Saturday Night
Das fiktionalisierte One-Cut-Behind-the-Scenes-Feature über die Pilotfolge von "Saturday Night Live" bzw. korrekter "NBC's Saturday Night" hat meine Erwartungen noch übertroffen. Ja, dieser irrwitzige Fiebertraum ist für mich sogar der beste Film des Jahres! Jason Reitman, praktischerweise Sohn des mit den "Not Ready for Prime Time Players" verbandelten Ivan, erweist sich als idealer Regisseur und Drehbuchschreiber (Co-Autor: sein "Ghostbusters"-Partner Gil Kenan) für diese in keiner Sekunde langweiligen Achterbahnfahrt. Die Besetzung ist zum Teil gespenstisch passend, besonders die Darsteller von Chevy Chase und Dan Aykroyd hätte ich für Reinkarnationen der Portraitierten halten können, wenn ich nicht wüsste, dass diese noch leben; da sitzt jede Geste, jeder Gesichtszug, jede stimmliche Nuance. Und was man hier alles erfährt (freilich mit ein paar Körnchen Salz – wie gesagt: Fiktionalisierung)! Ich wusste beispielsweise nicht, dass das spätere Castmitglied Billy Crystal bereits in jener Premierensendung hätte auftreten sollen (er steuerte übrigens in seinem Besitz befindliche Original-Scripte bei, die für den Film Verwendung finden konnten, wie ich in einer empfehlenswerten "Fly on the Wall"-Sonderfolge erfuhr); auch war mir weder die Beziehung von Rosie Shuster zu Lorne Michaels klar, noch dass die Live-Ausstrahlung der Show letztlich Andy Kaufman zu verdanken war. Ihr merkt schon, das hier ist ein Guetzli für SNL-Nerds. Aber was für eins!
Ihr seid herzlich eingeladen (OT: You're Cordially Invited)
Fortgesetzter Treue zu amerikanischen Sketchveteranen und hündischer Will-Ferrell-Verehrung im Speziellen zum Trotz muss ich konstatieren, dass der Output von ebenjenem in den letzten Jahren nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ nachgelassen hat. Leider! Man freut sich zwar, wenn Ferrell mal wieder die Hauptrolle in einer Komödie übernimmt, ist dann aber bei allem milden Amüsement enttäuscht, wenn so etwas wie die Amazon-Produktion "Ihr seid herzlich eingeladen" herauskommt, die einen handzahmen Verwechslungs- (Doppelbuchung!) mit einem Hochzeits-Chaos-Plot verquickt, diesen mit halbherzigem Vater-Tochter-Drama und sparsam gesetzten Actionsequenzen andickt. Ja, man kann hier und da lachen, der große Wurf ist Nicholas Stoller hiermit aber nicht gelungen. Immerhin: Reese Witherspoon beweist ihr komisches Talent.
Rain Man
Nach "Asphalt Cowboy" hatte ich mich ja ein wenig auf Dustin Hoffman eingeschossen und war bereit, "Rain Man", den man wohl doch mal gesehen haben muss, leidenschaftlich zu hatewatchen, aber was soll ich sagen? Hoffman überzeugt in der Rolle des anstrengenden Savants, seine einjährige Vorbereitung auf die Rolle, inklusive intensivem Kontakt mit autistischen Menschen, hat sich ausgezahlt. Auch Tom Cruise ist, was man gern vergisst, gar kein schlechter Charaktermime.
PS: Für einen Streifen aus den Spätachtzigern versprüht "Rain Man" (acht Oscar-Nominierungen, Gewinne in vier der "Großen Fünf" Kategorien) noch erfreulich viel Eighties-Charme.
