Mittwoch, 30. April 2025

Der Stoff, aus dem die Wörter sind

Ein xkcd-Cartoon von neulich hieß "Anachronym Challenge". Das Fachwort Anachronym war mir bisher nicht bekannt (es scheint in der deutschen Linguistik nicht etabliert zu sein), es wird aber klar, was damit gemeint ist. Die Challenge besteht darin, eine Einkaufsliste zu erstellen, die nur aus Dingen besteht, die nicht mehr aus dem Material hergestellt werden, nach dem sie benannt sind:


Beispiel: Tin foil bezeichnet heute üblicherweise Alufolie und eben keine Folie aus Zinn (tin). Wie ich soeben gelernt habe, existiert auch im Deutschen das Wort "Zinnfolie" als Synonym für Stanniol und wird ebenfalls "umgangssprachlich auch für Folien aus Aluminium (Alufolie) verwendet". Für weitere Erklärungen s. "Explain xkcd".

Was käme neben Zinnfolie noch auf eine deutschsprachige Entsprechung dieser Liste? Als erstes fällt mir da der Bleistift ein, dessen Mine seit dem 19. Jahrhundert "aus einem Graphit-Ton-Gemisch gebrannt" wird (Wikipedia). Der Gipsverband "wird fast nur noch zur kurzzeitigen Fixation verwendet. Bei längeren Behandlungen werden inzwischen überwiegend Kunststofffasern mit Kunstharz verwendet", aber auch wer einen solchen Verband trägt, wird der Einfachheit halber nach wie vor von "Gips" sprechen. In Klammern setzen würde ich, auch im Original, die Brillengläser: Wohl sind mittlerweile solche aus Kunststoff eine gern gewählte Lösung (auch bei meinem Modell), doch werden Gläser aus echtem (mineralischen) Glas immer noch "aufgrund ihrer außergewöhnlichen Kratzfestigkeit verwendet. Zudem sind sie für den Endkunden günstiger als vergleichbare Kunststoffe. Bei starker Fehlsichtigkeit ermöglichen sie außerdem eine Korrektur mit verhältnismäßig dünnen Gläsern" (zeiss.de). Aus dem Bereich der Lebensmittel wäre die Hirnwurst oder auch Bregenwurst zu nennen: So sagt man u.a. in Teilen Frankens zu Gelbwurst, obwohl die traditionelle Verarbeitung von Gehirnen freilich längst nicht mehr erlaubt ist (vgl. Zervelatwurst). Weiter: "Da echte Kreide relativ teuer ist, wird Tafelkreide heute meistens aus Gips (Calciumsulfat) oder Magnesiumoxid hergestellt, auch Mischformen kommen vor" (Wikipedia). (In diesem Zusammenhang möchte ich euch die Information nicht vorenthalten, dass in der Lampertheimer Schillerschule die letzte Kreidetafel im Landkreis Bergstraße abgehängt wurde, womit nun alle Schulen des Kreises auf digitale Tafeln umgestellt haben. [FAZ-Meldung vom 28. April]) Kreide taucht ja auch in der Vorlage auf, aus welcher ich zusätzlich das Bügeleisen und die Badeschwämme übernehmen würde ("in den allermeisten Fällen sind sie aber durch Kunststoffschwämme ersetzt worden").

Welche Items fehlen noch? Welche "Anachronyme" kommen euch in den Sinn?

Montag, 28. April 2025

Einkauf aktuell

Auch im zweiten Quartal 2025 hält uns der Würgeengel namens Inflation firm in seinem pestigen Griff. Strategisch kluges Shoppen und Bevorraten ist weiterhin geboten, Woche für Woche gilt es, die besten oder zumindest am wenigsten unverschämten Lebensmittelpreise aufzuspüren. Man muss Prospekte wälzen und die Einkäufe auf zwei, drei, vier Supermärkte aufteilen. Ungläubig denke ich an Zeiten zurück, wo ich einfach so in einen beliebigen Markt gegangen bin und alles gekauft habe, wonach mir gerade der Sinn stand. Heute hole ich mir fast ausschließlich Dinge, die im Sonderangebot sind. Gottlob gibt es brauchbare Angebote fast immer, so dass ich kaum auf etwas verzichten muss. Am ärgsten ist es allerdings zurzeit um gemahlenen Kaffee bestellt. Nur ein einziges Mal im vergangenen Monat war das Pfund für unter 5,- Euro zu haben. Was hingegen ständig irgendwo im Preis gesenkt ist: Müsli, Margarine, Chips, Brot, Marmelade, Pasta, Tee; die Basics mithin.

Von allen Supermärkten in meiner Umgebung überzeugt mich unverändert Lidl am stärksten, hier wird man stets fündig und braucht dank wechselnder Thementage (Spezialsortimente à la Spanien, Griechenland, Österreich etc.) keine Eintönigkeit zu befürchten. Bei Rewe finde ich mich trotz abgeschafftem Payback-System ärgerlicherweise noch erstaunlich oft ein, Netto ist von allen Discountern der billigste, was sich leider auch in Zustand und Atmosphäre der Ladenräume spiegelt, Tegut wartet regelmäßig mit echten Schnappern auf, Aldi ist solide, nur Penny hat seine Chancen bei mir auf ewig verspielt (nie sind die im Prospekt verheißenen Angebote vorrätig).

Samstag, 26. April 2025

Traumata auf Papier

Es ist mal wieder Zeit für Mikro-Entrümpelung. Zwei dicke Aktenordner aus der Schulzeit wollen der Mülltonne überführt werden: Mitschriften, Arbeitsblätter und Hefterinhalte aus den Klassenstufen 10 bis 12. Vor dem Entsorgen werde ich den Stoß freilich noch einmal durchgehen. Jetzt. Live.

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: So viel Wissen, wie uns während der Schulzeit eingetrichtert wurde, waren wir, war zumindest ich später nie wieder ausgesetzt. Das kann doch nicht gut sein für junge Gehirne! Vor allem ist es ja nicht bei der Wissensvermittlung geblieben, es ging ständig mit Wissensabfrage einher. Keine Woche ohne irgendeine Klausur, einen Überraschungstest, einen Aufsatz, dazu täglich Hausaufgaben. Mein Studium war selbst in Hochdruckphasen nicht ein Zehntel so fordernd und strapaziös wie die verfluchte Schulzeit.

Hier sind exemplarisch einige Dinge aufgelistet, mit denen ich mich zwischen 1996 und 2000 allein in den Fächern Geschichte, Englisch, Biologie, Deutsch, Religion und Chemie befassen musste – und da lasse ich "große" und zweifelsohne wichtige Themenfelder wie die Französische Revolution, Kants Aufklärungsbegriff oder den Kohlenstoffkreislauf schon weg:

  • Verfassungsvergleich Paulskirchen- und preußische Verfassung von 1850
  • John Lockes System nach der "Notwendigkeit der Kontrolle staatlicher Gewalt"
  • Lothar Galls Einwände gegen Bismarcks Konzeption von Außenpolitik
  • Transport durch Biomembranen; Endocytose, Exocytose
  • alkoholische Gärung bei Hefepilzen unter Decarboxylierung
  • Bernhard von Clairvaux' "Vom Lob der Tempelherrn"
  • Nachweis von Halogenid-Ionen
  • Interpretation ausgewählter Werke von Paul Lisicky, Peter Porter, Langston Hughes
  • der Gedanke der Gottesebenbildlichkeit und seine Ursprünge in der altorientalischen Königstitulatur
Es ist irre, an wie viel ich mich nicht mehr erinnern kann. Offenbar gehörten einst Wörter wie Turgor, Zupfpräparat und Guttation zu meinem aktiven Wortschatz. Und wenn ich mir meine hundert Seiten Notizen und Berechnungen aus dem Mathe-Grundkurs ansehe, denke ich: Welches fieldsmedaillenwürdige Genie hat das denn gelöst? Außerdem denke ich: Mensch, vieles, was auf dem Lehrplan stand, ist gar nicht mal uninteressant! Gerade was Geschichte angeht, wünschte ich mir, ich hätte damals besser aufgepasst. Ich hätte erst mit Anfang 20 eingeschult werden sollen!

Nach wie vor sterbenslangweilig finde ich das meiste, was uns in Geographie vermittelt wurde, nämlich keineswegs spannende landeskundliche Fakten, sondern dröge Geologie. Ebenfalls kaum zu begeistern vermochte mich Biologie. Allzu oft war ich im Unterricht mit den Gedanken woanders, wovon die zahlreichen Scribbles in den Blättern aus der Sekundarstufe II zeugen:




Wenn mikroskopisches Zeichnen anstand, machte mir das dann aber weder Spaß noch konnte ich darin glänzen. Hierfür zum Beispiel habe ich 10 Notenpunkte bekommen, was sogar eine meine besseren Leistungen war:


Schwamm drüber, Strich drunter, Deckel zu.

Donnerstag, 24. April 2025

TITANIC vor zehn Jahren: 5/2015

Ein Cover, das vermutlich die meisten heute leider nicht mehr verstehen. Dass sich Hamburg 2015 für die Ausrichtung der Olympischen Spiele bewerben wollte bzw. nicht wollte (und nun voraussichtlich bewerben wird), hat man womöglich auf dem Schirm, aber an die Geschehnisse in einem sachsen-anhaltinischen Dorf erinnern zehn Jahre später nur vereinzelte Medien. Wir dachten damals, "Tröglitz" würde zu einer schandvollen Chiffre wie "Rostock-Lichtenhagen", "Solingen" und "Mölln" werden, aber ach!, schon bald sollte Tröglitz nur einer von vielen, vielen dunkeldeutschen Orten sein, aus denen ähnliche Taten vermeldet (bzw. irgendwann nurmehr unter "Vermischtes" verbucht) wurden.

Nach einer bitteren Anzeigenparodie von Tim Wolff und mir (S. 14/15) sowie Moritz Hürtgens Parodie auf die SZ-Protokolle des NSU-Prozesses (S.16ff.) dürfte die Laune der Lesenden dann vorerst auf dem Tiefpunkt angekommen sein. Sie wird gehoben dank der Fotostory um den tränenvollen "Volksseelsorger" Joachim Gauck ("Ein Quantum Gauck", Hauck/Wolff, S. 24ff.):


Auf S. 39 folgt der nächste Downer in Gestalt einer fünfseitigen Spezialausgabe des Lufthansa-Magazins, in welchem ich zusammen mit E. Hauck, M. Hürtgen und L. Riegel den von einem psychisch kranken Co-Piloten vorsätzlich herbeigeführten Absturz einer Germanwings-Maschine verarbeitete. Einer angemessen geschmacklosen bunten Strecke mit u.a. einem Domian-Interview und einem Gewinnspiel ("1. Preis: Ein Wochenende am Broadway für 2 Personen inkl. Hin- und Rückreise mit der Bahn und Tickets für das Musical 'Einer flog ins Kuckucksnest'; 2. Preis: Zehn Gratis-Stornierungen; 3. Preis: Ein unverwüstliches Kofferset von Samsonite ... Angehörige von Lufthansa- und Germanwings-Mitarbeitern sind aus Pietätsgründen ausnahmsweise nicht ausgeschlossen") ging ein Grußwort des Lufthansa-Chefs Carsten Spohr voraus:


"Die Entwicklung der 3D-Printer ist erstaunlich. Eben noch spuckten sie primitive Aschenbecher und Serviettenhalter aus, jetzt komplexe Aschenbecher und Serviettenhalter. Und was wird morgen sein?", fragte sich Ella Carina Werner und stelle auf der Doppelseite 32/33 "Schönes aus Kunstharz" vor. Besonders erfreut hat mich, dass das sagenhafte Inzest-Foto aus der Januarausgabe noch einmal verwertet werden konnte.


In die neue Folge von Elias Haucks Schnipselseite (S. 47) hat es diesmal eine Spende von mir geschafft: Es handelt sich natürlich um das "Ohne Worte"-Abreißkalenderblatt.

Noch einmal zurück zum Anfang des Heftes: Ich finde im Rückblick, dass jeder der drei "Abgelehnt"-Titel besser gewesen wäre als die tatsächliche U1!


Weiteres Notierenswertes
- April 2015 war der Monat, in dem Günter Grass starb (s. Editorial). Noch bevor ich die Todesnachricht im Internet las, hörte ich sie aus dem Munde Martin Sonneborns, denn ich absolvierte da gerade mein EU-Praktikum.
- Der Umblättercartoon im Essay stammt diesmal erneut von Stephan Rürup und ist ein echter Hingucker in Holzschnitt(!)-Optik.
- Ein Egner-Gemälde als Poster in der Heftmitte, das hat man auch nicht alle Tage!
- Eckhard Henscheid über den "Sonderfall Söder" (S. 36-38): "Heute schon prangt dings... äh: Söder, mit Würd' und Hoheit angetan, gerüstet zudemlich mit beinhärtester Chuzpe auf seinem güldenen Thron und Kothurn im Nürnberger Heimatmuseum bzw. vielmehr -ministerium. Und diese ganze mistige CSU-Bagage, diese verfickte, im fernen München, die hält er sich dort tadellos auf Distanz vom Leibe. Der Kopf von Söder ist zwar seit ca. 2012 frappant machtvoll ausgewuchtet, ja, wie verschiedentlich versichert wird, schon als ein rechter Saukopf zu deklarieren. Aber das ist übertrieben. Vielmehr gemahnen Air und Gesichtsmuskelspiel samt souveräner Grinsgrimassen an Donald Duck oder an eine Barbiepuppe oder aber auch an Schweinchen Schlau."
- Zum Glück führe ich penibel Buch über jeden einzelnen meiner Titanic-Beiträge. Nie im Leben wäre ich heute darauf gekommen, dass die Idee für Elias Haucks Cartoon "Kukident für Elefanten" (S. 57) von mir stammte. Aber so steht's geschrieben.

