Freitag, 5. August 2016

110 Minuten Schwachsinn

Ich habe gestern einen Film geschaut und wurde mal wieder enttäuscht. Cold in July (bei Amazon Prime verfügbar) enthält so viele Logiklöcher und unglaubwürdige Wendungen, dass ich am Ende trotz der angestrebten Dramatik laut lachen musste. Ich werde den Plot nun vollständig nacherzählen; wer den Film noch sehen möchte: NICHT WEITERLESEN!

Texas, 1989. Ein Familienvater ("Dexter" Michael C. Hall, den ich der Einfachheit halber im folgenden "Dexter" nennen werde) erschießt eines Nachts im Erdgeschoss seines Hauses einen jungen Einbrecher. Der Getötete wird als vorbestrafter Krimineller identifiziert, dessen einziger Verwandter sein seit Jahren entfremdeter und ebenfalls polizeibekannter Vater ist. Dexter wird von Schuldgefühlen geplagt. Als er zum Friedhof fährt, um der anonymen Beisetzung des Einbrechers beizuwohnen, konfrontiert ihn ein Mann: der Vater des Diebs, der Dexters Gesicht aus der Zeitung kennt, in welcher dieser, seine Frau und sein Sohn im Zusammenhang mit dem Einbruch abgebildet worden waren. Crime-Daddy hinterlässt eine vage Warnung und zieht von dannen. Dexter wendet sich an die Cops, die aber ohne Vorliegen einer konkreten Tat nichts unternehmen können. Nach einem Einbruch, bei dem ein paar Patronenhülsen als Drohung drapiert worden sind, veranlasst die Polizei schließlich die Überwachung des Hauses. In der Nacht gelingt es Crime-Daddy, in Dexters Haus einzubrechen: Er streckt einen der Wachpolizisten nieder, schleicht in das Zimmer des kleinen Sohnes, macht aber nichts, sondern verschwindet wieder. Die Polizei kann ihn wenig später in Mexiko schnappen. Am nächsten Tag macht Dexter seine Aussage auf dem Polizeirevier und entdeckt dabei ein Fahndungsfoto des erschossenen Einbrechers, der darauf ganz anders aussieht als Dexter es in Erinnerung hat. Damit konfrontiert, wimmelt der Chief Inspector Dexter mit Ausreden ab. Fall geschlossen. Dexter lässt das Foto jedoch keine Ruhe. In der Nacht begibt er sich nochmals zur Polizeiwache und kommt gerade an, als die Cops den festgenommenen Crime-Daddy in einen Wagen drängen und mit ihm wegfahren. Dexter folgt dem Auto heimlich und beobachtet, wie die Polizisten dem alten Mann ein Betäubungsmittel spritzen, ihn mit Schnaps übergießen und ihn samt der leeren Flasche auf ein Bahngleis legen. Als die Cops weg sind, zieht Dexter Crime-Daddy von den Schienen, kurz bevor dieser von einem Zug überrollt werden kann, und bringt ihn in eine Berghütte, die einst Dexters Vater gehört hat. Dexter versichert Crime-Daddy, dessen Sohn nicht abgeknallt zu haben, was sich endgültig bestätigt, nachdem die beiden eine Exhumierung durchgeführt haben. Da der falschen Leiche obendrein die Fingerkuppen entfernt wurden, einigt man sich darauf, dass hier offenbar eine Verschwörung vorliegt. Am Tag darauf bekommt Dexter in seinem Bilderrahmengeschäft erst Besuch vom Chief Inspector, dem plötzlich eingefallen ist, dass der Einbrecher sein Aussehen verändert hatte und deswegen nicht mehr seinem Fahndungsportrait entsprach, und direkt darauf von einem Privatdetektiv, der mit Crime-Daddy gut bekannt ist und anbietet, bei der Aufklärung des Falls mitzuhelfen. Der Detektiv ermittelt, dass der angeblich erschossene Einbrecher-Sohn nach Verstrickungen mit der Mafia ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde und jetzt unter anderem Namen in Houston wohnt. Die drei fahren zum Haus des Sohnes. Vor der Einfahrt werden sie grob fahrlässig von einem Auto gerammt, dem ein aggressiver, aber stummer Hüne entsteigt. Im Streit hauen Crime-Daddy und der Detektiv den Hünen k.o. In seinem Kofferraum finden sie haufenweise VHS-Kassetten, von denen sie eine mitnehmen. Weil im Haus des untergetauchten Sohnes niemand anwesend ist, nistet sich das Trio erst mal beim Detektiv ein und sieht sich das Videoband an. Es handelt sich um einen Snuff-Porno, bei dem eine junge Frau von zwei Typen mit einem Baseballschläger totgeschlagen wird. Einen der Kerle identifiziert Crime-Daddy als: seinen Sohn. Angewidert beschließt er, seinen Filius umzubringen. Seine Freunde willigen ein mitzumachen. Die Überlegung, das Tape der Polizei zu zeigen, wird abgetan mit der Begründung "Das sind illegale Einwanderinnen, für die interessiert sich niemand!" Man findet heraus, dass Sohnemann in einer Videothek arbeitet. Dexter wird vorgeschickt, den Laden aufzusuchen, um nach den Öffnungszeiten zu fragen (offenbar ist das telefonisch nicht möglich). Nach Geschäftsschluss um 23 Uhr heften sich die drei an Sohnemanns Fersen und werden Zeuge, wie dieser zusammen mit dem Hünen und ein paar anderen Gestalten eine weitere Frau verschleppt. Sie wird in ein wieder anderes Gebäude geschafft, in das sich Dexter, der Detektiv und Crime-Daddy (zunächst) unbemerkt Zutritt verschaffen. Es kommt zum Shoot-out, alle Verbrecher werden erledigt, das Mädchen wird befreit, Dexter verliert ein Stück Ohr und Crime-Daddy erschießt seinen Sohn, mit dem er zuvor noch einen kurzen Luke-Skywalker/Darth-Vader-Moment hat. Dexter kehrt zu seiner Familie zurück und legt sich ins Bett zu seiner Frau, der er vorher erzählt hat, eine erfolgversprechende Geschäftsreise zu unternehmen.

Ungeklärt bleibt:
- wer nun tatsächlich in Dexters Wohnzimmer erschossen wurde;
- warum die Cops Crime-Daddy ermorden wollten;
- wie sie sich sicher sein konnten, dass er überhaupt in ihre "Falle" tappen würde;
- ob sie nachgeprüft haben, dass er wirklich vom Zug überrollt wurde;
- was es mit Sohnemanns Mafia-Angelegenheiten auf sich hatte;
- ob die Polizei dem Gemetzel im Snuff-Gebäude auf den Grund gehen wird;
- was Crime-Daddy bei seinem Eindringen ins Dexter-Haus eigentlich vorhatte;
- weshalb der Hüne die ganzen Kassetten in seinem Pkw aufbewahrte;
- wie der Hüne nach dem Wiedererlangen des Bewusstseins reagiert hat;
- welcher Art das Verhältnis von Crime-Daddy und dem Detektiv war;
- warum es wichtig war, dass die Handlung im Jahr 1989 angesiedelt ist, abgesehen davon, dass das eine Szene in einem Autokino, Dexters Oberlippenbart und einen schrottigen Synthie-Soundtrack rechtfertigt;
- wieso auf imdb die Kritikien fast durchweg positiv ausfallen und die FAQ-Sektion komplett leer ist.

5 von 10 Punkten

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