Sonntag, 29. Januar 2017

This is nuts


Ein weiterer deliziöser Brotaufstrich ist anzuzeigen: der Studentenfutter-Aufstrich von Eisblümerl. Er ist u.a. bei Tegut zu finden und kostet im 250-Gramm-Glas stolze 5,49 €. Es handelt sich um ein sehr "mächtiges", sättigendes und nahrhaftes Produkt, das obendrein vegan und glutenfrei ist. Drin sind Mandeln, Walnüsse, Haselnüsse, Cashewkerne sowie Kokosmark und 39% Sultaninen (was leider einige verschrecken dürfte). Ich fühlte mich kurz an rohen Pfefferkuchenteig erinnert, war aber nach dem Verspeisen froh, dass es nicht ganz so süß war, ja, man kann sogar von einer gewissen Herzhaft-Note sprechen; allerdings ist meine Toleranzgrenze für Süße(s) eh sehr hoch – im Netz finden sich auch divergierende Meinungen. Leute, die so etwas gerne direkt aus dem Glas löffeln, dürften ebenfalls auf ihre Kosten kommen. Ich gebe diesem Erzeugnis 5 von 5 Sternen.


Freitag, 27. Januar 2017

Der Winter unseres Missvergnügens

Neues Hobby: Ich frage Leute, die ungefähr in meinem Alter sind, ob die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten wohl das Schlimmste sei, was unsere Generation bisher miterleben musste. Eine Facebook-Freundin meinte zwar nein, Rainer Brüderles Dirndl-Flirtversuche seien noch traumatischer gewesen, aber der Tenor lautet: Ja, doch, das ist durchaus ein Wendepunkt von singulärer Schrecknis. Trump sei immerhin "unterhaltsam", hört man hier und da, ein schwerlich ernstzunehmender Clown, und die Frisur und die Tweets und die orangefarbene Haut und die Söhne und die Frau undundund, haha, ja, well, ich kann angesichts der Ungeheuerlichkeiten allein in der ersten Woche seiner Amtszeit überhaupt nicht mehr lachen. Meine primäre Reaktion beim Anschauen von Latenight-Shows ist denn auch verzweifeltes Jaulen statt befreites Kichern.

"Pfff, welche Auswirkungen hat der Machtwechsel denn auf dich privilegierten mitteleuropäischen Tunichtgut?", mag man mir jetzt zurufen. Wohl wahr: Unmittelbar geändert hat sich für mich und circa 99% der Deutschen seit dem 20. Januar erst mal nichts. Doch sollte uns das zu einer allseitig indifferenten Haltung verleiten? Ich finde: Sollte es nicht und darf es nicht. Tut es ja auch nicht, wie man zum Beispiel an den Protesten in Berlin gesehen hat. Mein Respekt gilt allen, die sich im Gegensatz zu mir zu derlei aufraffen können!

Man fühlt sich so hilflos – obwohl man mit seiner Meinung nicht alleine dasteht: "Wie bereits vor der Wahl in den USA erhält Trump wenig Zustimmung der Deutschen. Zwei Prozent finden es sehr gut und neun Prozent gut, dass er zum Staatsoberhaupt der USA gewählt wurde. 37 Prozent halten seine Wahl für schlecht und 45 Prozent für sehr schlecht.
Für die repräsentative Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen befragten die Meinungsforscher am 9. November 1017 Wahlberechtigte." (Tagesspiegel) Und ja: Indem ich schreibe "mit seiner Meinung", gebe ich mich natürlich als Opfer der vieldiskutierten Filterblase zu erkennen. In meinem Umfeld gibt es in der Tat niemanden, also absolut null Personen, die Donald Trump irgendetwas abgewinnen können. Wo aber sind die elf Prozent der Deutschen, die derzeit angeblich triumphieren? (Aside: Triumphieren die wirklich? Worauf genau freuen sie sich? Was erwarten sie und die Supporter in Amerika, die es ja Trumps miesem approval rating, dem Nichtgewinn des popular vote und der Überschaubarkeit des Inaugurationspublikums zum Trotz in nicht geringer Zahl gibt? Glauben die an eine sofortige Verbesserung ihrer Lebensumstände, bloß weil da plötzlich jemand an der Spitze steht, der ihre Ressentiments bestätigt und Sündenböcke unterdrückt anstatt das Grundübel, welches für das, sei's imaginierte, sei's tatsächliche "Abgehängtsein" ursächlich ist, zu benennen? Fühlt sich die kleine Frau, der kleine Mann im Ernst von einem weltfremden, selbstverliebten Multimilliardär angemessen vertreten?)

Wo waren wir? Ah ja, die filter bubble. Ein Synonym dafür habe ich in einem Artikel auf Overthinking It gelernt: "echo chamber". In diesem "Hallraum" – wo inzwischen die meisten von uns leben – werden nur die eigenen (vorgefertigten) Ansichten wiederholt und verstärkt, die eigene Ideologie wird zur einzig richtigen erhoben. Dann greift man sich einen möglichst irren Strohmann aus einem fremden Hallraum (= entgegengesetzte Ideologie) heraus und führt diesen zum Ziele der weiteren Selbstbestätigung unreflektiert und gnadenlos vor. Der Autor des verlinkten Textes nennt das Resultat den "Look At This Asshole" Effect: Die eigene Sichtweise muss die korrekte sein, weil die Gegenseite ganz offensichtlich aus komplett Wahnsinnigen besteht. Beispiel: Fundamentale Christen sagen "Haha, Atheisten glauben, dass unsere Urgroßeltern Affen waren!", während Atheisten sagen "Haha, Christen glauben an einen riesigen, bärtigen Mann, der in den Wolken wohnt!" Eine einzige extreme Position (die in der Regel niemand ernsthaft teilt) wird zum Kerninhalt der gegnerischen Weltanschauung erhoben. "Even when a particularly extreme member of the out-group’s views are represented accurately, that person and their view tends to be treated not as a fringe view but as the common, normative, elementary view of the majority of the group." Der typische "Die Ökos wollen uns das Fleisch verbieten!!1!11"-Reflex.

Wie überwindet man diese Unannäherbarkeit (ausgedachtes Wort)? Wie gräbt man einen Tunnel zwischen zwei Filterblasen bzw. echo chambers? Richard Rosenbaum, der Verfasser des Overthinking-It-Beitrags, bleibt die Antwort schuldig, und als er von einem Kommentator darauf angesprochen wird, erwidert er: "Oh, there is no solution. This is just the way things are now. We’re way past that point of no return." Es wäre lustig, wenn's nicht so traurig wäre. Das ist also der Status quo. Jeder vegetiert in seiner Blase vor sich hin und hat die Wahrheit für sich gepachtet. Nun aber ein Denkanstoß von einem links-grün-versifften Denkanstoßer (mir): Existieren womöglich Meinungen, die ganz objektiv und neutral betrachtet, vom "Naturrecht" her, ein Quentchen besser, schöner, richtiger sind als andere? Liegt derjenige, der "Die Mexikaner sind unser Unglück!" brüllt, vielleicht einen Tacken mehr daneben als einer, der einwendet "Das verfassungsmäßige Recht auf Streben nach Glück sollte für alle gelten"? Noch etwas: Darf man vom "Look At This Asshole" Effect sprechen, wenn der Strohmann gar kein Strohmann ist? Donald Trump ist ja eben kein beliebiger Außenseiter mit exzentrischen Spezialagenden – er ist die Spitze eines wahrhaft tödlichen Eisbergs und der verdammte mächtigste Mann des Planeten! Wenn sich ein Dämon der Unvernunft nebst faschistoidem (yes, I went there!) Kabinett gegen den Großteil der aufgeklärten Zivilisation stellt, darf es kein "Hören wir ihm doch mal zu!" mehr geben. Dann wird, um eine Binse zu bemühen, Widerstand zur Pflicht. Doch wie?

Dirk Jörke und Nils Heisterhagen fragen in der FAZ zunächst mal, wie ES überhaupt passieren konnte. "Die These der 'Dialektik der Moralisierung' wird so begründet: Die Linken und Liberalen hätten sich zu sehr auf eine postmoderne Identitätspolitik versteift und in deren Folge sei die Trump-Wahl als Resultat eines Kulturkampfes zu sehen. Gegen die postmoderne Identitätspolitik sei eine Identitätspolitik von rechts entstanden [...]" Bzw.: "Der Moralismus sei zu viel gewesen und habe eine Antithese erzeugt". Doch diese These erscheint den Autoren verkürzt: "Doch diese These erscheint uns verkürzt, wenn man die Rolle eines im Hintergrund schwelenden Klassenkampfes negiert. [...] Unsere These lautet also: Wegen der Vernachlässigung der sozialen Frage und dem [sic] Anbiedern an den Neoliberalismus im Zuge des Strebens nach einer 'Neuen Mitte' und einem 'postideologischen Zeitalter' hat sich die politische Linke sprachlich wie inhaltlich von ihren Stammwählerschaften entfremdet." Und das wage ich zu bezweifeln. Mangels Wissen und Lebensjahren kann ich es zwar nicht belegen, aber ich glaube kaum, dass heutige AfD-Fans vor zehn, zwanzig, vierzig Jahren links gewählt haben oder hätten. Allenfalls in punkto Gewerkschaften hätte es da Übereinstimmungen gegeben. Ist ja auch egal, denn der Ruhrpott ist nicht der Rust Belt. Davon abgesehen kann es nicht schaden, auf den, wie es so schön heißt, "einfachen Arbeiter" zuzugehen. Allerdings nicht indem man populistische Zugeständnisse à la Wagenknecht macht. Vielmehr müsste es jemandem gelingen, die breite Masse für Menschlichkeit und anti-rechte Werte zu begeistern.

"Es gibt keine demokratische Zivilgesellschaft – es sei denn, wir schaffen sie". So leitet ein anderer kluger Kopf (einer der klügsten), Georg Seeßlen, seinen Taz-Artikel "Was kann uns noch retten?" ein. Er fordert eine demokratische Zivilgesellschaft als "Projekt für ein neues politisches und kulturelles Subjekt", nämlich "als Widerstand gegen die drohende Machtübernahme durch eine neue/alte völkische, antidemokratische Rechte und als radikale Erneuerung des demokratischen Projekts selbst [...]. Sie ist demokratisch nicht als Verteidigung der Restdemokratie, sondern als Projekt des demokratischen Neubeginns; sie ist zivil nicht nur im Sinne einer Entmilitarisierung der Politik und des politischen Jargons, sondern auch im Sinne einer Zivilisierung der Diskurse; sie ist Gesellschaft nicht nur im Sinne einer Alternative der offenen und sich entwickelnden Gesellschaft gegen die geschlossene ideologische, nationalistische, ökonomische und auch religiöse Gemeinschaft, sondern auch im Sinne einer Sozialisierung des Lebens als Suche nach neuen Formen von Solidarisierung und Verantwortung." Das liest sich flott und leuchtet ein, allein: Wer vermag dies auszulösen? Wer betätigt den Zünder? Wer nimmt "uns" an die Hand, wer mobilisiert uns? So sehr mir das Führerprinzip widerstrebt und ich jeglichem Personenkult abhold bin, so sehr wünschte ich mir dann doch eine Art Leitfigur: einen linken Anti-Trump, der dem Hass etwas entgegensetzt. Keinen blasiert-abgehobenen Heiko Maas, keine relativierend-frömmelnde Göring-Eckardt, keinen verkniffen-steifen Trittin. Ich würd's ja machen, aber mir fehlt es an Charisma und Know-how.

Wer bis hierher durchgehalten hat: Herzlichen Glückwunsch! Das waren ein paar lose Gedanken, die ich unbedingt aufschreiben wollte. Zu ungeordnet? Zu wirr? Habe ich das Wort "Naturrecht" falsch gebraucht? Schreibt's in die Comments! ;) ;) ;)

Donnerstag, 26. Januar 2017

Brüder, zu der Sonne, zu der Freiheit

Dinge, die mir nachts um drei durch'n Brägen schwirren.

Es gibt im Deutschen bekanntermaßen die Möglichkeit, Präpositionen und bestimmte Artikel zusammenzuflanschen: zu derzur, in dasins, für dasfürs usw. Aber was heißt hier "Möglichkeit"? Ist die verkürzte Form in einigen Fällen nicht die ausschließlich zu verwendende? Handelt es sich also um viel mehr als um eine Zusammenstauchung aus Bequemlichkeit?

Der Satz "Im Tschad scheint heute die Sonne" lässt sich nämlich keineswegs durch "In dem Tschad scheint heute die Sonne" ersetzen. Warum nicht? Andersherum: Wenn es für die Wortfolge in der die Kurzform *inr gäbe, wäre dann der Satz "In der Schweiz, da schneit's" falsch? Genauso ist in gewissen Phrasen und feststehenden Wendungen wie "ins Kino gehen", "zur Armee gehen", "jemandem aufs Dach steigen" oder "beim Häuten der Zwiebel" die Kurform die einzig mögliche. 