Schlussgedanke
Ein recht deprimierendes Zeitzeugnis, dieses Heftchen. Trotzdem gibt's wie gehabt ein paar solide Lacher. Note 4+.

Dienstag, 22. April 2025

Schlecht gealterte Quizfragen?

In einer "Jeopardy!"-Sendung vom März 2022 wurde eine Frage gestellt, zu der ein einordnender Hinweis eingeblendet wurde:


"Aufgezeichnet am 11. Januar 2022", mithin vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, als die Formulierung "serious border issues" weniger zynisch klang.

Am 15. April dieses Jahres nun wurde in der Kategorie "Bodies of Water" eine Frage zu Myanmar, welches Ende März von einem schweren Erdbeben heimgesucht worden war, gestellt und mit dem Hinweis versehen, dass die Show bereits am 25. Februar aufgezeichnet wurde:


Ich erinnere mich, dass Günther Jauch kurz nach dem verheerenden Seebeben in Südostasien Ende 2004 in einem Interview erklärte, dass bei "Wer wird Millionär?" keine Fragen zu diesem Thema gestellt würden. Hat ja auch niemand erwartet! Darüber, dass von Katastrophen gebeutelte Länder in Quizshows eine Zeitlang grundsätzlich tabu sein sollten, kann man jedoch streiten. Oder würde der Zuschauer ohne den Datumsverweis in der Myanmar-Frage denken: "Wie geschmacklos, das Land versinkt in Chaos und Leid, und die wollen was über irgendeinen Fluss wissen!"?

Jedenfalls sieht man an diesen Fällen, dass zu viel Vorlaufzeit bei TV-Produktionen ungünstig sein kann. Die Seite "TV Tropes" führt unter "Harsher in Hindsight" > Live-Action TV folgenden peinlichen "Jeopardy!"-Moment auf:

One of the answers on the May 19, 2020 show was "Bruce Wayne is missing and Ruby Rose dons the cowl as this title CW show who's no mere girl." The show is Batwoman (2019). This episode, taped in advance, aired the same day that Ruby Rose announced she was not returning for Batwoman's second season.

Autsch!

Sonntag, 20. April 2025

Neue obskure Kreuzworträtsel-Lösungen (Stücker 26)

  • Überwurf für Sitzmöbel: Husse
  • Pferdegangart: Piaffe
  • Strandwegerich: Andel
  • zangenartiges Messgerät: Kluppe
  • steile Bergerosionsrille: Runse
  • Kelchtücher in der Messe: Vela
  • Gittergewebe: Kanevas
  • Teil der Drehmaschine: Pinole
  • ein Gewebe: Welline
  • stark ölhaltige Schalenfrucht: Para
  • sächs. Stadt an der Saale: Merseburg*
  • früh. russ. Frauengewand: Sarafan
  • Umlenkrolle an Fördermitteln: Turas
  • einmastiger Küstensegler: Kaag
  • Urwaldvogel: Kagu
  • altgriechische Kopfbedeckung: Pilos
  • Faser der Kokosnuss: Coir
  • südamerikanisches Hokkohuhn: Mitu
  • altital. Volk: Etrusker**
  • junges Militärpferd: Remonte
  • Wassermelone: Arbuse
  • junges Zuchttier: Fasel
  • Flurstück, -streifen: Gewann
  • Teil der Husarenuniform: Dolman
  • neuntägige Andacht: Novene
  • pers.-kaukas. Langhalslaute: Tar
* Merseburg liegt in Sachsen-Anhalt
** Die Etrusker waren kein italisches Volk, sondern, nun, Etrusker halt


Freitag, 18. April 2025

Der rätselhafte Baumheiland

Weil Ostern ist, soll es heute um Jesus gehen, konkret: um dieses Heiligenbild, das ich auf einer Wanderung im Spessart fotografiert habe.


Ich bin in christlicher Ikonographie wenig bewandert, konnte aber immerhin herausfinden, dass der hier dargestellte Segensgestus der in den orthodoxen Kirchen gebräuchliche ist. Worauf ich mir keinen Reim machen kann, sind die Zeichen zur Rechten und zur Linken des Christushauptes:


Das obere linke könnte ein kleines Omega sein, aber was hat es mit dem N auf sich? Heißt es nach griechisch-orthodoxer Überlieferung etwa "Ich bin das Ny und das Omega"? These: Das ist kein N, sondern ein vereinfachtes hebräisches Aleph (א). Und was sind die Xe? Sind das womöglich keine Buchstaben, sondern nur Zierelemente? Man verzeihe mir, falls das dumme Fragen sind. Für Aufklärung wäre ich dankbar.

Mittwoch, 16. April 2025

Sohlmates

Sich von liebgewonnenen Schuhen zu trennen tut weh. Dieses Paar Slipper warf ich heute, weil es halt wirklich zu zerschunden und abgelatscht war, in den Müll, doch hier im Blog soll sein Andenken aufrecht erhalten werden:


Ich mochte diese Slip-ins sehr. Gerne würde ich sie nachkaufen (sie waren nicht teuer), aber ich fürchte, das Modell hat Jack & Jones längst ausgemustert. Hätte ich doch damals gleich ein zweites Paar mitgenommen! Aber wer kauft Schuhe doppelt, außer Wertanlagen-Wunderlinge und Imelda Marcos? Oh Mann, in diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass es von Vans mal eine Nintendo-Kollektion gab und ich es versäumte, mir ein Paar Super-Mario-Sneaker zu sichern, als ich die im Urlaub 2017 in einem Laden liegen sah. Das bereue ich bis heute.

Montag, 14. April 2025

Es graust die Sau

An nahezu jeder Rasthütte in deutschen Wäldern findet sich ein Hinweis, man möge den Platz so verlassen, wie man ihn vorzufinden wünsche, man verstaue Essens- und sonstige Reste im Rucksack und trage seinen Unrat mit nach Hause. Diese Bitten können auf mannigfache Weise erfolgen; großer Beliebtheit erfreut sich die Reimform. Bei einer Wanderung am Wochenende stießen wir auf folgendes Gedicht, das auf einer in circa 3 m Höhe an einem Baum angebrachten Tafel stand:
Ein Mensch, der aus der Stadt entfloh,
fühlt sich im Walde frei und froh
und läßt, erfüllt von diesem Glück,
hier Scherben und Papier zurück.
Ein Wildschwein schnüffelt durch den Wald
und findet die Bescherung bald.
"Ei", ruft die Sau, mir scheint hier hat,
geweilt der Vetter aus der Stadt.

Nehmen Sie Ihre Abfälle wieder mit nach Hause. Wald und Natur und die Gemeinde danken es Ihnen.
Das erscheint mir als Motivation, keinen Müll am Jausenhäusel zurückzulassen, etwas dürftig. Ein Waldbewohner erkennt, dass ein Mensch in seinem Habitat war so what? Das ist ja, als würde auf einer Klotür stehen: "Bitte nicht das Scheißhaus vollpissen, sonst denkt der nächste Benutzer: 'Aha, hier hat jemand alles vollgestrunzt.'"

Um zu unterbinden, dass ich während meiner Verschnaufpause mit Eierschalen und Keksverpackungen um mich schmeiße, müsste mir das Gedicht schon besser verdeutlichen, dass sich die Tiere von solchen Handlungen belästigt fühlen. Es würden ja schon zwei weitere Zeilen reichen, etwa:
"Dies ist nicht mehr mein Heimatforst!"
So weint die Sau, na "danke", Horst!
Oder:
Die ganze Rotte flieht den Tann.
Schäm dich, o schändlich Wandersmann!
Oder:
Die Bache seufzt: "Mein schönes Nest!
Ach, hätt' ich bloß die Schweinepest ..."
Oder:
Das Tier rutscht auf 'ner Schale aus
(Banane), jetzt liegt's tot vorm Haus.
Oder:
"Schluss!", grunzt das Schwein, "ich hab genug",
und wirft sich vor den nächsten Zug.

 

Samstag, 12. April 2025

Die neuen Bücher der Bücher sind da!

"Die vollständige Bibel ist im vergangenen Jahr in mindestens 16 Sprachen erstmals übersetzt worden", entnehme ich der Zeitung. Der Text von Altem und Neuem Testament liege damit in 769 Sprachen vor. "Damit hätten erstmals mehr als sechs Milliarden Menschen Zugang zum vollständigen Bibeltext in ihrer Muttersprache, erklärte der Bibelgesellschaften-Dachverband."

Ich wollte natürlich mehr wissen und besorgte mir bei der Deutschen Bibelgesellschaft die vollständige Liste der letztjährigen Erst- und Neuübersetzungen. Bei den 16 Sprachen, in denen erstmals Übersetzungen der vollständigen Bibel vorliegen (in sechs Fällen einschließlich der deuterokanonischen Schriften), handelt es sich um:

  • Badaga (dravidische Sprache, gesprochen in Tamil Nadu, Indien)
  • Bissa (Niger-Kongo-Sprache, gesprochen in Burkina Faso, Ghana und Togo)
  • Bunun (austronesische Sprache in Taiwan)
  • Burjatisch (mongolische Sprache, Autonome Republik Burjatien, Russland)
  • Galo (auch Adi oder Gallong, eine sinotibetische Sprache, gesprochen vom Volk der Galo in Arunachal Pradesh, Indien)
  • Hehe (Kihehe, eine Bantusprache innerhalb der Niger-Kongo-Sprachen; Tansania; gefährdet)
  • Jah Hut (austroasiatische Sprache auf der malaiischen Halbinsel)
  • Kagulu (Bantusprache in Tansania)
  • Lamani (Lambadi/Banjari, indoarische Sprache im Süden Indiens)
  • Lautu (Chin, sinotibetische Sprache in Myanmar)
  • Lyélé (Niger-Kongo-Sprache in Burkina Faso; gefährdet)
  • Papiamento (Kreolsprache auf den ABC-Inseln)
  • Purépecha (Phorhépecha, isolierte bzw. laut "Ethnologue" zu einer kleinen Familie namens Taraskisch gehörende Sprache in Mexiko)
  • Tojolabal (Maya-Sprache in Mexiko)
  • Wayuu (Wayuunaiki, Arawak-Sprache in Südamerika, v.a. Kolumbien)
Außer von Burjatisch hatte ich von keiner dieser Sprachen je gehört. Mit rund 2 Millionen hat Lamani die meisten Sprecher, während Jah Hut mit nur 4200 die kleinste Sprache in dieser Liste ist. Auch in der Aufzählung der Teilübersetzungen findet sich einiges Interessantes:

  • Das Neue Testament liegt jetzt auf Südsamisch vor, das in Norwegen und Schweden von nur 600 Menschen gesprochen wird.
  • Auch die je nach Quelle 870 oder 1600 Bewohner der Insel Enggano vor Sumatra können nun das NT in ihrer gleichnamigen Muttersprache rezipieren.
  • Bei zwei Übersetzungen in Sprachen, die in China gesprochen werden, steht in der Spalte "Language" der Eintrag "Confidential". Dahinter stecken gewiss politische Gründe.
  • Übertragungen des Lukas-Evangeliums und einiger anderer Bücher gibt es neuerdings für Ägyptisch-Arabisch (in der Liste als Egyptian Colloquial und mit 83.493.970 Nutzenden angegeben).
Und die Situation fürs Deutsche? "In der deutschen Sprache gibt es die vollständige Bibel in über 35 Übersetzungsvarianten von urtextnahen Versionen bis hin zu umgangssprachlichen Übertragungen." Ob da auch Shahak Shapiras "Hoylge Bimbel" in der "Vong-Sprache" berücksichtigt ist?

Donnerstag, 10. April 2025

Betr.: Wetter, Kreuzwortambiguität, Manisches, No Limit

Diese Woche ist wieder Wüstenklima in dem Sinne, dass – um altmodisches Wetterfroschsprech zu bemühen – das Quecksilber tagsüber auf sommerliche Werte klettert, während sich die Nächte derart abkühlen, dass man vergessen könnte, dass wir uns im Frühling befinden. Besonders raderdoll geht's im Alpenvorland zu. Ich blicke auf die Titelseite der Süddeutschen Zeitung und sehe für München die Vorhersage "tags 23° / nachts -6°". Warum nicht gleich tags 40 Grad und nachts minus 20?

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Seit Jahren rege ich mich über Uneindeutigkeiten im Kreuzworträtsel auf. Wenn nach einem Personalpronomen im Dativ mit drei Buchstaben gefragt ist und der erste Buchstabe sich nicht mit einer anderen Lösung kreuzt, ist es mir relativ egal, ob nach "mir" oder "dir" gefragt wurde. Fälle wie dieser machen mich jedoch fuchsig:

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Der Tagespresse entnehme ich, dass das in Hessen heimische Manische neuerdings zum Weltkulturerbe zählt. Die mal als Geheimsprache, mal als Dia-, mal als Soziolekt eingestufte Variante des Rotwelsch wird nur noch von wenigen Menschen in Gießen gesprochen. Die Gießener Allgemeine gibt eine kompakte Einführung.

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Möglicherweise gibt es derlei in Deutschland schon seit einer Weile, mir ist aber erst vor wenigen Tagen zum ersten Mal eine Werbung dafür begegnet: Mobildatentarife mit unendlichem Volumen. Aldi Talk bietet "ab 9,99 € pro 4 Wochen" einen vertraglosen Tarif an, der zwar mit 5 GB als Grundguthaben startet, aber unbegrenztes Nachbuchen inkludiert. "Endlich unendlich" stand über der Anzeige in der Bild. Das ist keine Werbung meinerseits, ich möchte nur festhalten, dass diese Art mobiler Datenbereitstellung, die ich bisher nur aus dem fortschrittlichen Ausland kannte, sich allmählich weltweit durchzusetzen scheint. Mich persönlich spricht die Offerte nicht an. Mein gegenwärtiger Tarif enthält, glaube ich, 3 Gigabyte, von denen ich allmonatlich kaum zwei Drittel verbrauche.

Dienstag, 8. April 2025

Geheim, aber nicht unheimlich: Nr. 4

Ich weiß, ich bin etwas late to the party, schließlich gibt es die Tomatensoßen namens "Geheimzutat", die Rewe in Kooperation mit Tim Mälzer entwickelt hat, seit fast einem Jahr. Mir war dieses Produkt durchaus schon kurz nach dem Launch aufgefallen, doch griff ich erst jetzt zu, als es für den Aktionspreis von 1,- Euro (!) zu haben war. Weil ich auf das verheißene Rauch-Aroma neugierig war, entschied ich mich für "N° 04":


Die Geheimniskrämerei um den Geschmack wird konsequent durchgezogen, aus der Zutatenliste wird man jedenfalls nicht schlau ("Gewürze"). Mein Urteil nach gewissenhafter Verkostung, bei der ich sogar, zumindest auf dem ersten Testteller, auf Reibekäse verzichtete: "Lecker!" (in Tim-Mälzer-Stimme gerufen).


Schön tomatig, fruchtig, würzig und, ja, rauchig, ohne aus allen Molekülen "Barbecue!" zu schreien. Dass die Sauce, die in 350-Gramm-Gläsern daherkommt, den Nutri-Score A erreichen konnte, spricht zusätzlich für sie. Beim nächsten Mal, wenn sie zum gesenkten Preis angeboten wird, werde ich eine der anderen Sorten mitnehmen. Nummer 2 ist einfach nur mit "Tomatensauce" gelabelt, Nr. 3 heißt "Stückige Tomatensauce".

Sonntag, 6. April 2025

Der gute Sonntagscast

Eine neue Folge von "Seitenstraße" ist draußen!

Darüber hinaus ist zu vermelden, dass wir nun auf der letzten großen Podcast-Plattform, auf der wir noch nicht waren, zu finden sind, nämlich auf jener, äh: Deezer.

Freitag, 4. April 2025

Albernes zum Wochenschluss

Aus der Kulturgeschichte des Schlafens

Er ist aus dem modernen Arbeitsleben nicht wegzudenken: der Powernap. Ob Personalmanagerin, Apnoetaucher, Fernfahrer oder Herzchirurgin – sie alle lassen sich ihren nachmittäglichen Minutenschlaf nicht nehmen. Wäre dies ein Beitrag auf "Welt kmpkt" oder so, würde jetzt der Satz folgen "Powernaps sind eine relativ junge Erfindung", oder aber: "Dabei gibt es den Powernap schon länger, als du denkst! Ein Forschungsteam der Universität Basel hat Tausende zeitgenössische Handschriften aus dem 10. bis 13. Jahrhundert ausgewertet und Anhaltspunkte dafür gefunden …"

Uff, denkt man da, das arme Forschungsteam. Das ist nämlich die Crux der Geisteswissenschaften im Allgemeinen und der historischen Soziologie im Speziellen: Jeden Scheiß muss man sich aus zahllosen, teils fragmentarischen Primärquellen zusammenklauben. Deswegen hier mein exklusiver ZEITZEUGEN-SERVICE ZUM THEMA SCHLAFGEWOHNHEITEN DES 21. JAHRHUNDERTS:
Hallo, Forschende der Zukunft! Hiermit versichere ich an Eides statt, dass der Durchschnittsmensch unserer Zeit zwischen 22 und 0 Uhr ins Bett geht und dann sieben bis neun Stunden am Stück schläft. Dieser Satz reicht bis in alle Ewigkeit als verlässliches Zeugnis aus; keine weitere Recherche nötig! Gern geschehen.
Jedenfalls weiß man heute, dass im Mittelalter das sog. biphasische Schlafen angesagt war. Spätestens Schlag neun legte man sich hin, gegen Mitternacht stand man wieder auf, sprach ein paar Gebete, arbeitete auf dem Feld oder schlachtete ein Huhn, dann ratzte man in einer zweiten Phase bis zum Morgengrauen. Halt! Hinlegen ist das falsche Wort; der Mensch des Mittelalters ruhte im Sitzen, aus Angst, man könnte in liegender Position sterben. Das schloss man daraus, dass die meisten Toten, die man kannte, sich in der Horizontalen befanden (Friedhof), sofern sie nicht gem. mos teutonicus vor der Bestattung zerkocht, ausgenommen und/oder zerstückelt worden waren. Die Leute im Mittelalter hatten schon tüchtig einen an der Klatsche.

