Amsterdam
David O. Russell ist ein Name, der sich nicht sofort aufdrängt, wenn man an die erste Riege von Hollywood-Regisseuren denkt (auch ich hatte ihn nicht auf dem Schirm), der aber mit einigen Preisabräumern der jüngeren Vergangenheit verbunden ist ("Silver Linings Playbook", "American Hustle", "The Fighter"). Man merkt denn auch, dass "Amsterdam" begierig in Richtung Oscar & Co. schielt. Den erhofften Erfolg und nachhaltigen Status konnte das 134-Minuten-Epos von 2022 bekanntlich nicht erreichen, was schon daran liegen mag, dass es sich gar nicht um das Epos handelt, als das es sich verkauft, sondern um eine relativ schnörkellose Freundschaftsgeschichte, die sich um einen dubiosen Todesfall dreht und in mehreren, sich über Jahrzehnte erstreckenden Akten erzählt wird. Man könnte gehässig das Prädikat "aufgebläht" gebrauchen. Vieles an dem opulenten Historiendrama mochte ich aber: den beachtlichen Cast, das Licht, die Gegenwartsbezüge. Klarer Fall von "5 von 10 Punkten".
You Can't Run Forever
Das dürfte ein Novum sein: ein Film mit J. K. Simmons, der derart belanglos ist, dass er nicht mal einen deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag hat. "Warum hat sich dieser über jeden Zweifel erhabene Topmime überhaupt für so einen Kokolores hergegeben?", fragte ich mich nach dem Ansehen dieses 2024er-"Unhinged"-Klons. Die Antwort ist schnell gefunden, in der englischsprachigen Wikipedia: "Simmons confirmed in an interview with MovieWeb that the making of the film was a family collaboration since his wife co-wrote and directed the film, his brother-in-law produced it, his son composed the score of the film and his daughter makes an appearance in the film." Und das ist ja nun irgendwie rührend. Trotzdem: Man kann sich diesen Menschenjagd-Thriller, der bei der Figurenzeichnung alles falsch macht, indem er nämlich die Sympathien von Anfang an brachial einseitig, ohne Raum für Zwischentöne verteilt, sparen.
Lee
Meine hohen Erwartungen erfüllt hat dieses so aufschlussreiche wie bewegende Biopic von 2023. Dass sich eine erfahrene Kamerafrau (Ellen Kuras) des Lebens der Kriegsfotografin Lee Miller angenommen hat, erwies sich als ebenso großer Glücksgriff wie die Besetzung der Hauptrolle mit Kate Winslet.
Leicht irritiert hat mich nur eins: dass Andy Samberg in diesem – einzelner komischer Momente wie der legendären Badewannenszene ungeachtet – eher finsteren Film mitspielt. Das ist freilich nur mein persönliches (Miss-)Empfinden. Ich gönne Samberg seinen Ausflug ins ernste Fach und finde sogar, dass er den Fotografenkollegen David Scherman glaubhaft rüberbringt. Für mich ist sein Anblick hierin halt ... schwer zu fassen. Den goofy Comedian, den ich sieben Jahre bei "Saturday Night Live" belacht und erst kürzlich als Stimme in dem albernen Zeichentrick "Digman!" erlebt habe, zu sehen, wie er schwer bestürzt durch ein befreites Konzentrationslager schleicht, das passte für mich irgendwie nicht zusammen. Wie gesagt: That's just me. Ansonsten empfehle ich "Lee" als fesselnde Geschichtsstunde uneingeschränkt.
Oh la la - Wer ahnt denn sowas? (OT: Cocorico)
Diesen Film hätte ich mir gewiss niemals bewusst ausgesucht, handelt es sich doch um eine französische Komödie, aber er war ein Programmpunkt beim lokalen Sommer-Open-Air-Kino (ja, ich hänge mit meinen Filmrezensionen Monate hinterher ...), und da nahm man ihn gerne mit. In lockerer Atmosphäre, mit Weinchen auf der Picknickdecke, funktioniert so ein seichter Euro-flic denn auch erstaunlich gut. Der Familienspaß mit Christian Clavier spielt mit nationalen Klischees und reproduziert Vorurteile bis zur Dekonstruktion, wobei ich die Witze über Deutsche selbstverständlich am komischsten fand. Klar, das Drehbuch gefällt sich mitunter – typisch französisch halt – gar zu sehr in seiner politischen Unkorrektheit, aber letztlich sind die Ziele des Spottes allein die Mitglieder zweier Familien unterschiedlicher Schichten (soziologisch durchaus interessant, wie prägend und bedeutsam der "Stand" im Nachbarland anscheinend immer noch ist), die am Ende natürlich geläutert sind und einander versöhnen.
Hair
Wieder hat es ein Musical in die Liste geschafft, dessen Songs ich großteils kannte (u.a. aus dem Musikunterricht), dessen Verfilmung (Miloš Forman, 1979) ich aber nie gesehen hatte. Und was für ein Erlebnis mir da entgangen war!
Schleierhaft bleibt mir, wie "Hair" eine FSK-Freigabe ab 6 Jahren erhalten konnte. Es wimmelt von Drogenverherrlichung, Freizügigkeit, Propagierung freier Liebe und Anti-Establishmentarianismus. Allein die verbalen Frivolitäten in "Sodomy"! In diesem Zusammenhang frage ich mich, ob Donald Trump dieses Musical bereits öffentlich verdammt oder gar aus der Library of Congress entfernen lassen hat. Andererseits haben bestimmt viele von seinen Goons die eingängigsten Lieder damals begeistert mitgeschmettert.