Zu dem Glück, Quatsch: Zum Glück hat sich die Germanistik bereits mit dieser Angelegenheit beschäftigt. Vor allem Damaris Nübling ist hier zu nennen, deren Aufsatz "Von in die über in'n und ins bis im. Die Klitisierung von Präposition und Artikel als 'Grammatikalisierungsbaustelle'" viel Licht ins Dunkel bringt*. Das herrschende Durcheinander begründet sich damit, dass hier ein noch nicht abgeschlossener Prozess, eben eine – "in ihrer Diskontinuität seit Jahrhunderten stagnierende" – "Grammatikalisierungsbaustelle", vorliegt: "Manche Bereiche sind schon fertiggestellt, andere anscheinend nicht einmal konzipiert." Man muss dabei zähneknirschend feststellen, dass wir es mit einem "nur teilweise regelgesteuerten Phänomen" zu tun haben, bei welchem "die Form nicht widerstandslos der Funktion folgt".

Formen wie vorm, durchs etc. gehören zu den sog. Klitika (Grimm nennt sie "präpositionelle Anlehnung", bei Braune/Eggers ist von "Zusammenziehungen" die Rede), wobei der besagte Aufsatz zwischen "einfachen und speziellen Klitika" unterscheidet. Nur die speziellen Klitika sind es, die "nicht mehr mit ihrer Vollform austauschbar" sind. "Entweder führt der Austausch zu ungrammatischen Ausdrücken" (dazu zählt mein obiges Beispiel *in dem Tschad), "oder es ergibt sich eine andere Interpretation" ("in das Kino" gehen wird an der Stelle von "ins Kino gehen" gebraucht, wenn ein bestimmtes Kino gemeint ist, auf das sich auch irgendwo anaphorisch bezogen wird, z.B. "Sie gehen in das Kino, in dem das Popcorn immer versalzen ist."). Bei einfachen Klitika hingegen "lässt sich das Klitikon noch mit seiner Vollform austauschen" ("Ich bin gegens / gegen das Gesetz.").

Zu den Bereichen, in denen nach Nübing Klitisierung obligatorisch ist (wunderschönes Wort: "Verschmelzungszwang"), gehören neben den schon erwähnten Eigennamen und Phraseologismen/Idiomen/Funktionsverbgefügen beispielsweise Zeitpunkte (am Montag, am 4. April), Substantivierungen (er geht zum Schwimmen), Abstrakta und Stoffbezeichnungen (zur Belohnung, im Urlaub) sowie Substantive mit nachgestelltem Genitiv (er kommt vom Geburtstag seiner Schwester) [alle Beispiele a.a.O.]. Extravagant ist die Klitisierung bei einem Sonderfall dessen, was je nach Autor/-in als "generische" oder "spezifische Verwendung" heißt: "Bei die Ausbildung zum Regisseur / zur Journalistin wäre bei Auflösung sogar nur der Indefinitartikel [= unbestimmte Artikel] möglich (zu einem / *dem Regisseur / zu einer / *der Journalistin)."

Die Untersuchung von Textkorpora lässt Rückschlüsse auf die Akzeptanz der Verschmelzungsformen zu. Die Vollformen hinter das und an das etwa dominieren deutlich gegenüber den Kurzformen hinters und ans. (NB: Zugrunde liegt geschriebene Sprache, v.a. Zeitungsartikel.) Nübling: "Auch das Sprachgefühl vermittelt den Sprechern, dass Formen wie fürs oder vorm zwar in gesprochener Sprache durchaus vorkommen, aber nicht den gleichen Status haben wie im oder zur." Meine Prognose: In 100 Jahren wird dieser Statusunterschied aufgehoben sein.

* In: Leuschner, Torsten / Mortelmans, Tanja / De Groodt, Sarah (Hgg.) (2005): Grammatikalisierung im Deutschen. Berlin / New York: de Gruyter. Der Beitrag ist als kostenloser Volltext über den Katalog der Universitätsbibliothek Frankfurt zu bekommen.

Mittwoch, 25. Januar 2017

Humorperlen aus dem Abreißkalender (39 & 40)


Ich sehe hier ein Paar Beine, das samt Skiern an den Füßen aus einem lawinenbedeckten Abhang ragt. Doch was ist es, das offenbar jemand auf dem rechten Ski-Ende abgestellt hat? Einmal mehr wäre ich für eine Witzerklärung dankbar.


