Mittwoch, 22. Februar 2023

TITANIC vor zehn Jahren: 3/2013


Eieiei, wie pumperlgsund, vital und im Saft stehend "unser" Papst vor zehn Jahren noch war; auch Gänswein besaß noch seine volle Strahlkraft, wobei man bzgl. des "schönen Privatsekretärs", als man ihn letztens wieder vermehrt in den Medien sah, nur feststellen konnte, dass dieser sich für seine nun auch schon 66 Lenze äußerst gut gehalten hat.
Jedenfalls war der Märztitel in meinen Augen so lebens- wie liebesbejahend, und dass sich selbst von diesem optimistischen Cover einige (zum Glück wenige) Katholiken gekränkt fühlten, bestätigte alle Vorurteile, die man über diese Christenmenschen pflegt.

Beim letzten Mal sprach ich von einem "seltenen Fall von Titel-Inhalts-Korrespondenz", und was soll ich sagen? Auch in dieser Ausgabe nimmt der Aufmacher das Titelthema wieder auf und erzählt in der beliebten Form des Agenturfotoromans von Ratzingers Plänen nach dessen pontifikalen Rücktritt ("Papa Ratzi ante portas", S. 12-17).

Was aber war national das Thema des Monats? Menschen mit hinlänglich funktionierendem Gedächtnis werden beim Schlagwort "Tanzkarte" sofort drauf kommen: Rainer Brüderle hatte mit einem etwas peinlichen, aber harmlos gemeinten Altherrenspruch eine Sexismusdebatte ausgelöst. Das Duo Rürup/Tietze nahm dankbarerweise das Motiv der Tanzkarte an sich auf (ich selbst hätte damals nicht sagen können, was das sein soll) und zeigten: "Heute gibt es viel bessere Karten, mit denen sich einvernehmlicher flirten, sensibler baggern, überzeugender abschleppen läßt":


Die Feuilletons beherrschten aber neben liberalen Schmierigkeiten nicht nur Frank Schirrmachers gesellschaftskritischer Bestseller (s. Editorial) und Klaus Kinski als sozusagen deutscher Woody Allen (S. 66), sondern offenbar auch das Genre Kolumne. Nach wiederholten Denkwürdigkeiten* und Fremdschämmomenten in den wöchentlichen Meinungstexten der üblichen Verdächtigen war es zumindest für Titanic Zeit, einen "Kolumnengenerator" anzubieten (S. 31ff., von T. Wolff):


* "Denkwürdigkeiten" ist freilich auch der Titel von E. Henscheids Memoiren, welche in dieser Ausgabe beworben werden. Apropos: Noch prominenter, nämlich auf der kompletten U2, wird Sonja - Das Frauenmagazin für Witze angepriesen, das von Elias Hauck herausgegebene, es auf ganze zwei Nummern gebracht habende Fanzine, an dem mitzuarbeiten auch ich die Ehre hatte.



Der zeitlose Klassiker™ in diesem Heft ist die Doppelseite 48f., auf der Tim Wolff und Michael Ziegelwagner sämtliche deutschen Bundesländer, die zum Zeitpunkt des Erscheinens ein offizielles Motto führten, mit einem Gedicht bedachten.


Weiteres Notierenswertes
- Ich bin in dieser Ausgabe notably absent: Lediglich mit dem "Foto des Monats" bin ich im Inhaltsverzeichnis aufgeführt. Ich weiß gar nicht mehr, woran meine mangelnde Mitarbeit lag; im Urlaub war ich während der Produktionsphase nicht.
- Erfreulich ist es, nach längerer Pause mal wieder Sebastian Klug mit einem Solo-Artikel vertreten zu sehen: "'Bruder' Baum?" (S. 40f.), mit der unsterblichen Zeile "Gut, daß das einmal jemand gesagt hat. Und gut, daß ich es war."
- Ha, Pferdefleisch in Tiefkühl-Lasagne war in jenen Tagen auch ein Aufreger (Aboanzeige, S. 28)!
- Ha! zum Zweiten: Damals war ja Ines Pohl noch Chefredakteurin der Taz, und wie verdienstvoll von St. Gärtner, mal deren schreiberisches Fingerspitzengefühl unter die Lupe zu nehmen.
- Die zweite Kamagurka-Seite in Folge, die man so wohl in keinem anderen Periodikum vorfinden würde.
- Und was für ein prächtiger Hurzlmeier: Altmeisterliche Szene, in keine Rubrik eingebettet, ohne Schnickschnack, kein textliches Beiwerk – schmuck.

Schlussgedanke
Fast ein Sommerlochheft (in a good way)! Der Themenmix macht wieder mal urst Spaß.

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