Freitag, 17. Oktober 2025

In eigener Sache: Blogpause, Seitenstraße

Wie ihr merkt, ist hier seit einer Weile nicht viel los. Ich sag's frei heraus: Ich habe mir ein irrwitziges, nachgerade ungesundes Maß an Verpflichtungen und Projekten aufgebürdet, so dass ich der Bloggerei nicht die Zeit und Zuwendung widmen konnte und kann, die sie verdient hat. (Insbesondere dauert es mich, heuer nicht von der Buchmesse berichten zu können.) Somit verkünde ich eine zweiwöchige Blogpause. Im November geht es frisch weiter! Bis dahin könnt ihr die neueste Folge von Seitenstraße hören; immerhin diese aufzunehmen und zu schneiden ließ mein Terminkalender zu. Den Podcast findet ihr auf Soundcloud (s.u.) sowie bei Spotify, Apple Pocasts, Amazon Music und Podcast.de.

Montag, 13. Oktober 2025

Wo alle Brünnlein fließen

Schmunzeln musste ich, als ich dies im Something-Awful-Forum las:

one of my defining memories of Germany is flying into Tegel for the first time, being thirsty, and asking a visitor information person where the nearest water fountain was.
He looked at me very sternly and said "In Germany we do not have such things!"

Stimmt schon: Im Vergleich zu beispielsweise Frankreich sind wir hier mit öffentlichen Wasserspendern und Trinkbrunnen nicht gerade gesegnet. Doch es wird besser! Viele Gemeinden haben in den vergangenen Jahren welche aufgestellt, in Frankfurt sind es inzwischen 24 Stück, und in meinem Wohnörtchen befinden sich sogar gleich zwei in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Offenen Bücherschrank. Freilich, da ist noch Luft Wasser nach oben, aber man muss bedenken, dass in Deutschland auch das Leitungswasser trink- und genießbar ist und Durst somit auch in Bedürfnisanstalten und überall, wo es Waschbecken gibt, gestillt werden kann.

Zur Brunnensuche empfehle ich die Seite trinkwasser-unterwegs.de: Postleitzahl/Stadt eingeben oder Standort erkennen lassen und alle Labungsquellen in der Umgebung finden.

Samstag, 11. Oktober 2025

Zwei gute Zitate über Literatur

"Wir schrieben weder wegen des romantischen Schriftstellerlebens – die Wirklichkeit ist eine Karikatur davon – noch für Geld – das wäre Selbstmord –, noch für den Ruhm – ein überkommener Wert, den unsere Zeit durch Berühmtheit ersetzt hat –, noch für die Zukunft – sie hat uns nichts aufgetragen –, noch um die Welt zu verändern – es ist nicht die Welt, die verändert werden muss – oder um das Leben zu ändern – es ändert sich nie –, auch nicht aus Engagement – das überließen wir lieber den Schriftsteller-Heroen –, so wenig, wie wir die zweckfreie Kunst feierten – die eine Illusion ist, denn irgendetwas leistet Kunst immer. Aus welchem Grund also schrieben wir? Wir wussten es nicht, und das war vielleicht unsere Antwort: Wir schrieben, eben weil wir es nicht wussten, wir schrieben, um auszudrücken, dass wir nicht mehr wussten, was wir auf der Welt anderes tun sollten als zu schreiben, ohne Hoffnung, aber ohne uns einfach damit abzufinden, unbeugsam, mit Freude und bis zur Erschöpfung, mit dem einzigen Ziel, so gut wie möglich daraus hervorzugehen [...]"

--- Mohamed Mbougar Sarr: Die geheimste Erinnerung der Menschen

"Unter Literaturgattungen herrscht eine brutale Hierarchie. Es gibt Versepen, Gesänge und tausendseitige Gesellschaftsromane, die alles überdauern. Es gibt unsterbliche Dramen, deren Personal unverwüstlich durch die Zeiten schreitet. Und natürlich Lyrik, die dem Wort unsterblich einen tieferen Sinn verleiht.
Aber dann gibt es eben auch die kleineren Formen, die keine allzu lange Lebensdauer haben. Eintagsfliegen aus Worten. Wie zum Beispiel den Schüttelreim, diesen Nichtsnutz, dessen Reimzwang sich so eng um seinen Inhalt schlingt wie ein Judogriff und der es nie so weit gebracht hat wie sein hochbegabter großer Bruder, der Haiku, der als runder Kiesel auf dem Grund des Baches rollt oder sich als Nebelschwade im Wipfel eines Ginkos verfängt.
Von allen literarischen Spielarten am meisten missachtet scheint mir aber unzweifelhaft die Anekdote zu sein. Keiner weiß so recht, was sie eigentlich sein soll. Ist sie kurz, oder darf sie auch etwas länger sein, muss sie immer amüsant sein, oder gibt es sie auch ernsthaft? Sogar der Witz hat es da besser erwischt. Der Witz weiß immer, wo er hinwill, geradewegs zur Pointe. Ist der Wesenskern einer Anekdote ihre mündliche Wiedergabe, oder kann sie es unbeschadet in die Verschriftlichung schaffen? Liest man nach, was eine Anekdote sein soll, stößt man auf folgende Definition:
Die wichtigste Eigenschaft einer Anekdote ist, dass sie 'treffend' ist.
Was wäre nun in einer Geografie der literarischen Formen die Anekdote? Ich wage zu behaupten: eine winzige Quelle, aus der ununterbrochen, seit Anbeginn der Zeit, das klarste Wasser sprudelt. Müde und ausgelaugt vom Besteigen literarischer Achttausender kann man sich hier erfrischen und kurz verweilen."

--- Joachim Meyerhoff: Man kann auch in die Höhe fallen

Donnerstag, 9. Oktober 2025

Meine konservativste Meinung

Diesen Beitrag habe ich bereits am 10.3.2021 angelegt, dann jedoch nie ausgebaut, weil mir seine Veröffentlichung jedes Mal, wenn ich an ihn dachte, unpassend erschien. Sein Thema ist seit Jahren fortwährend und unabhängig vom aktuellen politischen Wind Gegenstand hitzig geführter Diskussionen. Es geht um die Erbschaftssteuer, und meine Meinung dazu mag manche überraschen, sie ist nämlich, wie man der Überschrift entnehmen kann, eher dem konservativen Lager zuzurechnen. Ich finde – ohne den abgeschmackten Spruch mit dem Herz und dem Verstand zu bemühen –, ab 40 darf man sich selbst als dem Selbstverständnis nach links der Mitte Stehender eine konservative Meinung leisten (ab 50 eine zweite und pro folgendem Lebensjahrzehnt eine weitere). Und meine ist: Die Erbschaftssteuer sollte abgeschafft werden.

Dass ich schließlich jetzt damit um die Ecke komme, hat den Grund, dass ich auf gutes argumentatives Rüstzeug gestoßen bin, zugegebenermaßen an diesbezüglich wenig überraschender Stelle. Rainer Hank hat in der letzten FAS seine Kolumne "Hanks Welt" der Erbschaftssteuer gewidmet, und auch wenn ich nicht allen Punkten darin zustimme, seien die einleuchtendsten Passagen, in denen er seine Forderung "Schafft die Erbschaftssteuer ab!" begründet, wiedergegeben. Die Erbschaftssteuer sei eine "Strafsteuer", schreibt Hank und lädt zu einem Gedankenexperiment ein:

Menschen, die ihr ganzes Vermögen noch rechtzeitig vor ihrem Tod verjuxen [... ,] können dieses Geld nach Gutdünken abschlagsfrei verteilen: Kreuzfahrten buchen, Ferienhäuser kaufen, Dreisterne-Restaurants testen, teure Partnerinnen und Partner aushalten. Sie haben das Geld bereits versteuert und Einkommen-, Körperschafts- oder Kapitalertragsteuer drauf bezahlt. Sobald sie aber ihren wirtschaftlichen Erfolg an die Nachkommen weitergeben, müssen diese abermals Steuern bezahlen. Sollten sie Menschen beschenken, mit denen sie nicht verwandt sind, die sie aber für bedürftig halten, langt der Fiskus umso unverschämter zu.

