Dienstag, 19. März 2024

Meine zehn zuletzt gesehenen Filme

Leave the World Behind
Michelle und Barack Obama als "Executive Producers", da staunt man erst einmal, wenn man das in den Credits liest. "Leave the World Behind" ist tatsächlich schon der vierte Film, an dessen Realisierung die Obamas mit ihrer 2018 gegründeten Produktionsfirma Higher Ground mitgearbeitet haben; daneben entstanden mehrere TV-Serien und -Specials sowie Dokumentationen.
Die Verfilmung des Romans "Inmitten der Nacht" von Rumaan Alam dem Genre Endzeit-Thriller zuzuordnen, wäre zu einfach. Es gibt Horror-, Mystery- und Home-Invasion-Drama-Elemente, und spätestens am Ende darf man auch mal herzhaft auflachen. Die stattliche Laufzeit von 138 Minuten garniert Regisseur und Autor Sam Esmail gekonnt mit Spannungsspitzen, oder besser: er schlägt Wellen von Spannungsaufbau, die ein permanentes Gefühl der An-Spannung erzeugen, wie bei seinem "Mr. Robot" befeuert von Mac Quayles intensivem Score. Die durchweg greifbare Bedrohung mag für manche zu viel sein, hin und wieder verpufft sie aber oder mündet in einer Antiklimax, zuweilen wird sie auch durch kammerspielartige Momente von Awkwardness oder sogar Erotik aufgebrochen, die vom einnehmenden Spiel des namhaften Casts (u.a. Julia Roberts und Mahershala Ali) getragen werden.

Olaf Jagger
Als bekennender Schubertianer musste ich diese Mockumentary aus dem letzten Jahr endlich nachholen, wobei mir überraschenderweise der Dok-Faktor besser als das Mokierende gefallen hat. Die Recherchen des Protagonisten, die ganze Machart, die Einbindung prominenter Gewährsleute, das Look & Feel ist überzeugend, da steckt viel Sorgfalt drin. Zwei, drei Stellen waren auch richtig lustig, nur hätte ich mir zwanzig, dreißig davon erhofft. Und so muss ich folgendem längeren Zitat meines Kollegen Hans Mentz aus dessen Humorkritik vom April 2023 zustimmen:
"Ein vom Leben gestrafter Versager, der sich an die Hoffnung klammert, der Sohn einer Berühmtheit zu sein: Dieses Drehbuch verstünde ich. Aber Olaf Schubert ist kein solcher Versager, er spielt auch keinen, sondern bleibt seine eigene Kunstfigur: ein bundesweit bekannter, mutmaßlich ausgesorgt habender Comedy-Star, der (auch im Film) überall erkannt wird, für Selfies posiert und sich freut, wenn er in der Zeitung steht. Wird er zwischendurch gefragt, was ihm als Sechsjährigen ein berühmter Vater genützt haben würde, heißt es: »Mehr Optionen … und ja, man wäre jetzt nicht, sag ich mal, so ’n Zonen-Spacko geworden.« Ein Zonen-Spacko mit ausverkauften Hallen und TV-Präsenz, sag ich mal, für den eine jaggerlose DDR-Biografie natürlich die viel bessere Aufstiegsgeschichte wäre; bzw. ist."

Barfuß im Park
Der Theatermann, mehrfache Tony-Gewinner und gelegentliche Schauspieler Gene Saks (1921-2015) hat acht Filme gedreht, allesamt basierend auf Bühnenstücken, vier davon aus der Feder von Neil Simon. Für Saks' Kinodebüt von 1967 hat Simon nicht nur die Vorlage geliefert, nämlich die gleichnamige Komödie von 1963 (seine erst dritte Arbeit überhaupt), sondern auch das Drehbuch geschrieben.
Die Broadway-Herkunft wird von vorne bis hinten deutlich: Ausführliche Szenen mit überschaubarem Personal in einer beschränkten Anzahl von Schauplätzen. Und es ist herrlich! Dank der glänzenden Besetzung mit einer hinreißenden Jane Fonda und einem charismatischen und trotz seines jungen Alters sehr reif wirkenden Robert Redford wartet man in keiner der immerhin 104 Minuten darauf, dass der Vorhang fällt. Das Stück ist rasant, ohne allzu sehr ins Screwballige zu verfallen, zudem verblüffend raunchy und obendrein lehrreich, gibt es doch Einblicke in die Wohnungssituation und -beschaffenheit des unglamourösen, "gewöhnlichen" New York der frühen Sechziger (Radiatoren an der Zimmerdecke!).

