Freitag, 30. April 2021

Washington, Maryland?

Seit einer Weile debattiert Amerika über die Option, die Stadt Washington, D.C. zu einem Bundesstaat zu machen. Die erwartbare Gegenargumentation der Republikaner nimmt dabei immer absurdere Züge an. Der Repräsentant Jody Hice (Georgia) führte kürzlich ernsthaft an, Washington, D.C. könne schon deshalb kein Staat werden, weil es dort nicht mal ein Autohaus gebe. Davon abgesehen, dass es in Washington sehr wohl car dealerships gibt, erinnert mich diese Aussage an das berühmte Zitat von Frank Zappa, demzufolge ein Land nur ein richtiges Land sein kann, wenn es sein eigenes Bier braut und eine eigene Fluggesellschaft hat ("it helps if you have some kind of football team, or some nuclear weapons, but in the very least you need a beer"). Dass ein Scherzspruch eines Musikers mehr Gehalt hat als der Gedankengang eines Volksvertreters (wobei ich als Kriterium für Länderstatus "beer OR airline" geltend machen würde), sagt viel aus über die Republikanische Partei – jene Partei, die in den vergangenen Jahrhunderten wiederholt künstliche Staaten hat entstehen lassen, um ihre Pfründe abzustecken, sprich: sich zusätzliche Wählerstimmen zu sichern. Jetzt, da eine statehood der eher liberalen und ethnisch pluralistischen Hauptstadt das Gewicht ein kleines bisschen in Richtung demokratisch verlagern könnte, geht den Repulikanern natürlich die Düse. 

"Hätten die Gründerväter das gewollt?" ist ein oft gehörter Nörgelsatz. (Eine kleine Sammlung schöner Twitter-Repliken gibt es bei BoingBoing.) Ob man, bevor der District of Columbia Organic Act von 1871 verabschiedet wurde, auch ständig die "Founding Fathers" (die damals zeitlich noch gar nicht so weit weg waren; der letzte starb 1836) beschworen hat? Dass der Weg zum Sonderdistrikt ein steiniger war, kann ich mir vorstellen. Politische Abwägungen beiseite gelassen, würde es mir persönlich gefallen, wenn Washington den Status des Hauptstadtdistrikts beibehielte, allein wegen der Exotik. Bei uns in Deutschland sind solche sog. bundesunmittelbaren Gebiete ja verfassungsgemäß ausgeschlossen. Übrigens gab es später den Vorschlag, Washington, D.C. in Maryland wiedereinzugliedern, auf dessen ehemaligem Teilgebiet der Hauptstadtbezirk einst installiert wurde (sowie auf Land des Staates Virginia; Wikipedia hat ein hilfreiches Bewegtbild der territorialen Evolution). 

Warum eigentlich "District of Columbia"? Das wusste ich bis neulich auch nicht: Columbia ist eine weibliche Personifikation der Vereinigten Staaten, eine Art Nationalallegorie wie Uncle Sam. 

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