Donnerstag, 23. Oktober 2014

Das G-Wort

Solange ich denken kann, wird das Wort "geil" als saloppes, vor allem jugendsprachliches Synonym zu "toll, stark, schnafte, phat" verwendet. Es ist schlechterdings erstaunlich, dass die leicht anrüchige Note dieses Ausdrucks immer noch nicht verschwunden ist. "'Geilheit' und mehr noch die Adjektivform 'geil' stellen in diesem Zusammenhang populäre umgangssprachliche Ausdrücke dar, deren Gebrauch in offiziellen Zusammenhängen allerdings als vulgär gilt", sagt schon Wikipedia. Üblicherweise wird die Sprachgemeinschaft immer nachsichtiger im Umgang mit derben Wörtern. Wer wollte es einem Altkanzler verübeln, die Härten des Lebens als "Scheiße" zu branden. Doch könnte man sich vorstellen, Helmut Schmidt "geil" sagen zu hören? Schwerlich. Offenbar ist die sexuelle Komponente dieses Adjektivs noch zu sehr im Bewusstsein; immerhin ist laut Duden "(oft abwertend) gierig nach geschlechtlicher Befriedigung, vom Sexualtrieb beherrscht, sexuell erregt" die Primärbedeutung. (Nummer 2 verweist schönerweise nach wie vor auf die landwirtschaftliche Sphäre – Stichwort "geil gewachsen".)

In der brüllig-prolligen Werbewelt hat man sich freilich an "geil" gewöhnt. Aber wann fing die Vergeilung dieser Welt an? Nicht erst mit dem Technikmarkt Saturn ("Geiz ist geil"). Irgendwann in den 90ern muss es gewesen sein, als ich – selbst noch ein kleiner Bube – eines kleinen Buben im Fernseh gewahr wurde, der (keck flüsternd!) ein Puddingerzeugnis oder was mit dem Prädikat "geil" adelte; und das, wenn ich mich richtig erinnere, nachdem er zuvor von Erwachsenen für die Verwendung des four letter words gerüffelt worden war!

Nur durch einen Buchstaben vom Wort "geil" unterscheidet sich "weil". Eine harmlose Konjunktion, die mich aber gleichfalls als kleiner Bube im Werbezusammenhang zutiefst verwirrte. In einem Danone-Spot äußerte ein Kind über den beworbenen Joghurt: "... weil er ist gesund." Ich konnte nicht fassen, was ich da hörte. Das Blag hätte genauso gut sagen können "... weil gesund er ist", ich wäre nicht weniger stark verletzt worden in meinen grammatikalischen Gefühlen. Ein "weil"-Satz mit Verb in Zweitposition ("V2-Stellung"), das war für mich absolut undenkbar, unsprechbar, unmachbar. Lag es an meiner spezifischen Spracherziehungsbiographie (Vater Sachse, Mutter Pommeranerin)? War "weil" in anderen Teilen Deutschlands (z.B. Danone-Land) schon länger Hauptsatzeinleiterin? Oder hat die Firma Danone aus Marketinggründen angefangen mit dieser Entgleisung, bei der sich mir noch heute die Fußnägel aufrollen? Die Germanistik weiß da bestimmt inzwischen mehr.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen