Sonntag, 28. Januar 2024

Wertschöpfung durch Wortschöpfung

Wo im letzten Beitrag schon von life goals die Rede war – hier ist ein weiteres: ein Wort oder eine Phrase prägen, die im Wörterbuch landet. Ich lese derzeit das vergnügliche Buch "Word Play: A cornucopia of puns, anagrams and other contortions and curiosities of the English language" von Gyles Brandreth. Gyles moderiert zusammen mit der "Countdown"-Lexikographin Susie Dent (die ebenfalls eine Reihe populärwissenschaftlicher Bücher über Sprache veröffentlicht hat) den Podcast "Something Rhymes with Purple", der zu meinen Lieblings-Einschlafhilfen gehört; man kann sich von erbaulichen, in feinem Queen's English* vorgetragenen etymologischen Streifzügen einlullen lassen.

Jedenfalls widmet sich ein Kapitel in "Word Play" mit Autoren, die das englische Lexikon geprägt haben. Einiges wusste ich schon, vieles noch nicht. Beispielsweise war ich stets davon ausgegangen, dass Shakespeare die meisten Urheberzuschreibungen im Oxford English Dictionary vorweisen kann. Falsch! Chaucer hält mit Erstbelegen in 2012 Einträgen den Rekord als wortschatzerweiternde Einzelperson. Alltagswörter wie future, village, praise, galaxy und possibility gehen auf Chaucer zurück (was nicht in jedem Fall heißen muss, dass er diese Wörter erfunden hat; er hat sie halt als Erster schriftlich festgehalten). Mit 1700 credits ist "the Bard" freilich auch gut dabei; er punktet vor allem im Bereich der Phraseologie, so wie im Deutschen Goethe und Luther mit all ihren Redensarten und geflügelten Worten, deren Ursprung heute nur wenigen bewusst ist. Aber auch wahnsinnig viele, inzwischen zum Grundwortschatz gehörende Vokabeln stammen aus Shakespeares Werken.

Hier noch vermischte Trivia-Perlen:
- P.G. Wodehouse hat wohl fifty-fifty erfunden.
- Auf O. Henry geht die "Bananenrepublik" zurück (banana republic).
- Freelancer kamen erstmals in Sir Walter Scotts "Ivanhoe" vor: "I offered Richard the service of my Free Lances".
- Weniger bekannt dürfte der Literaturkritiker Donald Gordon sein, der 1930 einen Kriminalroman als Whodunit bezeichnet hat. Das Bemekenswerte daran ist, dass es bereits 1939 sprachpflegerische Kommentatoren gab, die das Wort als "heavily overworked", als abgedroschen schalten und es am liebsten alsbald "bumped into the taboo bin" gesehen hätten. Wenn die wüssten, welch fröhliche Urständ der Begriff anno 2024 feiert!
- Alexandre Dumas fils, Sohn des "Drei Musketiere"-Autors, schrieb 1873 als Erster von Feministinnen bzw. Feministen (féministes, engl. feminists).
- William Makepeace Thackeray erfand "Oxbridge" als fiktiven Standort eines "Boniface College". Über die bloße institutionelle Zweiheit der ältesten britischen Universitäten hinausgehend, als soziologischen Habitusbegriff, verwendete Virginia Woolf das Kofferwort erstmals 1929. (Diesen Zusatz habe ich Wikipedia entnommen.)

* Wie lange man wohl noch "Queen's English" sagen wird, bevor sich "King's English" durchsetzt? Ich muss gestehen, dass ich König Karl III. noch nie länger zugehört habe, doch bestimmt spricht er in einer Received Pronunciation, die der seiner Mutter in nichts nachsteht.

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