Montag, 11. Februar 2019

Gefragt, geplagt

Interviewtechniken, zumindest Techniken für Schriftmedien geführter Interviews, waren in diesem Blog schon mehrmals Thema. Ein Trend der letzten Jahre ist auffällig: Der oder die Interviewer/in tritt nicht mehr als neutrale Fragestellungsinstanz zurück, sondern begreift sich als Teil eines lebhaften Gesprächs, drängt sich teilweise sogar in den Vordergrund. Exemplarisches aus dem aktuellen Stern:


Das ist vermutlich nicht einmal der vorläufige Höhepunkt solcher Entwicklungen, ich widme mich diesem Genre nur selten; aber gute Güte! Da will jemand krampfhaft seine Gelehrsamkeit demonstrieren, streut jedoch geschickt Unterlegenheitsbekundungen ein ("Ich kann Ihnen nicht mehr ganz folgen"), um zu zeigen, dass er mit dem Interviewten (hier: Christoph Waltz) auf Augenhöhe schwätzt.

Ich verstehe die Intention hinter dieser "Schlagabtauschisierung" von Promi-Interviews durchaus. Man möchte einer Textsorte neues Leben einhauchen, nachdem der Leser die tausendfach abgespulten Standardfragen und -antworten mittlerweile auswendig kennt. Einfach nur ermüdend sind zum Beispiel die Interviews in der Cinema. Immerimmerimmer wieder derselbe Schmus:
- "Wie war es für Sie, mit Regisseur XY zu drehen?"
- "Es war eine riesige Ehre und eine unglaubliche Erfahrung. XY weiß genau, wie eine Szene ablaufen muss, er ist extrem präzise und strikt, gleichzeitig gibt er dir das Gefühl, die einzige Person im Raum zu sein, die ihm etwas bedeutet."
- "Sie sind selbst Mutter von zwei Söhnen, jetzt spielen Sie eine Kindsmörderin. Haben Sie gezögert, als man Ihnen die Rolle angeboten hat?"
- "Klar, zuerst musste ich schlucken, aber nachdem ich die ersten Seiten des Drehbuchs gelesen hatte, war mir klar: Das musst du einfach machen, so eine Chance bekommst du nicht jeden Tag. Es war sagenhaft intensiv, und ich bereue die Entscheidung nicht."
- "Wird man Sie jetzt öfter in solchen schweren Rollen sehen?"
- "Das kann ich so pauschal nicht sagen. Wenn es passt, dann passt es. Comedy macht mir immer noch wahnsinnigen Spaß, aber ich möchte mich auf lange Sicht nicht in einer Sparte festfahren und gerne was Neues ausprobieren. Die Leute sollen sehen, dass ich mehr kann als die ewige Ulknudel zu geben."
- "Kann man den Schauspielberuf auch nutzen, um seine dunklen Seiten auszuleben?"
- "Ich denke, jeder Mensch hat eine dunkle Seite. Ich finde es herausfordernd, aber auch unheimlich faszinierend, mich in abseitige Charaktere hineinzuversetzen."
- "Haben Sie eine geheime Facette, die Sie gerne mal auf der Leinwand präsentieren würden?"
- "Selbstverständlich, aber die verrate ich nicht. (lacht)"
Überschrift des Interviews: "Jeder Mensch hat eine dunkle Seite". Erkenntnisgewinn: nicht vorhanden.

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