Mittwoch, 3. Dezember 2025

An ihren Strichen sollt ihr sie erkennen

Wenn ich in meinen Blogbeiträgen einen Gedankenstrich verwende, achte ich tunlichst darauf, einen richtigen Gedankenstrich, fachsprachlich "Halbgeviertstrich", einzufügen – Berufskrankheit. Das tue ich mittels Copy & Paste. Der kurze Strich, der erscheint, wenn ich auf "-" drücke, ist dem Trenn- oder Bindestrich bzw. dem Minus vorbehalten.

Zurzeit ist der Langstrich, wie ich im Feuilleton der gestrigen Süddeutschen las, auf dem Weg, "zum Fingerabdruck seelenloser Automatentexte" zu werden. Laut dem Artikel "Gedankenstriche verraten ihn" (online leider hinter Paywall) entwickelt nämlich ausgerechnet Textgenerierungssoftware ein Faible für dieses Zeichen.

"Auffällig viele Gedankenstriche tauchen auf, wenn man KI-Modelle bittet: Lass diese E-Mail menschlich wirken", beobachtet Niklas Schreiber. Der Linguist forscht zu Satzzeichen an der Universität Potsdam. Er vermutet, Modelle wie Chat-GPT könnten häufig auf den Gedankenstrich zurückgreifen, weil das Zeichen eine Dramaturgie schaffe, eine persönliche Note. Doch gerade das entlarvt die Maschine. Sie will es unbedingt menscheln lassen. Und wirkt dadurch erst recht roboterhaft.

Insbesondere in Bezug auf Lexik komme es, so der Beitrag weiter, zunehmend zu Rückkopplungseffekten: Zum Beispiel greifen Wissenschaftler/innen auf bestimmte Wörter vermehrt zurück, seit/weil diese sich "in angeblich von Menschen verfassten akademischen Texten häufiger als früher" finden lassen. Wenn wir immer mehr künstlich erzeugte Texte konsumieren (und "etwas mehr als die Hälfte der neu ins Netz hochgeladenen Texte sind laut der Suchmaschinen-Agentur Graphite inzwischen künstlich generiert"), fangen wir an, so zu schreiben, wie wir meinen, dass wir schreiben müssten, weil das die KI ebenfalls "meint". Das ist leicht vereinfacht gefolgert, Fakt ist: "Mensch und Maschine beeinflussen sich offenbar gegenseitig."

Der Nebeneffekt einer Echokammerbildung innerhalb künstlicher Systeme lässt sich denken: "Studien haben bereits gezeigt, dass KI-Sprachmodelle, die mit ihren eigenen Texten gefüttert werden, sukzessive eine immer geringere 'linguistische Diversität' zeigen." (Anm.: Gemeint ist "sprachliche Diversität"; linguistisch bedeutet "sprachwissenschaftlich", engl. linguistic aber daneben auch "sprachlich", ein oft – von Menschen – gemachter Übersetzungsfehler.) "Was da in die Sprache einfließt, ist letztlich: Homogenität."

Der SZ-Artikel führt dann noch ein paar Wenns und Abers an, auf die ich nicht einzugehen brauche. Nur eins möchte ich klarstellen: Niemand soll denken, dass an der Produktion auch nur eines einzigen meiner Texte je ein Sprachmodell beteiligt war – auch wenn ich eine Vorliebe für den "romantisch-verspielten Gedankenstrich" nicht abstreite.

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