Donnerstag, 2. Juli 2015

Traumprotokoll: Abenteuer im Bahnhof

Ich war wieder Schüler und mit meiner Klasse auf Reisen. Wir hatten in einem neumodischen Bahnhof/Mall-Komplex Rast gemacht und uns in einem Café niedergelassen, welches mit dem spektakulärsten Verköstigungs-Angebot reüssierte, das mir je untergekommen war: À la "Subway" konnte man sich dort statt Sandwiches süße Stückchen wie Brownies und Kuchen live und nach Wunsch zubereiten lassen. Man wählte also erstens eine Grundlage (zB Keksboden), zweitens eine "Füllung" (zB Fudge) und zuletzt ein "Topping" (zB Zuckerguss und Schokostreusel); auch mehr als drei Schichten waren möglich. Darauf, wie lange (und ob überhaupt) der Snack gebacken wurde, habe ich nicht geachtet.
Wie zu erwarten, verzweifelte ich ob der Abermillionen Kombinationsmöglichkeiten, rekapitulierte aber nicht wie in ähnlichen Träumen vollends, sondern hatte mir bereits nach einer Stunde qualvollen Abwägens und freundlicher Beratung durch eine sehr geduldige Angestellte meinen Wunsch-Cake zusammengestellt. Dann wurde mir jedoch klar, dass ich davon womöglich nicht satt werden würde, und beschloss, noch ein weiteres Teilchen zu kaufen – diesmal ein fertiges aus der (üppigen) Auslage. Aber welches? Es dauerte eine weitere Stunde, in welcher ich bisweilen wie wahnsinnig durch den Sitzbereich des Cafés tigerte, bis ich mich entschieden hatte: Als "Dessert-Dessert" erstand ich einen dunklen, vielfach gefalteten Crêpe, in den ein großes Herz aus Marmelade eingelassen war.
Als es ans Bezahlen ging, fiel mir auf, dass sich mein Portemonnaie noch in meinem Rucksack befand, und jenen hatte ich an meinem Tisch im Außenbereich stehen lassen. Ich begab mich also dorthin, nur um zu sehen, dass mein Rucksack verschwunden war! Gemeinsam mit einer Klassenkameradin machte ich mich auf die Suche nach ihm. Wir knöpften uns dabei nicht nur das gesamte Café sowie weitere Bahnhofs-Gaststätten und -Läden vor, sondern drangen auch tief in schwach beleuchtete, seit Dezennien nicht gereinigte Katakomben hinab, vorbei an längst stillgelegten Bahngleisen.
Irgendwann waren wir wieder in der Haupthalle des Bahnhofsgebäudes angekommen. Dort erblickte ich eine Reisegruppe, die gerade – anscheinend wegen einer bestürzenden Nachricht – in Tränen ausgebrochen war. Was denn los sei, wollte ich die schluchzenden Leute fragen, als mich eine Lautsprecherdurchsage aufklärte: "Ja, es ist wahr: Die deutsche Nationalmannschaft hat soeben das Spiel gewonnen." Welche Nationalmannschaft und welches Spiel und warum das alles ein Anlass zur Traurigkeit war, wurde nicht mitgeteilt. In einiger Entfernung zu der Reisegruppe standen mehrere unbeaufsichtigte Gepäckstücke herum. Wahrscheinlich gehörten sie den Weinenden; ich wollte jedenfalls überprüfen, ob sich mein Rucksack darunter befände, und näherte mich der Gepäckansammlung. Eine resolute Reinigungsfrau stellte sich mir in den Weg. "Stopp!", sagte sie. "Herrenloses Gepäck darf nur von mir und nur aus der Ferne begutachtet werden!" – "Aber ich wollte schauen, ob mein Rucksack dabei ist", erklärte ich. Nach kurzer Überzeugungsarbeit meinerseits ging die Putzkraft zu den Gepäckstücken und kehrte mit einem Rucksack zurück, der dem meinen aber leider nur ähnelte. "Das ist nicht meiner", sagte ich resigniert.
Wenig später erreichten die Mitschülerin und ich einen Bahnsteig, auf dem ein junger Mann mit einer Pistole herumfuchtelte und die wartenden Menschen bedrohte. Ich sagte noch "Schnell weiter! Für sowas haben wir jetzt keine Zeit", da hatte der Typ auch schon meine Klassenkameradin (die sich allerdings plötzlich in ein anderes Mädchen aus meiner Schule verwandelt hatte) als Geisel genommen. Mir fiel beschämenderweise nichts anderes ein, als die Flucht zu ergreifen. Nach ein paar Metern drehte ich mich noch einmal um und sah, dass die Waffe des Verbrechers sich als Wasserpistole entpuppt hatte, mit welcher der Kerl nun meine ihn auslachende Freundin bespritzte. Mit neuem Mut stürmte ich auf den Mann zu und prügelte ihn tot. Das bereute ich kurz darauf, denn ich hätte ihn natürlich zuerst fragen sollen, ob er etwas mit dem Verschwinden meines Rucksacks zu tun habe.
Ich war den Süßspeisen fern wie nie, nachdem ich ihnen schon so nah gewesen war ...

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