Samstag, 27. April 2024

Wochenend-Quiz

Heute: Welches Ankündigungs-Poster gehört zu welcher internationalen Ausgabe der Amazon-Prime-Show "LOL - Last One Laughing"?

Zur Auswahl stehen: Argentinien, Brasilien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Kolumbien, Niederlande, Norwegen, Polen, Quebec, Schweden, Spanien, Südafrika

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Donnerstag, 25. April 2024

TITANIC vor zehn Jahren: 5/2014

Der erste Titel von Juniorredakteur Moritz Hürtgen!


So etwas nennen wir einen Verweigerungstitel; das Thema der Stunde schien ausweislich des "Eckenbrüllers" der drohende WK3 gewesen zu sein. Darum geht es in der Aufmacher-Strecke von Hürtgen, Rürup und mir: "'Moment!' werden Sie nun rufen, 'der Dritte Weltkrieg hat bereits begonnen? Davon stand aber nichts in der Zeitung' – Doch keine Angst, er läuft bereits in einer geschlossenen Beta-Phase (Syrien, Krim, etc.) und wird weltweit von zigtausend eifrigen Volunteers und Medienvertretern (Spiegel, Welt, The Sun, CNN, Russia Today u.v.m.) vorbereitet. Sobald die Fußball-WM vorüber ist und steinalte Mahner und Bremser wie Helmut Schmidt endlich gestorben sind, steht einem Ausbruch nichts mehr im Wege."


Zuverlässig gewarnt wird auch davor, dass unser Nachwuchs praktisch komplett verloren ist, Pisa-Ergebnisse, Umfragen und andere Indikatoren nähren schlimmste Befürchtungen. 2014 etwa kam raus, dass 20 % aller deutschen Schülerinnen und Schüler nicht "fit für den Alltag" sind, was immer das bedeutet haben mag. Hausdichter M. Hürtgen gab gereimte, von St. Rürup illustrierte Handreichungen für ahnungslose Kids:


Ein paar Jahre vor Beginn der Inflation wurde das Land von der mysteriösen Deflation heimgesucht ("Preise im Sturzflug: Wenn das Geld balla-balla wird"). "Das etwas langweiligere Top-Thema" brachten uns die Finanzexperten Tietze/Wolff/Ziegelwagner in einer bunten Wundertüte näher.


Ein überraschendes, frisches Witzobjekt haben sich die "Hier lacht der Betrachter"-Macher ausgesucht. (Die Themen werden immer mit circa dreimonatigem Vorlauf ausgewählt.)


Quorn, der inzwischen ein wenig aus der Mode gekommene Fleisch-Ersatz auf Pilzbasis, hat die Cartoonisten wie die gesamte Redaktion derart doll und lange fasziniert, dass es sich gut ein Jahr später, während Elias Haucks kurzen Frankfurter Gastspiels, begab, dass er und ich zufällig gemeinsam bei Rewe waren und Elias mir aus gut zwanzig Metern Entfernung zurief: "Hier gibt's Quorn!"

Was ist eigentlich aus den Muslimbrüdern geworden? Nach diesem lustigen Kahl-Gemälde (U3) sind sie mir nur noch selten in den Nachrichten begegnet.


Weiteres Notierenswertes
- Bezüglich des Startcartoons in diesem Heft, der sich auf das Quotentief der von Markus Lanz verwesten Samstagabend-Institution "Wetten, dass..?" bezog und den ich aus Gründen der Heikelkeit hier nicht einbinden mag, bedauerten mehrere Stimmen aus dem näheren Umfeld, dass er nicht Titel geworden ist. In der Redaktion hatten wir uns dagegen entschieden, weil das wiederholte Verwursten des Sujets uns als billige Masche hätte ausgelegt werden können.
- Immer wieder lesenswert ist Tim Wolffs mit sämtlichen Völkerklischees genüsslich spielende Übersicht antieuropäischer Parteien (S. 32f.), von Frankreichs Front National über den flandrischen Vlaams Belang bis zur deutschen, na, ihr wisst schon.
- Sehr, sehr selten: ein über zwei Seiten erzählter Kamagurka-Comic (S. 29f.)! In den Neunzigern gab es die Reihe "Raketenmann", aber an spätere Comics erinnere ich mich nicht; heute drucken wir von Kamagurka ausschließlich Einzel-Cartoons.

Schlussgedanke
Ich muss gestehen, dass mich diese Ausgabe nicht so recht "abholt". Uninspiriert erscheinen mir die Themen (bis auf Quorn!), zweckmäßig die Formen. Abgesehen von wenigem, was wirklich "knallt", bleibt nichts im Gedächtnis, die Beitragenden (auch ich!) bewegten sich hier auf niedrigem mittleren Niveau.

Dienstag, 23. April 2024

Die wilden Kärle

Ich weiß leider nicht mehr, wo genau, aber in einem etwas älteren (Sach-?)Buch begegnete mir neulich der Herrscher – Charles V.!

'Mooooment!', dachte ich. 'Gerade hat doch erst Charles III. den Thron bestiegen, Hunderte Jahre nach seinem Namensvorgänger. Überprüfen wir gleich mal auf Wikipedia, wer hier gemeint sein soll.' Gemeint war: Karl V. von Frankreich; ich hätte Charles französisch und nicht englisch lesen sollen. Dass es im Laufe der Geschichte noch etliche andere Karls (Rumänien, Spanien, Neapel ...) und eben auch Charles ("Charlese"?) gab, war mir schlicht nicht in den Sinn gekommen.

Nicht nur die Namensgleichheit, sondern auch die Nummerierung von Kaisern und Königen hat einige Bizarrerien gezeitigt. In Clemens Setz' Roman "Monde vor der Landung" stieß ich gestern passenderweise auf folgende Passage. Im Ersten Weltkrieg begehen deutsche und k.u.k. Soldaten gemeinsam eine Feier, die verbündeten Kameraden tauschen sich über ihre obersten Befehlshaber aus:

Etwa staunte man auf deutscher Seite nicht wenig über die Tatsache, dass der eben eingesetzte junge Kaiser von Österreich, Karl I., zugleich als Karl IV. König von Ungarn und Kroatien und außerdem als Karl III. König von Böhmen war. In jedem Herrschaftsgebiet wurden die Karls anders gezählt, je nachdem, wie viele es da vorher gegeben hatte. Eins, drei, vier – man wiederholte die Zahlen und einigte sich darauf, dass die Zwei schmerzlich fehlte. Hoffentlich würde eines der neu eroberten Ostländer dazu passen und mit nur genau einem historischen Karol oder Karlo in seiner bisherigen Herrschergeschichte die unschöne Zahlenlücke füllen.

Wenn ich in Wikipedias Karl-Liste nichts übersehen habe, hätte sich kein Land im Osten, sondern höchstens Portugal angeboten, wo ein Karl Nummer 1 als Vorletzter die wenige Jahre vorher abgeschaffte Monarchie angeführt hatte.

Sonntag, 21. April 2024

Eine runde Sache

Im September/Oktober 2015 hatte ich einen schrägen "Kassenbon-Streak": Dauernd kaufte ich im Supermarkt unbeabsichtigt Waren für insgesamt 14 Euro und ein paar Zerquetschte. Kurz nachdem ich diesen Zahlenzufall im Blog und auf Facebook notiert hatte, passierte es noch einmal:


In den folgenden Jahren kam es nur noch sporadisch zu solchen "Treffern", wenn überhaupt – ich schenkte dem Phänomen keine Beachtung mehr –, denn die Inflation wetzte ihre Krallen, und Einkaufen wurde konstant teurer. Bemerkenswerter als eine Häufung willkürlicher, ungefähr gleicher Summen ist ohnehin, wenn ein Endbetrag rund ausfällt. Bei dm erreicht man wegen der eigentümlichen Preisgestaltung manchmal 11,- Euro glatt oder so was. Gänzlich verrückt wurde es aber neulich bei einem Restaurantbesuch: Zu viert verzehrten wir Speisen und Getränke von insg. exactamente 100 Euro. "Den Beleg müssen Sie aufheben!", sagte die Kellnerin begeistert. "So was erlebt man nur alle Jubeljahre." Nun, die Quittung habe ich nicht aufbewahrt, aber wenigstens den entscheidenden Teil fotografisch festgehalten. Bitte sehr:

Freitag, 19. April 2024

Zuerst die gute Nachricht ...

