Dienstag, 4. Oktober 2022

Mein rechter, rechter Spruch ist frei

Vergangene Woche hat das Bundesverteidigungsministerium erklärt, dass die Feldjäger-Abteilung der Bundeswehr ihren Wahlspruch beibehalten werde. Zuvor hatte der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus in einem Schreiben an die Ministerin eine Änderung angeregt. Das Motto lautet nämlich seit 1955 Suum cuique, "Jedem das Seine". Und wird es auch weiterhin lauten.

Ich finde das grundfalsch. Egal ob auf Lateinisch oder auf Deutsch, die Wortfolge ist verbrannt, belastet, vergiftet. Sie zu lesen, egal ob auf einem Barrett oder über einem Gitterzaun, erzeugt gewiss nicht nur bei mir ein ganz flaues Gefühl im Magen. Da nützt es auch nichts, dass Ministerin Lambrecht (SPD) "einen aus der Antike überlieferten Rechtsgrundsatz" bemüht und sich auf eine "meritokratische Bedeutung" beruft, welche das entsprechende Emblem als "wertegebundene[s] Identitätssymbol" heraufbeschwöre (zitiert nach "Welt online"). Selbstverständlich kann man "Jedem das Seine" so deuten: Wer immer strebend sich bemüht etc.; ja, neutral gelesen à la "Jedem Tierchen sein Plaisierchen" könnte der Spruch sogar sympathisch liberal wirken. Aber in Buchenwald bedeuteten die Worte nun mal das glatte zynische Gegenteil: Du bist hier, weil du es verdient hast.

Noch einmal: Es mag sein, dass der Stern der Feldjäger und die Wahl von "Suum cuique" "einen bewussten Bruch mit der Militärpolizei im 'Dritten Reich'" (die ihre Plakette ja als "Feldgendarmerie" bzw. "Feldjägerkorps" auswies) darstellen und vielmehr eine "preußische Überlieferung" wiederaufnehmen sollte (welche im Übrigen auch mal zu hinterfragen wäre), aber mit derselben Argumentation könnte man den Olympischen Gruß wieder salonfähig machen, weil der ja auch vor der NS-Zeit und ohne faschistische Bezüge erfunden wurde. Da halte ich es mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden Josef Schuster, für den das Symbol "unauslöschlich mit dem nationalsozialistischen Massenmord verbunden" ist (zit. n. welt.de).

Eins noch muss so deutlich wie nötig und so vorsichtig wie möglich festgehalten werden: Es gibt unter den Feldjägern eine Zahl von Mitgliedern größer null, die der Zeit der Lager mindestens unkritisch gegenüber stehen. Mit welch eklem Stolz und barbarischer Berufung tragen die das Sprüchlein wohl durch die Gegend?

1 Kommentar:

  1. Der Schlachtruf meiner Kompanie lautete "Gib ihm Brust!", womit aber nicht das Stillen gemeint war, sondern dass man sich voller Inbrunst dem Feind entgegen stellt.
    Der Hauptmann rief dann immer "Gib ihm" und wir möglichst laut "Brust!" Peinlich.

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