - Heart of Darkness
4. Joseph Goebbels - Meine geilsten Sprüche
5. Dr. Goethe - West-östlicher Darwinismus
6. Bastian Sick - Der Detlef ist dem Genitiv sein Tod
7. Thomas Mann - Mario und der Zauberberg
8. Theodor Fontane - Gesamtausgabe
9. Dale Carnagy - Sorge dich nicht, lobe (mich)
10. Sonya Kraus - Baustelle Musch

(aus einem sich zum letzten TITANIC-Redaktionsschlus und unter Alkoholeinfluss entsponnenen Facebook-Strang)

Betr.: Anti Aging, Fitness, Titel, Küchen

Ein Wellness- und Sonnenstudio in meiner "Hood" bietet folgendes Feature an: "Natural Anti Aging". Was das wohl ist: natürliches Nichtaltern? Von welcher Bizarro-Natur ist hier die Rede? Oder hat's dort eine Zeitmaschine?

-----


Ein Fitnessstudio wiederum wirbt mit dem Foto einer Frau, die Liegestütze macht. Wow, da muss ich mich anmelden! Die haben einen Fußboden!


-----


Die (irgendwie typisch deutsche) Angewohnheit, akademische Grade außerhalb von professionellen bzw. universitären Zusammenhängen zu verwenden, ist nicht nur höchst albern, sondern auch geeignet, unerquickliche Missverständnisse zu erzeugen. Als ich vor zwei, drei Jahren einmal, aus menschlicher Schwäche, beim Kauf eines Flugtickets im unnötigerweise eingebauten Menü "Titel" den mir zustehenden Namenszusatz wählte, hatte dies zur Folge, dass der Check-in-Mitarbeiter später in meinen Bordpass groß und deutlich "Doc" schrieb und einen Kreis drumherum zeichnete. Wenn es im Flugzeug zu einem medizinischen Notfall gekommen wäre, hätte man womöglich MICH in der irrtümlichen Annahme, ich sei Arzt, als Helfer herangezogen!!! (Offenlegung: Ich bin kein Arzt.)


-----

Eine meiner großen Lebensaufgaben ist es und wird es weiterhin sein, herauszufinden, ob die indische oder die thailändische Küche die beste der Welt ist. Jedes Mal, wenn ich etwas Indisches gegessen habe, denke ich mir: 'Uiii, die indische ist wirklich die beste Küche der Welt!' Dann schmause ich etwas vom Thai und bin augenblicklich überzeugt davon, dass der Siames' kulinarisch die Nase vorn hat. Die endgültige Entscheidung verkünde ich auf meinem Totenbett.

Dienstag, 9. September 2014

Lieblingsküchenzubehör


Im Friedrich-Ebert-Haus zu Heidelberg stehen drei Gefäße: "Sand PUNKT", "Soda PUNKT", "Seife PUNKT". Fast so schön wie die Punkte ist die Alliteration sowie die Existenz dieser unbedingt guzuheißenden Tassendreiheit an sich!
Hintergrund, soeben ergoogelt: "Noch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts war in jeder Küche üblich, dass oberhalb der Spüle ein Bord mit drei Gefäßen für Soda, Seife und Sand angebracht wurde: Soda zur Enthärtung, Seife zum Waschen und Sand zum Scheuern." (Quelle: eichwaelder.de, mit zahlreichen Abbildungen jener Geschirrteile; Triggerwarnung: Comic Sans!)

Sonntag, 7. September 2014

Fragen, die ich mir selbst stelle


Die Flasche, in der sich das Garnier-Shampoo "Natural Beauty Arganöl und Cranberry" (!) befindet, gibt an, dass jenes Shampoo ohne Parabene daherkommt, und zwar nicht nur einmal auf der Vorderseite, sondern gleich noch dreimal auf der Rückseite. Es scheint sich um eine wichtige Information zu handeln.


Was also sind Parabene? (Dies ist die heutige Frage, die ich mir selbst stelle.)
Bei "Beyer & Söhne" erfährt man: "Parabene sind eine Gruppe von Chemikalien, die als Konservierungsstoff in kosmetischen Produkten [...] eingesetzt werden." Sie sind der Struktur von "Östrogen sehr ähnlich. Da sie über die Haut aufgenommen (dermal absorbiert) werden, wird befürchtet, dass sie den Hormonhaushalt von Menschen durcheinanderbringen können. [...] Die gesundheitlichen Schäden können nur schwer eingeschätzt werden. [...] Eines scheint jedoch gewiss zu sein: Parabene lagern sich in unserem Körper an. [...] Das Bundesinstitut für Risikobewertung misst den Parabenen eine geringe Toxizität bei und verweist darauf, dass andere Konservierungsstoffe häufig ein deutlich höheres allergisierende Potential haben. [...] 4 Parabenarten wurden in Studien an Ratten untersucht. [...] Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät Kosmetikherstellern von einer Verwendung dieser Parabene ab." Wikipedia weiß auch etwas darüber zu sagen (Stand: 6.9.2014)

Kurzum: Dass in dem Shampoo keine Parabene enthalten sind, ist bestenfalls super, schlimmstenfalls unbedenklich, wahrscheinlich aber schlicht egal.

