Samstag, 8. August 2015

Realität und Phantastik - ein kleiner Gedanke

Beim Lesen des vierten Bandes von "A Song of Ice and Fire" ist mir etwas aufgefallen. Mehrfach wird dort ein alkoholisches Getränk namens hippocras konsumiert. Der Name dieses gewürzten Weingemischs geht zurück auf den Namen des altgriechischen Mediziners Hippokrates: "wahrscheinlich vorzugsweise auf arzneiliche wirkung berechnet, daher mit dem namen des sprichwörtlich berühmtesten arztes, Hippokrates in mittelalterlicher entstellung versehen", ist z.B. schon im Grimmschen Wörterbuch unter dem Stichwort "Hippokras" vermerkt. Nun spielt George R.R. Martins Fantasy-Epos bekanntermaßen in einer der unseren zwar ähnlichen, aber komplett fiktiven Welt mit eigener Geschichte, Geographie, Mythologie usw. Das Wort "Hippokras"/hippocras ist allerdings ohne seine – in dieser unseren Welt verankerten – Hintergründe nicht les- und vorstellbar. Mich zumindest hat jede Nennung von "Hippokras" gestört. Hippokrates und die europäische Antike überhaupt hat's doch in Westeros gar nicht gegeben!!!

Jedes Fremdwort erzählt eine Geschichte: eine Geschichte von Sprachkontakt und somit vom Kontakt zwischen verschiedenen Völkern. Ein weiteres Beispiel: Das sagenhafte Drachenglas wird in Martins Epos auch als Obsidian bezeichnet, wie jenes Gesteinsglas aus unserer Welt, welches nach dem Römer Obsius benannt wurde (er soll es einst aus Afrika nach Rom importiert haben.)

Nun gut, vielleicht bin ich doppelt anfällig für solche Überlegungen, weil ich erstens, versaubeutelt durch mein Studium, ständig die Herkunft mir unbekannter Wörter hinterfrage und zweitens Deutsch als Erstsprache gelernt habe, weswegen mir in englischsprachigen Texten die Nicht-Erbwörter – und allein der Anteil griechisch-lateinischer Fremd- und Lehnwörter am englischen Wortschatz wird mit Werten um die 50% veranschlagt! – stärker ins Auge stechen. Man kann ja nun nicht verlangen, dass jemand, der phantastische Literatur produziert, wegen ein paar Knallköppen wie mir die Erzählsprache radikal anpasst. Wobei es natürlich ideal wäre, wenn für jede Fantasy-Welt eine eigene Sprache erfunden würde, haha.

In diesem Zusammenhang wird mir auch klar, wie schwierig es sein muss, historische Romane zu verfassen. Bei jeder wörtlichen Rede muss man sich überlegen: "Hat es dieses Wort damals wirklich schon gegeben?" Und das bezieht sich nicht nur auf Bezeichnungen von Dingen, die erst später erfunden wurden, sondern auf läppische Alltagsvokabeln. Hat man etwa im Berlin der 1890er Jahre das Wort "fies" gekannt und benutzt? Das sind so Fragen.

Sind diese (bei 28°C Zimmertemperatur entstandenen) Ergüsse irgendwie nachvollziehbar? Wenn nicht, einfach ignorieren ...

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