Dienstag, 9. April 2013

Schöne Stellen aus deutschen Gerichtsentscheidungen

"Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin der international registrierten Wortmarke 1 051 884 ESSBARER TIERGARTEN [...]. Sie hat um Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nachgesucht [...]
Mit Beschluss vom 14. September 2012 hat die Markenstelle für Klasse 35 der IR-Marke den Schutz [...] verweigert. [...] Durchschnittsverbraucher und Fachkreise nähmen an, dass die in Klasse 29 beanspruchten Lebensmittel aus einem zoologischen Garten stammten, in dem essbare Tiere gehalten und gezüchtet würden und in dem Gäste mit solchen Lebensmitteln verpflegt würden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin [...] Im Amtsverfahren hat sie die Ansicht vertreten, der Wortfolge „ESSBARER TIERGARTEN“ werde von den beteiligten Verkehrskreisen keine Bedeutung beigemessen. Unter einem „Tiergarten“ werde ein Zoo, ein Park oder ein Landschaftsteil verstanden, in dem in der früheren Neuzeit vom Adel Jagdwild gehalten worden sei. Dieser Ort bzw. dieses Gelände sei nicht essbar. Es handele sich daher um eine Wortneuschöpfung. [...]  
c) Die Wortfolge setzt sich aus den Wörtern „ESSBARER“ und „TIERGARTEN“ zusammen.
aa) Das Adjektiv „ESSBARER“ bezeichnet etwas, das als Nahrung für Menschen oder zum Verzehr geeignet ist (www.duden.de).
bb) Das zusammengesetzte Substantiv „TIERGARTEN“ bedeutet „[meist kleinerer] Zoo“ und ist ein Synonym für „Zoo“, „Tierpark“, „zoologischer Garten“ oder „Freigehege“ (www.duden.de; wortschatz.uni-leipzig.de).
d) In ihrer Gesamtbedeutung werden die angesprochenen Verkehrskreise die Wortfolge dahingehend verstehen, dass sich ein zoologischer Garten zum Verzehr eignet. Diese Aussage macht auch in Bezug auf die beanspruchten Druckereierzeugnisse [...] keinen Sinn. Denn einen Zoo, den man essen kann, gibt es nicht. Tiere in einem Zoo können gewöhnlich nur betrachtet werden. Sie werden in der Regel nicht geschlachtet und den Besuchern auch nicht als Mahlzeit angeboten. Durch diese auf den ersten Blick fehlende Sinnhaftig- und Widersprüchlichkeit wirkt die Wortfolge eigentümlich und regt zum Nachdenken an. Sie ist zudem kurz und prägnant und weist eine gewisse Originalität auf. Um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass mit dieser Bezeichnung zum Ausdruck gebracht werden soll, dass Speisen aus geschlachteten Tieren angeboten werden, die zuvor in einem zoologischen Garten betrachtet werden konnten, muss das angesprochene Publikum erst einige ungewöhnliche gedankliche Schritte vollziehen. Dabei kommt hinzu, dass viele der in einem Tiergarten oder Zoo präsentierten Tiere unter den Artenschutz fallen, so dass es verboten ist, diese zu schlachten und zu essen. Daher liegt die vorgenannte beschreibende Bedeutung besonders fern. Die Wortfolge „ESSBARER TIERGARTEN“ wird vom Verbraucher eher dahingehend verstanden, dass Nahrungsmittel, wie z. B. Schokolade, Marzipan oder Fruchtgummi, in Form verschiedener Zootiere angeboten werden, die ein Tiergartensortiment bilden."

Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.3.2013, Az. 29 W (pat) 579/12 

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