Auch hier vermag ich die Pointe nicht zu erkennen. Come on, Tageskalender, Schneemannwitze kannst du besser ...

Dienstag, 24. Januar 2017

Die neuen Schildbürger. Eine Fantasie

Donald Trump ist erst einige Tage im Amt, und schon zeichnet sich ab, wer zu den wenigen Gewinnern in dieser düsteren Ära gehört: die Produzenten witziger Transparente und cleverer Protestschilder.

Der Women's March in Washington war erst der Anfang. Nach dem überwältigenden Medienecho und dem Viralwerden tausender Slogans, Motti und Parolen ist für Ende des Monats das nächste Massenevent anberaumt: der "Million Memes March" in Portland, Oregon. Ob dabei für oder gegen Trump demonstriert wird, ist noch nicht entschieden, wird aber auch als zweitrangig erachtet. "Die Message ist die Botschaft", heißt es aus den Reihen der Initiatoren (aus dem Amerikanischen übersetzt).

Tausende von Teilnehmerinnen und Supportern haben sich freigenommen, teilweise ihre Arbeitsstellen gekündigt und ihre Familien verlassen, um sich "twenty-four/seven" (aus dem Amerikanischen unübersetzt) der Gestaltung kreativer Schilder zu widmen. "Wir haben 2017, da kannst du eigentlich nicht mehr mit Grumpy Cat oder dem facepalmenden Captain Picard kommen", weiß Charlene (weiß, 24). "Wir befinden uns auf der Meta-Metaebene, du musst die bewährten Meme und Narrative ent-ironisieren, um sie dann wieder mit Anti-Anti-Ironie aufzuladen!" Der berühmte Spruch "So bad, even introverts are here" zeigt exemplarisch, wohin die Reise geht. "Die Teilnahme am Protest an sich ist der postmythische Topos unserer Generation", verrät Charlene und nimmt einen tiefen Zug aus der Badesalzpfeife. Vor ihr liegen bereits drei Entwürfe: "Schildertragen ist sooo 90er" lautet eine der Zeilen, die anderen "Ein Freund schreibt einen Kommentar" und "Ich bin hier nur, um endlich mal die Story-Funktion von Instagram zu testen!"

Das Kleinkind, das mit seinem bunten Krickelkrakel-Transparent in der vergangenen Woche fast zwei Milliarden virtuelle Dollars verdient hat, wird derweil von seinen Eltern dazu gezwungen, den Erfolg von Washington zu wiederholen. "Ein ganzes Wochengehalt haben wir in Wachsmalstifte und Koffeintabletten investiert. Bisher sind die Ergebnisse bescheiden", räumt der Vater seufzend ein. "Schauen Sie mal: Das soll Fry aus 'Futurama' sein, wie er 'Shut up and take my money' sagt. Erbärmlich. So wird das natürlich nichts mit Ruhm und elterlicher Zuneigung." Trotzdem soll das "Scribble Sign Baby", das sogar schon in Jimmy Fallons Latenight-Show geladen wurde, in Portland aufmarschieren. "Welche Agenda dort gefahren wird, ist mir herzlich egal", gesteht der umtriebige Daddy. "Ideologisch bin ich flexibel; ich gehe am selben Tag zu einem Klan-Meeting, for fuck's sake!"

Wer selbst nicht über genügend Einfallsreichtum oder Zeitressourcen verfügt, um zündende Sprüche auszuformulieren, kann die Dienste von YourWittyProtestSign.biz in Anspruch nehmen. Das frisch gegründete Unternehmen mit Sitz in Palm Springs (im Flughafen-Starbucks) textet maßgeschneiderte Losungen für alle Anlässe und lässt sie auf hochwertige Materialien drucken. "Je nach nach Preisklasse erhalten Sie Transparente im gesamten Qualitätsspektrum", erläutert Firmengründer Brandon van Douche (38) sein Geschäftsmodell. "Im Basis-Pack für 79,99 $ gibt es ein leicht veraltetes Motiv – zum Beispiel Ned Stark oder den Goatse-Mann – und ein Zitat mit bis zu 94 Zeichen. Das Premium-Bundle kostet 219 Dollar, enthält ein urheberrechtlich geschütztes Zitat in drei verschiedenen Schriftarten und eine vierzehn Tage währende 'Freshness'-Garantie: Bei weniger als 100 Twitter-Favs gibt es 50% des Geldes zurück. Einzeln dazu buchbar sind zum Beispiel Wortspiele in fremden Sprachen oder verquere Anspielungen auf sexualisierte Gewalt, das kommt immer gut an!"

