Montag, 23. Oktober 2023

Die südwestdeutsche Beinkleid-Provokation

Vor ein paar Wochen stieg ich irgendwo zwischen Koblenz und Mainz in eine sehr volle Regionalbahn. Lediglich ein Viererplatz war noch zu drei Vierteln frei: Ein Mann, gar nicht mal allzu desolat wirkend, hing isoliert in seinem Sessel. Ich hatte sofort die Eingebung: 'Hm, wenn die ganzen Passagiere hier lieber stehen als sich neben oder gegenüber diesem Kerl niederzulassen, muss irgendwas an ihm unangenehm sein.'
Zum Glück befand sich ein paar Reihen weiter doch noch eine Sitzgelegenheit für mich. Von dort aus konnte ich, da ich rückwärts fuhr, erkennen, was mit dem bärtigen, mittelalten, vorwärts fahrenden Mann nicht stimmte: Im Schritt seiner dünnen Stoffhose klaffte ein gewaltiges Loch und gewährte mangels darunter getragener Wäsche großzügigen Einblick in seinen Intimbereich. Diese subtile Form von Exhibitionismus fiel freilich auch anderen Mitreisenden auf, darunter einem älteren Wanderer vor mir, der den Freischwinger-Zausel alsbald in breitestem Pfälzisch zusammenstauchte: "Setz dich ordentlich hin ... Ich ruf die Polizei ... Ich lass dich aus dem Zug werfen ... so wie du aussiehst!" Diese Worte missfielen nun wiederum einer dem derart Beschimpften abgewandt hockenden Frau, Typ Waldorf-Pädagogin: "Niemand soll für sein Aussehen bloßgestellt werden!" Darauf der Pfälzer energisch: "Aber der hat ein Loch in der Hose! Man sieht den Schwanz und die Eier!"
Das machte mich schmunzeln. Der Zerschlissene setzte seine Füße auf den Boden und rückte seine Knie zusammen, dabei sagte er kein Wort.

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