Freitag, 13. September 2013

Albernes zum Wochenschluss

Abreißkalender und Pausensüßigkeiten im kritischen Vergleich

Seit es die Menschheit gibt halt! ... noch besser: Seit die Menschheit denken kann, macht sie sich so ihre Gedanken über Sein und Zeit. Zum einen also: Sein. Darüber kann man diskutieren, was das "Zeug" (Heidegger) hält. Das lassen wir zunächst unbeachtet, das ist etwas kompliziert. Aber Zeit! Da kann sich jeder was drunter vorstellen. Wenn man schläft, vergeht die Zeit "wie im Flug", d.h. sie vergeht scheinbar schneller, denn im Flug, im sehr schnellen, läuft die Zeit verzerrt ab. Daraus kann man nun schlussfolgern, dass man während des Schlafens in Levitation versetzt wird und unkontrolliert wie ein heliumgefüllter Ballon durch sein Schlafgemach fliegt. Dann wacht man auf und denkt, die Zeit sei rapide oder überhaupt nicht vergangen. Diesen zerebralen Error auszumerzen, wurde der Abreißkalender erfunden.
Denn nur das allmorgendliche Abreißen eines Kalenderblattes ist es doch, was den Zyklus der Gesellschaft in den Fugen hält. Sicher, es gibt noch Planeten, Sterne, Ebbe und Flut, aber dieses kosmische Mammutprojekt wird die NASA auch nicht für alle Zeit finanzieren können! Wie viele putzige Erfindungen der neueren und neuesten Geschichte entstammt auch der Abreißkalender (zumindest indirekt) aus dem Gefängnismilieu. Denn Insassen machen das so: Sie ritzen mit Mikadostäbchen oder zur Not mit ihren eigenen rausgeschlagenen Eckzähnen Striche in die Zellenwand. Jeden Tag kommt einer dazu. Ist eine Wand voll, wird erst mal gezählt. So. Und weil ja nun nicht jedermann, der ausnahmsweise mal nicht hinter Gittern sitzt, seine hart erwirtschafteten Tapeten zerkratzen kann, hat man den Abreißkalender erfunden.
Fakt: Echte "Knackis" heißen immer Ede. Das aber nur nebenbei. Wann genau der Abreißkalender erschaffen wurde, kann man heut nicht mehr sagen, denn die seitdem angefallenen Kalenderblätter wurden allesamt weggeworfen. Warum sollte man die auch aufgehoben haben? Früher waren die nämlich total langweilig! Da stand vorne das Datum drauf (archaisch: der Datum), und hinten war nix. Später nutzte man die bislang ungenutzte Fläche für sinnlose Sprüchlein wie "Fortsetzung folgt" oder für minimalistische Werbeanzeigen ("Deutsche! Trinkt Wasser!"). Die Jahre strichen ins Land (und die Tage erst, Kinder, die Tage!!!), und die Menschheit wurde des Blätterabreißens überdrüssig. Abwechslung musste her! Und es geschah, was geschehen musste. Eine Kalenderblättchenautorenschmiede wurde aus dem Boden gestampft. Der Rest ist Geschichte. Alles klar? Sehr beliebt beispielsweise: Kalendergeschichten ("Es war einmal ein Kalender..."). Oder Witze, Gartentipps, Zitate, Horoskope und Rätsel. Das alles findet man auf modernen Abreißkalendern.  
