Samstag, 18. Juni 2016

Spoiler: Ich mag keine

Ich weiß nicht mehr wann, aber für einige Wochen war ich Moderator im legendären Off-topic-Forum eines großen deutschsprachigen Spielenetzwerks. Wie ich zu dieser Ehre kam, weiß ich ebenfalls nicht mehr genau, ich kann mich nur noch daran erinnern, dass es vor meiner Amtszeit ein Mod-Triumvirat gab, das wegen wiederholter Zusammenstöße mit der Administration entweder gebannt wurde oder freiwillig zurückgetreten ist. Bis dahin waren es jedenfalls herrliche Zeiten: Mobbing, Beleidigungen, Intrigen. Der lustigste mir erinnerliche Eklat äußerte sich darin, dass einer jener drei Off-topic-Mods einmal eine stalinistische Säuberungswelle durchführte: User wurden gesperrt, Threads wurden gelöscht, und das alles warum? Weil diese Person von einer anderen Person über einen wesentlichen Handlungspunkt im siebenten Harry-Potter-Buch gespoilert worden war!

Damals lachte ich darüber, heute kann ich den Wutanfall nachempfinden. Was treibt Leute dazu, anderen Leuten ein fiktionales Werk auf diese Weise zu verderben? Bringt ihnen das Befriedigung? Ist der Wissensvorsprung nicht genug, um sich still und heimlich, also: innerlich zu freuen? Es wird ja immer schlimmer. Reichte es damals noch aus, spezielle Nerdanhäufungspunkte weiträumig zu umfahren, sind es mittlerweile Social-media-Kontakte und sogar Massenmedien, die einen beim unbedarften Browsen so bösartig überraschen. Ich scrolle mehr oder weniger aufmerksam durch die Facebook-Timeline – plopp!, taucht da auf einmal ein Foto aus der letzten Episode meiner Lieblingsserie auf, die ich sträflicherweise nicht gleich eine Stunde nach ihrer Ausstrahlung gesehen habe. Worst offender zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Beitrags: "Zeit online", deren Feuilleton-Knalltüten es sich nicht verkneifen können, "Game of Thrones"-Besprechungen mit höchst verräterischen Szenen-Screenshots zu versehen. "Here's a spoiler: You will die alone!" (Triumph the Insult Comic Dog)

Wenn der nächste Band von "A Song of Ice and Fire" erscheint, werde ich mich in einem anzumietenden Panikraum verkriechen und alle Verbindungen zur Außenwelt kappen. Das ist ohnehin eine gute Strategie.

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