Sonntag, 15. März 2015

Ein paar Dinge

"Ein Kfz-Mechaniker, eine Hotelfachfrau und ihr Sohn gehen in eine Table-Dance-Bar." Das ist nicht der Beginn eines etwas komplizierten Witzes, sondern der erste Satz in einem Artikel auf bild.de mit der Überschrift "Familie in Sex-Bar abgezockt!" (Link bewusst nicht gesetzt).

Was war passiert? Drei Touristen aus dem Schwäbischen, nämlich ein Ehepaar in den Mittfünfzigern und der 28jährige Sohn, besuchen im Rahmen ihres Hamburg-Urlaubs ein Striplokal in St. Pauli, das, wie sich später herausstellt, schon in der Vergangenheit durch Abzocke aufgefallen ist. Man bestellt drei Bier. Zwei Frauen kommen an den Tisch der Familie und "bitten" den Sohn, "mit nach hinten zu kommen". Der Junge fügt sich, eine der Amüsierdamen setzt sich auf seinen Schoß, befummelt ihn, macht sich frei und verlangt nach einem Getränk, was der Barmann prompt bringt: Sekt für 1000 Euro! Der Kellner soll den Filius sodann mit nicht unsanftem Druck zum Geldautomaten begleitet haben, wo er, der Junge, schließlich die Rechnungssumme von insgesamt 1.060 Euro abhob. Knapp eineinhalb Jahre später steht der Barmann deswegen und wegen vier weiterer Fälle der räuberischen Erpressung vor Gericht.

Ich erlaube mir an dieser Stelle, meinen Beitrag an ein Segment aus der Late-Night-Show von Seth Meyers anzulehnen, weil es einfach zu gut passt:


ERSTENS Welcher Mann mit Ende 20 besucht gemeinsam mit seinen Eltern einen Amüsierbetrieb?! Dass man mit den Eltern in den Urlaub fährt, kann ich ja gerade noch so akzeptieren, aber nach St. Pauli? Wer um Himmels willen hielt es überhaupt für eine gute Idee vorzuschlagen: "Lasst uns doch mal gemeinsam eine Oben-ohne-Bar besuchen. Das bringt uns als Familie näher zusammen, und vielleicht ist es ja so nett dort, dass wir nächstes Jahr die Oma mitnehmen"?

ZWEITENS Wie verzweifelt/naiv/weltfremd muss man außerdem sein, um mit einer professionellen Reeperbahn-Bediensteten (ich wiederhole: im Beisein der Eltern!) in ein Separée zu gehen? Und was sagt man da? "Bis gleich, Mama und Papa, ich gehe mal mit dieser Table-Dancerin nach hinten. Sie scheint mich zu mögen. Bestimmt bietet sie mir kostenlosen Geschlechtsverkehr an, wenn ich ihr ein kleines Radler ausgebe. Ich mache Fotos!" Und: Hielten es besagte Eltern zu keiner Sekunde für geboten, die Entwicklung der Situation wenigstens ganz grob zu analysieren?

DRITTENS 1000 Euro für Sekt, was ist denn das für ein Betrag? Wenn man sich schon auf das unehrenhafte Geschäft des "Abziehens" spezialisiert, kann man sich dann nicht ein bisschen Mühe mit seinen Fantasie-Preisen geben? 985,- € meinetwegen, oder 1.025 € ... Tausend Euro – das würde ein Sechsjähriger vorschlagen, den man auffordert, "eine ganz, ganz hohe Zahl" für ein Getränk zu nennen. Schon allein für diesen dummdreisten Preis sollte man den Bartypen ordentlich verknacken.

VIERTENS Andererseits: Kann sich die Tatsache, dass es die Geschädigten dem Täter gar zu einfach gemacht haben, nicht strafmildernd auswirken? Da mal ansetzen als Verteidigung.

FÜNFTENS Der finanzielle Schaden scheint die Familie weniger zu ärgern als der Imageschaden: Stand in dem besagten Artikel vor einer Woche noch der genaue Herkunftsort der drei, liest man dort heute lediglich "Touristen aus der Region Stuttgart". Auch die Namen wurden geändert. Offenbar haben sich die Opfer bei der Bild-Zeitung beschwert; sie hatten wohl Angst, sich nie wieder auf den Straßen ihrer baden-württembergischen Heimatstadt blicken lassen zu können (es handelt sich um einen Ort mit gut 50.000 Einwohnern).

SECHSTENS Was sind die "Bild online"-Leser bloß für schadenfrohe Säue!


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