Dienstag, 7. Dezember 2021

Kelten in Übersee (2)

Das, was ich in Teil 1 "keltische Spuren in der Neuen Welt" genannt habe, lässt sich in verschiedener Gestalt ausmachen, nämlich a) in Ortsnamen und Nationalsymbolen und b) in Gemeinschaften, die sich als keltischstämmig identifizieren und/oder einen keltischen Dialekt sprechen; das sind dann freilich mehr als bloße "Spuren". Manchmal fällt beides zusammen, was ich als Kategorie c) labeln möchte.

Aus der Kategorie a) war es vor allem der geographische Name Neukaledonien, der mich überhaupt zum Schreiben dieses Beitrags getrieben hat. Wie kommt es, dass eine französische Überseegemeinschaft im Pazifik den lateinischen Namen Schottlands (Caledonia) trägt? Antwort: James Cook fühlte sich bei seiner Entdeckung der Hauptinsel an Schottland erinnert. Seitdem heißt der Archipel auf englisch New Caledonia und in älterer deutschsprachiger Literatur sogar "Neuschottland". Was ist mit New South Wales / Neusüdwales? Dasselbe: Cook erkannte in der Beschaffenheit des späteren australischen Bundesstaates Ähnlichkeiten mit dem Süden von Wales.

Aber bleiben wir bei Neuschottland, allerdings nicht in der Südsee, sondern in Amerika: Die kanadische Provinz Nova Scotia ist nämlich nicht nur dem Namen nach die Fortsetzung einer tatsächlichen schottischen Kolonie! Wie ich in meiner Einleitung festhielt, war Schottland bis zum Jahr 1707 ein unabhängiges Königreich, und als solches hat es bis dahin immer wieder versucht, im Spiel der europäischen Übersee-Eroberungen mitzumischen. Die englischsprachige Wikipedia hat diese Versuche, von denen ich zuvor ebenso wenig wie von der kurzlebigen Company of Scotland je gehört hatte, in einem eigenen Artikel zusammengefasst. Die Besiedlung des vormals französischen Territoriums (Akadien) kann jedenfalls als der einzige Erfolg in dieser Richtung verbucht werden, und noch heute finden wir den Schottlandbezug in der Provinzflagge:


Und nicht nur da, denn wir haben hier ein schönes Beispiel der Kategorie c). Je nach Quelle 300 bis 1000 Menschen in Nova Scotia geben an, sog.
Canadian Gaelic zu sprechen. Sie nennen die Provinz Alba Nuadh. Eine Häufung von native speakers dieses schottisch-gälischen Dialekts gibt es auf Cape Breton Island, deren keltischer Ortsnamenbezug indes wohl eher willkürlich gewählt ist. In ganz Kanada gibt es schätzungsweise knapp 4000 Sprecher/innen irgendeiner Form des Gälischen.

Weniger stark als die Highlander konnten die Waliser dem nordamerikanischen Land ihren Stempel aufdrücken. Zwar gelangte der Kapitän Thomas Button 1612 im Auftrag der Royal Navy an die Westküste der Hudsonbai und taufte diese in Reverenz an seine Heimat "New Wales", aber wie wir wissen, setzte sich diese Bezeichnung nicht durch. Wesentlich erfolgreicher verlief die Verbreitung walisischer Kultur später weiter im Süden, nämlich im Zuge der walisischen Besiedlung (Y Wladfa) der heutigen argentinischen Provinz Chubut ab 1865. In zahlreichen Orten mit Namen wie Gaiman, Rawson oder Dolavon stößt man auf walisische Teehäuser, Heimatmuseen, Kirchen, sieht walisische Tänze, erlebt authentische Eisteddfodau und kann gleich zwei Zeitungen in kymrischer Sprache erwerben. Apropos: Die Sprache der Immigrantennachfahren wird "Patagonian Welsh" (Cymraeg y wladfa) genannt und ist äußerst lebendig. Insgesamt soll es in Argentinien 25.000 Walisisch-Sprechende geben, 5000 davon in der Diaspora von Chubut. Nebenbei gibt es in Argentinien auch eine beachtliche schottische Minderheit und damit einen weiteren Vertreter der Kategorie b).

Nachdem von Schottland und Wales die Rede war, kommen wir zur dritten "großen" der keltischen Nationen. An dieser Stelle kann ich verraten, dass (Neo-)Kornisch, Manx und Bretonisch außerhalb Europas, ja selbst außerhalb ihrer angestammten Region keinen Fuß fassen konnten. Das schmälert nicht die Bedeutung dieser Sprachen und der Traditionen ihrer Sprecher, und über die "Größe" sagt es auch nicht viel aus: 3 Millionen Walisern stehen 4 Millionen Bretonen gegenüber, nur besitzen von Ersteren nach aktuellen Angaben 750.000 Walisisch-Kenntnisse, womit das Kymrische die am weitesten verbreitete der keltischen Sprachen ist und die einzige nicht vom Aussterben bedrohte. Verfolgt man nun die Spur reisender Iren, landet man an vertrauten Orten, in Kanada (etwa in Neufundland oder auf Prince Edward Island, das 1770 "New Ireland" genannt werden sollte – mit dem Ziel, irische Siedler überhaupt erst anzulocken), in Argentinien (rund 20.000 ließen sich im 19. Jahrhundert hier nieder), aber auch in Papua-Neuguinea: Als Australien die Insel Neumecklenburg im Bismarck-Archipel nach dem Ersten Weltkrieg in "New Ireland" umbenannte, knüpfte es an die Namensgebung "Nova Hibernia" durch den britischen Seefahrer Philipp Carteret im Jahr 1767 an (analog dazu wurde Neupommern zu Neubritannien). Nun gut, die beiden "Neuirlands" fallen freilich abermals lediglich in Kategorie a).

Jetzt aber eine knifflige Quizfrage, die ich vor ein paar Monaten auch noch nicht hätte beantworten können: Auf welche Flagge und welches Wappen außerhalb Europas hat es sogar eine typisch keltische Allegorie nebst Nationalsymbol geschafft? Auflösung: Montserrat.


Was bitte hat Erin mit der irischen Harfe auf der Flagge eines britischen Überseegebiets mit spanischem Namen zu suchen? 1. Der Name der Karibikinsel geht auf Kolumbus zurück, der das Kloster Montserrat bei Barcelona darin verewigte. 2. Im Rahmen des auch in die West Indies ausgetragenen Englischen Bürgerkriegs (1642-1649) wurden irischstämmige Einwohner/innen von dem benachbarten Eiland St. Kitts hierher umgesiedelt, solche aus den amerikanischen Kolonien folgten nach. Wikipedia: "Noch heute ist ein großer Teil der europäischstämmigen Bewohner irischer Abstammung." Wie groß der gegenwärtige Anteil derer ist, die Neuirisch zumindest als Zweitsprache beherrschen, konnte ich nicht in Erfahrung bringen; er dürfte verschwindend gering bis nicht vorhanden sein.

Und damit endet unsere Rundfahrt um die Welt auf den Spuren der alten wie modernen Keltinnen und Kelten. Mit Sicherheit habe ich den ein oder anderen Schauplatz übersehen, einiges musste ich aus Ökonomiegründen außen vor lassen. Wer Nachlässigkeiten oder Falschbehauptungen entdeckt oder sonstige fruchtbringende Anmerkungen hat, möge die Kommentarfunktion nutzen.

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