Mittwoch, 18. Oktober 2023

Meine zehn zuletzt gesehenen Filme

Bird Box: Barcelona
... ist eine Parallelerzählung oder ein Addendum zu "Bird Box" von 2018, nur tragen sich die gezeigten Geschehnisse, wie schon der Titel wissen lässt, in Barcelona zu. Die Ausgangslage des Survivalhorrordramas ist demgemäß dieselbe. Menschen werden unter freiem Himmel ihrer inneren Dämonen ansichtig und davon derart erschüttert, dass sie sich augenblicklich in den Tod stürzen; die einzige Möglichkeit, sich vor diesem "Virus" oder "Gespenst" zu schützen, ist, mit verbundenen Augen umherzutapsen. Hier erfahren wir nun genauer, welcher Art die "inneren Dämonen" bei einzelnen Betroffenen sind und ob man immun gegen die "Krankheit" sein kann.
Bleibt die Frage, ob es solche Konkretisierungen und Entmystifizierungen gebraucht hat, denn wie die vielen Anführungszeichen in dieser Rezension nahelegen, ist das Vage, unbestimmt Schauderhafte ein essenzieller Aufhänger des Bird-Box-Franchise'. Die Charaktere erzeugen wenig Sympathie, und auch sonst bleibt so gut wie nichts im Gedächtnis haften. Ich empfehle die Originalfassung, denn die Multilingualität sorgt wenigstens für Immersion und ist das einzig Interessante.

The Eternal Daughter
Dieses (lt. Wikipedia) "Gothic mystery drama" aus dem vergangenen Jahr wurde von der Öffentlichkeit kaum wahr-, von der Kritik dafür äußerst positiv aufgenommen, nämlich, nach Rotten Tomatoes, zu 95 %. Ich wage zu behaupten, dass das allein Tilda Swinton zu verdanken ist. Die unbestreitbar talentierte Jahrhundertmimin glänzt zwar in ihrer Doppelrolle als Mutter und Tochter, davon abgesehen fehlt es an Reiz. Nichts gegen subtilen und zurückgenommenen Grusel, aber "The Eternal Daughter" schießt übers Ziel hinaus und verzichtet fast gänzlich auf Gothic-Elemente, sodass die Atmosphäre des Schauplatzes, ein abgeschiedenes Landhotel, geradezu lähmend wirkt. Mehr als die ohnehin kaugummiartigen 96 Minuten hätte ich nicht ausgehalten.

Oppenheimer
Vorab und quasi als Präludium ist es Zeit für mein persönliches Ranking aller Christopher-Nolan-Filme (ausgenommen sein Debüt "Following", weil ich nicht mehr weiß, ob ich das überhaupt gesehen habe):
1. Interstellar
2. Dunkirk
3. The Dark Knight
4. The Dark Knight Rises
5. Inception
6. Prestige
7. Batman Begins
8. Tenet
9. Oppenheimer
10. Memento
11. Insomnia
Die Platzierung von "Oppenheimer" – der gemeinsam mit "Barbie" 2023 den Glauben an die Magie des Kinos wiederhergestellt hat – soll keineswegs den Eindruck erwecken, er habe mir nicht gefallen! Ein schlechter Nolan ist immer noch ein guter Film. (Ich bekomme sogar gerade Lust, "Insomnia" mal wieder zu schauen.) Ich bin froh, "Oppie" auf einem Premiumsitz im Frankfurter CineStar (wenn schon nicht als 70-mm-IMAX-Fassung) genossen zu haben. Allein die Soundeffekte muss man in einem Kinosaal erleben; ich kann mich nicht erinnern, dass mir dröhnende Lautsprecher abseits von Konzerten je dermaßen den Brustkorb und das Zwerchfell haben vibrieren lassen. Die Besetzung ist natürlich superb. (Fun fact: Falls Robert Downey Jr. im Februar den Oscar als bester Nebendarsteller gewinnt, wäre er der erste Ex-"Saturday Night Live"-Cast-Member mit einem Academy Award. Nominierte gibt es bereits einige, darunter seine Season-11-Kollegin Joan Cusack, und oscarprämierte SNL-Alumni, die nicht Teil des Ensembles waren, gibt es schon zwei: Adam McKay, bestes adaptiertes Drehbuch, "The Big Short", 2016, und Howard Shore, drei Auszeichnungen für den "Herr der Ringe"-Score. Ja, genau, Howard Shore war in der Anfangszeit von SNL Musical Director und hatte in diesen Jahren sogar einige Hintergrundauftritte! Aber ich drifte ab.)
Die ganze Geschichte ist einerseits packend und lehrreich, andererseits sehr fordernd bis schwer verständlich sowie für meinen Geschmack zu langatmig erzählt. Und den Kniff, chronologisch Früheres in Farbe und zukünftige Ereignisse in Schwarz-Weiß zu zeigen, kennen wir schon aus "Better Call Saul". Darüber hinaus darf Nolans nächstes Science-Fiction-Werk meinetwegen wieder mehr Fiction als Science enthalten.