Stellt euch vor, ihr bekommt die Aufgabe, eine Minigolfanlage aufzuwerten. Wie bewerkstelligt ihr das? Mit hoher Wahrscheinlichkeit dadurch, dass ihr aufregende Features einbaut, neue Bahnen anlegen lasst, Hindernisse erweitert, kurz: indem ihr Dinge hinzufügt – auch wenn euch explizit erlaubt worden ist, Dinge zu entfernen, etwa "einen Sandbunker (eine 'Falle', aus der man den Ball nur schlecht wieder herausspielen kann)". Diese Neigung des Menschen zum Hinzufügen wird als addition bias bezeichnet und seit kurzem wissenschaftlich untersucht. Die Minigolf-Aufgabe wurde tatsächlich mit Versuchspersonen durchgespielt, das Ergebnisse 2021 in Nature veröffentlicht:

Die Teilnehmenden sollten alle ihre Ideen auflisten, wie man die Bahn verbessern könnte. Dabei wurden sie auch darum gebeten, auf die Kosten ihrer vorgeschlagenen Änderungen zu achten. Trotz dieses Hinweises generierten nur 28% aller Teilnehmenden zumindest eine einzige Idee, die das Entfernen eines Elements betraf. Und selbst von jenen Teilnehmenden, die nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen wurden, dass sie etwas [...] auch entfernen können, generierten nur 43% zumindest einen Vorschlag, bei dem ein Element entfernt würde.

Der menschliche Instinkt, Verbesserung durch "additive Transformation" erreichen zu wollen, sprich: der Gedanke "Mehr ist besser", scheint sich auch in der (deutschen) Sprache niederzuschlagen. Das legt die jüngere linguistische Forschung nahe. S. Wolfer / A. Koplenig / M. Kupietz / C. Müller-Spitzer vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache Mannheim legen ihre diesbezüglichen Erkenntnisse in Ausgabe 1/2014 des Sprachreport nieder. (Daraus auch obige Zitate, den Nature-Artikel von Adams et al. 2021 betreffend.) Das Team bediente sich eines neuen Datensatzes zu Worthäufigkeiten namens DeReKoGram, basierend auf dem DeReKo, dem riesigen Deutschen Referenzkorpus. "Gram" nimmt dabei Bezug auf sog. n-Gramme, also Einzelwörter (Unigramme), Zweiwortverbindungen (Bigramme) usf., deren Frequenz ermittelt werden soll; aus diesem Blog bekannt ist womöglich der Google Ngam Viewer.

Es stellt sich heraus: Nicht nur sprechen und schreiben wir häufiger vom Hinzufügen als vom Wegnehmen, auch geben wir, wenn von beidem die Rede ist, der Addition den Vorrang. Und nicht nur beim Dualismus Mehr/Weniger macht sich der Additionsbias bemerkbar, auch bei anderen Bereichen, "die einer gewissen Polarität unterworfen sind", scheint sich eine Bevorzugung von "positiv polarisierten Wörtern" niederzuschlagen. Beispiele für solche Gegenstandsbereiche sind Progression (mit Partnerwörtern wie vorwärts und rückwärts), Wertigkeit (z.B. nützlich vs. nutzlos), Höhe (hinauf vs. hinab usw.) und sogar Reichtum. In letzteren fallen allerdings und interessanterweise zwei der vier Paare von Wörtern, bei denen das negativ polarisierte häufiger auftrat.

Für die beiden Paare [wohlhabend vs. bedürftig und finanzstark vs. finanzschwach] liegt keine unmittelbare Erklärung auf der Hand (wobei es Ausdruck einer Präferenz in Zeitungstexten sein könnte, eher finanzschwache als finanzstarke Gesellschaftsschichten zu fokussieren).

Hier betreten wir ein interdisziplinäres Feld zwischen Soziologie, Politik, Kommunikations- und Sprachwissenschaft! Wer bisher mit Korpuslinguistik auf Kriegsfuß stand (wie ich, zugegebenermaßen), möge sich von dem achtseitigen Sprachreport-Beitrag wider jedes Vorurteil bezaubern lassen. Wer den Datensatz-Overload als zu trocken und mathematisch empfindet und die Analyse überspringen will, für den gebe ich das Entscheidende wieder: "Wir können daraus schließen, dass in der deutschen Sprache – zumindest in den untersuchten Gegenstandsbereichen und für unsere Wortauswahl – in der Tat eine Neigung besteht, positiv polarisierte Wörter häufiger zu verwenden als negativ polarisierte." Und als Parallelbefund lässt sich festhalten, "dass in der (über DeReKoGram erfassten) deutschen Sprache in der Tat positiv polarisierte Wörter in Paarnennungen mit und und oder eher als erstes genannt werden."

Der addition bias ist übrigens so unbeackert, dass er in der doppelseitigen Sammlung unbewusster Denkschemata, die im Wissensteil der Süddeutschen Zeitung vom 28./29. Mai 2022 abgedruckt wurde und die ich wohlweislich aufgehoben habe, nicht auftaucht.


Nicht weniger als 184 Fehlschlüsse, Heuristiken und Reflexe sind darin aufgelistet, darunter Klassiker wie der Dunning-Kruger-Effekt und die Überlegenheitsillusion, aber auch Putziges wie der Bias-Bias ("Möglichkeit, dass Denkfehler zu oft diagnostiziert werden"). Das ist sooo geil! Wer eine höherauflösende Ansicht haben möchte, kann mich gerne kontaktieren.

PS in eigener Sache, das nix mit diesem Beitrag zu tun hat: Am Schwerpunktteil der heutigen Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" habe ich tatkräftig mitgewirkt. Schaltet doch mal ein!

Mittwoch, 17. April 2024

Leicht* übertrieben

Ich bin nicht Fan des Kult-Knäckebrots FinnCrisp, auch greife ich gelegentlich zu Leicht & Cross, so etwa diese Woche, wo es "Mein Knusperbrot" (Eigenbezeichnung) für 99 Cent bei Tegut gab. Als ich meinen Blick über die Verpackungsbeschriftung streifen ließ, fiel mir auf, dass diese Trockenflachbrote nicht einfach "Leicht & Cross" heißen, sondern "Leicht* & Cross". Das Sternchen verweist auf eine Fußnote mit folgendem Disclaimer: "LEICHT nimmt auf die luftige Beschaffenheit Bezug, die Produkte sind nicht energiereduziert."


Was dieser Notwendigkeit wohl vorausgegangen ist? Gab es Verbraucherschutz-Beschwerden? Hat Foodwatch Einspruch erhoben? Mir erscheint das etwas albern. Ein Lebensmittel von so geringer Masse kann doch per se nicht so energiereich und hochkalorisch sein, als dass man nicht von "leicht" im landläufigen Verständnis des Begriffs sprechen könnte. Es liegt mir fern, mich zum Lebensmittelexperten oder zum Unternehmensanwalt aufzuschwingen, aber ich habe eine Zeit miterlebt, als Süßigkeiten mitunter als regelrecht gesund verkauft wurden. Ich sehe es noch klar vor mir: Tennisspielerinnen teilen sich nach dem Training eine Yogurette (gesungener Slogan: "Die schmeckt so himmlisch joghurt-leicht!"), eine Joggerin stärkt sich in der Laufpause mit einer Milchschnitte, Büroangestellte beugen mit schaumig geschlagenem Gervais Obstgarten bedenklicher Gewichtszunahme vor. Geschickt in einen Kontext von Vitalität und Fitness gesetzt, wirkten in den Neunzigern, dem goldenen Jahrzehnt der TV-Werbung, selbst reine Zucker-Fett-Sahne-Klumpen sportiv und kaum sündhaft. Insofern lege ich marktschreierische Attribute wie "leicht" niemals auf die Goldwaage. Und hey, Leicht & Cross hat Nutri-Score A!

Montag, 15. April 2024

Teufel Mehrfachbedeutung!

Falschübersetzungen in Videospielen sind, das ist mir kürzlich klar geworden, nicht zwangsläufig den Übersetzern anzukreiden. Die ganzen Strukturen und Abläufe in der Lokalisierung von Games scheinen mir inhärent störungsanfällig zu sein. Offenbar bekommen die übersetzenden Personen (Maschinen und "KI"s würden erst recht scheitern!) lediglich das im Spiel verwendete Textmaterial ohne die dazugehörigen Bilder vorgelegt. Und dann sollen sie, etwa bei Item-Beschreibungen und Objektnamen, ins Blaue hinein raten und sich aus einer Vielzahl von deutschen Entsprechungen für eine entscheiden. Da passiert es schon mal, wie im Adventure "Open Roads", dass man einen Einweg-Becher "Tasse" nennt und einen glaslosen Hängeschrank "Vitrine" – weil die englischen Ausgangswörter cup resp. cabinet die (fast) primäre, aber eben nicht ausschließliche Bedeutung "Tasse" resp. "Vitrine" haben. Seufz.



Andererseits ist "Rezept" für receipt ("Quittung, Kassenzettel" etc.) in keinem Kontext akzeptabel ...