Schöne neue Demowelt. Vor der Starbucks-Filiale hat sich inzwischen ein zotteliger Althippie positioniert und hält eine Pappe mit dem Schriftzug "THE END IS NIGH" in die Höhe. Ist das jetzt noch neo-satirisch oder schon alternativ-avantgardistisch? Egal, skurril genug schaut's aus. Gefällt mir. 

Montag, 23. Januar 2017

Die winterliche Liste

Labello-Sorten, die fehlen

  • Tomate-Basilikum
  • Bratensoße
  • Pritt
  • Meth addict look
  • bunte Streusel
  • Benzocain
  • Halbfettmargarine
  • Butter
  • extra Schmirgeleffekt

Freitag, 20. Januar 2017

Honey, I Schrank the Kids!

Vorhin gelernt: Es gibt auf VOX eine Reality-Show mit dem Titel "Schrankalarm".

SCHRANKALARM!!!

"Gleich bei 'Schrankalarm'. Im Schlafzimmerschrank von Familie Fichtner hat sich ein ungebetener Gast eingenistet: Reinhard, der schrullige Großonkel aus Butzbach, hockt seit zwei Tagen zwischen dem Swiffer und dem Christbaumschmuck und will erst wieder verschwinden, wenn eine absonderliche Testamentsänderung vollzogen ist. Und danach: Helle Aufregung bei Textilienfan Martina! Ihr Mottenvergrämungssäckchen ist gerissen, leise rieseln die Zedernholzschnetzel über die Abendgarderobe. Ein Ersatzsack muss her, doch die Drogerien haben schon geschlossen. Retterin in der Not könnte Martinas Mutter Beate sein, die immer ein Schraubglas mit getrocknetem Lavendel in der Speisekammer aufbewahrt. Doch mit der Frau Mamá liegt das verzweifelte Schmetterlingsopfer seit einer hitzigen Diskussion um die israelische Siedlungspolitik im Clinch ... Außerdem: Quietsch-Terror in der SozPäd-WG! War es wirklich eine gute Idee, den rustikalen Bauernschrank vom Flohmarkt im Korridor aufzustellen? Die Türe, hinter der sich die Ikea-Taschen-Sammlung der fünfköpfigen Chaos-Gemeinschaft befindet, produziert jedenfalls schlafraubende Geräusche beim Öffnen und Schließen. Was tun? Aushängen? Scharniere ölen? Alles niederbrennen? Jetzt soll ein blinder Schamane vermitteln. Sehen Sie im Anschluss: eine neue Folge 'Teppichterror'. Heute: 'Der verräterische Rotkrautfleck'. VOX – People watch us."

(mit Paint gezeichnet im Jahre 2002)

Donnerstag, 19. Januar 2017

Traumprotokoll: Der gierige Nachbar

Ich träumte, ich hätte eine neue Wohnung bezogen. Sie verfügte über einen Balkon, war aber vom Schnitt her gewöhnungsbedürftig: Es gab neben einem großen Schlafzimmer samt großem Bett eine etwa gleich große Kombination aus Gemeinschaftsraum, Küche und Bad, in welcher sich ein weiteres geräumiges Bett befand. Ich hatte circa vier Leute zu einer kleinen Housewarming-Party eingeladen, die bereits am späten Nachmittag zu Ende war. Ein Sechserträger mit alkoholischen Getränken (3x Bier, 3x Apfelwein – praktisch und neckisch, warum gibt es das nicht in echt?) war unangetastet geblieben. Meine Gäste waren dabei, sich zu verabschieden, ich aß gerade einen Storck-Schokoladenriesen (das habe ich seit mindestens zehn Jahren nicht getan, könnte traumdeuterisch bedeutsam sein), als es klingelte und mein Nachbar vorstellig wurde. Der ältere, sehr dicke Schnauzbarttäger hielt mir als erstes einen Schlüssel entgegen: "Hier, mein Wohnungsschlüssel. Falls ich mal im Urlaub bin." Für diesen Vertrauensvorschuss meinte er offenbar unverzüglich eine Gegenleistung einfordern zu können: Er pflanzte sich an den Esstisch und beäugte die dort stehende Auflaufform, in der sich noch zwei gefüllte Wirsingröllchen befanden, die ich zur Vesper serviert hatte. "Ich würde Ihnen ja gerne eine anbieten, aber ich fürchte, die sind inzwischen kalt", sagte ich. "Dann ess' ich eben das", erwiderte der Mann und zog eine Schale eingelegter Oliven zu sich heran, wobei sich Öl über den Tisch und auf den Fußboden ergoss. Wie er eine Olive nach der anderen aus dem Schälchen gabelte, lief weiteres Öl aufs Laminat und sogar auf seine Oberbekleidung. Ich versuchte, die Flüssigkeit so gut es ging mit Küchentüchern aufzuwischen; dass ich dem ungebetenen Gast dabei zwischen den Haxen herumkroch, schien ihm nichts auszumachen. Meine scheidenden Besucher standen derweil ungläubig kopfschüttelnd zwischen Tür und Angel.