Geschlafen wurde eng an eng bei höchstens 10 °C in einem Multifunktionsraum, man trug dazu Sackleinen, Keuschheitsgürtel und eine Schicht aus getrocknetem Lehm. Wer es sich leisten konnte, holte sich einen wärmenden Esel in die Stube. Esel schliefen damals mit weit aufgerissenen Augen und im Stehen (Quelle: irgendein Holzschnitt).

Mittwoch, 2. April 2025

Serientagebuch 03/25

02.03. Lost 1.10 (RW)
Lost 1.11 (RW)
03.03. The Hot Zone 2.06
American Rust 2.06
04.03. Family Guy 23.05
05.03. Phone Shop 1.01
06.03. American Rust 2.07
07.03. Phone Shop 1.02
Severance 2.01
Severance 2.02
09.03. Lost 1.12 (RW)
Lost 1.13 (RW)
10.03. Phone Shop 1.03
Severance 2.03
Sverance 2.04
11.03. Family Guy 23.06
American Rust 2.08
13.03. Person of Interest 3.15
24.03. American Rust 2.09
American Rust 2.10
25.03. Severance 2.05
26.03. Family Guy 23.07
Person of Interest 3.16
27.03. Phone Shop 1.04
28.03. Phone Shop 1.05
Phone Shop 1.06
29.03. Severance 2.06
Severance 2.07

Die erste Staffel der National-Geographic-Produktion The Hot Zone lief bereits 2019. Die auf dem gleichnamigen Sachbuch basierende Geschichte um einen Beinahe-Ausbruch von Ebola auf US-amerikanischem Boden lehrte mich damals gehörig das Fürchten. Die zweite Staffel befasst sich, gemäß dem Anthologie-Prinzip, mit einem ganz anderen, aber ebenfalls realen Fall: der Milzbrand-Panik von 2001. Obwohl ich die Entwicklungen und Ereignisse nach dem 11. September live und recht intensiv verfolgt habe, konnte ich mich an viele Details nicht mehr erinnern. "The Hot Zone: Anthrax" ist weniger Medizin-Thriller denn Forensik- und Crime-Thriller à la "CSI", aber deshalb nicht weniger packend. Die charismatische Hauptrolle hat Daniel Dae Kim inne, den ich zurzeit dank "Lost"-Rewatch wieder öfter sehe (dazu mehr, wenn es so weit ist). Dass der mittlerweile 87-jährige Ridley Scott zum Produktionsteam von "The Hot Zone" gehört, hatte ich auch schon wieder vergessen.

Die zweite und leider letzte Season der von Showtime zu Amazon gewanderten Romanumsetzung American Rust wirkte etwas unfokussiert: Mehrere Handlungsstränge mit gleicher Gewichtung liefen nebeneinander her, ohne zu einem befriedigenden Ende zusammenzufinden. Zudem legten mindestens zwei Figuren des umfangreichen Personalkabinetts unpassende und unglaubwürdige Verhaltensweisen an den Tag. Streckenweise wurde es mir auch zu kompliziert. Diesmal stehen Fracking, Rache, ein Gefängnistrauma, ein Undercover-Einsatz und eigenhändige Ermittlungen im Zentrum; uff.
An den schauspielerischen Leistungen gibt's abermals nix zu mäkeln, und die Rust-Belt-Stimmung transportiert sich nach wie vor überzeugend.

Die britische Workplace-Comedy Phone Shop von 2009 ist manchmal etwas "drüber": hysterisch, geschmacklos, pubertär. In ihren besten Momenten ist die erste Staffel, der bis 2013 noch zwei weitere folgten, jedoch unverschämt lustig und clever geschrieben. Ort des Geschehens ist ein Handyladen auf einer Londonder High Street. Es ist die große Ära der SMS, der Klingeltöne und des Tarifkampfes, Smartphones erscheinen zwar schon am Horizont, spielen im Alltag aber noch keine Rolle. Insofern ist "Phone Shop" eine kuriose Zeitkapsel; die meisten Gags würden aber auch in jedem anderen Setting funktionieren.