Samstag, 13. April 2024

Motordroschken und Nächstenliebe

Die Leute werden immer ruppiger, rüpelhafter, rotziger, behandeln einander ohne Rücksicht und Respekt? Hilfsbereitschaft ist ein Fremdwort geworden? "We live in a society!" Ach, na ja. Hin und wieder erlebe ich, wie selbst Großstadtmenschen geradezu rührende Nettigkeit und Fürsorge an den Tag legen. Einmal wurde ich mitten in der Nacht Zeuge, wie ein ungesund alkoholisierter Fahrradfahrer auf den Asphalt stürzte, und binnen Sekunden waren gleich drei Personen (darunter ich) zur Stelle, dem desorientierten, aber unversehrten Mann auf die Beine zu helfen.

Von drei Fällen unerwarteten Entgegenkommens, die mir selbst widerfuhren, möchte ich erzählen: Bemerkenswerterweise hatten sie alle drei mit Taxis zu tun.

1.) Nach einer Ausstellungseröffnung im Frankfurter Caricatura-Museum mit anschließendem Abhängen (i.S.v. geselligem Beisammensein, nicht Herunternehmen von Gemälden) war es sehr spät geworden. Ich lallte in die Runde: "Mist, jetzt fährt keine U-Bahn mehr, und ich habe kein Geld für ein Taxi dabei." (Das war in einer Zeit, bevor sich Kreditkarten und Apps als alternative Zahlungsmittel in Taxis durchsetzten.) "Muss ich halt laufen." Da steckte mir der anwesende Kabarettist Wilfried Schmickler einen 20-Euro-Schein zu und beschwor mich, ein Taxi zu rufen. Einfach so! Leicht beschämt, aber dankbar nahm ich die Spende an und gönnte mir eine komfortable Heimfahrt.

2.) Ebenfalls in Frankfurt am Main und ebenfalls zu später Stunde musste ich nach einer Pen-&-Paper-Session vom in jeder Hinsicht abgehängten Stadtteil Fechenheim nach Bockenheim kommen und hatte die Wahl zwischen einem zweistündigen "Spaziergang" und einer Taxifahrt. Für letztere Option entschied ich mich. Ich war noch etwa einen Kilometer von meinem Zuhause entfernt, als ich mit bangem Blick aufs Taxameter extrapolierte, dass mein Portemonnaie-Inhalt nicht bis zum Ziel reichen würde. (Nicht genügend Bargeld bei mir zu führen ist eine leidige Konstante in meinem Leben.) "Können Sie mich schon hier rauslassen? Den Rest gehe ich zu Fuß", bedeutete ich dem Fahrer. Der entgegnete im sanftesten, verständnisvollsten Tonfall: "Aaaach, das passt schon. Es ist ja nicht mehr weit. Außerdem wurden neulich erst die Tarife erhöht, da müssen sich die Kunden erst mal dran gewöhnen." Und chauffierte mich bis zur Haustür.

3.) Auf der koreanischen Insel Jeju war ich darauf angewiesen, dass mich ein möglichst schnelles Fahrzeug von meinem Hotel zum Airport bringen würde, wo ich meinen Rückflug nach Seoul anzutreten hatte. Es war früh am Morgen, auf den Straßen so gut wie nix los. An der Straßenseite, wo ich auf ein zufällig nahendes Taxi hoffte, stand etwa hundert Meter entgegen der Verkehrsflussrichtung eine junge Geschäftsreisende, die offensichtlich auch auf ein Taxi wartete. 'Wenn jetzt eins vorbeifährt, schnappt sie sich das, und wer weiß, wann das nächste kommt', dachte ich, der ich unter einigem Zeitdruck stand. (Warum hatte ich nicht am Vorabend die Rezeption konsultiert?) Da fasste ich mir ein Herz und sprach die Frau an: Ob wir das nächste Taxi gemeinsam nehmen und uns die Kosten teilen wollen? Sie tippte etwas in ihr Smartphone und zeigte es mir: "We share a cab and split fare?" – "Yes!", nickte ich begeistert. Als endlich ein Taxi anhielt, stiegen wir beide ein, die Einheimische übernahm die Kommunikation, und wir wurden zum Flughafen gebracht. Ich zückte meine Geldbörse, um die Hälfte des angezeigten Endpreises in den Hut zu werfen, doch meine temporäre Gefährtin – zahlte alles! Ich erinnerte sie an unseren Deal, doch sie bestand darauf, die volle Summe zu übernehmen.

Soeben fällt mir ein, dass ich auch schon mal – 2011 muss es gewesen sein – eine mir fremde Person nach einer Party in "meinem" Taxi mitgenommen und auf das Einfordern finanzieller Beteiligung verzichtet habe. Taxis: Sie erden uns, sie kitzeln das Humane aus uns hervor.

Donnerstag, 11. April 2024

Traumprotokoll: Ärger im Kino

Eine neue Star-Wars-Episode kam in die Kinos. Den musste ich natürlich sehen, also ging ich mit ein paar Freunden in ein angemessen protziges Multiplex-Haus. Jene feinen Freunde waren allerdings ewig nicht aus dem Quark gekommen, so dass wir den Kinosaal betraten, als nicht nur die Trailerschau schon vorbei war, sondern auch der Film bereits begonnen hatte. Wir hatten den opening crawl verpasst! Einen Star-Wars-Film nicht vollständig, von der ersten bis zur letzten Sekunde, zu sehen, kommt für mich nicht infrage, weswegen ich ernsthaft in Erwägung zog, die Eintrittskarte verfallen zu lassen und zu einer späteren Vorstellung wiederzukommen, doch überredete man mich zu bleiben. Ich wusste gar nicht, was die Ausgangssituation des Films ist, wo, wann und warum das passierte, was sich auf der Leinwand abspielte. Mein Groll wurde schließlich dadurch gesteigert, dass vor der ersten Reihe eine Gruppe mittelalter Männer mehrere Grills aufgebaut hatte und lautstark plappernd und brutzelnd eine Barbecue-Party veranstaltete. Mein Traum-Ich wunderte sich zwar nicht über diese offenbar heutzutage zu Kinobesuchen dazugehörende (Un-)Sitte, erzürnt wurde es dennoch in ungesundem Maße. Nach ein paar Minuten reichte es mir: Ich erhob mich von meinem Platz, gestikulierte in Richtung Projektorkabuff und schrie "Aufhören, anhalten!" Bevor die Situation vollends eskalierte, wachte ich auf.

Sonntag, 7. April 2024

Go-to to go

Ein Vorteil der Großstadt ist die hohe Dichte an Schnellrestaurants, Imbissbuden und Streetfood-Lokalen. Gut ist's, wenn man in Laufnähe einen Laden hat, bei dem man ein Stammessen hat: das eine zuverlässig solide Gericht, das man ohne zu überlegen jedes Mal bestellen kann und das konstant gut schmeckt, idealerweise bei gleichbleibendem Preis.

Für den Fall, dass ich zu faul zum Kochen bin, nichts eingekauft habe und mir nicht nach gastronomischen Experimenten zumute ist, hält meine hood gleich zwei Optionen bereit. In einem Bistro mit chinesischer Karte ist mein Stammessen ein vorzügliches Gung Bao (dessen Geheimnis Kollege Mark-Stefan Tietze einst in der Taz gelüftet hat) mit Gemüse und Tofu; in einer Thai-Gaststätte wiederum bestelle ich mir regelmäßig zum Abholen ein Pad Thai, das nicht nur göttlich mundet, sondern auch in so riesigen Portionen daherkommt, dass zwei Personen es sich teilen können oder eine Person zwei Tage hintereinander davon essen kann.

Damit dieser Beitrag nicht zu kurz wird, nutze ich ihn, um ein "Erlebnis", das ich vor über zehn Jahren gemacht habe, neu einzuordnen. Es folgt ein Update zu dieser Notiz:
Alte Anekdote ohne Pointe: Im Dönerladen. Die Kundin vor mir bestellt Börek zum Mitnehmen. Als der Verkäufer fragt, ob es noch etwas sein darf, antwortet die Kundin, als sei es das Normalste auf der Welt: "Ja, ein Stück Zitrone noch, bitte!" ... worauf der Dönermann – wiederum als sei es das Allerselbstverständlichste – eine achtel Zitrone in Silberpapier wickelt und der Frau überreicht.
Wie wenig weltläufig ich früher noch war! Was ich da mit Ungläubigkeit wahrgenommen hatte, war tatsächlich das Normalste auf der Welt: Börek & Co. werden nämlich traditionell mit Zitrone genossen. Lernen tat ich Döspaddel das indes erst Ende 2023, als ich in Köln in einer Cigköfte-Filiale veganes Lahmacun bestellte und dazu einen Zitronenschnitz überreicht bekam. 'Ach, das muss so!', schoss es mir sofort durch den Kopf. 'Deswegen hat die Frau damals danach gefragt.'