Samstag, 14. Januar 2017

Die neueste Onlinehexerei

Ich wollte mir auf der Seite tvnow.de eine Fernsehsendung anschauen. Als die Werbung begann, öffnete ich ein neues Browserfenster, um etwas anderes im Internet zu machen, solange der Werbeblock laufen würde. Doch sobald ich auf den Zweit-Tab wechselte, blieb der Spot im Fenster von tvnow stehen! Das Reklamevideo lief nur dann weiter, wenn ich sie mir aktiv in den Vordergrund holte. Während der eigentlichen Sendung hingegen konnte ich mich aufhalten, wo ich wollte, ohne dass sie gestoppt hätte. Da saß ich also vor meinem Laptop und glotzte voller Ungeduld TV-Werbung like it was 1999. Ich sehe ja ein, dass sich solche legalen Streaming-Portale irgendwie finanzieren müssen, aber diese Art von Zwang finde ich frech.

Freitag, 13. Januar 2017

Torsten empfiehlt Dosenfutter

Vor einigen Jahren lernte ich auf einer Hochzeitsfeier in Österreich das überzeugende Konzept der "Mitternachtssuppe" kennen: Weil Partygäste zu vorgerückter Stunde zum Heißhunger neigen, serviert man gegen null Uhr einen Gemüsetopf, ein Gulasch oder eine andere deftige Suspension.

Bei Tegut entdeckte ich dann im Dezember dies:


Als ich das letzte Mal zu einem Doseneintopf gegriffen hatte – nämlich zu einem ungenießbaren Nudelmatsch von Erasco –, hatte ich derartigen Mahlzeiten eigentlich auf ewiglich abgeschworen. Doch das Etikett der Reichenhof Bio Mitternachtssuppe kriegte mich rum; zudem stand eine längere Jahreswechselabwesenheit bevor, und ich dachte: Wenn du nach zwei Wochen in deine praktisch lebensmittelfreie Wohnung zurückkehrst, wirst du froh sein, wenigstens dieses haltbare Süppchen vorrätig zu haben. So war es dann auch, und zwiefach froh war ich darüber, dass die Suppe sich als sagenhaft schmackhaft herausstellte! Diese Woche habe ich mir die pikante Speise gleich noch zweimal geholt und sie mit Seitanwurstscheiben aufgepimpt. (Ich kann mir vorstellen, dass sie auch mit Salamistückchen veredelbar ist.) Ihr Köstlich-Geheimnis liegt in den ausschließlich natürlichen Zutaten aus biologischem Anbau und dem Verzicht auf Zusatzdreck aller Art. Sind die anderen Produkte von Reichenhof (nur noch heute und morgen 1,59 € statt 1,99 € bei Tegut!) auch so vorzüglich? Das kann ich nicht beantworten, denn die meisten enthalten Zwiebeln und können es daher leider nicht auf meinen Speiseplan schaffen.

Mittwoch, 11. Januar 2017

Dienstag, 10. Januar 2017

Mut zum Mammut!