Der zugrunde liegende Denkfehler oder vielmehr "Taschenspielertrick" des Staates, so Hank weiter, bestehe darin, dass er "die Perspektive vom Erblasser auf die Erben wechselt und denen vorwirft, ihre Erbschaft sei leistungsloses Vermögen". Was es, und hier streben unsere Sichtweisen dann doch auseinander, freilich ist! Rechtfertigt das jedoch, den Vermögensfluss innerhalb einer Familie, deren Stellenwert die Regierung doch seit je und Schwarz-Rot wieder verstärkt betont, radikal zu verengen? Dem Staat sollte daran gelegen sein, dass junge Leute sorgen- und schuldenfrei in die Zukunft starten. Das wäre eine Perspektive, welche in der Tat auf die Erbenden zielt, aber fair ist.

In Hinblick auf die Erblasser könnte man nun wohlwollend annehmen, dass deren Vermögen das Resultat lebenslanger harter Arbeit, klugen Investierens, vielleicht auch eisernen Sparens ist, und ganz gewiss wird es das in vielen Fällen auch sein, gerade in den sog. alten Bundesländern, wo Kapitalanhäufung in den circa vier goldenen Nachkriegsjahrzehnten auch für Schichten unterhalb der Oberschicht kein Hexenwerk war. Die Befürworter einer strengen Erhöhung der Erbschaftssteuer gehen indes davon aus, dass volle Geldspeicher gar nicht anders als durch Gaunerei und Ausbeutung entstanden sein können. Seien wir ehrlich: Viel zu viele Millionäre und Milliardäre hierzulande sind garantiert nicht durch Ehrlichkeit zu dem geworden, was sie sind. Aber eben hier muss der Gesetzgeber Schranken installieren. Ebenso auf der Hand liegt es, dass Superreiche über dubiose Kanäle und sonstige Mittel verfügen, mit denen sie schmerzhafter Besteuerung und etwaiger Bestrafung zu entgehen wissen. Auch hier ist es an den Herrschenden, entsprechende Rechtsgrundlagen zu schaffen, Grauzonen auszulöschen, hemmungsloses Scheffeln zu verunmöglichen.

Im letzten Abschnitt seines Beitrags liefert Rainer Hank einen meist übersehenen Beweis dafür,

dass die geltende Erbschaftssteuer nicht nur generell, sondern auch immanent ungerecht ist. Denn sie verschont die Fabrikanten. Es ist nicht in Ordnung, dass Unternehmenserben von der Steuer befreit werden, wenn sie die Belegschaft und Firma eine bestimmte Zeit erhalten. [...] Es gibt genügend gute Vorschläge, das bestehende Steuerrecht gerechter zu machen, indem man die Sätze für alle deutlich senkt, dann aber auch die Fabrikbesitzer verpflichtet, Steuern zu zahlen.

Eine Extrawurst für Fabrikanten sollte einen besonders fuchsig machen, bedenkt man, wie viele deutsche Dynastien vor allem dank Zwangsarbeitern, Enteignungen und Unterstützung des NS-Regimes groß geworden sind. Wie gesagt: "Die da oben" müssten an den wirklich ungerecht gestellten Schrauben drehen. Stattdessen gehen sie den einfachsten Weg und fühlen sich dabei wie Robin Hood. "Das Label 'soziale Gerechtigkeit' camoufliert die fiskalische Gier, die sich das Geld dort holt, wo etwas zu holen ist."

Was aber wäre nun wie zu ändern? Ich glaube, dass die Uneinigkeit darüber gar keine Frage von links vs. rechts ist. Hinderlich und schädlich ist eine menschlich-gesellschaftliche Eigenschaft, die ich als typisch deutsch diagnostiziere: Missgunst. Missgunst darf nicht mit Neid gleichgesetzt werden, denn Neid vermag auszulösen, dass man nach Höherem strebt und aus diesem Antrieb heraus irgendwann tatsächlich aufsteigt, er kann somit etwas Positives sein; sorry, wenn das arg neoliberal klingt. Missgunst hingegen heißt: Ich kann es nicht haben, also soll mein Nachbar es auch nicht haben! Ein letztes Mal R. Hank: "Mehr Gleichheit stellt man am besten nicht durch Umverteilung her, indem man den Menschen etwas wegnimmt (Erbschaftssteuer). Langfristig effektiver und moralisch überzeugender ist es, möglichst viele Menschen zu befähigen, reich zu werden." Sollen doch die Reichen immer reicher werden – wenn gleichzeitig die Armen weniger arm und schließlich selber reich werden! Wohlstand für alle: So konservativ ist diese Forderung doch gar nicht, oder?