Freitag, 5. April 2024

The Anarchist Plant Book

Hier kommt ein Tipp für eine Lektüre, die mir als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt wurde.

Der 1939 in Graz geborene Biologe, Psychologe und Philosoph (diese Kombination spielt eine Rolle, zu der ich gleich komme) Helmut Eisendle hat in den Siebzigerjahren im Eigenverlag das Unikatbuch "Tod und Flora" veröffentlicht, das schließlich 2009, sechs Jahre nach dem Tod des Autors, erstmals von Jung und Jung "richtig" aufbereitet und aufgelegt wurde. Nun erschien in dem Salzburger Verlag eine Neuedition von "Tod & Flora".


Wer sich prima facie ein gewöhnliches Pflanzenbestimmungsbuch vorstellt, sei eines Besseren belehrt. Das Besondere an Eisendles kompaktem Werk ist nicht nur, dass es sich, wie der Titel erahnen lässt, auf tödliche Pflanzen konzentriert: Neben den Angaben zu Aussehen, Blütezeit und Fundort wird zu jeder der 33 heimischen Giftgewächse vermerkt, wie sie wirkt und vor allem welche Menge nötig ist, um die beschriebenen Effekte hervorzurufen.

Beispielsweise lesen wir im Eintrag über die Meerzwiebel (Scilla maritima) unter "Eigenschaften und Wirkungen": "Der Geschmack der Zwiebel ist stechend, treibt die Tränen in die Augen, erregt Niesen und Husten. Ihr Saft bringt auf der Haut kleine Blasen, Rötungen verbunden mit Brennen hervor. Eingenommen, wirkt er auf den Harndrang, die Schleimhäute der Atmungsorgane, erzeugt heftige Schmerzen im Unterleib, Durchfall, Gedärmentzündungen und in seltenen Fällen den Tod." Und unter "Dosis minimalis/letalis": "Drei Scheiben des Zwiebels [sic] bewirken einen Tränenausbruch, Brennen im Hals, Niesen und andere Beschwerden. Der Saft der Pflanze kann, in Speisen gemischt, über Darmentzündungen den Tod verursachen."

So kann das Glossar nicht nur als Anleitung zum Morden und Verletzen dienen, das soll es sogar. In einem kurzen Vorwort leitet der Autor philosophisch fundiert her, warum das Auslöschen gewisser Personen mit Giftgabe ethisch nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar notwendig sei. Im Wesentlichen geht es um das Korrigieren von Machtverhältnissen, um sthenische vs. asthenische Gruppen, um das Erreichen der "Überwindung [der] Glücklosigkeit und Armut" einer unterdrückten Mehrheit in der "gegebenen Situation des Lebens", i.e. der auf Gewalt und Ungerechtigkeit basierenden Gesellschaft. "In unserem komplexen Leben gibt es eine Vielzahl personeller und sozialpsychologischer Probleme, die radikale Lösungen fordern, da sonst sowohl der persönliche Friede als auch ein vertretbares Zusammenleben ganzer Bevölkerungssysteme nicht mehr gewährleistet ist." Der Aspekt des puren Lustgewinns wird darüber hinaus nicht verschwiegen. Als Eckpfeiler seiner Handreichung stellt Eisendle vier "strategische Grundsätze" auf, nämlich "Wissen ist Macht", "Hass bedingt Motivation", "Motivation bedingt Destruktion" und "Sicherheit bedingt Heimtücke".


Das Ganze ist sehr, sehr österreichisch, entbehrt in seiner lakonischen Sachlichkeit nicht eines gewissen schwarzen Humors. Hätte so ein Kompendium auch in Deutschland – etwa in der "Naturkunden"-Reihe von Matthes & Seitz – erscheinen können? Oder würde sich die Staatsanwaltschaft einschalten? Ich denke da direkt an die Tatbestände "Anleitung zu Straftaten" (§ 130a StGB) und "Belohnung und Billigung von Straftaten" (§ 140 StGB), aber ich bin ja kein Jurist. Es muss zudem betont werden, dass sich nirgends konkrete Schritt-für-Schritt-Instruktionen für Giftanschläge finden. Stattdessen gibt es Kasus, "Fallbeispiele dazu, wie die Pflanzen zum Einsatz gekommen sein könnten" (Astrid Wintersberger im Nachwort).


Ein makabres und erst recht lehrreiches Vergnügen; ich wusste beispielsweise nicht, dass es bereits schädlich sein kann, sich unter einer Eibe längere Zeit nur aufzuhalten! "Tod & Flora" umfasst 174 Seiten und kostet 25 Euro.

Mittwoch, 3. April 2024

Der österreich-liechtensteinische Gebietstausch

Fast unbemerkt von der (deutschen) Öffentlichkeit steht nicht mal ein Jahr nach der letzten innereuropäischen Grenzverschiebung die nächste Grenzkorrektur kurz bevor: Im künstlichen Egelsee nahe der Vorarlbeger Stadt Feldkirch soll die nicht mehr nachvollziehbare Linie zwischen Österreich und Liechtenstein begradigt werden. Bevor der entsprechende Staatsvertrag geschlossen werden kann, muss noch der Bundestag von Vorarlberg darüber beraten. Territorialen Verlust macht dabei keines der Länder: Die rund 250 Quadratmeter, die das eine verliert, bekommt es vom anderen wieder. Und umgekehrt. Es ist im Grunde ein Gebietstausch zu niemandes Lasten. Die Kleine Zeitung weiß mehr.

Montag, 1. April 2024

Serientagebuch 03/24

02.03. Poorly Drawn Lines 1.01
Poorly Drawn Lines 1.02
04.03. Curb Your Enthusiasm 12.04
07.03. Mrs. Davis 1.04
Family Guy 22.10
Will Trent 1.04
11.03. Curb Your Enthusiasm 12.05
12.03. Mrs. Davis 1.05
13.03. Poorly Drawn Lines 1.03
Poorly Drawn Lines 1.04
Will Trent 1.05
14.03. Mrs. Davis 1.06
Family Guy 22.11
Mrs. Davis 1.07
15.03. Poorly Drawn Lines 1.05
Mrs. Davis 1.08
24.03. Curb Your Enthusiasm 12.06
Will Trent 1.06
25.03. Poorly Drawn Lines 1.06
Poorly Drawn Lines 1.07
Poorly Drawn Lines 1.08
26.03. Gotham 4.01
28.03. Family Guy 22.12
Poorly Drawn Lines 1.09
Poorly Drawn Lines 1.10
31.03. The Simpsons 35.13

Wem "The Leftovers" (2014-2017) und "Watchmen" (2019) noch nicht abgefahren genug waren, dem sei Damon Lindelofs neuester Sehgewohnheiten unterlaufender und Genrekonventionen auf den Kopf stellender Streich Mrs. Davis wärmstens empfohlen. Mit kleiner Einschränkung: Wer mit Ton und Setting der Pilotfolge nichts anfangen kann, braucht nicht weiterzuschauen, denn andere Saiten schlagen die folgenden sieben Episoden nicht an. Den Stoff hat Lindelof zusammen mit Tara Hernandez (langjährige Autorin bei "The Big Bang Theory" und dessen Spin-off "Young Sheldon") entwickelt, zudem ist Comic-Weirdo Jonny "Jomny" Sun ("BoJack Horseman") als Executive Story Editor mit von der Partie; und ja: Das schwungvolle Abenteuer um eine KI-Gottheit und den Heiligen Gral ist mehr Comedy denn Mystery-Action – zwei, drei Stellen waren selbst mir zu klamaukig –, trotzdem gibt's viel zu staunen und zu rätseln. Darüber hinaus überzeugt der Spaß mit einem originellen Look und einem größtenteils unverbrauchten Cast mit feinem komödiantischen Gespür.

Skurril geht es auch bei Poorly Drawn Lines zu. Ganz genau: Die seit vielen Jahren laufende Webcomic-Reihe hat vor einer Weile eine zehnteilige Bewegtbild-Umsetzung bekommen, die in der von Reza Farazmand geschaffenen kleinen Welt um die Figuren Tanya, Vogel Kevin, Bär Ernesto und Schildkröte Turt spielt. Humor und Tonfall der Vorlage werden angemessen übersetzt, stilistisch sowieso. Weil eine Handvoll Panels, die ohnehin meistens nur aus einem kurzen Dialog bestehen, selbst eingedenk der knackigen Länge von nur zehneinhalb Minuten schlechterdings kaum genug Stoff für eine ganze Episode bieten, kommt es jedes Mal zu relativ komplexen Handlungsbögen: Unsere Helden sehen sich fantastischen Ereignissen und übernatürlichen Gefahren ausgesetzt, was nicht selten an "Aqua Teen Hunger Force" erinnert. ("Master Shake"-Sprecher Dana Snyder, eine meiner allerliebsten Cartoon-Stimmen, hat sogar einen wiederkehrenden Gastauftritt als Katze!) Schade, dass diese rasch weggeguckte Erwachsenen-Animation nicht fortgesetzt wurde.

