Samstag, 29. Februar 2020

Schaltjahr-Fortsetzungsgeschichte (IV)

Teil I (2008)
Teil II (2012)
Teil III (2016)

Marek fluchte. "Weißt du, wer das war? Das war die Bürgermeisterin!", rief er seinem Freund zu, während die beiden panisch durch die schneidende Morgenluft sausten. "Wenn die rauskriegt, mit wem wir geredet haben, kommt alles ans Licht, Kamil. Dann war's das!" Kamil machte ein ernstes Gesicht. Nach einer Weile intensiven Nachdenkens sagte er: "Es kommt doch eh alles raus, muss ja! Die Sache ist viel zu groß ... und die Erwachsenen sind nicht blöd." Währenddessen machte sich eine Elster an der Alarmanlage eines Juweliers zu schaffen. Wäre in diesem Moment Mareks Mutter oder sein Vater vorbeispaziert, wäre sie oder er sprichwörtlich zur Salzsäule erstarrt. Aber nicht wegen des ausgeklügelten Manövers, welches der Vogel ausführte, sondern wegen dessen Augen.

In der Hauptstadt legte ein mit kaltem Schweiß überströmter Ministerialbeamter zitternd den grünen Hörer auf die Gabel. Dieses kaum dreißigsekündige Gespräch, das war ihm klar, würde sein Leben verändert haben. Er versuchte, seine Fassung wiederzuerlangen, atmete tief ein und aus. "Nicht jetzt, nicht heute, ausgerechnet", stammelte er und rieb sich die Schläfen. Fahrig griff er nach dem Hörer seines normalen Schreibtischtelefons. "Sagen Sie alle Termine für den Rest der Woche ab", bellte er hinein. "Ja, auch für heute. Ich ... das erkläre ich Ihnen später." Der Beamte öffnete eine Schublade. Er holte ein halbleeres Fläschchen Bisongras-Wodka heraus und leerte es in einem Zug. Kurz hielt er die Luft an, sammelte sich. Bevor er die Schublade schloss, entnahm er ihr einen zweiten Gegenstand. Einen Gegenstand, den er nie benutzen zu müssen gehofft hatte. "Was für ein profan aussehendes Ding", dachte er. Jeder normale Mensch hätte es für einen Brieföffner gehalten. Zweifelsohne konnte man damit tatsächlich Briefe öffnen; aber auch so viel mehr ...

Beinahe hätte die Nonne laut losgelacht. Es hatte etwas zutiefst Absurdes an sich, wie der Mann, den sie vor fünf Minuten in ihre Wohnung gelassen hatte, weil er sie vom Ernst der Lage zu überzeugen vermocht hatte, mit theatralischer Geste einen portablen Vinylplattenspieler aus seinem altmodischen Koffer holte und auf dem Küchentisch platzierte. "Für eine Musikvorführung habe ich wirklich keine Zeit", sagte die Nonne. "Ich sagte doch, dass ich gleich in den Palast muss." – "Hören Sie mir nicht zu?", zischte der hagere Besucher, den sie auf irgendwas zwischen 20 und 40 schätzte und dessen Polnisch eine leichte deutsche Färbung aufzuweisen schien. "Das Treffen findet nicht statt. Ihr Kontaktmann ist auf dem Weg in den Vatikan. Und damit hat sich auch Ihre Rolle in diesem Spiel geändert!" Die Nonne zog die Stirn kraus. "Dann ist da also was dran? Die Geschichte in den Nachrichten? Ich weigere mich, das zu glauben! Ein unbedeutender Zufall, mehr nicht." Ihr sonderbarer Gast verdrehte die Augen und fingerte eine Schallplatte aus der Innenseitentasche seines Koffers. Auf der bronzefarbenen Hülle stand etwas Lateinisches. "Sind Sie bereit?", fragte der Mann. Die Nonne nickte vorsichtig. Als der Tonabtaster sich auf die Platte senkte, ertönte nostalgisches Knistern und bald darauf etwas, das schwer zu beschreiben war, es klang wie ein extrem übersteuerter, rückwärts abgespielter, verlangsamter und wehleidig gejaulter Choral. "So, jetzt können wir", setzte der Unbekannte an. "Was wissen Sie über die Schlacht an der Worskla?"

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