Mittwoch, 31. Januar 2024

TITANIC vor zehn Jahren: 2/2014

Hoo boy, here we go ...


Ich befand mich in Irland, als die Nachricht vom Schneesturz des Formel-1-Sportlers Michael Schumacher hereinbrach, und selbst im dortigen Fernsehen war daraufhin zeitweise von nichts anderem die Rede.
Uns war klar, dass unsere Leserschaft, gerade wegen des ins Unvernünftige gesteigerten Medieninteresses, eine Reaktion in Gestalt eines Titelbildes erwarten würde. Etliche Vorschläge wurden ersonnen und aufgebaut, einige so (und ich benutze das Wort selten) geschmacklos, dass wir sie nicht mal in der Rubrik "Abgelehnt" zeigen mochten. Einen jener Alternativtitel kann man zumindest im 40-Jahre-Jubiläumsband begutachten. Wir entschieden uns dann für obige Umsetzung. Im Grunde ist es ein harmloser Verwechslungs-Gag, der sogar versöhnlich interpretiert werden kann: Selbst nach einem Unfall kann man als Rennfahrer noch eine angenehme und respektable Zweitkarriere machen, so die Message. Wir hatten auch extra ein Foto von Niki Lauda ausgesucht, auf dem dieser möglichst vorteilhaft, ja nahezu unversehrt ausschaut.
Doch der Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten. Zum einen Formel-1-Fans, zum anderen Niki Lauda persönlich stürzten sich zähnefletschend mit Vorwürfen der Grenzüberschreitung auf Titanic, flankiert von den üblichen Personen, die unser Heft nie in die Hand nehmen würden, sich aber bei jeder derartigen Gelegenheit reflexartig und genüsslich aufregen. Im nächsten Monat mehr dazu.

Die Themen Schumi und Skifahren werden noch mehrmals in dieser Ausgabe aufgegriffen: von Hurzlmeier (S. 52f.), auf der "U3" von Ernst Kahl (der die Tragödie, s. S. 5, bereits Anfang 2010 prophezeit hatte), im Rücktitel, im Editorial sowie auf S. 34f. in einer Strecke "Wie erkläre ich es meinem Kind?"

Einen "richtigen", großen Aufmacher gibt es in dieser Ausgabe nicht, am ehesten kann als solcher der Ausflug der Herren Hürtgen/Wolff/Ziegelwagner in die deutsch-niederländische Grenzregion gelten. Im Kreis Kleve wurde sowohl "Skrupellos-Staatsmann und Bahn-Absahner Ronald Pofalla 1959 ins Leben gepreßt" als auch "Moneten-Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst" getauft. Doppelgrund genug für eine launige Städtebeschimpfung klassischen Zuschnitts: "Ronald Pofallas Geburtsstadt WC (Eigenschreibweise: Weeze) ist ein stilles Örtchen. Sauber geflieste Böden, Brauntöne dominieren. [...] In Pofalla-City spricht man, wie einem der Anus gewachsen ist; hier hat der kleine Ronald zum ersten Mal 'deine Scheiße nicht mehr hören' und 'deine Fresse nicht mehr sehen' wollen. Höchstwahrscheinlich!"

Noch einmal Wintersport! 2014 standen die nicht unumstrittenen Olympischen Spiele im russischen Sotschi an. (In einer Ausgabe um 2012 herum hatten wir bereits den Aufbau der designierten Sportstätten mit selbstgeschossenen Fotos von Wellpapp-Basteleien dokumentiert.) Einige der Witze in der Co-Produktion von T. Wolff, St. Rürup und Praktikantin Kathrin B. sind erschreckend zeitlos:


Ladies and gentlemen, we have a major recurring character debut! Auf Seite 36 ermittelt zum ersten Mal die von Tim Wolff und Michael Ziegelwagner entwickelte "Miss Merkle" in einem Fall ("... und die Loipe des Todes"), in dem abermals M. Schumacher vorkommt. Dass der Autor David Safier seit ein paar Jahren mit einer Detektivromanreihe ähnlichen Namens Millionen scheffelt, sei ihm von Herzen gegönnt.


In der Humorkritik: einer meiner Lieblings-Cartoons von Miriam Wurster, die damals schändlicherweise noch nicht so oft im Heft vertreten war wie heutzutage.


Einen kurzen Lacher bescherte mir auch diese achtelseitige "Anzeige" in den "Briefen an die Leser", deren Bedeutung und Entstehung ich vollständig vergessen habe.


Weiteres Notierenswertes
- Wenn ich mich nicht arg täusche, basiert die Filmplakat-Parodie zu Lars von Triers "Nymphomaniac" (U1) auf einem Entwurf des Cartoonisten Hannes Richert. Ich werde ihn um Bestätigung bitten, wenn ich ihn das nächste Mal treffe.
- Der Anlass für den Vierseiter "Trendsport Homosexualität: Wohin soll das noch führen, Deutschland?" von Hürtgen/Ziegelwagner könnte, auch wenn sich im Artikel explizit auf ihn bezogen wird, jüngeren Leuten gar nicht (mehr) bewusst sein: Es war eine selbst für Jasper v. Altenbockums ("FAZ-Perversenkritiker Kasperl von Altenbockum") Verhältnisse haarsträubende Kolumne über das Coming-out des Fußballers Thomas Hitzlsperger.
- Die Vorlage für Valentin Witts Frage-und-Antwort-Doppelseite "Die Welt ein bißchen verstehen" (S. 22f.) vermag ich nicht mehr wiederzuerkennen. Womöglich war das eine Rubrik im Focus. Oder im Stern? Einerlei, eine gelungene Parodie funktioniert, wie hier, auch ohne Kenntnis des Originals. "Wie antwortet man auf eine rhetorische Frage? Mit dem Zeigefinger!"
- Gucci Falke (im "Fachmann", S. 42): auch ein Zeichnername, den ich, wie den von Gannet im letzten Heft, seit Jahren nicht gelesen habe! (Gannet hat danach tatsächlich nie wieder etwas in Titanic veröffentlicht; er war, wie man hört, zufrieden mit diesem einmaligen, schrägen Auftritt und konzentriert sich seither wieder auf seinen Brotjob als Kinderbuchillustrator.)
- Erinnerung an eine unfreiwillig lustige Szene in einem Beitrag einer Vorabend-TV-Sendung zum "Skandal-Cover": Niki Lauda sitzt auf einem Stuhl, blättert unwirsch durch die Titanic mit seinem Antlitz vorne drauf, klappt sie dann zu und wirft sie verächtlich auf einen Tisch. Just als die Kamera während des Durchblätterns über Laudas Schulter hinweg das Heftinnere einfängt, ist ausgerechnet "55ff" aufgeschlagen! Ich wette, Herr Lauda hätte etwas zum Schmunzeln darin gefunden, hätte er sich etwas Zeit genommen. Die Ausgabe (Titel: "Bestimmungsbücher erkennen und bestimmen"; Sebastian Klug) ist nämlich m.M.n. wieder ziemlich gut geraten und enthält von mir nicht nur den Klassiker "5 Aufmuntersprüche für uns Mädels ;-)", sondern auch einen meiner raren Abstecher ins Zeichnerische.
- Abgesehen davon habe ich wenig zum Heft beigetragen. Immerhin: Eine mir bekannte Philosophin trug mir zu, dass meine Abrechnung mit Markus Gabriel (S. 58f.) in ihren Kreisen einen gewissen Kultstatus erlangt hat. Ich hatte damals vermutet, dass Gabriel mindestens genau so populär wie Richard David Precht werden würde, sind doch beide idealtypische Starphilosophen jüngerer Prägung (nun ja, jünger als Sloterdijk ...): mäßig begabte Denker, aber easy on the eyes und gut im Vereinfachen und Selbstvermarkten. Als ich den Text zwei Monate später beim "Eckhard-Henscheid-Ähnlichkeitswettbewerb" las, wusste das Publikum anscheinend kaum was mit dem Mann anzufangen, der Vortrag bombte grandios.

Schlussgedanke
- Ein My zu viele Skisport-Referenzen, ansonsten eine vorzeigbare Wundertüte.

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