Samstag, 30. März 2024

Was geht, Google?

Im Oktober 2023 traf mich wie ein Hammerschlag die Mitteilung von der baldigen Einstellung meiner geliebten Google-Podcasts-App. Zwischenzeitlich wurde der Termin des unausweichlichen Endes mit "irgendwann im März" präzisiert. Während ich dies tippe, ist der 29.3., und noch läuft Google Podcasts wie eh und je auf meinem Google-Phone. Hatte der Konzert ein Einsehen und pflegt seine so komfortable wie schlanke Applikation mit Stolz und Sorgfalt noch ein paar Jährchen weiter? Oder wurde die Abschaltung schlicht vergessen? Warten wir es ab.

Neu bei Youtube ist wiederum dies: Wenn man ein Video hochlädt, muss man angeben, ob dieses Deep Fakes oder andere die Wahrheit verzerrende Elemente enthält.


Hm, ob das Untergrund-Propagandisten, feindseligen KI-Hexern und internationalen Troll-Armeen Einhalt gebietet?

Donnerstag, 28. März 2024

TITANIC vor zehn Jahren: 4/2014

Die Duplizität der Ereignisse, sie grenzt ans Unheimliche. Vor ein paar Tagen wurde der russische Präsident im Amt bestätigt und ist ohnehin wegen seines Krieges gegen die Ukraine das neben Trump am stärksten die Nachrichten dominierende (Ex-)Staatsoberhaupt; vor zehn Jahren wiederum schaute alle Welt im Zuge des Vorspiels davon auf Putin, auch Titanic:


Mehrmals im Heft geht es um die Krim-Besetzung und ihre Folgen wie die daraus resultierende Furcht vor Eskalation bis hin zum Weltkrieg. Rürups Startcartoon (S. 3) greift das Thema Gasboykott auf, Gärtners Essay (S. 18/21) ordnet dies und das ein, die neue Folge von "Miss Merkle: Macht ist ihr Hobby" (S. 33) heißt "Mord im Krim-Expreß", Michael Ziegelwagner und ich zeigen auf S. 47 den Stammbaum der Klitschkos ("Die unbekannten Klitschko-Brüder", darunter "Kitsch, Klitsch und Klatsch"), Ernst Kahl kommentiert in einem ungewohnt tagespolitischen Gemälde den damaligen Schalke-Sponsor Gazprom.

Und für den Aufmacher (S. 12-17) reisten wir nach – Baden-Baden: "Schließlich wohnen und entspannen sich hier seit Jahrhunderten Russen, konsumieren feinste Juwelen und Maultäschle mit Kaviar und wandeln auf den Spuren Fjodor Dostojewskis, der beim nichtrussischen Roulette im berühmten Kasino so viele Rubel ließ, daß er zur Refinanzierung den 'Spieler' schreiben mußte."


Ich erinnere mich gern an diese Aktion zurück, vor allem an den Umstand, dass uns die Einheimischen durchweg unsere mit albernen Klischee-Kostümen vorgegaukelte Identität ("Interrussischer Warn-, Auslands- und Nachrichtendienst", kurz I.W.A.N.) abnahm!

Als wäre dieser Ausflug nicht schon aufwendig genug gewesen, fabrizierte das Team Tietze/Wolff/Hintner als Zweit-Aufmacher einen nicht weniger als sieben Seiten fassenden Fotoroman, wie es ihn meines Wissens zuvor noch nicht gegeben hatte und auch danach nie wieder geben sollte: Die Nacherzählung der Affäre um einen SPD-Politiker erfolgte mit ... Lego:


Für die Doppelseite "Mampftrend Mischfutter" (Rürup/Tietze) in der Heftmitte war noch mehr Bastelei nötig. Nach 13 Jahren in der Redaktion weiß ich nicht mehr, wie oft wir für irgendwelche Food-Artikel Quatsch mit Lebensmitteln gemacht haben, aber die Hybrid-Produkte von "Cevapciccio" bis "Müsli di Mare" schossen wirklich den Vogel ab.


Holy macaroni!, auch in den folgenden Beitrag floss eine Menge Zeit und Energie. Moritz Hürtgen und ich hatten, inspiriert vom jüngsten Ableger der "Paranormal Activity"-Reihe, den Einfall, eine Nacht in den Redaktionsräumen (inkl. Keller!) zu verbringen, uns bei abgeschaltetem Licht Spuk-Ereignisse herbei zu imaginieren und daraus ein Horror-Logbuch mit stimmungsvollen Found-Footage-Bildern zu spinnen. Beim Schießen der Fotos überkam uns tatsächlich ein wenig Gänsehaut, im Großen und Ganzen überwog aber die Gaudi. Jetzt kann ich's ja verraten: Wir haben nicht wirklich die ganze Nacht durchgehalten. Laut Google-Zeitachse habe ich die Redaktion um 2 Uhr 20 verlassen. (Dass ich zehn Jahre später noch meine Arbeitszeiten bis auf die Minute genau rekonstruieren kann, ist der wahre Grusel.)


Weiteres Notierenswertes
- Dass Kollege Hürtgen die Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II. protokolliert hat (S. 54), hatte ich in meiner Notiz zu jenem Bizarro-Ereignis zu erwähnen vergessen. Lektüre bitte nachholen!
- Gerhard Henschel in seinem Hausbesuch bei Bushido (S. 58f.): "Schon erstaunlich, daß es dafür [für die nicht zitierfähigen Lyrics; T.G.] einen Bambi gegeben hat. Aber auch wieder folgerichtig, wenn man bedenkt, daß das Verlagshaus Burda als Schirmherr der Bambi-Verleihungen seinerseits Leichenfledderer beschäftigt, die für das Lifestyle-Magazin Bunte die Totenflecken am Mund eines im Jagdschloß des Prinzen Ernst August von Hannover verstorbenen Prominenten nachgezählt haben."
- Weitere Nervgestalten (von denen man heute gottlob nur noch wenig mitkriegt, z.T. wg. tot) in dieser Ausgabe: Thilo Sarrazin (Aboanzeige, U1), Sibylle Lewitscharoff ("Der letzte Halbmensch", Leo Fischer, S. 66), Jasper von Altenbockum ("Jasper me softly", Heiko Werning, S. 24f.)
- Sehr hübsch auch M. Ziegelwagners Abrechnung mit den ausgenudeltsten Kommerzklassik-Melodien ("Unsterbliche Zombie-Klänge", S. 42f.): "Laßt den Wohltemperierten Fahrstuhl abstürzen! Nie wieder 'La donna è mobile'! Nie wieder die 'Kleine Nachtmusik'! [...] Schlimmer und ubiquitärer ist nur noch der Pizza-Jingle von Giuseppe Verdi."

Schlussgedanke
Eine Wundertüte erster Kajüte! Es ist diese Formenvielfalt, die meine Freude am re-visiting der Ära Wolff besonders hebt.

Mittwoch, 27. März 2024

Onkel Dagoberts Erbe

Ich frage mich, ob der österreichische Signa-Gesellschafter Hans Peter Haselsteiner der letzte prominente Träger eines Kneifers ist.


In Österreich sagt man wohl eher Stecher, wobei mir auch die Bezeichnungen Zwicker und Pincenez (aus der Sherlock-Holmes-Geschichte "Das goldene Pincenez") geläufig sind. Welche Klemmbrillen-Unterart der Herr, dessen Foto ich Anfang des Jahres aus einer Tageszeitung abfotografiert habe, genau trägt, kann, wer Zeit und Lust hat, anhand des entsprechenden Wikipedia-Artikels bestimmen.

Montag, 25. März 2024

Verfälschte Staatsbürgerschaften

Schon einmal habe ich editorische Patzer in den Film-Sammelkarten der Zeitschrift Cinema moniert. Zwei Fehler aus dem Bereich der Länderkunde haben mich seitdem besonders gnatzig gemacht:


Wie ich im oben verlinkten Beitrag schrieb: Der Staat hieß in den 1980er-Jahren DDR, Anklam lag in Matthias Schweighöfers und meinem Geburtsjahr nicht in "Deutschland".


Zugegeben: Der Status von Jersey und den anderen Kanalinseln ist nicht unkompliziert, aber dass sie kein Teil von Großbritannien sind, könnte man wissen. Als Kronbesitzungen gehören sie streng genommen nicht einmal zum Vereinigten Königreich, doch hätte ich über die Angabe "Jersey/UK" ggf. hinweggesehen.

Samstag, 23. März 2024

Die Schildfrage

In der Süddeutschen Zeitung gab es neulich einen launigen Artikel (online nur hinter der Bezahlschranke) über "touristische Unterrichtungstafeln", jene braunen Schilder an Autobahnen, die auf nahegelegene points of interest hinweisen oder die Besonderheit des jeweiligen Ortes herausstellen: "Sportstadt Riesa", "Königliches Puppenstuben-Museum Laubach", "Umspannwerk Recklinghausen" und viele andere mehr, insgesamt rund 3600.

Doch ach!, die zwei Tafeln, die um Kilometer 530 herum auf beiden Seiten der A3 den Zoo Straubing bewerben, könnten bald Geschichte sein: "Die 2001 aufgestellten Schilder müssen der Autobahn GmbH zufolge ausgetauscht werden, weil sie im Laufe der Jahre verblasst sind und nicht mehr den Vorschriften entsprechen. Die Folie auf den Schildern sei insbesondere in der Nacht nicht mehr gut lesbar [...]. Falls Durchreisende nachts spontan die Tiger im Straubinger Zoo besuchen möchten, könnten sie die Tafel also übersehen." Joah, warum tauscht man die Tafeln dann nicht aus?, könnte man jetzt fragen. Hier kommt der Knackpunkt: "Die Kosten für zwei neue Zoo-Schilder belaufen sich allerdings auf 83 000 Euro. Kosten für deren Entfernung: 10 000 Euro. Der Stadtrat entschied sich für den Abriss."

Wem soeben angesichts dieser Zahlen aus Niederbayern schwindelig geworden ist, der möge sich darauf einstellen, gleich ohnmächtig zu werden, denn diese sind noch zu toppen: "Im Oktober 2023 hatte der Bund der Steuerzahler in seinem Schwarzbuch auf einen ähnlichen Fall in Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) hingewiesen. Dort werben Schilder an der A38 für das Europa-Rosarium [...]. Für zwei neue Schilder soll die Stadt Sangerhausen 181 000 Euro zahlen."

Ich bin jemand, den "Kostenexplosionen", "Steuerverschwendung" und "Behördenirrsinn" kaum noch schocken können. Man steigt ja als kleines Licht eh nicht dahinter. Wenn irgendwo von den Ausgaben für, sagen wir, eine neue Brücke die Rede ist, dann nehme ich eine Kostenangabe von 5 Millionen Euro so stoisch hin wie eine von 50 Millionen oder 150 Millionen oder 500.000. Nur: Wieso das Herausrupfen zweier zwei mal drei Meter großer Schilder 10.000 Euro verschlingt, möge man mir mal auseinanderklamüsern. Von märchenhaften Summen von beinahe oder gar mehr als 100.000 Euro für den Austausch ganz zu schweigen. "Es ist ja keine Weltraummission. Es geht um zwei Schilder", zitiert die SZ den Bürgermeister von Passau, wo es ebenfalls um die Erneuerung von Tierpark-Tafeln ging. "Das müsste eigentlich für 15 000 bis 20 000 Euro machbar sein". Wenn überhaupt!

Bei Rechnungen, die irgend mit Straßenverkehr zu tun haben, schlackern einem regelmäßig die Ohren. Einmal, es mag auch schon wieder 20 Jahre her sein, hörte ich einen Experten behaupten, dass die Unterhaltung eines einzigen Verkehrsschildes die Stadt (in diesem Fall: Dresden) 2000 Euro pro Jahr koste. Das darf doch nicht wahr sein! Kann man nicht jemandem einmal im Quartal 'nen Hunderter, einen Lappen und einen Eimer warmes Wasser in die Hand drücken und gut ist's? Oder werden einfach so viele Verkehrszeichen beschädigt/zerstört, dass die ständigen und verständlicherweise teure(re)n Ersetzungen die Durchschnittsaufwendungen in die Höhe schnellen lassen? Selbst wenn, erklärt das nicht, wieso die Her- und Aufstellung einer touristischen Unterrichtungstafel so kostspielig ist wie ... Ach, was reg' ich mich auf.

Donnerstag, 21. März 2024

Peak Kommunikationstechnologie

Gerade habe ich meine zehn zuletzt gesehenen Filme vorgestellt, haben sich in der Liste für den nächsten Beitrag schon wieder nicht weniger als fünf neue Filme angesammelt. Ich hinke meinem eigenen Rezensionsveröffentlichungsplan teilweise wochenlang hinterher. Da ist es unvermeidbar, dass ich mich an Einzelheiten in den gesehenen Filmen nicht mehr erinnern kann, und mit Bleistift und Notizblock möchte ich nun auch nicht vor dem Fernseher oder im Kinosaal hocken.

Hier nun ein ulkiges Detail aus dem Charakterdrama "Glengarry Glen Ross", das ich in der nächsten Ausgabe von "M. z. z. g. F." besprechen werde. Ein von Jack Lemmon gespielter Immobilienmakler benutzt, um sich während seiner täglichen Cold-Call-Marathons zu schonen, diese Apparatur:


Eine Telefonhörer-Halterung für die Schulter! Wusstet ihr, dass so etwas im Jahre 1992 existiert hat? Bzw. noch immer existiert! Bei Amazon kann man mit den entsprechenden Suchbegriffen mehrere vergleichbare Modelle finden. Billig sind sie nicht.

Dienstag, 19. März 2024

Meine zehn zuletzt gesehenen Filme

Leave the World Behind
Michelle und Barack Obama als "Executive Producers", da staunt man erst einmal, wenn man das in den Credits liest. "Leave the World Behind" ist tatsächlich schon der vierte Film, an dessen Realisierung die Obamas mit ihrer 2018 gegründeten Produktionsfirma Higher Ground mitgearbeitet haben; daneben entstanden mehrere TV-Serien und -Specials sowie Dokumentationen.
Die Verfilmung des Romans "Inmitten der Nacht" von Rumaan Alam dem Genre Endzeit-Thriller zuzuordnen, wäre zu einfach. Es gibt Horror-, Mystery- und Home-Invasion-Drama-Elemente, und spätestens am Ende darf man auch mal herzhaft auflachen. Die stattliche Laufzeit von 138 Minuten garniert Regisseur und Autor Sam Esmail gekonnt mit Spannungsspitzen, oder besser: er schlägt Wellen von Spannungsaufbau, die ein permanentes Gefühl der An-Spannung erzeugen, wie bei seinem "Mr. Robot" befeuert von Mac Quayles intensivem Score. Die durchweg greifbare Bedrohung mag für manche zu viel sein, hin und wieder verpufft sie aber oder mündet in einer Antiklimax, zuweilen wird sie auch durch kammerspielartige Momente von Awkwardness oder sogar Erotik aufgebrochen, die vom einnehmenden Spiel des namhaften Casts (u.a. Julia Roberts und Mahershala Ali) getragen werden.

Olaf Jagger
Als bekennender Schubertianer musste ich diese Mockumentary aus dem letzten Jahr endlich nachholen, wobei mir überraschenderweise der Dok-Faktor besser als das Mokierende gefallen hat. Die Recherchen des Protagonisten, die ganze Machart, die Einbindung prominenter Gewährsleute, das Look & Feel ist überzeugend, da steckt viel Sorgfalt drin. Zwei, drei Stellen waren auch richtig lustig, nur hätte ich mir zwanzig, dreißig davon erhofft. Und so muss ich folgendem längeren Zitat meines Kollegen Hans Mentz aus dessen Humorkritik vom April 2023 zustimmen:
"Ein vom Leben gestrafter Versager, der sich an die Hoffnung klammert, der Sohn einer Berühmtheit zu sein: Dieses Drehbuch verstünde ich. Aber Olaf Schubert ist kein solcher Versager, er spielt auch keinen, sondern bleibt seine eigene Kunstfigur: ein bundesweit bekannter, mutmaßlich ausgesorgt habender Comedy-Star, der (auch im Film) überall erkannt wird, für Selfies posiert und sich freut, wenn er in der Zeitung steht. Wird er zwischendurch gefragt, was ihm als Sechsjährigen ein berühmter Vater genützt haben würde, heißt es: »Mehr Optionen … und ja, man wäre jetzt nicht, sag ich mal, so ’n Zonen-Spacko geworden.« Ein Zonen-Spacko mit ausverkauften Hallen und TV-Präsenz, sag ich mal, für den eine jaggerlose DDR-Biografie natürlich die viel bessere Aufstiegsgeschichte wäre; bzw. ist."

