Donnerstag, 28. Dezember 2023

Die K-Frage

Eine Frage, die mir schon mehr als einmal gestellt wurde, die ich aber spontan nicht beantworten konnte, kann und könnte, ist: "Kannst du kochen?" Wenn man Kochen als das definiert, was ein ausgebildeter Koch macht, dann: nein. Anhand eines präzise ausformulierten, moderat anspruchsvollen Rezepts etwas annähernd Schmackhaftes zubereiten? Das kriege ich hin.

Bis in die 1980er Jahre hinein bedeutete die Frage, meist von Eltern bzw. Großeltern dem Filius gestellt, wenn er verkündete, jemanden kennengelernt zu haben, etwas ganz Konkretes. "Kann sie kochen?" meinte: Ist die Angetraute in der Lage, ohne Anleitung ein gutbürgerliches Gericht, bestehend aus der deutschen Dreifaltigkeit Fleisch, Gemüse und Sättigungsbeilage, zu kredenzen? Gerade in Hinblick auf die Weihnachtszeit war es unabdingbar, frühestmöglich Klarheit zu schaffen. Der Junge sollte doch was Anständiges vorgesetzt bekommen, so wie es sein Vater von seiner Mutter gewohnt war und dessen Vater von dessen Frau!

Heute verliert die schwammige Frage, ob jemand kochen könne, immer mehr an Bedeutung. Viel aufschlussreicher finde ich ohnehin den Austausch darüber, ob jemand essen kann. Wie und was wer speist, das ist ein soziologischer Mischwald, durch den ich gerne wanderte. Dabei interessiert mich die Kulturtechnik Essen weniger als Distinktionsmarker (Stichwort Bourdieu), sondern hinsichtlich ihrer Wahrnehmung von und ihrem Stellenwert bei verschiedenen Altersgruppen.

Ältere Millennials und jüngere Gen-Xer (Unter-30-Jährige lesen keine Blogs) mögen sich das Essverhalten ihrer Eltern vor Augen führen: Könntet ihr eure Eltern zum Beispiel auf eine Bowl einladen? Würden sie in einer rein veganen Gaststätte auf Anhieb ein Gericht wählen können? Haben sie je Thai-Currypaste und Kokosmilch im Haus, um ein für Menschen meiner Alterskohorte absolut unspektakuläres Standard- (wenn nicht gar Not-)Mahl zusammenzurühren? Nee, oder? Der leicht klassistische Spruch "Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht" geht somit m.M.n. am Kern vorbei; treffender wäre: "Was der Jungbauer kennt, frisst der pensionierte Landwirt nicht unbedingt". Werten möchte ich das in keiner Weise, mich beschäftigt nur die Vorstellung, ob ich dereinst eine ähnliche Entwicklung durchlaufen werde: dass sich meine gastronomische Experimentierfreude ausschleicht, dass ich irgendwann nur auf Altvertrautes zurückgreife, beim Lebensmitteleinkauf nie aus der Routine ausbreche, dass ich lieber zum guten, alten Inder gehe als in diese neumodischen südkaschmirischen Spezialitäten-Restaurants! Im Moment behaupte ich selbstbewusst, für alles offen zu sein. Ich bin aber auch offen dafür, dass andere eher verschlossen sind.

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