Apropos schmettern: Niederschmetternd fand ich das Downer ending, das ich nicht habe kommen sehen.
A Haunting in Venice
Die dritte Poirot-Verfilmung von und mit Kenneth Branagh ist zugleich die erste, die ich überhaupt sah, denn im Gegensatz zu "Mord im Orient Express" und "Tod auf dem Nil" kannte ich weder Agatha Christies Vorlage ("Die Schneewittchen-Party") noch frühere Adaptionen, konnte mich also, gleich der belgischen Spürnase, unvorbereitet in den Fall stürzen. Der ist diesmal weniger vertrackt und doppelbödig als in Christies berühmteren Whodunits, sondern eher "murder mystery by the numbers", außerdem recht bedrückend. Zur schwermütigen Stimmung trägt das angemessen unheilvoll in Szene gesetzte, fast durchgängig nächtliche Venedig bei; es knarzt und tropft und spukt in allen Ecken, so dass man sich von dieser Stadt so abgestoßen fühlt wie seit "Wenn die Gondeln Trauer tragen" nicht mehr. Einzig Tina Fey bringt ein wenig Leichtig- und Heiterkeit in das Szenario.
Wallace & Gromit: Vengeance Most Fowl
Der erste W&G-Langfilm seit "Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen" (2005) liefert genau das kurzweilige Vergnügen, das Fans sich erhofft haben dürften. Kreative Knetaction, viel Herz und ein Humor, der bei Kindern wie Erwachsenen funktioniert – hach, wie wohltuend in Zeiten von KI-Slop!
Über den Dächern von Nizza (OT: To Catch a Thief)
Nach wie vor bin ich (leider!) meilenweit davon entfernt, ein Hitchcock-Kenner zu sein, wohl aber liebe ich es, mich von solchen über Klassiker wie "To Catch a Thief" aufklären zu lassen, und dieses für einen Thriller geradezu beschwingte Katz-und-Maus-Spiel pünktlich zu seinem 70. Geburtstag nachzuholen, war mir eine umso größere Freude, als ich kurz zuvor Jens Wawrczecks herrliche Hitch-Bibel "How to Hitchcock" gelesen hatte. Vieles, was man darin über "To Catch a Thief" erfährt, ist auch der entsprechenden Wikipedia-Seite zu entnehmen, etwa Hintergründe zu den gewagten sexuellen Anspielungen oder den Fakt, dass in der deutschen Synchronisation praktisch alle Verweise auf die Résistance getilgt wurden.
Man sieht Cary Grant und Grace Kelly gerne zu, einen besonderen Hingucker stellt jedoch die Côte d'Azur dar, die hier fast schon übertrieben schwelgerisch in Szene gesetzt wurde (sonnengetränkte Strandblicke, laaange Autofahrten über die Grande Corniche ...). Dafür ein Bonuspunkt.
Downhill
Will Ferrell und Julia Louis-Dreyfus in den Hauptrollen, dazu das oscar-prämierte Duo Nat Faxon und Jim Rash auf den Regiestühlen sowie als Drehbuchautoren (gemeinsam mit Jesse Armstrong, u.a. "The Thick of It"), da kann doch eigentlich nix schiefgehen, möchte man meinen. Und doch hat mich diese Skifahrkomödie von 2020 eher, passend zum winterlichen Setting, kalt gelassen. Dass vieles daran nicht zündet, liegt vielleicht daran, dass es sich um das US-Remake einer schwedischen Dramedy handelt (die ich nicht kenne). Wobei anzumerken ist, dass das Grundthema (Ehemann denkt in einer Notsituation nur an sich, statt seinen/r Angetrauten zu helfen) bereits 2001 in der "King of Queens"-Folge "Oxy Moron" gewitzter verhandelt wurde. Schade, dass Will Ferrell, dessen Rolle hier reichlich undefiniert ist, nun schon zum wiederholten Male nicht dem komödiantischen Niveau gerecht wird, für das er jahrelang ein Garant war.
Von einer veritablen Gurke muss man freilich nicht sprechen; hübsch ist z.B., dass "Downhill" komplett in Österreich gedreht wurde, und auch einige Nebendarsteller wissen zu amüsieren (Kristofer Hivju!).
Eat Pray Love
Tja, was lässt sich über diese Buchverfilmung sagen? Mit Tiefgründigkeit oder Subtilität sticht der harmlose Transformationstrip von 2010 nicht hervor. Ich muss schmunzelnd nicken, wenn ich auf Wikipedia Zitate aus Kritiken lese: "Augenschmaus ohne Seele, der ernst zu nehmende Probleme einfach ausblendet." (Cinema) "Selbstfindung à la Hollywood – wo das Verspeisen eines Nudelgerichts als Hochkultur durchgeht, bleibt wahre Erkenntnis eben zwangsläufig auf der Strecke." (Filmstarts.de) Die Message des biographischen Bestsellers: Mit genügend Geld und beruflicher Unabhängigkeit kannst du deinen Problemen einfach davonreisen und deine Depressionen wegmeditieren. Dass ausgerechnet Ryan Murphy für diesen Schmonzes verantwortlich war (Regisseur und Co-Autor), hätte ich in eintausend Jahren nicht erraten!
Und doch ist diese Juliarobertsiade zumindest nicht ohne visuellen Reiz. Die exotischen Locations sind hier die wahren Stars und zeigen sich von ihren Schokoladenseiten; das ist cinematographische Tourismusförderung, die ich goutieren kann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen