Dienstag, 14. November 2023

Das fetzt nicht wirklich

Viel Gutes, Schönes, Wahres gibt es nicht in diesen Zeiten, doch wenigstens auf die Güte, Schön- und Wahrheit der Konkret-Kolumne "Kunst & Gewerbe" von Stefan Gärtner kann man sich allmonatlich verlassen. Unter der Überschrift "Klipp & klar" wird in der aktuellen Ausgabe ein Vorfall im Literaturbetrieb dokumentiert und kommentiert, den ich am Rande der Buchmesse mitbekommen, jedoch nicht weiter verfolgt hatte.

"Der aus Dresden gebürtige Ingo Schulze hat den auf die Buchpreis-Longlist gelangten DDR-Roman Gittersee der Kollegin Charlotte Gneuß, geboren 1992 im schwäbischen Ludwigsburg, gelesen und dem S.-Fischer-Verlag hernach eine Fehlerliste geschickt". Das mag uncool sein, macht das Vorgebrachte aber nicht unrichtig. Wenn in einem Roman, der im Dresden der Siebzigerjahre spielt, Wörter wie "Plastiktüte" oder "lecker" fallen, finde ich das mindestens disputabel. Neulich stellten sie bei "Aktenzeichen XY ungelöst" einen Cold Case aus der DDR vor, und im Einspielfilm dazu sagten die Leute – ich hab's mir extra notiert – u.a. "ciao", "Plastik" und "Lass mal treffen". Es sind gar nicht mal sprachliche Anachronismen, die mich besonders abtörnen, nein, unnatürliche, kaputte Dialoge generell können mir, wie ich schon öfter festgehalten habe, gehörig die Petersilie verhageln, in Filmen und Serien noch mehr als in Belletristik. Deswegen scheue ich deutsche Produktionen so sehr: Die meisten Autor(inn)en pfeifen auf auch nur halbswegs natürlich klingende gesprochene Sprache.

Weiter in der Causa Gittersee ("Alles gut, alles gut, flüsterte ich der Kleinen ins Ohr. ... Škoda reparieren, Kleine bespaßen. Das war der Samstag."): Das Börsenblatt des deutschen Buchhandels verteidigt die Autorin ("... welche Rolle spielt es ...?") und zitiert Sandra Kegel, FAZ, die "diesen philiströsen Anmerkungen [...] entgegen[setzt]": "Romane müssen dramaturgisch verdichten, um ihre innere Wahrheit zu intensivieren. Daran sind sie zu messen, das ist der Goldstandard." Gärtner: "Der Platin- oder wenigstens Mindeststandard wäre aber, dass eine Schriftstellerin nicht so automatisiert philiströs dummdeutsch daherredet, falls es Gneuß nicht darum gegangen ist, den selbstgerecht westdeutschen Nachwendeblick zu karikieren. Alle Empirie lehrt jedoch, dass auch ihre innere Wahrheit aus lecker, bespaßen, alles gut besteht und dass die Unschuld der DDR darin bestanden hat, diese Wahrheit nicht zu kennen."

Oder den fürs Massenpublikum Schreibenden ist schlicht alles egal, weswegen wohl auch niemand außer ich etwas zu beanstanden hat, wenn Zonis bei "Aktenzeichen XY" keine Broiler essen, sondern:

1 Kommentar:

  1. 😮 Zum Glück ist dir das aufgefallen! (Und es hätte wohl Dederonbeutel geheißen, oder? Ich trage noch heute einen mit mir herum... erstaunlich, wie lange die halten!!!)

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