Donnerstag, 9. Oktober 2025

Meine konservativste Meinung

Diesen Beitrag habe ich bereits am 10.3.2021 angelegt, dann jedoch nie ausgebaut, weil mir seine Veröffentlichung jedes Mal, wenn ich an ihn dachte, unpassend erschien. Sein Thema ist seit Jahren fortwährend und unabhängig vom aktuellen politischen Wind Gegenstand hitzig geführter Diskussionen. Es geht um die Erbschaftssteuer, und meine Meinung dazu mag manche überraschen, sie ist nämlich, wie man der Überschrift entnehmen kann, eher dem konservativen Lager zuzurechnen. Ich finde – ohne den abgeschmackten Spruch mit dem Herz und dem Verstand zu bemühen –, ab 40 darf man sich selbst als dem Selbstverständnis nach links der Mitte Stehender eine konservative Meinung leisten (ab 50 eine zweite und pro folgendem Lebensjahrzehnt eine weitere). Und meine ist: Die Erbschaftssteuer sollte abgeschafft werden.

Dass ich schließlich jetzt damit um die Ecke komme, hat den Grund, dass ich auf gutes argumentatives Rüstzeug gestoßen bin, zugegebenermaßen an diesbezüglich wenig überraschender Stelle. Rainer Hank hat in der letzten FAS seine Kolumne "Hanks Welt" der Erbschaftssteuer gewidmet, und auch wenn ich nicht allen Punkten darin zustimme, seien die einleuchtendsten Passagen, in denen er seine Forderung "Schafft die Erbschaftssteuer ab!" begründet, wiedergegeben. Die Erbschaftssteuer sei eine "Strafsteuer", schreibt Hank und lädt zu einem Gedankenexperiment ein:

Menschen, die ihr ganzes Vermögen noch rechtzeitig vor ihrem Tod verjuxen [... ,] können dieses Geld nach Gutdünken abschlagsfrei verteilen: Kreuzfahrten buchen, Ferienhäuser kaufen, Dreisterne-Restaurants testen, teure Partnerinnen und Partner aushalten. Sie haben das Geld bereits versteuert und Einkommen-, Körperschafts- oder Kapitalertragsteuer drauf bezahlt. Sobald sie aber ihren wirtschaftlichen Erfolg an die Nachkommen weitergeben, müssen diese abermals Steuern bezahlen. Sollten sie Menschen beschenken, mit denen sie nicht verwandt sind, die sie aber für bedürftig halten, langt der Fiskus umso unverschämter zu.

Der zugrunde liegende Denkfehler oder vielmehr "Taschenspielertrick" des Staates, so Hank weiter, bestehe darin, dass er "die Perspektive vom Erblasser auf die Erben wechselt und denen vorwirft, ihre Erbschaft sei leistungsloses Vermögen". Was es, und hier streben unsere Sichtweisen dann doch auseinander, freilich ist! Rechtfertigt das jedoch, den Vermögensfluss innerhalb einer Familie, deren Stellenwert die Regierung doch seit je und Schwarz-Rot wieder verstärkt betont, radikal zu verengen? Dem Staat sollte daran gelegen sein, dass junge Leute sorgen- und schuldenfrei in die Zukunft starten. Das wäre eine Perspektive, welche in der Tat auf die Erbenden zielt, aber fair ist.

In Hinblick auf die Erblasser könnte man nun wohlwollend annehmen, dass deren Vermögen das Resultat lebenslanger harter Arbeit, klugen Investierens, vielleicht auch eisernen Sparens ist, und ganz gewiss wird es das in vielen Fällen auch sein, gerade in den sog. alten Bundesländern, wo Kapitalanhäufung in den circa vier goldenen Nachkriegsjahrzehnten auch für Schichten unterhalb der Oberschicht kein Hexenwerk war. Die Befürworter einer strengen Erhöhung der Erbschaftssteuer gehen indes davon aus, dass volle Geldspeicher gar nicht anders als durch Gaunerei und Ausbeutung entstanden sein können. Seien wir ehrlich: Viel zu viele Millionäre und Milliardäre hierzulande sind garantiert nicht durch Ehrlichkeit zu dem geworden, was sie sind. Aber eben hier muss der Gesetzgeber Schranken installieren. Ebenso auf der Hand liegt es, dass Superreiche über dubiose Kanäle und sonstige Mittel verfügen, mit denen sie schmerzhafter Besteuerung und etwaiger Bestrafung zu entgehen wissen. Auch hier ist es an den Herrschenden, entsprechende Rechtsgrundlagen zu schaffen, Grauzonen auszulöschen, hemmungsloses Scheffeln zu verunmöglichen.

Im letzten Abschnitt seines Beitrags liefert Rainer Hank einen meist übersehenen Beweis dafür,

dass die geltende Erbschaftssteuer nicht nur generell, sondern auch immanent ungerecht ist. Denn sie verschont die Fabrikanten. Es ist nicht in Ordnung, dass Unternehmenserben von der Steuer befreit werden, wenn sie die Belegschaft und Firma eine bestimmte Zeit erhalten. [...] Es gibt genügend gute Vorschläge, das bestehende Steuerrecht gerechter zu machen, indem man die Sätze für alle deutlich senkt, dann aber auch die Fabrikbesitzer verpflichtet, Steuern zu zahlen.

Eine Extrawurst für Fabrikanten sollte einen besonders fuchsig machen, bedenkt man, wie viele deutsche Dynastien vor allem dank Zwangsarbeitern, Enteignungen und Unterstützung des NS-Regimes groß geworden sind. Wie gesagt: "Die da oben" müssten an den wirklich ungerecht gestellten Schrauben drehen. Stattdessen gehen sie den einfachsten Weg und fühlen sich dabei wie Robin Hood. "Das Label 'soziale Gerechtigkeit' camoufliert die fiskalische Gier, die sich das Geld dort holt, wo etwas zu holen ist."

Was aber wäre nun wie zu ändern? Ich glaube, dass die Uneinigkeit darüber gar keine Frage von links vs. rechts ist. Hinderlich und schädlich ist eine menschlich-gesellschaftliche Eigenschaft, die ich als typisch deutsch diagnostiziere: Missgunst. Missgunst darf nicht mit Neid gleichgesetzt werden, denn Neid vermag auszulösen, dass man nach Höherem strebt und aus diesem Antrieb heraus irgendwann tatsächlich aufsteigt, er kann somit etwas Positives sein; sorry, wenn das arg neoliberal klingt. Missgunst hingegen heißt: Ich kann es nicht haben, also soll mein Nachbar es auch nicht haben! Ein letztes Mal R. Hank: "Mehr Gleichheit stellt man am besten nicht durch Umverteilung her, indem man den Menschen etwas wegnimmt (Erbschaftssteuer). Langfristig effektiver und moralisch überzeugender ist es, möglichst viele Menschen zu befähigen, reich zu werden." Sollen doch die Reichen immer reicher werden – wenn gleichzeitig die Armen weniger arm und schließlich selber reich werden! Wohlstand für alle: So konservativ ist diese Forderung doch gar nicht, oder?

Offenlegung: Ich selbst habe noch nie etwas geerbt und bin von dem ganzen Komplex persönlich nicht betroffen.

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