Offenlegung: Ich selbst habe noch nie etwas geerbt und bin von dem ganzen Komplex persönlich nicht betroffen.

Dienstag, 7. Oktober 2025

Wer ist Garrett?

Ein breites Grinsen bemächtigte sich meines Gesichts, als ich letzte Woche "Jeopardy!" sah. Einer der Kandidaten in der Sendung vom 25.9. war Erik Nielsen (M.):


Vorgestellt wurde er als "Vertretungslehrer aus Hollywood", Comedy-Fans dürfte Erik Charles Nielsen jedoch als Schauspieler bekannt sein, der eine kleine wiederkehrende Rolle in "Community" hatte. Tatsächlich war "Garrett Lambert" in jener Sitcom meine Lieblingsnebenfigur; ich musste über jeden einzelnen seiner Auftritte lachen! Dass er bei "Jeopardy!" antreten würde, hatte ich zuvor im Something-Awful-Forum gelesen. Ob ich ihn auch ohne diese Vorab-Info erkannt hätte? Gewiss hätte ich mich die ganze Zeit gefragt: Woher kenne ich den? Schade, dass er am Ende als Zweitplatzierter nach Hause gehen musste. Dabei lag er für einen kurzen Moment sogar in Führung, hatte ein "Daily Double" erwischt und korrekt beantwortet.


Es bleibt die Frage: Ab wann gilt man als berühmt genug, um nicht mehr in einer regulären "Jeopardy!"-Ausgabe an den Start gehen zu dürfen? Ist man mit 43 Credits bei "Community" und einem Stand-up-Auftritt bei Conan noch kein Fall für "Celebrity Jeopardy"? Nun, laut imdb hat sich Nielsen seit 2019 aus dem Schauspielgeschäft zurückgezogen (wobei er zurzeit immerhin in der Animationsserie "Krapopolis" regelmäßig als Sprecher zu hören ist), und schließlich wurde er weder als actor angekündigt noch war seine Fernsehkarriere Thema der Vorstellungsrunde. Ein Mann mit normalem Beruf ohne Starallüren, sympathisch! Von mir aus darf er aber bald mal wieder irgendwo vorsprechen.

Sonntag, 5. Oktober 2025

Word of the week

Diese Woche im Zusammenhang mit dem Shutdown in den USA ein neues englisches Wort gelernt: furlough. Es bedeutet "jmd. (zwangs)beurlauben", als Substantiv entsprechend "⁠(Zwangs-)Beurlaubung; Freistellung". Auf Häftlinge bezogen kann es mit "Freigang" übersetzt werden. In einem NBC-Newsticker zum Thema, der (Stand: 3. Oktober) mit "Trump and Democrats dig in as federal workers face furloughs" überschrieben ist, kommt das Wort sehr oft vor. Von "hundreds of thousands of government workers who are typically furloughed during a shutdown" ist da die Rede, und in einem Eintrag wird eine galgenhumorige Grußformel unter Regierungsangestellten zitiert: "'Happy furlough!' a staffer wished an arriving member of her team like she would intone a birthday greeting."

Laut Merriam-Webster taucht furlough (als Nomen) erstmals im Jahr 1631 auf. Seine Herkunft ist niederländisch: mittelndl. verlof "Erlaubnis" mit lof : mhd. loube "Erlaubnis" (vgl. er-laub-en und natürlich auch Urlaub: "In der höfischen Sprache der mhd. Zeit bezeichnete [urloup 'Erlaubnis'] dann die Erlaubnis wegzugehen, die ein Höherstehender oder eine Dame dem Ritter zu geben hatte. In der Neuzeit bezeichnet 'Urlaub' die [offizielle] vorübergehende Freistellung von einem Dienstverhältnis". Duden Herkunftswörterbuch).

Freitag, 3. Oktober 2025

Albernes zum Wochenschluss

Merkreime zur Unterscheidung von Teigtaschen nach ihrer geographischen Herkunft

Momos schmecken nicht nur Zwergen / in Tibet und in Nepals Bergen.

Schon aus dem Dönerladen kannt' i' / die Köstlichkeit der Türken: Mantı.

Nie isst sie der Mongole pur. / Gebraten werden sie: Chuushuur.

Liest man in Japan wohl Spinoza? / Egal. Verspeisen tut man Gyōza.

Man füllt's mit Hackfleisch (auch vom Nandu?) / und nennt's auf koreanisch Mandu.

In Polen gilt es fast als Drogi: / Teigtaschen-Methadon Pierogi.

Auf "Siopao", das sag' ich Ihnen, / reimt sich mitnichten "Philippinen".

In ganz Georgien, nicht in Mali, / kennt man den Snack namens Khinkali.

Tsatsiki drauf, dazu Retsina, / na klar, Wan Tan sind typisch China!

"Was Russisches? Das ess' ich eh nie." / Wer so was sagt, kennt nicht Pelmeni.

Mittwoch, 1. Oktober 2025

Serientagebuch 09/25

01.09. Hostage 1.03
02.09. Eagleheart 3.01
Eagleheart 3.02
03.09. Andor 2.09
Andor 2.10
04.09. Hostage 1.04
Eagleheart 3.03
South Park 27.04
05.09. Hostage 1.05
The Paper 1.01
06.09. Lost 2.05 (RW)
Lost 2.06 (RW)
07.09. The Paper 1.01
08.09. Gotham 5.08
09.09. Eagleheart 3.04
Eagleheart 3.05
Andor 2.11
11.09. Andor 2.12
13.09. The Guest 1.01
The Guest 1.02
Eagleheart 3.06
Lost 2.07 (RW)
14.09. The Paper 1.03
15.09. Gotham 5.09
16.09. Eagleheart 3.07
19.09. The Guest 1.03
Lost 2.08 (RW)
23.09. Eagleheart 3.08
Eagleheart 3.09
The Guest 1.04
24.09. Gotham 5.10
25.09. South Park 27.05
Alien: Earth 1.01
Eagleheart 3.10
26.09. Alien: Earth 1.02
Alien: Earth 1.03
27.09. Alien: Earth 1.04
29.09. Gotham 5.11
Gotham 5.12
30.09. The Paper 1.04
The Simpsons 37.01

Es gibt moderne Serien, die greifen eine Trope auf, die man schon gefühlte hundert Mal verhandelt sah, schaffen es aber durch handwerkliche Virtuosität und das Hinzufügen kleiner Variationen und Subversionen, sie frisch und überraschend wirken zu lassen. "Hijack" war so ein Beispiel: Aus der Thriller-Prämisse Flugzeugentführung noch etwas Neues herauszukitzeln und damit eine der spannendsten Serien der letzten Jahre vorzulegen – Kudos!
Ein weiterer Fall ist Hostage, bei der es um Folgendes geht: Der Mann der britischen Premierministerin wird, gemeinsam mit seinen Kollegen von Ärzte ohne Grenzen, in Französisch-Guyana als Geisel genommen. Wenn seine Frau nicht von ihrem Amt zurücktritt, stirbt er. Ausgerechnet jetzt, wo die Premierministerin vor einem Treffen mit der französischen Präsidentin steht, welches die Spannungen zwischen den beiden Nationen wenigstens teilweise lösen soll! Doch auch sie wird auf pikante Weise erpresst ... Gähn? Keineswegs! Der Fünfteiler kommt verlässlich mit schockierenden Enthüllungen um die Ecke, stellt Dinge infrage und auf den Kopf und erinnert mitunter an die besten Momente von "24". Wie bei "Hijack" steckt auch hier Domestic Terrorism hinter allem, und natürlich – insoweit wird dann doch wieder ein Klischee bedient – gibt es auch den ein oder anderen Maulwurf.
Insgesamt ein Tip-top-TV-Event ohne Hänger und Abschweifungen, in dem die nie enttäuschende Suranne Jones die Hauptrolle übernimmt. Und Julie Delpy, das war mir vorher nicht bewusst, ist schon eine verdammt coole Socke.

Durchaus einige Längen hat dagegen die zweite Staffel Andor. In ihrem Anspruch, den Charakteren viel Raum für Entwicklungen zu geben, Fallhöhe aufzubauen und die Tiefen aller Nebenplots auszuloten, schießt die Vorgeschichte von "Rogue One" gelegentlich übers Ziel hinaus und dehnt einzelne Akte ins Unnötige. "Ja ja, wir haben's verstanden!", will man da rufen. "Andor" weiß, dass es das von der Kritik geliebte Prestige-Drama im Star-Wars-Universum ist, eine wohltuende Kur nach bzw. zwischen zuletzt hingerotzt erscheinenden Abenteuern wie "Ahsoka" und "The Acolyte" (beide habe ich nicht gesehen, werde es aber nachholen und bin mir sicher, dass ich trotzdem kaum über die Maßen enttäuscht sein werde, haha).
Wie dem auch sei: "Andor" ist erwachsen, tut bisweilen weh, traut sich was, ist, kurzum, toll.

The Guest ist ein BBC-Vierteiler mit einem unverbrauchten, aber fähigen Cast. Im Fokus steht eine junge arbeitslose Frau, die von einer reichen Unternehmerin zufällig (?) aufgegabelt und als Reinigungskraft angestellt wird und bald in das luxuriöse Eigenheim einziehen darf. Dort ist nichts, wie es scheint (aber nicht in einem übernatürlichen Sinne) ... Ein packender Thriller mit zahlreichen Twists, psychologischem Horror und einer Prise Gesellschaftskritik.

Zu Eagleheart fällt mir kaum noch etwas ein, das ich nicht schon in meiner Kurzrezension der zweiten Staffel geschrieben hätte. Der Humor mag nicht jedermanns Sache sein, aber für mich war das rasend übergeschnappte "Eagleheart", das kann ich mit einigem Abstand festhalten, eine der komischsten Serien, die je produziert wurden.

Und nun habe ich Gotham geschafft! Auch hier fallen mir kaum Punkte ein, die ich nicht schon in Bezug auf die vorangegangenen Staffeln losgeworden bin. Auch Season 5 war ein einziges Up & Down. Richtiggehend geärgert habe ich mich über einzelne Episoden, nur um aus der jeweils nächsten wieder mit einem befriedigten Grinsen rauszugehen. Am blödesten fand ich zuletzt, dass die stakes zwar immer wieder hoch sind, aber praktisch keine Bedeutung haben. Mit viel Tamtam und Tschingtarassabumm wird alle naslang auf eine Klimax zugesteuert, die jedoch nichts in den Zuschauenden auslöst, weil sie entweder nichts Singuläres ist (wie oft das GCPD belagert wird, kann man am Ende kaum mehr zählen) oder ohne Konsequenzen bleibt. [Spoiler] Wayne Manor explodiert – na und?, wird halt wiederaufgebaut. Das Wayne-Enterprises-Hauptquartier wird zerstört – was soll's, ist doch nur vorübergehend. Eine Figur stirbt? Pff, die kommt wieder (was wir allein schon daher wissen, dass sie in Batmans Erwachsenenalter eine Rolle spielen wird)! Dass regelmäßig besonders nervige Antagonisten aus dem "Jenseits" zurückkehrten oder sonstwie reaktiviert wurden, habe ich, glaub ich, schon in der Vergangenheit moniert: Das schreckliche "Joker"-Stand-in (die Serie verfügte nicht an den Rechten an dem Charakter) hat einen Zwillingsbruder; just shoot me!
Beklatschen muss ich allerdings das Ende. Die letzte Folge ist mehr Epilog denn Schlusskapitel, sie versetzt uns zehn Jahre in die Zukunft (wobei sich die Masken-Abteilung keinerlei Mühe gegeben hat, die handelnden Personen irgendwie altern zu lassen) und leitet subtil, hoffnungsvoll und gänsehauterzeugend in die Ära des Dunklen Ritters über. So muss ein gelungenes Serienfinale aussehen.