Mittwoch, 26. Oktober 2022

TITANIC vor zehn Jahren: 11/2012


Ich habe nicht mehr die leiseste Ahnung, welche Plagiatsaffäre im Herbst 2012 das Topthema in Deutschland war. Im Heft selbst konnte ich auch keine Hinweise finden. Guttenberg kann es nicht gewesen sein, das war ein Jahr vorher. Wie auch immer, man sehnt sich die Zeiten zurück, in denen solch peinliches Klein-Klein für unterhaltsame Schlagzeilen sorgte – und für entsprechende satirische Reaktionen.

Aufmacherlieferant in der Novemberausgabe war indes Peer Steinbrück, dessen Kanzlerkandidatur die SPD soeben verkündet hatte. Mit Mark-Stefan Tietze und Stephan Rürup durfte ich ein "Heft im Heft" zusammenstellen, das den Bewerber dem Volk näherbringen sollte, u.a. mit einem Freundschaftsbuch ("Der Kandidat von seiner menschlichen Seite!") und einer Rede-Honorar-Tabelle ("Transparenz total! [Wg. Kritik]").


Erinnert sich noch jemand an Peers Kult-Aussage vom "jemanden hinter die Fichte führen"? Egal. Höhepunkt des kompakten Wimmelartikels ist jedenfalls die Humor-Rückseite, die einmal mehr beweist, was für ein stilistischer Tausendsassa Rürup war bzw. ist (ebenso wie sein Nachfolger Leo Riegel):


Aufmacherwürdig wäre auch das Presse-Spezial "Traumberuf Journalist" von Fischer/Wolff/Ziegelwagner (S. 36-43) gewesen. Für verlässliche Lachsalven bei Live-Lesungen sorgte insbesondere der Leitfaden "Mach mehr draus", in dem es darum ging, auf welche Art verschiedene Medien eine Agenturmeldung verwandeln. Auszug:


Die Rubrik "Sagen Sie jetzt nichts" im Zeit-Magazin lädt seit je zum Persiflieren ein, und Titanic ist mehr als einmal darauf angesprungen, darunter in der vorliegenden Ausgabe auf S. 48f.:


In die Kategorie "Dinge, die man nur in Titanic bringen kann" fällt auch meine Parodie der SZ-Magazin-Kolumne "Hotel Europa", die ich in der (zugegeben ansonsten nicht sonderlich herausragenden) vierten Ausgabe von "55ff" unterbringen konnte. Dass sich das vermutlich nur einem Dutzend Leuten erschlossen hat, von dem es auch höchstens die Hälfte komisch fand, hat mich nicht davon abgehalten, Jahre später auch noch das "Sprachlabor" der Süddeutschen zu parodieren.
 

Und apropos "Nischenhumor für Kenner": Moritz Eggert hat sich bei der Vertonung von Simon Borowiaks Beitrag "Herbstlied" in der Reihe "Das neue deutsche Volkslied" wieder einmal aufs Herrlichste ausgetobt.


Massentauglicher und dabei gleichfalls dem Herbstthema verpflichtet war das herausnehmbare "KastaniSutra" in der Heftmitte, für das die Herren Hintner und Rürup tagelang wie (frühreife) Kindergartenkinder Kastanienmännchen gebastelt haben. <3


Weiteres Notierenswertes
- Die zwei Monate zuvor als Praktikantin tätig gewesene Hatun D. (Nachname von mir abgekürzt, denn womöglich schämt sie sich heute dafür) hatte eine kurzlebige Kolumne titels "Mit den Augen einer Islamistin", deren erste Folge hier auf Seite 54 zu lesen ist. Ich weiß noch, wie begeistert wir in der damals noch arg homogenen Redaktion waren angesichts der Aussicht, eine junge Frau, zumal mit Migrationshintergrund, ans Heft zu binden, doch schlug die talentierte Autorin alsbald andere Wege ein.
- Treu blieb uns immerhin Ex-Praktikant V. Witt (Vorname von mir abgekürzt, einfach so), der mit einem Aufsatz über Männerbrüste seinen Ruf als Experte für Unappetitlichkeiten (später allzu oft Fäkales) festigte. Die verstörende Fotomontage erspare ich euch an dieser Stelle.
- Praktikanten zum Dritten: Wer als Fotomodell in der (von mir erdachten) Aboanzeige auf Seite 17 zu sehen ist, vermag ich überhaupt nicht mehr zu sagen. Es muss einer jener Schülerpraktikanten (häufiger sind und waren sie weiblich) gewesen sein, die gelegentlich für zwei Wochen in der Redaktion "arbeiten", aber nie namentlich in Erscheinung treten. Was aus denen allen so geworden ist, täte mich ja schon interessieren.
- Nicht weniger als ein Klassiker findet sich auf den Seiten 24 bis 25. Dessen Relevanz und Bekanntheit hat die darin Behandelte um einiges überdauert: Autor Leo Fischer hat die Polemik über Fee Katrin Kanzler jahrelang bei jedem seiner Auftritte vor zu Recht mitgerissenen Zuhörenden vorgetragen, während die portraitierte Schriftstellerin ("Die Schüchternheit der Pflaume") nahezu in Vergessenheit geraten ist.
- Ha, beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses komme ich doch noch drauf, gegen wen damals Plagiatsvorwürfe laut geworden waren: Annette Schavan! Die ist nämlich als Autorin der Rubrik "Vom Fachmann für Kenner" aufgeführt. (Ein Running Gag: Weil der "Fachmann" nicht von einer einzelnen Person verfasst wird, aber irgendetwas in der Autorenspalte stehen muss, taucht dort stets ein/e "Versager/in des Monats" auf.) 

Schlussgedanke
Viele Ein- und Zweiseiter fügen sich (mit einem sensationellen Achtseiter) kurzweilig zu einem Spätjahres-Glanzlicht zusammen. Auch meine eigenen Beiträge sind heute noch vertretbar und maßvoll amüsant.

3 Kommentare:

  1. Der Titanic-Titel 11/2012 bezog sich wohl auf die Plagiatsaffäre Annette Schavan, im Oktober davor.

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  2. Jepp, wie ich unter "Weiteres Notierenswertes" geschrieben habe

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  3. Ha, an Leos Text über Fee Katrin Kanzler kann ich mich auch noch sehr gut erinnern! Der war klasse.

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