Donnerstag, 23. Juli 2020

Die perfekten Wellen

Im Februar habe ich versprochen, mich "in Zukunft gelegentlich nostalgisch über meine eigene Radiohör-Erfahrung aus[zu]lassen". Dieses Versprechen soll nun eingelöst werden. 
Als am 30. April 2012 der analoge Satellitenempfang abgeschaltet wurde, ging damit nicht nur eine Fernseh-, sondern auch eine Radio-Ära zu Ende: die des ADR. ADR, das steht für Astra Digital Radio und war Ende der 90er ein heißer Scheiß! Das Prinzip war, dass nahezu jeder Fernsehsender einen Radiosender als Unterträger ausstrahlte, d.h. man musste die Audiofrequenz oder so was verstellen, bis man etwas hörte, das nichts mehr mit dem zu tun hatte, was auf dem Bildschirm zu sehen war. Außerdem wurden auf magische Weise Infos über das Display des Receivers mitgeliefert, etwa der Sendername oder der gerade gespielte Musiktitel. Es muss im Jahr 2000 gewesen sein, als ich mir einen ADR-fähigen Receiver kaufte und mich wie Bolle freute, die weit über 100 Radiostationen kennenzulernen. Als wir später – es muss Mitte der Nullerjahre gewesen sein – auf digitalen Satellitenempfang umstiegen, konnte man natürlich (nun unabhängig von den TV-Stationen) noch mehr Radiosender in noch besserer Qualität empfangen (Habe gerade bei satindex.de nachgeschaut: Aktuell sind 157 Astra-Radiosender vorhanden. Bei meiner letzten Überprüfung 2012 waren es noch 201.). 
Zu dem Zeitpunkt habe ich mich indes nur noch wenig für dieses Medium interessiert. Als Jugendlicher jedoch war ich fasziniert vom Radio, und zwar nicht nur von den kommerziellen Lokalstationen, sondern auch von Kurzwelle! Weil man nachts exotische Sender reinkriegt, die man tagsüber nicht hören kann (das hat was mit der Ionosphäre zu tun), drehte ich oft bis tief in die Nacht am Peiler und lauschte obskuren Programmen in mir unbekannten Sprachen. Einmal stieß ich sogar auf einer der sagenumwobenen "Numbers stations". Irgendwann wollte ich mehr und kaufte mir ein Multibandgerät ("Scanner"), mit dem ich noch tiefer in den Kurzwellenäther eindringen konnte. Da stieß man zum Beispiel auf Amateurfunker oder auf Ausstrahlungen in RTTY, die man mithilfe einer Klinkenverbindung und spezieller Software knacken konnte – wobei das Resultat dann meistens nur ein langweiliger Wetterbericht war. Noch reizvoller war das, was man auf dem erweiterten UKW-Band zu hören bekam: Flugfunk, Taxifunk, Busfunk, Polizeifunk! Das Abhören dieser Kanäle war eine rechtliche Grauzone. Ich kam mir wie ein Spion vor, wenn ich mithörte, wie Piloten mit dem Tower kommunizierten oder Polizisten ihren Kollegen die Personalien von irgendwelchen Verdächtigen übermittelten. Auch noch lange nach dem 11. September waren diese Funkdienste unverschlüsselt. Ich beschaffte mir haufenweise Fachliteratur (so besitze ich noch heute u.a. eine "Spezial-Frequenzliste 1998/99, 9 kHz - 30 MHz") und ging auf "Wellenjagd". Ich nahm meinen Scanner sogar mit in den Urlaub, um dort nach Interessantem zu suchen. 
Irgendwann hatte ich aber alles entdeckt, was im Rahmen meiner Möglichkeiten zu entdecken war. Und die Profigeräte von ICOM oder AOR, die ich mir alle paar Wochen begierig im Conrad ansah, waren einfach zu teuer. So endete dieses Hobby. Good times.

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