Ende letzten Jahres wurde ich via Facebook daran erinnert, dass bereits Ende 2011 Wissenschaftler angekündigt hatten, ein Mammut zu klonen. "Jetzt geht's los! Let's play God!", freute ich mich damals. Seitdem geisterten immer wieder Meldungen, hauptsächlich aus China und Russland, über neue Fortschritte in der Mammut-Wiederauferstehung durch die Medien. Doch nichts Konkretes war und ist zu vernehmen. Stattdessen liest man unwichtige Zukunftsnews über eine "Mammut-WM"! Wie lange dauert es noch? Ich wünsche mir so sehr, den Abschluss dieses Mammutprojektes (sorry) noch zu erleben. Man sollte das Tier (oder besser: die Tiere) sodann auswildern, auf Kamtschatka etwa, denn es braucht sicherlich ähnlich viel Auslauf wie sein moderner Cousin, der Elefant. Dadurch könnte der Tourismus in Sibirien & Co. angekurbelt werden (Safaris, "mammoth watching"). Wünschenswert wäre auch, dass das Fleisch der Rüsseltiere ungenießbar und ihr Elfenbein möglichst spröde ist, damit sie nicht zur Beute geldgieriger Großwildjäger werden.

Sonntag, 8. Januar 2017

Spielshowidee

Titel: "Habe ich einen Hut auf?" 
Inhalt: Der Kandidat sitzt dem Publikum gegenüber und weiß nicht, ob er einen Hut aufhat. Er darf nicht nach oben greifen. Spüren kann er es auch nicht, weil ihm vor Spielbeginn ein Anästhetikum unter die Kopfhaut gespritzt wurde. Nun hat er 30 Minuten Zeit herauszufinden, ob er einen Hut aufhat, und zwar allein durch analytisches Betrachten der Gesichter im Publikum. Doch das ist schwierig, denn es handelt sich um geschulte Pokerfaces. Die Kamera fängt abwechselnd die grübelnde Miene des Kandidaten und die dämonisch regungslosen Fratzen der Publikumsmenschen ein; nervenraubende Close-ups, keine Musik, es fließt viel Schweiß. Nach Ablauf der halben Stunde (oder trägt das Konzept gar drei, vier Stunden à la "Schlag den Raab"?) muss sich der Kandidat entscheiden: Hat er einen Hut auf oder nicht? Zu gewinnen gibt es einen Hut.

Dienstag, 3. Januar 2017

Abermals dreierlei Zugiges

1.) Im Großraumabteil schaut ein Mann die Pilotfolge von "Battlestar Galactica" auf seinem Notebook. Ich denke: 'Hihi, mal sehen, wie er sich verhält, wenn die Sexszene kommt.' Bald ist "es" soweit, und er reagiert wie zu erwarten: Er verkleinert das Videofenster, schiebt es gschamig in alle Ecken des Desktops, dippt es schließlich zur Hälfte in den Bereich außerhalb des Bildschirms. Doch bald erbarmt sich seine Sitznachbarin, die unangenehme, aber gewiss alltägliche Situation mit einem befreienden Lachen zu entspannen. Ein launiger Kurzdialog wird geführt, das Video läuft weiter, und der Zug fährt ruckelnd in einen Tunnel hinein (Koitus-Sinnbild).
Anm.: Von "Battlestar Galactica" kenne ich tatsächlich nur ebenjenen Pilotfilm, den ich zufällig im vergangenen Jahr gesehen habe. Man steinige mich, aber ich fand ihn so langweilig, dass ich den restlichen Episoden keine Chance geben mochte.

2.) Auf dem Fahrgastinfodisplay im ICE wird ja regelmäßig der folgende Satz eingeblendet (aus dem Kopf zitiert): "Wussten Sie, dass Sie mit dieser Fahrt aktiv die Umwelt schützen?" WIE??? Ich könnte mir kaum eine Situation vorstellen, in der ich passiver bin als beim Bahnfahren. Einzige aktive Handlung, die dem Sichrumkutschierenlassen vorausgegangen ist: die Online-Buchung, welche bekanntlich auch CO2 verbraucht. Ansonsten habe ich natürlich nichts dagegen, wenn man versucht, mir ein gutes Gewissen einzureden.

3.) Eine Zugbegleiterin sagt am Ende jeder Haltestellenankündigung: "Danke mit der Reise der Deutschen Bahn!" Die Formulierung muss ihr in Fleisch und Blut übergegangen sein, sie bemerkt den Lapsus gar nicht mehr, hat ihn womöglich nie bemerkt, und ihre Kollegen sind sich zu fein, sie darauf hinzuweisen, oder nehmen selber keinen Anstoß daran. 
(Ja, das war ein Beitrag über schlechtes Zug-Deutsch. Bitte vergebt mir, es ist früh im Jahr ...)

Montag, 2. Januar 2017

Schon jetzt an Weihnachten denken!


Ich werde ihr ausrichten lassen, sie soll sich doch wenigstens einen Mantel überziehen, Erderwärmung hin oder her.