Triangle of Sadness
... wird seinem Ruf vollends gerecht. Eine beißende Satire über die Welt der Superreichen mit wahren Laugh-out-loud-Momenten, aber auch mit bisweilen schmerzhafter Brutalität – da liegt ein Vergleich mit "The Menu" nahe, gezogen etwa von den "Overthinking It"-Jungs in ihrer Doppelbesprechung der zwei im selben Jahr erschienenen Filme, von welchen "Triangle of Sadness" der "europäischere" sein mag, die aber beide für sich stehend funktionieren. Ich habe mich prächtig amüsiert und habe jetzt noch weniger Lust auf eine Luxuskreuzfahrt, als ich ohnehin schon hatte.

The Trip - Ein mörderisches Wochenende
Dass die Schwedin Noomi Rapace eine der beiden Hauptrollen in diesem norwegischen Home-Invasion-Actioner von 2021 ergattern konnte, verdankt sich wohl auch dem Umstand, dass sie die Sprache fließend beherrscht (vgl. "Lamb" aus demselben Jahr). Ich habe ihn auf deutsch auf Amazon Prime gestreamt. Nach der Beschreibung dort bin ich von einer Art "Mr. & Mrs. Smith" im Blockhütten-Setting ausgegangen, schnell entpuppte sich die schwarze Komödie jedoch als mehr und sorgte mit der ein oder anderen Überraschung für Kurzweil. Ich bin ja nun nicht der größte Splatterfreund, doch die Rohheit in ihrer typisch skandinavischen Gnadenlosigkeit kann ich respektieren.

White Noise
Bevor ich "Barbie" sehe (jaaa, irgendwann muss ich das tun), vielleicht erst mal einen weiteren von Noah Baumbachs ("Marriage Story") früheren Werken? Wobei: "White Noise" kam direkt vor "Barbie" raus, lief zunächst in ausgewählten Kinos, dann exklusiv bei Netflix, wie das heutzutage halt so ist. Um das Fazit vorwegzunehmen: Er hat mir gefallen. Handwerklich und vom Ton her hat mich diese Umweltkatastrophen-Familien-Groteske oft an Wes Anderson, manchmal an Spielberg, punktuell an Tarantino erinnert. Alles nicht die schlechtesten Vorbilder, doch ich fragte mich immer wieder: Ist das Baumbachs Handschrift, imitiert er einfach zu ungehemmt oder parodiert er sogar? Zum Gesamtpaket fügt sich dieser stilistische Bausatz nur klappernd und wacklig. Man guckt aber gerne hin. Selbst Lars Eidinger störte mich kaum, und schön fand ich, Don Cheadle mal wieder zu begegnen.

Tatis herrliche Zeiten (OT: PlayTime)
Dem Œuvre Jacques Tatis hatte ich mich zeit meines Lebens verweigert. Ich würde damit nicht warm werden, fürchtete ich, und nun weiß ich, dass ich damit auch nicht mehr warm werden werde. Nichtsdestotrotz sollte man und sollte auch ich einmal hineingeschnuppert haben, zumal ich kurz zuvor 1.) die "All Movie Talk"-Folge über ebenjenen französischen Regisseur gehört hatte und 2.) auf Ken Jennings' Top-10-Filmliste gestoßen war, in welcher auf Platz 8 "PlayTime" zu finden ist.
In der Bibliothek gab es die 4-DVD-Tati-Collection, also sagte ich mir: Allons-y! Ken Jennings hat recht: Der Star dieses überlangen (und über-teuren, den Regisseur an den Rand des Ruins getrieben habenden) Streifens ist die Stadt. Die durchindustrialisierte, entmenschlichte Großstadt mit all ihren Mechanismen, Konstruktionen und standardisierten Abläufen, sie wird als bewegliches Diorama eingefangen, und der Zuschauer entdeckt in jeder Ecke dieses überdimensionierten Puppenhauses irgendetwas. Produktionstechnisch ist dieses "Tativille" durchaus beeindruckend. Der Protagonist, der mit seinem Mantel, seinem Stock und seinem Hut zwar markant, mit seinem verdeckten Gesicht aber anonym bleibt, ist so passiv, wie es etwa ein Mr. Bean niemals ist. Hilflos und überfordert zwar von der futuristischen Version eines rein funktionalen Paris, ist er gleichsam neugieriger Beobachter und stummes Opfer. Dabei tritt er gar nicht in jeder der meist unzusammenhängenden Szenen in dieser handlungsfreien Collage auf; oft werden scheinbar willkürlich verschiedenste Grüppchen und Individuen eingefangen, aus dem Gewusel herausgepickt. Wirkungsvoll ist der Klangteppich, auch in der deutschen Tonspur dominiert französische Zunge, man vernimmt nur vereinzelte Wortfetzen, Kommunikation verkommt zum Hintergrundrauschen, ich wurde an Wenders' "Himmel über Berlin" erinnert.
Langer Rede kurzer Sinn: Es ist im Grunde ein (Welt-)Theaterstück über NPCs. Künstlerisch hat das alles seinen Wert, aber ich habe es lieber, wenn ein bisschen mehr los ist, wie bei Chaplin. Mag sein, dass die Betulichkeit besonders auffällig und störend ist, wenn man "Herrliche Zeiten" wie ich lediglich auf dem Wohnzimmerfernseher verfolgt (wenigstens nicht auf'm Laptop).

Scary Stories to Tell in the Dark
André Øvredal, der norwegische "Trollhunter"-Macher, der zuletzt die Dracula-Fußnote "The Last Voyage of the Demeter" verfilmt hat, konnte mich vor sechs Jahren schon mit "The Autopsy of Jane Doe" überzeugen. 2019 hat er den auf der gleichnamigen Kinderbuchreihe basierenden Episodenhorror "Scary Stories to Tell in the Dark" vorgelegt. Gute Bewertungen ließen mich einschalten, und was soll ich sagen? Der hätte mich als Teenager tüchtig das Fürchten gelehrt, selbst als Erwachsener taugte mir der auch visuell ansprechende, von Guillermo del Toro mitproduzierte Halloween-Spaß durchaus.

Lady Bird
Die "Barbie"-Connection in diesem Monat schließt sich mit Greta Gerwigs 2017er Coming-of-Age-Drama "Lady Bird", der mir, wie "Scary Stories ...", als Teenager auch gefallen hätte. In meinem Alter meide ich Stoffe für und mit Teenager(n), aber wenn man was wagt, wird man gelegentlich belohnt: "Juno" und "It's Kind of a Funny Story" waren ja auch super. Die gewitzte Leichtigkeit, die der Schwermut und den ernsten Themen entgegengesetzt wird, ist ebenso zu loben wie der Cast, von Hauptdarstellerin Saoirse Ronan über den jungen Timothée Chalamet bis zu Laurie Metcalf, die für ihre Rolle als Lady Birds Mutter für den Oscar nominiert wurde. (Fun fact: Damit ist sie eine weitere oscarnominierte SNL-Alumna, denn, und das wissen wirklich nur Hardcore-Fans, Laurie Metcalf war tatsächlich ein Featured Player – für gerade mal eine einzige Episode in der 6. Staffel, welche neben der elften, in der Robert Downey Jr. dabei war, zu den Tiefpunkt-Jahrgängen, den cursed seasons, zählt. In der in diesem Blog besprochenen Sitcom "Norm" glänzte sie dann neben Norm Macdonald, der bekanntlich in der ebenfalls berüchtigt schlechten Season 20 einer der wenigen Lichtpunkte war. Aber ich drifte ab.)
Kurios, fast schon putzig ist, dass der Marker von Unterprivilegiertheit (Lady Birds Familie ist armutsbetroffen) in diesem Anfang der 2000er angesiedelten US-Porträt ist: Man wohnt zwar in einem riesigen Haus, das indes nicht über die mondänste und modernste Ausstattung verfügt.

Paint
Owen Wilson spielt einen Bob-Ross-Verschnitt, dessen langlebige Lokal-TV-Sendung in Existenznöte gerät. Klingt banal, ist auch wirklich nicht sonderlich tiefgründig, aber die imdb-Wertung von 4,9 ist unfair. Harmlos nett, hie und da zum Schmunzeln, ordentlich gespielt (Nebenrollen: Stephen Root, Michaela Watkins) und mit dem gewissen Feelgood-Faktor versehen, ist der dieses Jahr erschienene "Paint" nämlich exakt das Passende für einen Vermont-artigen Herbstnachmittag.

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