Stellet Licht
Dieser selbst Arthouse-Enthusiasten kaum geläufig sein dürfende Geheimtipp ist: langsam. Sehr langsam. Einstellungen, die sich bis knapp vor die Erträglichkeitsgrenze ziehen. Aufs Nötigste reduzierte Dialoge, viel Schweigen. Eine Handlung, die auf einen Bierdeckel passt. Und doch: Einer nahezu psychedelischen Faszination kann man sich nicht entziehen, vor allem wenn man wie ich ein Faible für sprach(geschicht)liche Besonderheiten hat. "Stellet Licht" wurde komplett auf Plautdietsch gedreht und war damit 2007 der erste Kinofilm seiner Art. Er spielt in einer mennonitischen Gemeinde in Mexiko, wo diese niederdeutsche Varietät noch heute gesprochen wird. Verstanden habe ich bis auf wenige einzelne Wortfetzen nichts. "Stellet Licht" bedeutet, ihr ahnt's, "stilles Licht". Der Name ist Programm(kino).
Wayne's World 2
Stephen Surjik ist ein umtriebiger TV- und Streaming-Regisseur, hat aber neben der unbedingt mal näher zu betrachtenden (man werfe einen Blick auf die Credits!) 2007er Sexklamotte "I Want Candy" keinen feature film inszeniert bis auf diese Fortsetzung der kommerziell erfolgreichsten SNL-Sketch-Verwurstung.
Von der Story ist mir wenig in Erinnerung geblieben, echte Schenkelklopfer gab es kaum, dafür wie im Vorgänger ein paar nette Gastauftritte. Aus reinem Komplettionismus (?) musste ich "Wayne's World 2" ohnehin sehen und fand ihn sowohl liebenswert als auch kurzweilig.
Tourist Trap
Über diesen Backwoods-Slasher von 1979 hatte ich im Hinterkopf gespeichert, dass Stephen King ihn zu seinen Lieblingsfilmen zählt. Dann rutschte er neulich in den Amazon-Prime-Katalog und ich sah ihn mir an. Ja, ganz nett, dachte ich, Schaufensterpuppen sind immer gruselig, aber ... ist das nicht alles ein wenig blutleer? Mit fortschreitender Dauer (die mit 90 Minuten altmodisch-knackig bemessen ist) reifte in mir die Erkenntnis, dass dies der harmloseste Horrorfilm sein könnte, den ich je gesehen habe. In der Tat: "Tourist Trap" ist einer der wenigen Vertreter seines Genres, der ein PG-Rating erhalten hat, in Amerika also auch von Vorteenagern in Begeitung von Erziehungsberechtigten konsumiert werden durfte und darf. Abgesehen vom fehlenden Gore drückt "Tourist Trap" jedoch genau die richtigen Knöpfe und entwickelt eine dichtere Gothic-Atmosphäre als beispielsweise der thematisch ähnliche "House of Wax". Und ist es Regisseur David Schmoeller nicht zugute zu halten, ein Werk abgeliefert zu haben, das als prima Einstieg in die Welt des Horrors taugt(e) und vermutlich Tausende junger Leute neugierig auf härtere Stoffe gemacht hat? ("NEIN!", werden besorgte Eltern erwidern.)
Die Schauspielerinnen und Schauspieler waren mir gänzlich unbekannt, haben aber durchweg ordentliche Leistungen erbracht.
Mickey 17
Ich weiß, ich bin der Letzte, der sich über das Aussehen anderer Menschen auslassen sollte, aber gute Güte, Robert Pattinson ist schon ein hässlicher Vogel. Zumindest in diesem Sci-Fi-Actiondrama, in welchem er sich durch einen permanent extradebilen Blick und dösiges Genuschel nicht eben attraktiver macht. Die Grundprämisse von Bong Joon-hos 137-(uff!)-Minüter ist reizvoll und philosophisch herausfordernd. Doch daraus hat entweder bereits der Roman, der als Vorlage diente, oder der Regisseur und Drehbuchautor, der es eingedenk des Publikums- wie Kritikererfolges "Parasite" eigentlich draufhaben sollte, nichts gemacht. Es läuft alles auf die x-te Variante des "Pocahontas"/"Avatar"-Sujets hinaus, in diesem Fall bekämpfen menschliche Kolonialisten in ihrer neuen auszubeutenden Heimat die mutmaßlich feindseligen außerirdischen Ureinwohner, die sie "Creeper" nennen (und deren Kreaturendesign das Stärkste am ganzen Film ist), die jedoch nichts Böses im Schilde führen und lediglich ihre Friedfertigkeit nicht zu kommunizieren vermögen. Die Klon-Thematik spielt im letzten Akt keine Rolle mehr – und ist überhaupt von Anfang an unzureichend durchdacht. Warum etwa unterscheiden sich die "Mickeys" derart in ihren Persönlichkeiten?