Barfuß im Park
Der Theatermann, mehrfache Tony-Gewinner und gelegentliche Schauspieler Gene Saks (1921-2015) hat acht Filme gedreht, allesamt basierend auf Bühnenstücken, vier davon aus der Feder von Neil Simon. Für Saks' Kinodebüt von 1967 hat Simon nicht nur die Vorlage geliefert, nämlich die gleichnamige Komödie von 1963 (seine erst dritte Arbeit überhaupt), sondern auch das Drehbuch geschrieben.
Die Broadway-Herkunft wird von vorne bis hinten deutlich: Ausführliche Szenen mit überschaubarem Personal in einer beschränkten Anzahl von Schauplätzen. Und es ist herrlich! Dank der glänzenden Besetzung mit einer hinreißenden Jane Fonda und einem charismatischen und trotz seines jungen Alters sehr reif wirkenden Robert Redford wartet man in keiner der immerhin 104 Minuten darauf, dass der Vorhang fällt. Das Stück ist rasant, ohne allzu sehr ins Screwballige zu verfallen, zudem verblüffend raunchy und obendrein lehrreich, gibt es doch Einblicke in die Wohnungssituation und -beschaffenheit des unglamourösen, "gewöhnlichen" New York der frühen Sechziger (Radiatoren an der Zimmerdecke!).

Ein Fisch namens Wanda
Noch eine als Kult gehandelte Komödie, um die ich aus irgendwelchen Gründen bis dahin einen Bogen gemacht hatte, und ja: Sie ist gut. In meinen Augen kein Meisterwerk, aber eine rasante, frivole schwarze Gaunerfarce. Die zum Teil wunderbar subversiv ausfällt: Der in den letzten Jahren ja eher mit reaktionären Äußerungen auffällig gewordene John Cleese lässt in seinem Drehbuch kein gutes Haar an seinen Landsleuten! (Der umfangreiche Analyseteil des Wikipedia-Artikels enthält einen eigenen Abschnitt "England 'versus' Amerika".) In seinen besten Momenten fühlt sich "A Fish Called Wanda" wie ein kleines Monty-Python-Klassentreffen an; es gibt mindestens eine Szene mit Cleese und seinem Co-Star Michael Palin, die genau so im "Flying Circus" hätte zu sehen sein können. Weniger gelungen erscheint mir der Kriminalpart: Die Konflikte, Irrungen und Täuschungen zwischen den antisozialen Kleingangstern sowie die durchgeführte Tat an sich möchten cleverer wirken, als sie sind.
Schön ist jedenfalls, dass Charles Crichton (1910-1999), der vor "Wanda" jahrelang keinen Kinofilm inszeniert hatte, mit seinem Comeback 1989 nicht nur einen kommerziellen Erfolg feiern konnte, sondern sogar eine Oscar-Nominierung für die beste Regie sowie als Mitautor eine für das beste Originaldrehbuch erhielt.

Beau is Afraid
Nach knapp drei Stunden lässt einem die letzte Einstellung genügend Zeit, um das Gesehene sacken zu lassen, bevor man in den Raum hineinruft: "Was zum Henker war DAS?!"
Ich hatte lange ein wenig Angst davor, war sozusagen afraid, mir Ari Asters neuesten Streich zu Gemüte zu führen, zumal ich es mit Skepsis und leichter Enttäuschung aufgenommen hatte, dass der Regisseur meines Lieblings-Genrevertreters der vergangenen zehn Jahre ("Midsommar") sich hiermit von der Horrorsparte zu entfernen trachtete. In der Gesamtschau muss ich festhalten: "Beau is Afraid" ist durchaus Horror, wenn auch nicht nach hergebrachten Standards. Allein die zombie-apokalypsenhafte Großstadt-Dystopie, die hier gezeichnet wird (und mir als Extrapolation des gegenwärtigen US-amerikanischen Opioid-/Fentanyl-Wahnsinns angelegt zu sein scheint), macht einen schaudern. Und das, was die arme, von Joaquin Phoenix auf mitleiderregende Weise verkörperte Kreatur erlebt, möchte niemand erleben. Wir begleiten einen Getriebenen, einen von höheren Mächten auf eine irrwitzige Odyssee geschickten Außenseiter, einen, der nur in Ruhe gelassen werden möchte, aber wider Willen zur Hauptfigur eines Dramas wird, einer Groteske. (Eine Freiluft-Theateraufführung spielt denn auch eine entscheidende Rolle in Beaus Reise.)
Tja, was will uns Ari Aster mit diesem Werk sagen? Egal, ich hatte meinen, nun ja, "Spaß".

The Creator
Gareth Edwards hat mit "Rogue One" den besten Star-Wars-Film seit dem Abschluss der Prequel-Trilogie vorgelegt. Mit "The Creator" hat er mich enttäuscht. Die SciFi-Geschichte ist so unterwältigend, dass ich nicht mal weiß, was ich darüber schreiben könnte. Dabei hätte die Prämisse, gerade in heutiger Zeit, eine Menge hergeben können, es geht nämlich um KI und deren (beinahe) weltweites Verbot, nachdem sie einmal gar zu frech geworden ist. Diese wird aber auf eine Weise charakterisiert, die man nur als naiv, wenn nicht gar kindlich bezeichnen kann. Irgendwie gab es auch Anklänge an moderne dubiose Heilsversprechen sowie religiöse Untertöne, die mir nicht behagten. Der Plot führt mehr in Krimi- und Spionage-Gefilde (ein Terrain, auf dem Hauptdarsteller John David Washington trittsicher wandelt); die gesellschaftspolitischen Tiefen bleiben unausgelotet, es fehlt an Humor und den Figuren an Dreidimensionalität.
Positiv erinnerlich ist mir, dass man sich mit dem Zukunfts-Setting Mühe dahingehend gegeben hat, dass vor allem in die Konstruktion des kulturellen Schatzes der Zivilisation des Jahres 2060 originäre Ideen geflossen sind. Oft ist es ja in Science-Fiction-Stoffen so, dass die Menschen in, sagen wir, 200 Jahren immer noch die in der Zeit ihrer Entstehung angesagten Medien konsumieren. ("The Expanse" ist hier als weitere Ausnahme von der Regel zu rühmen.) Außerdem war die Optik ungewohnt und opulent.

Standing Up, Falling Down
Ben Schwartz (den ich in "Parks & Rec" nicht ausstehen konnte, der aber zum Glück wandelbarer ist als vermutet) und Billy Crystal in einer im Stand-up-Milieu angesiedelten Dramedy à la "Don't Think Twice" und "I Want Someone to Eat Cheese With", wie ich sie mag.

Everything Everywhere All at Once
Das war er also, der Oscar-Abräumer 2023. Ich bereue nicht, ihn geschaut zu haben, und doch fragte und frage ich mich, ob ich ihn anders rezipiert hätte, wenn ich um seinen Erfolg bei den Academy Awards nicht gewusst hätte. Mich beschleicht das Gefühl, die nicht fundierte Ahnung, dass man sich auf eine Art verpflichtet fühlte, die Macher für ihre Anstrengungen zu belohnen. Denn haushoch müssen diese Anstrengungen allemal gewesen sein! Was hier für Detailliebe, Geld und Herzblut in Kostüme, Choreographie, Effekte, Stunts etc. etc. gepresst wurden, nötigt einem tatsächlich Respekt ab. Da gibt es Bilder, die für kaum mehr als drei Sekunden aufploppen, die aber vor Bombast und Kreativität förmlich explodieren.
Dabei ist das Visuelle nicht unbedingt der main star, nein, die Stars sind die Schauspielerinnen und Schauspieler, die in ihren Performances wirklich alles geben. Die Story ist wild. Wild genug? Für jemanden wie mich, der mit einiger Erfahrung im Zeitreise-/Parallelwelten-Fach höchste Ansprüche an entsprechende neue Vertreter stellt, offenbart das von Daniel Kwan und Daniel Scheinert gewobene Multiversums-Geflecht einige Mängel; nee, zu 100 % stimmig war das nicht. Aber wie gesagt: Das hier ist was fürs Auge, und über logische oder physikalische Unzulänglichkeiten zu streiten, wäre kleinlich.
Ist "Everything ..." demnach ein Must-see? Hm, es ist nicht für jeden. Ich glaube, meine Eltern zum Beispiel, die ansonsten cineastisch breit aufgestellt sind, würden den Streifen nach einer halben Stunde abbrechen: "zu albern und überdreht".