Nun zu den Pausensüßigkeiten. Aber erst wie in der Schule zur Definition. Mit Pause ist logischerweise kein kompletter Stillstand des Zeitflusses gemeint. Einen solchen könnte man ja nur durch die Herbeiführung einer Temperatur von null Kelvin erreichen. Oder indem man das Universum packt, in einen sich mit Lichtgeschwindigkeit drehenden, unendlich langen Zylinder steckt und es durch diesen direkt in die Nähe eines Neutrinosterns befördert, oder falls vorhandenin ein schwarzes Loch. Wenn alle Stränge ("Strings") reißen, kann man auch ein beliebiges Elementarteilchen mit Antimaterie füllen und destabilisieren, soll heißen, man bringt es irgendwie zur Implosion. Das Universum kommt dann an einem anderen Ort raus, und zwar, sofern alles glatt läuft, beim Urknall. Muss aber nicht, denn wie bekannt sein dürfte, leben wir in einem Ebene-IV-Multiversum, in dem unsere Galaxie (und natürlich unser sympathischer kleiner Planet) unendlich viele Doppelgänger hat. Um nun die Zeit anzuhalten, müssen wir dafür sorgen, dass wir in einen Zustand geraten, in dem die Atome instabil werden, sprich: in eine Welt, in der es mehr als 3 Zeitdimensionen gibt. Aber Vorsicht: stets drauf achten, dass die Anzahl der Dimensionen nie weniger als 1 ist, andernfalls sind die Ereignisse völlig unvorhersehbar (Großvater-Paradoxon, Möbiusbänder reißen, Kleinsche Kannen zerbrechen, Füße schwellen an etc.)!
Bei Gott, da kommt man besser, wenn man einfach seine Arbeit, oder was immer man augenblicklich tut, unterbricht, sich darniedersetzt und isst. Brotkapsel öffnen ist die erste Amtshandlung. Doch weh, Leere in der Proviantbox! Man hat es versäumt, sich Stullchen zu schmieren. Denn seien wir ehrlich: Man ist doch viel zu faul für solchen Heckmeck! Statt Schnitten mit Weichkäse oder Pferdefleisch müssen nun Nahrungseinheiten aus dem Automaten her. Wir nennen diese wie folgt. Hier steht's: Pausensüßigkeiten. Süßes Naschwerk zur einmaligen Verwendung in der Pause. Für viele Menschen das einzige Highlight des Tages, man denke nur an die Kumpels im Bergwerk; Anlass zu Heiterkeit gibt es kaum im Schacht. Was soll man dort anstellen, wenn die Kohlen oder das Adamantit-Erz versiegt sind? Vieles ist ja verboten: Lagerfeuer, Russisch Roulette, Monstertruckrennen oder Popeln. Da ist es tröstlich, wenn man wenigstens einen Negerkuss im Ränzlein staken hat. Schlechtes Beispiel! Negerküsse sind gar keine klassischen Pausensüßigkeiten, sondern (das ist jetzt nur für Fachleute interessant) Kaffeebeilagen. Aber egal, Mann, das ist ja hier keine wissenschaftliche Abhandlung. (Oder doch?)
Wenn man in einen dieser neumodischen Shops geht, sieht man ganze Regale voller Pausensüßigkeiten. Was für eine Auswahl erstreckt sich vor dem Konsumenten. Snickers®, Mars®, Hanuta®, Knoppers®, Twix®, Balisto®, Bounty®, KitKat® oder KinderCountry® sind die Namen der handlichen Spezereien, um nur einige zu nennen. Wissenschaftler (verrückte!) haben errechnet, dass man, wenn man alle Schokoriegel hintereinander, alle Menschen, einen Riegel pro Tag, und so weiter, 1.000 Tonnen Maismehlstärke und 24,6666 Jahre die gesamte Bevölkerung der Cayman Islands!!! Abreißkalender dagegen: ungenießbar! Schlau sind die Chinesen. Ihre Glückskekse sind außen essbar und innen lesbar (legendabel, wie der Lateiner sagen würde, wenn er heute noch lebte, was er zum Glück nicht tut). Papier ist selbstredend bei beiden enthalten, sowohl als auch. Da wir in einer freien Welt leben, kann jeder für sich entscheiden, was er präferiert. Wohlan: reißt ab oder esst, oder beides. Tabelle (zum Vergößern klicken):  


(geschrieben im April 2004 ... eine Zeit, in der ich anscheinend zu viele Gunnar-Homann-Texte und P.M.-Magazine gelesen habe)

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