Freitag, 5. September 2014

Sprichwörter und Volksweisheiten - deconstructed

Ausnahmen bestätigen die Regel. Falsch! Jede Ausnahme macht die Regel ungültig. Wo kommwa denn da hin? Das widerspricht doch jeder Wissenschaftlichkeit.

Das geht runter wie Öl. Öl geht total schlecht "runter". Das musste ich erst letzte Woche wieder merken, als sich das Öl aus einer undichten Antipasti-Schale über meine Finger ergoss.

Gegensätze ziehen sich an. So so, und weshalb gibt es einen Spruch, der genau das Gegenteil besagt: "Gleich und gleich gesellt sich gern"?

Es gibt keine dummen Fragen. Schon mal einen Blick auf gutefrage.net geworfen?

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Hüstel, räusper, hust.

Scherben bringen Glück. Erzähl das mal allen, die in eine schmutzige Scherbe getreten und an Tetanus gestorben sind.

Morgen ist auch noch ein Tag. Stimmt gar nicht! Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass morgen ausnahmsweise kein Tag ist.

Geteiltes Leid ist halbes Leid. Klar, Leid ist ja wie ein Kuchen, weswegen zum Beispiel Hunger (wegen Kuchenmangel) kein Leidverursacher sein kann, denn wenn du dein Leid mit 842 Millionen anderen teilst, leidest du ja nur zu gut einem Achthundertzweiundvierzigmillionstel.

Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen! Ach was, das ist gar keine Weisheit mehr, seit Prokrastination zum Volkssport geworden ist. Außerdem: Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden. Alle Wege führen nach Rom. Si fueris Romae, Romano vivito more. Krass, wie viele Sprüche über Rom es gibt! (Drei.)

Man lebt nur einmal. Weiß man's?

Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln. Aus dieser Redewendung spricht der pure Neid. So etwas sagen gehässige Leute, die anderen nichts zutrauen und dann deren Erfolge auf unverdientes Glück zurückführen. Pfui!

Kindermund tut Wahrheit kund. Unsinn! Kinder hauen sich gegenseitig die Taschen voll und sind zu Recht als Zeugen vor Gericht nicht verwertbar. Beispiel: "Ich hab 200 Pokémon-Karten!" – "Ich hab 500 Pokémon-Karten!" – "Immer einmal mehr als du!" – "Sternzahl!"

Die Zeit heilt alle Wunden. Leider nein. :( Allenfalls die schleichende Demenz vermag dies.

Das ist grottenschlecht. Hinter dieser Wendung vermute ich Antigrottenpropaganda der Wald- und Wiesenlobby. Grotten sind total geil! Ich empfehle zum Beispiel die Gautschgrotte in der Sächsischen Schweiz! 

Dummheit frisst, Intelligenz säuft. Ha! Ich kenne nicht wenige intelligente Leute, die gerne fressen. Dumme Leute, die saufen, soll es auch geben.

Mittwoch, 3. September 2014

Die drei Türme

Ich habe eine neue, ziemlich harmlose, obschon recht exquisite Zwangsneurose entwickelt.

In meinem örtlichen Rewe-Markt werden die Tragekörbe in drei nebeneinander positionierten Türmen gestapelt. Im Verlaufe der Geschäftszeiten nehmen diese Türme automatisch unterschiedliche Höhen an. Wenn ich nun in den Rewe gehe, greife ich mir einen Korb vom höchsten Turm und stelle diesen nach dem Einkauf auf den niedrigsten Turm. Ein Kurzschluss in meinem Über-Ich lässt mich hoffen, dass die Höhenunterschiede der drei Türme stets so gering wie möglich ausfallen, ja dass sie im Idealfall – gleich Kommunizierenden Gefäßen – völlig aufgehoben werden, so dass am Ende des Tages drei aus der exakten Tragekorbanzahl aufgebaute Türme im Eingangsbereich Spalier stehen. Was die Frage aufwirft, ob eine solche Nivellierung nicht eh bei Ladenschluss von den Mitarbeitern vorgenommen wird. Vielleicht ist das gar ein Statut in den Rewe-Arbeitsverträgen: "Die Korbtürme müssen immer gleich hoch sein!" ... Ach, das wär' schön.

Montag, 1. September 2014

Schulerinnerung

Im Deutschunterricht der 5. Klasse behandelten wir das Kinderbuch "Das blaue Wagilö" von Ursula Wölfel. Held der Geschichte war ein Mischwesen aus Warzenschwein, Giraffe und we. Als mein Banknachbar dies erfuhr, meinte er sotto voce: "Na ein Glück, dass das dritte Tier kein Nashorn war..."