Inspektor Clouseau - Der irre Flic mit dem heißen Blick (OT: Revenge of the Pink Panther)
Zwei "Inspektor Clouseau"-Filme habe ich gesehen, bevor ich diese Rubrik auf meinem Blog eingeführt habe: "Ein Schuss im Dunkeln" und "Der beste Mann bei Interpol" (OT: "The Pink Panther Strikes Again"), und beide fand ich mindestens amüsant, bewertete sie auf imdb mit 6 resp. 7 Punkten. Nachdem ich kürzlich ein Peter-Sellers-Special im "Allmovietalk"-Podcast gehört hatte, bekam ich mal wieder Lust auf den Schnüffler-Klamauk und pickte mir Blake Edwards' sechsten Beitrag zur Reihe heraus.
Dieser Teil ist der letzte mit Peter Sellers in der Rolle des Clouseau, seine Auftritte in der Fortsetzung "Trail of the Pink Panther" wurden aus Archivmaterial zusammengesetzt. Es ist kein würdiger Abgang. Ich bin froh, dass ich diese Komödie nicht gemeinsam mit einer anderen Person geschaut habe; ich wäre im Erdboden versunken. Ich schäme mich schon, darüber nur zu schreiben, so peinlich ist diese Klamotte. Das ist keine Persiflage, das ist Kasperltheater. Wenn es zwischen den präpubertären Gags und lahmen Blödeleien etwas zu loben gibt, dann immerhin das commitment, mit dem noch die flachste Pointe durchgezogen wird, Sellers' perfektionierter dead-pan-Mimik sei Dank. Vor allem hat man in Sachen Stunts, Bauten und Kulissen keine Kosten und Mühen gescheut. Was hier alles zerstört, gesprengt, kaputtgehauen wird! Ja, doch, dass erwachsene Menschen für so was nicht zu knapp Gelder und Manpower eingesetzt haben: Chapeau!

Die Brücke am Kwai
Bald 70 Jahre hat das Kriegsgefangenen-Drama mit dem eingängigen gepfiffenen Colonel-Bogey-Marsch und Alec Guinness als unbeugsamen Oberstleutnant auf dem Buckel. Die hochgehaltenen Werte mögen ein wenig Patina angesetzt haben, aber allein wegen der im schönen Ceylon eingefangenen Landschaftsbilder sollte man David Leans siebenfachen Oscargewinner gesehen haben.

Sonntag, 17. März 2024

Bye Bye Bahnie

Letzte Woche habe ich meinen BahnBonus-Goldstatus verloren. Jetzt darf ich nie mehr in den für Vielfahrende reservierten Sonderbereichen von IC und ICE Platz nehmen. Ich bekomme keine Freigetränke im Bordbistro mehr. (Stücker zwölf gab's für Gold-Mitglieder per annum!) Und in die DB-Lounge wurde man ja sowieso nur noch mit am jeweiligen Tag gültiger Fahrkarte gelassen. (Früher habe ich manchmal einfach so die Lounge betreten, wenn mir während eines Stadtganges/Einkaufsbummels der Sinn nach Ruhe und Kaffee stand. Good times.) Es ist mir einfach nicht gelungen, die dafür notwendigen 2000 Bonuspunkte innerhalb von zwölf Monaten zusammenzubekommen.

Einen Tag vor diesem drastischen Einschnitt in mein Leben informiert mich eine E-Mail, dass "Ihre BahnCard mit Gültigkeitsbeginn ab dem 09.06.2024 oder später ausschließlich in digitaler Form zur Verfügung stehen wird". Heißt: Erst werde ich downgegraded, nächstes Jahr habe ich gar keinen Vergünstigungsnachweis mehr im Portemonnaie. Den Klimaschutzgedanken dahinter kann ich nachvollziehen und gutheißen, ich sehe allerdings einen entscheidenden Nachteil: Ich werde künftig immer darauf achten müssen, mein Handy vor Reiseantritt ausreichend geladen zu haben. Mit ausgedrucktem Ticket und physischer BahnCard ist man unabhängiger bzw. war es die längste Zeit gewesen. Mir ist es schon passiert, dass ich mit weniger als 20 % Ladung einen Zug bestiegen habe und dachte 'Okay, das Telefon kann ich ja während der Fahrt chargen', nur um dann wegen Überfüllung weit weg von einer Steckdose zu stehen. Man wird doch panisch, wenn ein Kontrolleur naht, dem man etwas auf einem jeden Moment die Grätsche machen könnenden Elektrogerät vorzeigen muss! Genau deshalb habe ich mir auch das Deutschlandticket in Plastikform ausstellen lassen.

Davon abgesehen macht die kommende Umstellung BahnCard-Kunden ohne Smartphone das Zugfahren schwerer – aber wenigstens nicht unmöglich: "Dann nutzen Sie als Nachweis für die BahnCard das Ersatzdokument, welches Ihnen ab dem 09.06.2024 ebenfalls in Ihrem Kundenkonto [...] als Download zum Ausdrucken zur Verfügung gestellt wird." Vor allem für Ältere und deren Angehörige wird das natürlich eine zusätzliche Belastung darstellen. Ins Internet gehen, ein Dokument runterladen, ausdrucken, und das Jahr für Jahr: Da wird wieder das ein oder andere Enkelkind seine helfende Hand reichen müssen ...

Freitag, 15. März 2024

Offenbarungseid

Bei "Spiegel online" standen vor einer Weile diese drei Meldungen direkt untereinander:


Krieg und Spekulation, das gehört offenbar zusammen. Obwohl, nein: "Spekulation" ist ein unfair gewähltes Wort. Wer "offenbar" benutzt, weiß nicht 100-prozentig, aber geht davon aus, dass etwas so ist, wie er es mitteilt. "Allem Anschein nach" wäre eine synonyme Phrase dafür. Insofern sollte man die Redaktion vielmehr dafür loben, dass sie einen Rest an Zweifel zugibt und sich als Überbringerin von Nachrichten und nicht als Primärquelle versteht.
Es sah trotzdem für einen Augenblick kurios aus. Deswegen machte ich einen Screenshot.

Mittwoch, 13. März 2024

Einmal um die halbe Welt

Ich kann ja an keinem Offenen Bücherschrank vorbeigehen, ohne wenigstens einen kurzen Blick hineinzuwerfen. Neulich war es schon fast Mitternacht, als ich in der Nähe meines Stamm-Bücherschranks war, und da dachte ich wie Bilbo Beutlin in diesem Meme: "Warum nicht ... warum nicht hineingucken?" Und siehe, darin befand sich ein sogleich von mir eingesteckter 1180-seitiger Sammelband von 1942 mit dem Titel "This Is My Best. Over 150 Self-Chosen and Complete Masterpieces, Together with Their Reasons for Their Selections", herausgegeben von Whit Burnett. Die "masterpieces" – Short Storys, Gedichte, Essays, autobiographische Notizen, Dramaszenen u.v.m. – stammen von "America's 93 Greatest Living Authors Present". Viele der vertretenen Autoren (und, ist erfreulicherweise zu ergänzen, Autorinnen) kannte ich noch gar nicht! Ich freue mich darauf, sie zu entdecken, denn wenn meine drei Semester Nordamerikanische Literaturwissenschaft zu einer einzigen Sache gut waren, dann, dass sie meine Liebe zu US-amerikanischer Kurzprosa entfacht haben.

Das Buch ist in gutem Zustand. Auf den Fliegenden Vorsatz ist der handschriftlich eingetragene Name (des Vorbesitzers?) Walter Meyer mit schwarzem Filzstift durchgestrichen und durch "Jeremy Devis" ersetzt worden, auf dem hinteren Fliegenden Blatt wurde mit Bleistift festgehalten: "The markings are Bruno's (July 1950)". Am bemerkenswertesten ist aber das, was ich im Inneren entdeckte: eine Rechnung aus dem Jahr 1961, die vermutlich als Lesezeichen gedient hat und von einem südafrikanischen Bekleidungshaus stammt.


Den Ausstatter Arthur Bales, "established 1902", gibt es immer noch. Heute scheint er auf Wolle und Strickzubehör spezialisiert zu sein, und von Braamfontein ist er in die erst 1959 gegründete Johannesburger Voorstad Randburg umgezogen. Und was wurde dort damals erstanden?


Das ist etwas knifflig. Ich dachte erst, Hose sei das Afrikaans-Wort für "Hose", aber nein, "Hose" heißt auf Afrikaans broek. 1,25 Rand wären für eine Hose denn auch unglaublich billig: Der Betrag entspräche heute inflationsbereinigt und umgerechnet 6,71 Euro. Ist die Zeile dann englisch? Aber wieso würde ein Kleidungsgeschäft Schläuche (hoses) verkaufen? Die Lösung liegt wohl in der mir bisher unbekannten Zweitbedeutung von hose: "Strumpf, Socke". Herr oder Frau de Beer hat also Strumpfwaren gekauft. Hoffentlich waren sie von guter Qualität.

Die im Bücherschrank entstandene Lücke werde ich nachher mit einem anderen Wälzer ausfüllen, ich habe nämlich gestern endlich, endlich den 684-Seiter "Das Monstrum" beendet. Das auch als "Tommyknockers" untertitelte und verfilmte Werk ist meiner Meinung nach das schwächste, das ich von Stephen King bis jetzt gelesen habe. Die mangelhafte Übersetzung machte diese Erfahrung nicht eben weniger anstrengend.