Donnerstag, 26. Mai 2022

Das Unsagbare (2)

Nach der gestrigen Vorrede ist es nun heute an der Zeit, zwei "Sprachmacken" vorzustellen, die mir persönlich kein Stück beanstandenswert erscheinen, andere aber irritieren (könnten).

Erstens: Wie sage ich verkürzt "eine Sache", wie zu zwei Sachen, drei, vier, n Dingen? Ganz einfach: "ein was", "zwei was" usf. Völlig logischer, geläufiger und richtiger Satz: "Ein was will ich noch klarstellen." Oder: "Wir brauchen noch zwei was." So hat man im Freundeskreis und in der Familie geredet. Wozu "zwei Dinge" sagen, wenn man mit einem handlichen Indefinitpronomen eine ganze Silbe sparen kann? Vor wenigen Jahren geschah es dann, dass mir eine solche Formulierung in einem Text, den ich im Rahmen redaktioneller Tätigkeit verfasste, angekreidet wurde. Da dachte ich zum ersten Mal darüber nach und lernte, dass ein was et al. (auch zusammengeschrieben möglich) nur in einem eng begrenzten Gebiet innerhalb des deutschen Sprachraums üblich ist. Dank dem "Atlas zur deutschen Alltagssprache" (zu dessen Anwachsen beizutragen ich allen ans Herz legen möchte) wissen wir seit kurzem auch, wo genau. Jetzt spreche ich gelegentlich Bekannte auf die Phrase ein was an und stoße damit zuverlässig auf Erheiterung, Verwunderung, Unverständnis oder alles dreis.

"Alles dreis"? Ganz genau. Das ist die zweite Eigentümlichkeit, die ich überhaupt nicht als Eigentümlichkeit begreife. Wie soll man denn, analog zu alles beides, sonst sagen, wenn man sich auf drei von drei Alternativen bezieht und das, sozusagen als Kollektivum, singularisch ausdrücken möchte? "Alles drei" hört sich in meinen Ohren schlicht falsch an; ich verstehe aber, dass die Variante mit -s jene verstören könnte, die von woanders herkommen als ich. Die konkrete regionale Verbreitung hat der AdA noch nicht untersucht; ich werde den Verantwortlichen gleich mal eine entsprechende Erhebung vorschlagen. Vermutlich ist die Bevorzugung von "alles dreis" vor allem im thüringisch-obersächsischen Dialektraum auszumachen. Als Indiz lässt sich eine Stelle in Band 1 der Geschichte Sachsens bis auf die neuesten Zeiten (1826) des in Thüringen gewirkt habenden Historikers Ferdinand Wachter anführen: "wenn wir nun alles dreis zusammen halten". Auch Nietzsche (im Kreis Merseburg geboren, in Naumburg groß geworden) schreibt in einem Brief: "Jacke, Hose, Weste, für alles dreis: 12 1/2 Silbergroschen". Über Google Books findet man gleich zwei einschlägige Zitate Theodor Fontanes, der allerdings bekanntermaßen weiter nördlich aufgewachsen ist: "jeder Zoll ein Ludwig, ein Posa, ein Uriel Acosta, was alles dreis dasselbe bedeutet" (Gesamtausgabe Werke, Schriften und Briefe, Einzelwerk nicht ermittelbar); "Und ich bin eigentlich alles dreis" (L'adultera).

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