Ein Fisch namens Wanda
Noch eine als Kult gehandelte Komödie, um die ich aus irgendwelchen Gründen bis dahin einen Bogen gemacht hatte, und ja: Sie ist gut. In meinen Augen kein Meisterwerk, aber eine rasante, frivole schwarze Gaunerfarce. Die zum Teil wunderbar subversiv ausfällt: Der in den letzten Jahren ja eher mit reaktionären Äußerungen auffällig gewordene John Cleese lässt in seinem Drehbuch kein gutes Haar an seinen Landsleuten! (Der umfangreiche Analyseteil des Wikipedia-Artikels enthält einen eigenen Abschnitt "England 'versus' Amerika".) In seinen besten Momenten fühlt sich "A Fish Called Wanda" wie ein kleines Monty-Python-Klassentreffen an; es gibt mindestens eine Szene mit Cleese und seinem Co-Star Michael Palin, die genau so im "Flying Circus" hätte zu sehen sein können. Weniger gelungen erscheint mir der Kriminalpart: Die Konflikte, Irrungen und Täuschungen zwischen den antisozialen Kleingangstern sowie die durchgeführte Tat an sich möchten cleverer wirken, als sie sind.
Schön ist jedenfalls, dass Charles Crichton (1910-1999), der vor "Wanda" jahrelang keinen Kinofilm inszeniert hatte, mit seinem Comeback 1989 nicht nur einen kommerziellen Erfolg feiern konnte, sondern sogar eine Oscar-Nominierung für die beste Regie sowie als Mitautor eine für das beste Originaldrehbuch erhielt.

Beau is Afraid
Nach knapp drei Stunden lässt einem die letzte Einstellung genügend Zeit, um das Gesehene sacken zu lassen, bevor man in den Raum hineinruft: "Was zum Henker war DAS?!"
Ich hatte lange ein wenig Angst davor, war sozusagen afraid, mir Ari Asters neuesten Streich zu Gemüte zu führen, zumal ich es mit Skepsis und leichter Enttäuschung aufgenommen hatte, dass der Regisseur meines Lieblings-Genrevertreters der vergangenen zehn Jahre ("Midsommar") sich hiermit von der Horrorsparte zu entfernen trachtete. In der Gesamtschau muss ich festhalten: "Beau is Afraid" ist durchaus Horror, wenn auch nicht nach hergebrachten Standards. Allein die zombie-apokalypsenhafte Großstadt-Dystopie, die hier gezeichnet wird (und mir als Extrapolation des gegenwärtigen US-amerikanischen Opioid-/Fentanyl-Wahnsinns angelegt zu sein scheint), macht einen schaudern. Und das, was die arme, von Joaquin Phoenix auf mitleiderregende Weise verkörperte Kreatur erlebt, möchte niemand erleben. Wir begleiten einen Getriebenen, einen von höheren Mächten auf eine irrwitzige Odyssee geschickten Außenseiter, einen, der nur in Ruhe gelassen werden möchte, aber wider Willen zur Hauptfigur eines Dramas wird, einer Groteske. (Eine Freiluft-Theateraufführung spielt denn auch eine entscheidende Rolle in Beaus Reise.)
Tja, was will uns Ari Aster mit diesem Werk sagen? Egal, ich hatte meinen, nun ja, "Spaß".

The Creator
Gareth Edwards hat mit "Rogue One" den besten Star-Wars-Film seit dem Abschluss der Prequel-Trilogie vorgelegt. Mit "The Creator" hat er mich enttäuscht. Die SciFi-Geschichte ist so unterwältigend, dass ich nicht mal weiß, was ich darüber schreiben könnte. Dabei hätte die Prämisse, gerade in heutiger Zeit, eine Menge hergeben können, es geht nämlich um KI und deren (beinahe) weltweites Verbot, nachdem sie einmal gar zu frech geworden ist. Diese wird aber auf eine Weise charakterisiert, die man nur als naiv, wenn nicht gar kindlich bezeichnen kann. Irgendwie gab es auch Anklänge an moderne dubiose Heilsversprechen sowie religiöse Untertöne, die mir nicht behagten. Der Plot führt mehr in Krimi- und Spionage-Gefilde (ein Terrain, auf dem Hauptdarsteller John David Washington trittsicher wandelt); die gesellschaftspolitischen Tiefen bleiben unausgelotet, es fehlt an Humor und den Figuren an Dreidimensionalität.
Positiv erinnerlich ist mir, dass man sich mit dem Zukunfts-Setting Mühe dahingehend gegeben hat, dass vor allem in die Konstruktion des kulturellen Schatzes der Zivilisation des Jahres 2060 originäre Ideen geflossen sind. Oft ist es ja in Science-Fiction-Stoffen so, dass die Menschen in, sagen wir, 200 Jahren immer noch die in der Zeit ihrer Entstehung angesagten Medien konsumieren. ("The Expanse" ist hier als weitere Ausnahme von der Regel zu rühmen.) Außerdem war die Optik ungewohnt und opulent.

Standing Up, Falling Down
Ben Schwartz (den ich in "Parks & Rec" nicht ausstehen konnte, der aber zum Glück wandelbarer ist als vermutet) und Billy Crystal in einer im Stand-up-Milieu angesiedelten Dramedy à la "Don't Think Twice" und "I Want Someone to Eat Cheese With", wie ich sie mag.

Everything Everywhere All at Once
Das war er also, der Oscar-Abräumer 2023. Ich bereue nicht, ihn geschaut zu haben, und doch fragte und frage ich mich, ob ich ihn anders rezipiert hätte, wenn ich um seinen Erfolg bei den Academy Awards nicht gewusst hätte. Mich beschleicht das Gefühl, die nicht fundierte Ahnung, dass man sich auf eine Art verpflichtet fühlte, die Macher für ihre Anstrengungen zu belohnen. Denn haushoch müssen diese Anstrengungen allemal gewesen sein! Was hier für Detailliebe, Geld und Herzblut in Kostüme, Choreographie, Effekte, Stunts etc. etc. gepresst wurden, nötigt einem tatsächlich Respekt ab. Da gibt es Bilder, die für kaum mehr als drei Sekunden aufploppen, die aber vor Bombast und Kreativität förmlich explodieren.
Dabei ist das Visuelle nicht unbedingt der main star, nein, die Stars sind die Schauspielerinnen und Schauspieler, die in ihren Performances wirklich alles geben. Die Story ist wild. Wild genug? Für jemanden wie mich, der mit einiger Erfahrung im Zeitreise-/Parallelwelten-Fach höchste Ansprüche an entsprechende neue Vertreter stellt, offenbart das von Daniel Kwan und Daniel Scheinert gewobene Multiversums-Geflecht einige Mängel; nee, zu 100 % stimmig war das nicht. Aber wie gesagt: Das hier ist was fürs Auge, und über logische oder physikalische Unzulänglichkeiten zu streiten, wäre kleinlich.
Ist "Everything ..." demnach ein Must-see? Hm, es ist nicht für jeden. Ich glaube, meine Eltern zum Beispiel, die ansonsten cineastisch breit aufgestellt sind, würden den Streifen nach einer halben Stunde abbrechen: "zu albern und überdreht".

Inspektor Clouseau - Der irre Flic mit dem heißen Blick (OT: Revenge of the Pink Panther)
Zwei "Inspektor Clouseau"-Filme habe ich gesehen, bevor ich diese Rubrik auf meinem Blog eingeführt habe: "Ein Schuss im Dunkeln" und "Der beste Mann bei Interpol" (OT: "The Pink Panther Strikes Again"), und beide fand ich mindestens amüsant, bewertete sie auf imdb mit 6 resp. 7 Punkten. Nachdem ich kürzlich ein Peter-Sellers-Special im "Allmovietalk"-Podcast gehört hatte, bekam ich mal wieder Lust auf den Schnüffler-Klamauk und pickte mir Blake Edwards' sechsten Beitrag zur Reihe heraus.
Dieser Teil ist der letzte mit Peter Sellers in der Rolle des Clouseau, seine Auftritte in der Fortsetzung "Trail of the Pink Panther" wurden aus Archivmaterial zusammengesetzt. Es ist kein würdiger Abgang. Ich bin froh, dass ich diese Komödie nicht gemeinsam mit einer anderen Person geschaut habe; ich wäre im Erdboden versunken. Ich schäme mich schon, darüber nur zu schreiben, so peinlich ist diese Klamotte. Das ist keine Persiflage, das ist Kasperltheater. Wenn es zwischen den präpubertären Gags und lahmen Blödeleien etwas zu loben gibt, dann immerhin das commitment, mit dem noch die flachste Pointe durchgezogen wird, Sellers' perfektionierter dead-pan-Mimik sei Dank. Vor allem hat man in Sachen Stunts, Bauten und Kulissen keine Kosten und Mühen gescheut. Was hier alles zerstört, gesprengt, kaputtgehauen wird! Ja, doch, dass erwachsene Menschen für so was nicht zu knapp Gelder und Manpower eingesetzt haben: Chapeau!

Die Brücke am Kwai
Bald 70 Jahre hat das Kriegsgefangenen-Drama mit dem eingängigen gepfiffenen Colonel-Bogey-Marsch und Alec Guinness als unbeugsamen Oberstleutnant auf dem Buckel. Die hochgehaltenen Werte mögen ein wenig Patina angesetzt haben, aber allein wegen der im schönen Ceylon eingefangenen Landschaftsbilder sollte man David Leans siebenfachen Oscargewinner gesehen haben.

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