Mittwoch, 26. April 2023

TITANIC vor zehn Jahren: 5/2013


Wie so viele Hefte aus dieser Ära hat auch dieses einen ganz besonderen Platz in meiner Erinnerung, nicht nur wegen des letztgültigen Titels zum NSU-Prozess (der Herr links indes sollte die U1 nicht zum letzten Mal zieren), sondern auch und vor allem wegen dieser Aktion:


Allein dass wir als "PEACEmakers" auf dem Frankfurter Römerberg mit Stirnbändern, auf denen in Hangul "Tod", "Vernichtung" o.ä. stand, vor Einheimischen sowie Touristen aus aller Welt "Give Kim a chance!" tirilierten, lässt mich noch heute schmunzeln. Den größten Spaß jedoch hatte ich bereits im Vorfeld gehabt, nämlich als ich zusammen mit Leo Fischer das zu verteilende Nordkorea-Verherrlichungs-Faltblatt erstellte, welches es Gott sei Dank in voller Pracht in den Aufmacher geschafft hat. Vergleichbar heftige Lachanfälle beim Verfassen eines Artikels hatte ich nur einziges Mal: beim gemeinsamen Schreiben (ebenfalls mit L.F.) der Günter-Grass-Parodie-Gedichte in 5/2012.

Der Anschlag beim Boston-Marathon wurde in gleich zwei gelungenen Bildwitzen verhandelt, zum einen im Startcartoon von Uwe Becker ("Merkel kondoliert": "Hoffentlich werden die Täter gefaßt und schnell verurteilt ..."; Obama: "Keine Sorge, wir stellen die ja nicht vors Münchner Landgericht!"), zum anderen, indirekter, in diesem schön quatschigen Editorials-Gag:


Zu loben ist auch die Mimik- und Körpersprachen-Interpretationshilfen-Doppelseite über den ZDF-Talkmaster Markus Lanz, verfasst von dem freien Autor Aleksandar Jožvaj, mit dem ich übrigens heute wieder durch ein gemeinsames Hobby verbunden bin.


Wahnsinn, dass es die Lanz-Show zehn Jahre später immer noch gibt. Ich habe sie noch nie gesehen.

Relativ viel Arbeit haben Tim Wolff und ich in unseren "TITANIC-Survival-Guide" (S. 36-39) gesteckt: Wir haben echte Survival-Bücher gewälzt, Stephan Rürup hat Illustrationen angefertigt (ein paar auch ich!), und am Ende mussten wir etliche Einzelkästen aus Platzgründen rausschmeißen. Seltsamerweise kam dieser Beitrag bei den zwei-drei Malen, wo wir ihn vor Publikum gelesen haben, nur unterdurchschnittlich gut an; womöglich weil der Zusammenfall der Zivilisation und damit die Notwendigkeit praktischer Überlebenskenntnisse mit voranschreitendem Jahrzehnt zunehmend immanent wurde? 2013 waren die Anlässe für Endzeitstimmung laut Vorspann jedenfalls "der Meteoritenhagel über Rußland und der Bankenkollaps auf Zypern". Aha.


Hier ein Fun fact zu "55ff": Den "Food-News-Generator" hatte ich mir bereits im Juli 2005 (!) ausgedacht. In der von mir verantworteten Rubrik konnte ich den Text nach jahrelangem Reifen auf der Festplatte schließlich veröffentlichen, hihi. Deshalb mein Rat: Frühe Schreibversuche niemals vernichten, und sich für sie schämen schon gar nicht.


Weiteres Notierenswertes
- Der Axel-Springer-Konzern, in Sonderheit die Personalie M. Döpfner, sorgt in diesen Wochen für allerlei Gerede und Berichterstattung. Wie es der Zufall so will, brachte der Spiegel vor zehn Jahren eine vielbeachtete Story über den frisch aus Amerika zurückgekehrten Bild-Chef Kai Diekmann, die in dieser Titanic auf S. 22f. trefflich von Fischer/Hürtgen parodiert wurde, einschließlich ganzseitigem Portrait-Foto mit IT-Kollege A. Golz als Diekmann.
- Erinnert sich noch jemand an die Google-Brille? Thomas Gsella "testete" sie auf S. 30ff. ("Die Sprachsteuerung funktioniert und ist lernfähig. Wenn dich Google nach links schickt und du rechts abbiegst, kostet es die ersten zehn Mal nur fünf Dollar, ab dem elften Mal nur noch drei. Geheimtip: Rechts abbiegen, aber rückwärts gehen, dann sehen weder du noch die Kamera, wo ihr hinlauft"). Aus diesem Artikels erwuchs wenig später die Idee für die Online-Reihe "Gsellatronics".
- Auch das legendäre Zweipäpstetreffen (Franziskus und Benedikt XVI.) fiel in jenen Frühling. Der historische Moment wurde in einem Gedicht festgehalten (S. 34f.).
- Keine zehn Monate nachdem Tim Wolff zum ersten Mal die Symptome der "Ausgerechnet"-Pest präsentiert hatte (8/2012), waren genügend Beispiele für die nächste Fallakte zusammengetragen. Wieder einmal erhärtet sich der Verdacht, dass niemand im Presswesen, der es nötig hätte, Titanic liest. Frustrierend.
- Oh Gott, "Lerchenberg"! Das war der Versuch einer selbstironischen und -bezüglichen ZDF-Sitcom, der wie zu erwarten scheiterte (Humorkritik S. 50).
- Peinlicher Tippfehler in der PARTEI-Anzeige auf der Rückseite: "Nordrheinwestfahlener".

Schlussgedanke
Abermals eine fulminante Wundertüte! Etwas medienlastig, und dass es zwei Einseiter mit Diagrammen gibt, in denen Hitler eine Rolle spielt, ist unglücklich. Langweilig wird es aber nirgends.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen