Freitag, 20. Januar 2023

Jahrmarkt der Eitelplatten

Das Department of Motor Vehicles (DMV) von Missouri, also die Kfz-Zulassungsstelle, die, wie ich soeben lernte, in jenem Staat Department of Revenue heißt, hat im vergangenen Jahr 471 Anträge auf individuelle Nummernschilder (sog. vanity plates) abgelehnt. Die vollständige Liste hat die Behörde, wie etliche US-amerikanische Medien verbreiteten, als Tabelle auf Google Docs zur Einsicht bereitgestellt.

Das Dokument wird irgendwann bestimmt nicht mehr verfügbar sein, weswegen ich einige der verbotenen Kürzel hier aufführen möchte. Einen alarmierend großen Teil machen solche Kennzeichen aus, die den amtierenden Präsidenten diffamieren: Variationen von "Fuck Joe Biden" (FJ0BDN, FJB, FKJ0, FUCJB, FKJBDN, FJB24, FUJB46, 46FJB, FJB01, FJB01K, FJB46X, FJBLFG, FKAJ0B, FKBDEN, FKBYDN usw. [die 46 steht für den 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten]) bzw. der gern in Stadien skandierten Chiffre "Let's go, Brandon" (LGBN0W, LGBNDN, LGB03). Häufig findet man natürlich reine Obszönitäten: CUM4ME, BU55YY, C0X4ME, WANKR, E4TA5S, B00BYZ, M1NGE und einiges mehr. Das DMV geht dabei ziemlich streng vor und verbietet zum Beispiel auch scheinbar Unverfängliches wie EATVAG oder Q0Q (cock?). Klar: Wenn ein Auto mit "FREEAF" an einer Grundschule vorbeirolltt und die Kinder wissen wollen, wofür "AF" steht (nämlich "as fuck"), kann das für anwesende Lehrkräfte unangenehm werden. Auch in Sachen Gewaltverherrlichung und Volksverhetzung kennen die Beamten keinen Spaß: KLLERS, MURD3R, XKXKXK (KKK!) wurden ebenso abgeschmettert wie ALLCAB, GULAG oder FKPUTN. Insgesamt scheint man in Missouri ziemlich auf Zack zu sein. Beschäftigt man dort eigens jemanden, der sich mit Slang und Jugendsprache auskennt? Schließlich sind sogar Kürzel wie PUNAN1, HENT1A, WAP11, SUSAF, FNL0ST und TH0RNY ("Thorny: To be horny and thirsty at the same time"; Urban Dictionary) auf dem Index gelandet. Diese dürften für viele am Straßenverkehr Teilnehmende doch völlig unverständlich sein! So wie für mich u.a. folgende: 1032GT, AHEG0, EFF0FF, Q7EENB. Hä???

Wie ist eigentlich die Situation in Deutschland? Ich entsinne mich einer Meldung aus Hessen, nach der angedacht worden sei, das Kürzel IS ("Islamischer Staat") als Teil von Kfz-Kennzeichen nicht mehr zu vergeben. Ah, ich habe sie wiedergefunden! Die FAZ schrieb im April 2016: "In der Landeshauptstadt Wiesbaden gibt es keine Pläne, Autokennzeichen mit dem Buchstabenpaar nicht mehr zu vergeben. [...] Nach Angaben des Verkehrsministeriums in Wiesbaden regelt ein Erlass, welche Lettern auf Nummernschildern hessenweit tabu sind. Auf Landesebene seien derzeit aber keine weiteren Verbote geplant, sagte ein Sprecher. Dem Erlass zufolge sind nicht erlaubt: NS (Nationalsozialismus), SS (Schutzstaffel), SA (Sturmabteilung), SD (Sicherheitsdienst), KZ (Konzentrationslager) und HJ (Hitlerjugend)". In Frankfurt ist "F-IS" bis heute erlaubt. In den meisten Fällen, zitiert das Blatt einen Kreissprecher, "hatte die Kennzeichen-Wahl eher mit den Namensinitialen der Zulassenden zu tun." Ja, das setze ich auch jedes Mal in dubio pro reo voraus, wenn ich Berliner Autos sehe, die mit "B-DS" oder "B-DM" durch die Gegend fahren.

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