War ich während der ersten Stunde noch mit allem einverstanden und einigermaßen intrigued, fühlte ich mich nach Stunde zwo nur noch verarscht, und einige meiner Mitschauenden (wir waren dafür sogar ins Kino gegangen!) überzeugten mich anschließend von der Dünne und Läppischkeit dieser Posse. Immerhin: Man hat Gelegenheit, Mark Ruffalo in seiner miesesten, clowneskesten, flachsten Rolle zu "bewundern".
Gefreut habe ich mich, Tim Key ("Sidekick Simon") in einer Big-Budget-Produktion zu sehen. Der Mann startet gerade richtig durch, er ist auch beim kommenden "Office"-Ableger "The Paper" dabei.
The Banshees of Inisherin
Höchst solide war dagegen die erst vierte Arbeit Martin McDonaghs, der fünf Jahre zuvor mit "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" einen meiner absoluten Lieblinge der 2010er-Jahre gedreht hatte. Colin Farrell und Brendan Gleeson geben nach "Brügge sehen ... und sterben?" zum zweiten Mal eine "Frenemy"-Paarung, deren Chemie ihresgleichen sucht. Etwas mehr Eskalation hätte ich mir zwar gewünscht, "The Banshees" ist deutlich zurückhaltender und stiller als "Three Billboards", aber immer noch ziemlich makaber, skurril und so irisch, dass es irischer kaum geht.
Parenthood
Ein Spitzenensemble gibt sich in diesem Hit von 1989 die Ehre: Steve Martin (doing Steve Martin things, zeigt sich aber durchaus gereift), Rick Moranis, Mary Steenburgen, Keanu Reeves (als rotziger Milchbubi), Joaquin Phoenix ... Heitere Szenen, die nie den Klamaukfaktor erreichen, den man von einer buchstäblichen Familien-Komödie erwartet, wechseln einander ab mit so feinsinnigen wie ungeschönten Dialogen zu Erwachsenenthemen. Regie: Ron Howard.
West Side Story
Viele der grandiosen Songs aus dem Musical-Klassiker kannte ich schon, nicht zuletzt dank dem Musikunterricht in der Schule, in Gänze hatte ich ihn jedoch nie gesehen, auch nicht in dieser Leinwand-Variante von 1961. Entkleidet man den Mehrfach-Oscar-Gewinner von Robert Wise und Jerome Robbins der musikalischen Nummern und seines Romeo-und-Julia-Gerüsts, bleibt, um ehrlich zu sein, eine Menge Quatsch übrig. Was, zum Beispiel, ist es eigentlich, was die konkurrierenden Straßenbanden den lieben langen Tag tun außer durch die Gegend hüpfen und sich unverhohlener Homoerotik hingeben? Wieso und in welcher Form beanspruchen sie ihr jeweiliges Territorium? Warum sind sie verfeindet? Egal! Es geht unter der Oberfläche selbstverständlich um ur-amerikanische Nöte und Probleme, um Verwahrlosung, Rassismus, Polizeiwillkür, Abstiegsängste. Das alles bleibt zweitrangig zwischen den atemberaubenden Choreographien, den fantasievollen Sets und den bonbonigen Kostümen, und nach der unausweichlichen Katastrophe mit auf beste Weise pathetischem Zoom-out wird sowieso alles rund.
Jetzt möchte ich gerne wissen, was Steven Spielberg 60 Jahre später aus dem Stoff gemacht hat.