Mittwoch, 28. September 2022

TITANIC vor zehn Jahren: 10/2012

Ah, die bedeutsame Oktoberausgabe 2012, deren Titel – wie ich finde, sehr gekonnt – die damals übertrieben hochgekochten Themen Mohammed-Schmähung und Präsidentengattinnen-Darstellung (oder umgekehrt) überkreuzte!


Bedeutsam ist diese Ausgabe aber wegen etwas im Innenteil (S. 12ff.), nämlich der Dokumentation des Redaktionsausflugs nach Hamburg, wo Ende August am Landgericht der Papst-Prozess stattfinden sollte. Wie das alles so war, wurde ja, u.a. von mir, schon zigmal durchgekaut und kann zudem a.a.O. nachgelesen werden.


Es gab im Nachhinein Kritik aus dem Herausgeberkreis, dass dieser Bericht zu intern und selbstgefällig sei, auch andere Artikel wurden als schwer zugänglich oder das Thema verfehlend bemängelt. Dazu ist als Verteidigung ins Feld zu führen, dass nicht nur das ganze Hamburg-Abenteuer der Redaktion viel Kraft und Zeitaufwand abverlangte, sondern auch eine Buchmesse bevorstand, und eine solche ist alle Jahre wieder mit jeder Menge Organisationskram verbunden. Zum Buchmessengastland hatten wir damals auch eine launige Doppelseite:


Ins englischsprachige Ausland begaben sich auch Tim Wolff und Michael Ziegelwagner mit einem superb visualisierten Dreiseiter. In den USA stand nämlich die Präsidentschaftswahl an, und das Wettrennen zwischen Obama und Romney ging mit der öffentlichen Wahrnehmung eines "gespaltenen Volkes" einher. Ja, damals schon! Wenn die Kommentatoren des Weltgeschehens geahnt hätten, wie sehr gespalten dieses Land in ein paar Jahren erst sein würde ...
Jedenfalls ist das so ein Beitrag, der mir vor Augen führt, warum die mittleren Fischer-Jahre zu meinen absoluten Lieblings-Titanic-Ären gehören. Zitat: "'Obama hat unser Land ruiniert', resümiert Dick und stellt seine Cola auf Ritas Kopf ab. 'Dabei hatte ich am Anfang seiner Präsidentschaft so viele Hoffnungen. Z.B. daß er erschossen wird!'"


Weniger überzeugend ist das Studien-Spezial zum Wintersemester 12/13, das ich gemeinsam mit Valentin Witt geschrieben habe. Man merkt leider, dass da einer rumnörgelt, der frisch von der Uni gekommen ist (ich) und die durchgenudeltsten Klischees zu verwitzeln für nötig hielt. Ungeachtet der Qualität hatte es wenige Jahre zuvor einen fast identischen Artikel gegeben.
Ganz gut gelungen ist mir dagegen der Titel der 3. Folge von "55ff", in welche ich wieder mal eine eigene Zeichnung hineinschmuggeln konnte. Und der Beitrag "Dosenpfirsiche im Vergleich (mit Gallseife)" hatte mindestens acht Jahre unveröffentlicht auf meiner Festplatte gelegen, haha.


Egner-Panels wie dieses sollten auf eine Golden Record für die nächste Raumsonde gepresst werden:


Weiteres Notierenswertes
- Der bereits erwähnte Valentin Witt, der in dieser Heftphase sein erstes Praktikum bei uns absolvierte und bis heute einer meiner engsten Freunde ist, hatte die Ehre bzw. Pflicht, ausnahmsweise das Editorial zu schreiben! ("Ja, es gibt sie noch, die Arbeitgeber, die sogar ihre Praktikanten fair bezahlen und ihnen mit Respekt und Wohlwollen begegnen. Doch nicht überall sieht es so glitzernd aus wie bei Gruner+Jahr".) Wie gesagt, es pressierte alles enorm. Von Valentin stammt auch der Rücktitel ("Wovon leben wir im Alter?").
- Späte (rare) Cartoon-Auftritte von Tobias Schülert (der spätere Verantwortliche der Stern-Rubrik "Ein Quantum Trost") und Jürgen Marschal (Österreich)!
- Der Denkbücher-Test (S. 31ff.) ist ein ebenso aufschlussreicher feuilletonistischer Schnappschuss wie Stefan Gärtners Portrait des "künftigen Literaturstars" Stephan Thome (S. 54): Im Gegensatz zu Rolf Dobelli, Steven Pinker und von mir aus auch Daniel Kahneman sind Thome sowie Christian Hesse und George Steiner zehn Jahre später im Grunde weg vom Fenster. Oder?

Schlussgedanke
Angesichts der verschärften Bedingungen, unter denen dieses Heft entstand, hat das Ergebnis mehr Respekt verdient, als man ihm zugesteht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen