Mittwoch, 30. April 2025

Der Stoff, aus dem die Wörter sind

Ein xkcd-Cartoon von neulich hieß "Anachronym Challenge". Das Fachwort Anachronym war mir bisher nicht bekannt (es scheint in der deutschen Linguistik nicht etabliert zu sein), es wird aber klar, was damit gemeint ist. Die Challenge besteht darin, eine Einkaufsliste zu erstellen, die nur aus Dingen besteht, die nicht mehr aus dem Material hergestellt werden, nach dem sie benannt sind:


Beispiel: Tin foil bezeichnet heute üblicherweise Alufolie und eben keine Folie aus Zinn (tin). Wie ich soeben gelernt habe, existiert auch im Deutschen das Wort "Zinnfolie" als Synonym für Stanniol und wird ebenfalls "umgangssprachlich auch für Folien aus Aluminium (Alufolie) verwendet". Für weitere Erklärungen s. "Explain xkcd".

Was käme neben Zinnfolie noch auf eine deutschsprachige Entsprechung dieser Liste? Als erstes fällt mir da der Bleistift ein, dessen Mine seit dem 19. Jahrhundert "aus einem Graphit-Ton-Gemisch gebrannt" wird (Wikipedia). Der Gipsverband "wird fast nur noch zur kurzzeitigen Fixation verwendet. Bei längeren Behandlungen werden inzwischen überwiegend Kunststofffasern mit Kunstharz verwendet", aber auch wer einen solchen Verband trägt, wird der Einfachheit halber nach wie vor von "Gips" sprechen. In Klammern setzen würde ich, auch im Original, die Brillengläser: Wohl sind mittlerweile solche aus Kunststoff eine gern gewählte Lösung (auch bei meinem Modell), doch werden Gläser aus echtem (mineralischen) Glas immer noch "aufgrund ihrer außergewöhnlichen Kratzfestigkeit verwendet. Zudem sind sie für den Endkunden günstiger als vergleichbare Kunststoffe. Bei starker Fehlsichtigkeit ermöglichen sie außerdem eine Korrektur mit verhältnismäßig dünnen Gläsern" (zeiss.de). Aus dem Bereich der Lebensmittel wäre die Hirnwurst oder auch Bregenwurst zu nennen: So sagt man u.a. in Teilen Frankens zu Gelbwurst, obwohl die traditionelle Verarbeitung von Gehirnen freilich längst nicht mehr erlaubt ist (vgl. Zervelatwurst). Weiter: "Da echte Kreide relativ teuer ist, wird Tafelkreide heute meistens aus Gips (Calciumsulfat) oder Magnesiumoxid hergestellt, auch Mischformen kommen vor" (Wikipedia). (In diesem Zusammenhang möchte ich euch die Information nicht vorenthalten, dass in der Lampertheimer Schillerschule die letzte Kreidetafel im Landkreis Bergstraße abgehängt wurde, womit nun alle Schulen des Kreises auf digitale Tafeln umgestellt haben. [FAZ-Meldung vom 28. April]) Kreide taucht ja auch in der Vorlage auf, aus welcher ich zusätzlich das Bügeleisen und die Badeschwämme übernehmen würde ("in den allermeisten Fällen sind sie aber durch Kunststoffschwämme ersetzt worden").

Welche Items fehlen noch? Welche "Anachronyme" kommen euch in den Sinn?

Montag, 28. April 2025

Einkauf aktuell

Auch im zweiten Quartal 2025 hält uns der Würgeengel namens Inflation firm in seinem pestigen Griff. Strategisch kluges Shoppen und Bevorraten ist weiterhin geboten, Woche für Woche gilt es, die besten oder zumindest am wenigsten unverschämten Lebensmittelpreise aufzuspüren. Man muss Prospekte wälzen und die Einkäufe auf zwei, drei, vier Supermärkte aufteilen. Ungläubig denke ich an Zeiten zurück, wo ich einfach so in einen beliebigen Markt gegangen bin und alles gekauft habe, wonach mir gerade der Sinn stand. Heute hole ich mir fast ausschließlich Dinge, die im Sonderangebot sind. Gottlob gibt es brauchbare Angebote fast immer, so dass ich kaum auf etwas verzichten muss. Am ärgsten ist es allerdings zurzeit um gemahlenen Kaffee bestellt. Nur ein einziges Mal im vergangenen Monat war das Pfund für unter 5,- Euro zu haben. Was hingegen ständig irgendwo im Preis gesenkt ist: Müsli, Margarine, Chips, Brot, Marmelade, Pasta, Tee; die Basics mithin.

Von allen Supermärkten in meiner Umgebung überzeugt mich unverändert Lidl am stärksten, hier wird man stets fündig und braucht dank wechselnder Thementage (Spezialsortimente à la Spanien, Griechenland, Österreich etc.) keine Eintönigkeit zu befürchten. Bei Rewe finde ich mich trotz abgeschafftem Payback-System ärgerlicherweise noch erstaunlich oft ein, Netto ist von allen Discountern der billigste, was sich leider auch in Zustand und Atmosphäre der Ladenräume spiegelt, Tegut wartet regelmäßig mit echten Schnappern auf, Aldi ist solide, nur Penny hat seine Chancen bei mir auf ewig verspielt (nie sind die im Prospekt verheißenen Angebote vorrätig).

Samstag, 26. April 2025

Traumata auf Papier

Es ist mal wieder Zeit für Mikro-Entrümpelung. Zwei dicke Aktenordner aus der Schulzeit wollen der Mülltonne überführt werden: Mitschriften, Arbeitsblätter und Hefterinhalte aus den Klassenstufen 10 bis 12. Vor dem Entsorgen werde ich den Stoß freilich noch einmal durchgehen. Jetzt. Live.

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: So viel Wissen, wie uns während der Schulzeit eingetrichtert wurde, waren wir, war zumindest ich später nie wieder ausgesetzt. Das kann doch nicht gut sein für junge Gehirne! Vor allem ist es ja nicht bei der Wissensvermittlung geblieben, es ging ständig mit Wissensabfrage einher. Keine Woche ohne irgendeine Klausur, einen Überraschungstest, einen Aufsatz, dazu täglich Hausaufgaben. Mein Studium war selbst in Hochdruckphasen nicht ein Zehntel so fordernd und strapaziös wie die verfluchte Schulzeit.

Hier sind exemplarisch einige Dinge aufgelistet, mit denen ich mich zwischen 1996 und 2000 allein in den Fächern Geschichte, Englisch, Biologie, Deutsch, Religion und Chemie befassen musste – und da lasse ich "große" und zweifelsohne wichtige Themenfelder wie die Französische Revolution, Kants Aufklärungsbegriff oder den Kohlenstoffkreislauf schon weg:

  • Verfassungsvergleich Paulskirchen- und preußische Verfassung von 1850
  • John Lockes System nach der "Notwendigkeit der Kontrolle staatlicher Gewalt"
  • Lothar Galls Einwände gegen Bismarcks Konzeption von Außenpolitik
  • Transport durch Biomembranen; Endocytose, Exocytose
  • alkoholische Gärung bei Hefepilzen unter Decarboxylierung
  • Bernhard von Clairvaux' "Vom Lob der Tempelherrn"
  • Nachweis von Halogenid-Ionen
  • Interpretation ausgewählter Werke von Paul Lisicky, Peter Porter, Langston Hughes
  • der Gedanke der Gottesebenbildlichkeit und seine Ursprünge in der altorientalischen Königstitulatur
Es ist irre, an wie viel ich mich nicht mehr erinnern kann. Offenbar gehörten einst Wörter wie Turgor, Zupfpräparat und Guttation zu meinem aktiven Wortschatz. Und wenn ich mir meine hundert Seiten Notizen und Berechnungen aus dem Mathe-Grundkurs ansehe, denke ich: Welches fieldsmedaillenwürdige Genie hat das denn gelöst? Außerdem denke ich: Mensch, vieles, was auf dem Lehrplan stand, ist gar nicht mal uninteressant! Gerade was Geschichte angeht, wünschte ich mir, ich hätte damals besser aufgepasst. Ich hätte erst mit Anfang 20 eingeschult werden sollen!

Nach wie vor sterbenslangweilig finde ich das meiste, was uns in Geographie vermittelt wurde, nämlich keineswegs spannende landeskundliche Fakten, sondern dröge Geologie. Ebenfalls kaum zu begeistern vermochte mich Biologie. Allzu oft war ich im Unterricht mit den Gedanken woanders, wovon die zahlreichen Scribbles in den Blättern aus der Sekundarstufe II zeugen:




Wenn mikroskopisches Zeichnen anstand, machte mir das dann aber weder Spaß noch konnte ich darin glänzen. Hierfür zum Beispiel habe ich 10 Notenpunkte bekommen, was sogar eine meine besseren Leistungen war:


Schwamm drüber, Strich drunter, Deckel zu.

Donnerstag, 24. April 2025

TITANIC vor zehn Jahren: 5/2015

Ein Cover, das vermutlich die meisten heute leider nicht mehr verstehen. Dass sich Hamburg 2015 für die Ausrichtung der Olympischen Spiele bewerben wollte bzw. nicht wollte (und nun voraussichtlich bewerben wird), hat man womöglich auf dem Schirm, aber an die Geschehnisse in einem sachsen-anhaltinischen Dorf erinnern zehn Jahre später nur vereinzelte Medien. Wir dachten damals, "Tröglitz" würde zu einer schandvollen Chiffre wie "Rostock-Lichtenhagen", "Solingen" und "Mölln" werden, aber ach!, schon bald sollte Tröglitz nur einer von vielen, vielen dunkeldeutschen Orten sein, aus denen ähnliche Taten vermeldet (bzw. irgendwann nurmehr unter "Vermischtes" verbucht) wurden.

Nach einer bitteren Anzeigenparodie von Tim Wolff und mir (S. 14/15) sowie Moritz Hürtgens Parodie auf die SZ-Protokolle des NSU-Prozesses (S.16ff.) dürfte die Laune der Lesenden dann vorerst auf dem Tiefpunkt angekommen sein. Sie wird gehoben dank der Fotostory um den tränenvollen "Volksseelsorger" Joachim Gauck ("Ein Quantum Gauck", Hauck/Wolff, S. 24ff.):


Auf S. 39 folgt der nächste Downer in Gestalt einer fünfseitigen Spezialausgabe des Lufthansa-Magazins, in welchem ich zusammen mit E. Hauck, M. Hürtgen und L. Riegel den von einem psychisch kranken Co-Piloten vorsätzlich herbeigeführten Absturz einer Germanwings-Maschine verarbeitete. Einer angemessen geschmacklosen bunten Strecke mit u.a. einem Domian-Interview und einem Gewinnspiel ("1. Preis: Ein Wochenende am Broadway für 2 Personen inkl. Hin- und Rückreise mit der Bahn und Tickets für das Musical 'Einer flog ins Kuckucksnest'; 2. Preis: Zehn Gratis-Stornierungen; 3. Preis: Ein unverwüstliches Kofferset von Samsonite ... Angehörige von Lufthansa- und Germanwings-Mitarbeitern sind aus Pietätsgründen ausnahmsweise nicht ausgeschlossen") ging ein Grußwort des Lufthansa-Chefs Carsten Spohr voraus:


"Die Entwicklung der 3D-Printer ist erstaunlich. Eben noch spuckten sie primitive Aschenbecher und Serviettenhalter aus, jetzt komplexe Aschenbecher und Serviettenhalter. Und was wird morgen sein?", fragte sich Ella Carina Werner und stelle auf der Doppelseite 32/33 "Schönes aus Kunstharz" vor. Besonders erfreut hat mich, dass das sagenhafte Inzest-Foto aus der Januarausgabe noch einmal verwertet werden konnte.


In die neue Folge von Elias Haucks Schnipselseite (S. 47) hat es diesmal eine Spende von mir geschafft: Es handelt sich natürlich um das "Ohne Worte"-Abreißkalenderblatt.

Noch einmal zurück zum Anfang des Heftes: Ich finde im Rückblick, dass jeder der drei "Abgelehnt"-Titel besser gewesen wäre als die tatsächliche U1!


Weiteres Notierenswertes
- April 2015 war der Monat, in dem Günter Grass starb (s. Editorial). Noch bevor ich die Todesnachricht im Internet las, hörte ich sie aus dem Munde Martin Sonneborns, denn ich absolvierte da gerade mein EU-Praktikum.
- Der Umblättercartoon im Essay stammt diesmal erneut von Stephan Rürup und ist ein echter Hingucker in Holzschnitt(!)-Optik.
- Ein Egner-Gemälde als Poster in der Heftmitte, das hat man auch nicht alle Tage!
- Eckhard Henscheid über den "Sonderfall Söder" (S. 36-38): "Heute schon prangt dings... äh: Söder, mit Würd' und Hoheit angetan, gerüstet zudemlich mit beinhärtester Chuzpe auf seinem güldenen Thron und Kothurn im Nürnberger Heimatmuseum bzw. vielmehr -ministerium. Und diese ganze mistige CSU-Bagage, diese verfickte, im fernen München, die hält er sich dort tadellos auf Distanz vom Leibe. Der Kopf von Söder ist zwar seit ca. 2012 frappant machtvoll ausgewuchtet, ja, wie verschiedentlich versichert wird, schon als ein rechter Saukopf zu deklarieren. Aber das ist übertrieben. Vielmehr gemahnen Air und Gesichtsmuskelspiel samt souveräner Grinsgrimassen an Donald Duck oder an eine Barbiepuppe oder aber auch an Schweinchen Schlau."
- Zum Glück führe ich penibel Buch über jeden einzelnen meiner Titanic-Beiträge. Nie im Leben wäre ich heute darauf gekommen, dass die Idee für Elias Haucks Cartoon "Kukident für Elefanten" (S. 57) von mir stammte. Aber so steht's geschrieben.

Schlussgedanke
Ein recht deprimierendes Zeitzeugnis, dieses Heftchen. Trotzdem gibt's wie gehabt ein paar solide Lacher. Note 4+.

Dienstag, 22. April 2025

Schlecht gealterte Quizfragen?

In einer "Jeopardy!"-Sendung vom März 2022 wurde eine Frage gestellt, zu der ein einordnender Hinweis eingeblendet wurde:


"Aufgezeichnet am 11. Januar 2022", mithin vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, als die Formulierung "serious border issues" weniger zynisch klang.

Am 15. April dieses Jahres nun wurde in der Kategorie "Bodies of Water" eine Frage zu Myanmar, welches Ende März von einem schweren Erdbeben heimgesucht worden war, gestellt und mit dem Hinweis versehen, dass die Show bereits am 25. Februar aufgezeichnet wurde:


Ich erinnere mich, dass Günther Jauch kurz nach dem verheerenden Seebeben in Südostasien Ende 2004 in einem Interview erklärte, dass bei "Wer wird Millionär?" keine Fragen zu diesem Thema gestellt würden. Hat ja auch niemand erwartet! Darüber, dass von Katastrophen gebeutelte Länder in Quizshows eine Zeitlang grundsätzlich tabu sein sollten, kann man jedoch streiten. Oder würde der Zuschauer ohne den Datumsverweis in der Myanmar-Frage denken: "Wie geschmacklos, das Land versinkt in Chaos und Leid, und die wollen was über irgendeinen Fluss wissen!"?

Jedenfalls sieht man an diesen Fällen, dass zu viel Vorlaufzeit bei TV-Produktionen ungünstig sein kann. Die Seite "TV Tropes" führt unter "Harsher in Hindsight" > Live-Action TV folgenden peinlichen "Jeopardy!"-Moment auf:

One of the answers on the May 19, 2020 show was "Bruce Wayne is missing and Ruby Rose dons the cowl as this title CW show who's no mere girl." The show is Batwoman (2019). This episode, taped in advance, aired the same day that Ruby Rose announced she was not returning for Batwoman's second season.

Autsch!

Sonntag, 20. April 2025

Neue obskure Kreuzworträtsel-Lösungen (Stücker 26)

  • Überwurf für Sitzmöbel: Husse
  • Pferdegangart: Piaffe
  • Strandwegerich: Andel
  • zangenartiges Messgerät: Kluppe
  • steile Bergerosionsrille: Runse
  • Kelchtücher in der Messe: Vela
  • Gittergewebe: Kanevas
  • Teil der Drehmaschine: Pinole
  • ein Gewebe: Welline
  • stark ölhaltige Schalenfrucht: Para
  • sächs. Stadt an der Saale: Merseburg*
  • früh. russ. Frauengewand: Sarafan
  • Umlenkrolle an Fördermitteln: Turas
  • einmastiger Küstensegler: Kaag
  • Urwaldvogel: Kagu
  • altgriechische Kopfbedeckung: Pilos
  • Faser der Kokosnuss: Coir
  • südamerikanisches Hokkohuhn: Mitu
  • altital. Volk: Etrusker**
  • junges Militärpferd: Remonte
  • Wassermelone: Arbuse
  • junges Zuchttier: Fasel
  • Flurstück, -streifen: Gewann
  • Teil der Husarenuniform: Dolman
  • neuntägige Andacht: Novene
  • pers.-kaukas. Langhalslaute: Tar
* Merseburg liegt in Sachsen-Anhalt
** Die Etrusker waren kein italisches Volk, sondern, nun, Etrusker halt


Freitag, 18. April 2025

Der rätselhafte Baumheiland

Weil Ostern ist, soll es heute um Jesus gehen, konkret: um dieses Heiligenbild, das ich auf einer Wanderung im Spessart fotografiert habe.


Ich bin in christlicher Ikonographie wenig bewandert, konnte aber immerhin herausfinden, dass der hier dargestellte Segensgestus der in den orthodoxen Kirchen gebräuchliche ist. Worauf ich mir keinen Reim machen kann, sind die Zeichen zur Rechten und zur Linken des Christushauptes:


Das obere linke könnte ein kleines Omega sein, aber was hat es mit dem N auf sich? Heißt es nach griechisch-orthodoxer Überlieferung etwa "Ich bin das Ny und das Omega"? These: Das ist kein N, sondern ein vereinfachtes hebräisches Aleph (א). Und was sind die Xe? Sind das womöglich keine Buchstaben, sondern nur Zierelemente? Man verzeihe mir, falls das dumme Fragen sind. Für Aufklärung wäre ich dankbar.

Mittwoch, 16. April 2025

Sohlmates

Sich von liebgewonnenen Schuhen zu trennen tut weh. Dieses Paar Slipper warf ich heute, weil es halt wirklich zu zerschunden und abgelatscht war, in den Müll, doch hier im Blog soll sein Andenken aufrecht erhalten werden:


Ich mochte diese Slip-ins sehr. Gerne würde ich sie nachkaufen (sie waren nicht teuer), aber ich fürchte, das Modell hat Jack & Jones längst ausgemustert. Hätte ich doch damals gleich ein zweites Paar mitgenommen! Aber wer kauft Schuhe doppelt, außer Wertanlagen-Wunderlinge und Imelda Marcos? Oh Mann, in diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass es von Vans mal eine Nintendo-Kollektion gab und ich es versäumte, mir ein Paar Super-Mario-Sneaker zu sichern, als ich die im Urlaub 2017 in einem Laden liegen sah. Das bereue ich bis heute.

Montag, 14. April 2025

Es graust die Sau

An nahezu jeder Rasthütte in deutschen Wäldern findet sich ein Hinweis, man möge den Platz so verlassen, wie man ihn vorzufinden wünsche, man verstaue Essens- und sonstige Reste im Rucksack und trage seinen Unrat mit nach Hause. Diese Bitten können auf mannigfache Weise erfolgen; großer Beliebtheit erfreut sich die Reimform. Bei einer Wanderung am Wochenende stießen wir auf folgendes Gedicht, das auf einer in circa 3 m Höhe an einem Baum angebrachten Tafel stand:
Ein Mensch, der aus der Stadt entfloh,
fühlt sich im Walde frei und froh
und läßt, erfüllt von diesem Glück,
hier Scherben und Papier zurück.
Ein Wildschwein schnüffelt durch den Wald
und findet die Bescherung bald.
"Ei", ruft die Sau, mir scheint hier hat,
geweilt der Vetter aus der Stadt.

Nehmen Sie Ihre Abfälle wieder mit nach Hause. Wald und Natur und die Gemeinde danken es Ihnen.
Das erscheint mir als Motivation, keinen Müll am Jausenhäusel zurückzulassen, etwas dürftig. Ein Waldbewohner erkennt, dass ein Mensch in seinem Habitat war so what? Das ist ja, als würde auf einer Klotür stehen: "Bitte nicht das Scheißhaus vollpissen, sonst denkt der nächste Benutzer: 'Aha, hier hat jemand alles vollgestrunzt.'"

Um zu unterbinden, dass ich während meiner Verschnaufpause mit Eierschalen und Keksverpackungen um mich schmeiße, müsste mir das Gedicht schon besser verdeutlichen, dass sich die Tiere von solchen Handlungen belästigt fühlen. Es würden ja schon zwei weitere Zeilen reichen, etwa:
"Dies ist nicht mehr mein Heimatforst!"
So weint die Sau, na "danke", Horst!
Oder:
Die ganze Rotte flieht den Tann.
Schäm dich, o schändlich Wandersmann!
Oder:
Die Bache seufzt: "Mein schönes Nest!
Ach, hätt' ich bloß die Schweinepest ..."
Oder:
Das Tier rutscht auf 'ner Schale aus
(Banane), jetzt liegt's tot vorm Haus.
Oder:
"Schluss!", grunzt das Schwein, "ich hab genug",
und wirft sich vor den nächsten Zug.

 

Samstag, 12. April 2025

Die neuen Bücher der Bücher sind da!

"Die vollständige Bibel ist im vergangenen Jahr in mindestens 16 Sprachen erstmals übersetzt worden", entnehme ich der Zeitung. Der Text von Altem und Neuem Testament liege damit in 769 Sprachen vor. "Damit hätten erstmals mehr als sechs Milliarden Menschen Zugang zum vollständigen Bibeltext in ihrer Muttersprache, erklärte der Bibelgesellschaften-Dachverband."

Ich wollte natürlich mehr wissen und besorgte mir bei der Deutschen Bibelgesellschaft die vollständige Liste der letztjährigen Erst- und Neuübersetzungen. Bei den 16 Sprachen, in denen erstmals Übersetzungen der vollständigen Bibel vorliegen (in sechs Fällen einschließlich der deuterokanonischen Schriften), handelt es sich um:

  • Badaga (dravidische Sprache, gesprochen in Tamil Nadu, Indien)
  • Bissa (Niger-Kongo-Sprache, gesprochen in Burkina Faso, Ghana und Togo)
  • Bunun (austronesische Sprache in Taiwan)
  • Burjatisch (mongolische Sprache, Autonome Republik Burjatien, Russland)
  • Galo (auch Adi oder Gallong, eine sinotibetische Sprache, gesprochen vom Volk der Galo in Arunachal Pradesh, Indien)
  • Hehe (Kihehe, eine Bantusprache innerhalb der Niger-Kongo-Sprachen; Tansania; gefährdet)
  • Jah Hut (austroasiatische Sprache auf der malaiischen Halbinsel)
  • Kagulu (Bantusprache in Tansania)
  • Lamani (Lambadi/Banjari, indoarische Sprache im Süden Indiens)
  • Lautu (Chin, sinotibetische Sprache in Myanmar)
  • Lyélé (Niger-Kongo-Sprache in Burkina Faso; gefährdet)
  • Papiamento (Kreolsprache auf den ABC-Inseln)
  • Purépecha (Phorhépecha, isolierte bzw. laut "Ethnologue" zu einer kleinen Familie namens Taraskisch gehörende Sprache in Mexiko)
  • Tojolabal (Maya-Sprache in Mexiko)
  • Wayuu (Wayuunaiki, Arawak-Sprache in Südamerika, v.a. Kolumbien)
Außer von Burjatisch hatte ich von keiner dieser Sprachen je gehört. Mit rund 2 Millionen hat Lamani die meisten Sprecher, während Jah Hut mit nur 4200 die kleinste Sprache in dieser Liste ist. Auch in der Aufzählung der Teilübersetzungen findet sich einiges Interessantes:

  • Das Neue Testament liegt jetzt auf Südsamisch vor, das in Norwegen und Schweden von nur 600 Menschen gesprochen wird.
  • Auch die je nach Quelle 870 oder 1600 Bewohner der Insel Enggano vor Sumatra können nun das NT in ihrer gleichnamigen Muttersprache rezipieren.
  • Bei zwei Übersetzungen in Sprachen, die in China gesprochen werden, steht in der Spalte "Language" der Eintrag "Confidential". Dahinter stecken gewiss politische Gründe.
  • Übertragungen des Lukas-Evangeliums und einiger anderer Bücher gibt es neuerdings für Ägyptisch-Arabisch (in der Liste als Egyptian Colloquial und mit 83.493.970 Nutzenden angegeben).
Und die Situation fürs Deutsche? "In der deutschen Sprache gibt es die vollständige Bibel in über 35 Übersetzungsvarianten von urtextnahen Versionen bis hin zu umgangssprachlichen Übertragungen." Ob da auch Shahak Shapiras "Hoylge Bimbel" in der "Vong-Sprache" berücksichtigt ist?

Donnerstag, 10. April 2025

Betr.: Wetter, Kreuzwortambiguität, Manisches, No Limit

Diese Woche ist wieder Wüstenklima in dem Sinne, dass – um altmodisches Wetterfroschsprech zu bemühen – das Quecksilber tagsüber auf sommerliche Werte klettert, während sich die Nächte derart abkühlen, dass man vergessen könnte, dass wir uns im Frühling befinden. Besonders raderdoll geht's im Alpenvorland zu. Ich blicke auf die Titelseite der Süddeutschen Zeitung und sehe für München die Vorhersage "tags 23° / nachts -6°". Warum nicht gleich tags 40 Grad und nachts minus 20?

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Seit Jahren rege ich mich über Uneindeutigkeiten im Kreuzworträtsel auf. Wenn nach einem Personalpronomen im Dativ mit drei Buchstaben gefragt ist und der erste Buchstabe sich nicht mit einer anderen Lösung kreuzt, ist es mir relativ egal, ob nach "mir" oder "dir" gefragt wurde. Fälle wie dieser machen mich jedoch fuchsig:

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Der Tagespresse entnehme ich, dass das in Hessen heimische Manische neuerdings zum Weltkulturerbe zählt. Die mal als Geheimsprache, mal als Dia-, mal als Soziolekt eingestufte Variante des Rotwelsch wird nur noch von wenigen Menschen in Gießen gesprochen. Die Gießener Allgemeine gibt eine kompakte Einführung.

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Möglicherweise gibt es derlei in Deutschland schon seit einer Weile, mir ist aber erst vor wenigen Tagen zum ersten Mal eine Werbung dafür begegnet: Mobildatentarife mit unendlichem Volumen. Aldi Talk bietet "ab 9,99 € pro 4 Wochen" einen vertraglosen Tarif an, der zwar mit 5 GB als Grundguthaben startet, aber unbegrenztes Nachbuchen inkludiert. "Endlich unendlich" stand über der Anzeige in der Bild. Das ist keine Werbung meinerseits, ich möchte nur festhalten, dass diese Art mobiler Datenbereitstellung, die ich bisher nur aus dem fortschrittlichen Ausland kannte, sich allmählich weltweit durchzusetzen scheint. Mich persönlich spricht die Offerte nicht an. Mein gegenwärtiger Tarif enthält, glaube ich, 3 Gigabyte, von denen ich allmonatlich kaum zwei Drittel verbrauche.

Dienstag, 8. April 2025

Geheim, aber nicht unheimlich: Nr. 4

Ich weiß, ich bin etwas late to the party, schließlich gibt es die Tomatensoßen namens "Geheimzutat", die Rewe in Kooperation mit Tim Mälzer entwickelt hat, seit fast einem Jahr. Mir war dieses Produkt durchaus schon kurz nach dem Launch aufgefallen, doch griff ich erst jetzt zu, als es für den Aktionspreis von 1,- Euro (!) zu haben war. Weil ich auf das verheißene Rauch-Aroma neugierig war, entschied ich mich für "N° 04":


Die Geheimniskrämerei um den Geschmack wird konsequent durchgezogen, aus der Zutatenliste wird man jedenfalls nicht schlau ("Gewürze"). Mein Urteil nach gewissenhafter Verkostung, bei der ich sogar, zumindest auf dem ersten Testteller, auf Reibekäse verzichtete: "Lecker!" (in Tim-Mälzer-Stimme gerufen).


Schön tomatig, fruchtig, würzig und, ja, rauchig, ohne aus allen Molekülen "Barbecue!" zu schreien. Dass die Sauce, die in 350-Gramm-Gläsern daherkommt, den Nutri-Score A erreichen konnte, spricht zusätzlich für sie. Beim nächsten Mal, wenn sie zum gesenkten Preis angeboten wird, werde ich eine der anderen Sorten mitnehmen. Nummer 2 ist einfach nur mit "Tomatensauce" gelabelt, Nr. 3 heißt "Stückige Tomatensauce".

Sonntag, 6. April 2025

Der gute Sonntagscast

Eine neue Folge von "Seitenstraße" ist draußen!

Darüber hinaus ist zu vermelden, dass wir nun auf der letzten großen Podcast-Plattform, auf der wir noch nicht waren, zu finden sind, nämlich auf jener, äh: Deezer.

Freitag, 4. April 2025

Albernes zum Wochenschluss

Aus der Kulturgeschichte des Schlafens

Er ist aus dem modernen Arbeitsleben nicht wegzudenken: der Powernap. Ob Personalmanagerin, Apnoetaucher, Fernfahrer oder Herzchirurgin – sie alle lassen sich ihren nachmittäglichen Minutenschlaf nicht nehmen. Wäre dies ein Beitrag auf "Welt kmpkt" oder so, würde jetzt der Satz folgen "Powernaps sind eine relativ junge Erfindung", oder aber: "Dabei gibt es den Powernap schon länger, als du denkst! Ein Forschungsteam der Universität Basel hat Tausende zeitgenössische Handschriften aus dem 10. bis 13. Jahrhundert ausgewertet und Anhaltspunkte dafür gefunden …"

Uff, denkt man da, das arme Forschungsteam. Das ist nämlich die Crux der Geisteswissenschaften im Allgemeinen und der historischen Soziologie im Speziellen: Jeden Scheiß muss man sich aus zahllosen, teils fragmentarischen Primärquellen zusammenklauben. Deswegen hier mein exklusiver ZEITZEUGEN-SERVICE ZUM THEMA SCHLAFGEWOHNHEITEN DES 21. JAHRHUNDERTS:
Hallo, Forschende der Zukunft! Hiermit versichere ich an Eides statt, dass der Durchschnittsmensch unserer Zeit zwischen 22 und 0 Uhr ins Bett geht und dann sieben bis neun Stunden am Stück schläft. Dieser Satz reicht bis in alle Ewigkeit als verlässliches Zeugnis aus; keine weitere Recherche nötig! Gern geschehen.
Jedenfalls weiß man heute, dass im Mittelalter das sog. biphasische Schlafen angesagt war. Spätestens Schlag neun legte man sich hin, gegen Mitternacht stand man wieder auf, sprach ein paar Gebete, arbeitete auf dem Feld oder schlachtete ein Huhn, dann ratzte man in einer zweiten Phase bis zum Morgengrauen. Halt! Hinlegen ist das falsche Wort; der Mensch des Mittelalters ruhte im Sitzen, aus Angst, man könnte in liegender Position sterben. Das schloss man daraus, dass die meisten Toten, die man kannte, sich in der Horizontalen befanden (Friedhof), sofern sie nicht gem. mos teutonicus vor der Bestattung zerkocht, ausgenommen und/oder zerstückelt worden waren. Die Leute im Mittelalter hatten schon tüchtig einen an der Klatsche.

Geschlafen wurde eng an eng bei höchstens 10 °C in einem Multifunktionsraum, man trug dazu Sackleinen, Keuschheitsgürtel und eine Schicht aus getrocknetem Lehm. Wer es sich leisten konnte, holte sich einen wärmenden Esel in die Stube. Esel schliefen damals mit weit aufgerissenen Augen und im Stehen (Quelle: irgendein Holzschnitt).

Mittwoch, 2. April 2025

Serientagebuch 03/25

02.03. Lost 1.10 (RW)
Lost 1.11 (RW)
03.03. The Hot Zone 2.06
American Rust 2.06
04.03. Family Guy 23.05
05.03. Phone Shop 1.01
06.03. American Rust 2.07
07.03. Phone Shop 1.02
Severance 2.01
Severance 2.02
09.03. Lost 1.12 (RW)
Lost 1.13 (RW)
10.03. Phone Shop 1.03
Severance 2.03
Sverance 2.04
11.03. Family Guy 23.06
American Rust 2.08
13.03. Person of Interest 3.15
24.03. American Rust 2.09
American Rust 2.10
25.03. Severance 2.05
26.03. Family Guy 23.07
Person of Interest 3.16
27.03. Phone Shop 1.04
28.03. Phone Shop 1.05
Phone Shop 1.06
29.03. Severance 2.06
Severance 2.07

Die erste Staffel der National-Geographic-Produktion The Hot Zone lief bereits 2019. Die auf dem gleichnamigen Sachbuch basierende Geschichte um einen Beinahe-Ausbruch von Ebola auf US-amerikanischem Boden lehrte mich damals gehörig das Fürchten. Die zweite Staffel befasst sich, gemäß dem Anthologie-Prinzip, mit einem ganz anderen, aber ebenfalls realen Fall: der Milzbrand-Panik von 2001. Obwohl ich die Entwicklungen und Ereignisse nach dem 11. September live und recht intensiv verfolgt habe, konnte ich mich an viele Details nicht mehr erinnern. "The Hot Zone: Anthrax" ist weniger Medizin-Thriller denn Forensik- und Crime-Thriller à la "CSI", aber deshalb nicht weniger packend. Die charismatische Hauptrolle hat Daniel Dae Kim inne, den ich zurzeit dank "Lost"-Rewatch wieder öfter sehe (dazu mehr, wenn es so weit ist). Dass der mittlerweile 87-jährige Ridley Scott zum Produktionsteam von "The Hot Zone" gehört, hatte ich auch schon wieder vergessen.

Die zweite und leider letzte Season der von Showtime zu Amazon gewanderten Romanumsetzung American Rust wirkte etwas unfokussiert: Mehrere Handlungsstränge mit gleicher Gewichtung liefen nebeneinander her, ohne zu einem befriedigenden Ende zusammenzufinden. Zudem legten mindestens zwei Figuren des umfangreichen Personalkabinetts unpassende und unglaubwürdige Verhaltensweisen an den Tag. Streckenweise wurde es mir auch zu kompliziert. Diesmal stehen Fracking, Rache, ein Gefängnistrauma, ein Undercover-Einsatz und eigenhändige Ermittlungen im Zentrum; uff.
An den schauspielerischen Leistungen gibt's abermals nix zu mäkeln, und die Rust-Belt-Stimmung transportiert sich nach wie vor überzeugend.

Die britische Workplace-Comedy Phone Shop von 2009 ist manchmal etwas "drüber": hysterisch, geschmacklos, pubertär. In ihren besten Momenten ist die erste Staffel, der bis 2013 noch zwei weitere folgten, jedoch unverschämt lustig und clever geschrieben. Ort des Geschehens ist ein Handyladen auf einer Londonder High Street. Es ist die große Ära der SMS, der Klingeltöne und des Tarifkampfes, Smartphones erscheinen zwar schon am Horizont, spielen im Alltag aber noch keine Rolle. Insofern ist "Phone Shop" eine kuriose Zeitkapsel; die meisten Gags würden aber auch in jedem anderen Setting funktionieren.

Montag, 31. März 2025

Grundsätzliches über Abreißkalender

An welchem Punkt in meinem streng strukturierten Tagesablauf reiße ich eigentlich das aktuelle Tageskalenderblatt runter? Ich will es verraten: So lange ich denken kann, tu ich dies am Morgen, vor oder nach dem Frühstück. Jetzt allerdings wurde mir klar, dass das von den Abreißkalendermachern so nicht vorgesehen ist. Man soll vielmehr am Abend eines jeden Tages – bevor man schlafen geht – weiterblättern. Am Ende von Tag X soll man mithin die Vorderseite des Blattes von Tag X+1 sehen. Indiz: Am Sonntagmorgen riss ich gewohnheitsmäßig das Blatt vom Samstag herunter und bekam dies präsentiert:

"Heute Nacht", i.e. in der Nacht von Sonntag zu Montag, erfolgte die Zeitumstellung aber nicht, sondern wie immer von Samstag auf Sonntag. Ich hätte somit, um rechtzeitig über den Beginn der Sommerzeit informiert zu werden, am Vorabend das Blatt vom 29. März entfernen müssen. Sorry, das bringe ich nicht über mich – dann zeigt mein Kalender ja ein paar Stunden lang ein falsches Datum an! (Es sei denn, ich gehe nach Mitternacht zu Bett.)

Noch etwas ist zu monieren. Der Igel fordert uns auf, "heute Nacht die Uhr um eine Stunde vor[zu]stellen". Wer tut das? Gewiss, offiziell springen die Stundenzeiger um Punkt 2 eine Stunde nach vorn, aber die Menschen im Lande bringen doch nicht zu dieser unchristlichen Zeit ihre Chronometer auf den korrekten Stand. In der Regel tun sie das am nächsten Morgen, Vormittag oder noch später. (Ich habe meine Armbanduhr wegen Verpeiltheit sogar erst am heutigen Montag vorgestellt.)

Auch das Kalenderblatt vom Freitag wollte bereits am selben Tag (Freitag) gelesen werden, bezieht es sich doch mit dem Wort "morgen" auf etwas, das am Samstag stattfinden würde.


Ich jedoch las den Text erst am Samstag und musste folglich glauben, die Earth Hour wäre für den Sonntag angesetzt. Dass die Earth Hour weder am 28. noch am 29.3. stattfand, sondern bereits eine Woche zuvor stattgefunden hatte (das war wohl nach Redaktionsschluss geändert worden), steht auf einem anderen, höhö, Blatt ...

Samstag, 29. März 2025

Die karibische Kartoffelkatastrophe

Ich wollte gestern Ducana zubereiten, ein beliebtes Gericht aus dem Inselstaat Antigua und Barbuda. Es handelt sich um rohe Klöße auf Süßkartoffelbasis, die eingewickelt im Wasserbad gesotten werden. Ich bediente mich folgender Rezeptur, wobei die Mengenangaben Idealwerte sind; die von mir verwendete Süßkartoffel wog etwas weniger, so dass ich die Masse der übrigen Zutaten (nach Dreisatz!) entsprechend anpasste. Mag dies den Ausschlag für das (Spoiler) Misslingen gegeben haben? Nun, hier jedenfalls die von mir durchgeführten Schritte, die zum gewünschten Ergebnis hätten führen sollen.

Ich schälte eine Süßkartoffel von 350 g (wie gesagt, de facto waren's etwas weniger) und raspelte sie mit einer Vierkantreibe. Kartoffeln schälen ist ja schon meine mit Abstand ungeliebteste Küchentätigkeit – weswegen ich maximal zweimal im Jahr Kartoffeln kaufe –, aber das minutenlange Reiben gab meiner Geduld und vor allem meinen Handgelenken den Rest ... und das waren gerade mal die ersten zwei Arbeitsschritte!


Danach wurde es zum Glück einfacher. Man fügt lediglich 200 g Kokosraspeln, 250 g Rohrzucker, 200 g Mehl, 1 TL Zimt, etwas Muskat und 400 ml Wasser hinzu. Manche Rezepte sehen auch Vanillearoma vor, zudem scheint es auf Antigua und Barbuda zwei Lager in der Rosinenfrage zu geben, ein Glaubenskrieg, der mit jenem in Großbritannien bzgl. Scones zu vergleichen ist (erst die Clotted Cream, dann die Marmelade, oder umgekehrt?). Ich habe, obschon Fan, die Rosinen weggelassen, denn die Masse, die man zusammenrührt, fällt süß genug aus. Mit den Händen formt man nun Bollen, die man auf ausreichend großen Stücken Alufolie ausbreitet:


Hier schwante mir bereits, dass der "Teig" viel zu flüssig geraten war, um einen schnittfesten Knödel zu zeitigen, und das, obwohl ich noch reichlich Mehl nachgeschüttet hatte. Doch wacker fuhr ich fort und umschloss drei Häufchen wasserdicht mit Folie. Traditionell werden übrigens Bananenblätter zum Umhüllen verwendet, jedoch frage ich mich, wie man damit ein Eindringen von Wasser verhindern soll, wenn man diese Technik nicht von der Pike auf gelernt hat. Das nämlich ist der finale Schritt: Die Päckchen werden in einen Topf mit kochendem Wasser gesetzt. Nach 25 Minuten – so lange soll es laut Anleitung dauern – nahm ich eines heraus und öffnete es: Die Masse war immer noch zähflüssig. Als sich auch nach einer Dreiviertelstunde keine Veränderung des Aggregatzustandes zeigte, betrachtete ich das Kochexperiment als gescheitert. Zugegeben, Ducana schmeckt köstlich, aber von der Rohversion mochte ich nicht mehr als ein paar Löffel zu mir nehmen. Wenigstens die Beilage konnte ich verzehren, bzw. das, zu dem das Ducana als Beilage dienen sollte: Rahmspinat. Solchen isst man in Antigua und Barbuda tatsächlich, neben Salzfisch, am liebsten zu den zuckrigen Knödeln. Den Spinat, nach einem französischen Rezept (épinards à la crème), hatte ich parallel zubereitet, allerdings recht mühelos mit dem Thermomix; die entsprechenden Schritte brauche ich nicht auch noch zu erwähnen. Man kann freilich eh zu den bewährten Tiefkühlprodukten, mit oder ohne "Blubb", greifen. Und die restliche Ducana-Masse? Landete nebst jeder Menge Aluminiumfolie im Mülleimer. Seufz.

Donnerstag, 27. März 2025

TITANIC vor zehn Jahren: 4/2015

Hurra, ein Titelgemälde von Rudi Hurzlmeier ...


... mit einer Zeile von der Redaktion und etwas, das wir Profis One-Two Punchline nennen: Nach der Hauptpointe kommt eine zweite Ebene, hier markiert durch die geringere Schriftgröße.

Ebenso stark finde ich den lange als Kandidat für die U1 vorgemerkten und ebenfalls handgezeichneten (von Leo Riegel) Rücktitel:


Ganz recht, lange vor Corona bewegte das Thema Impfen bzw. Verweigerung desselben vor zehn Jahren das Land. Die Rückkehr von Masern & Co. griff denn auch der Aufmacher des Aprilheftes auf. In der Rubrik "TITANIC Telefonterror" riefen Elias Hauck, Moritz Hürtgen und ich als Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums bei Privatpersonen "in den größten Problembezirken (Prenzlauer Berg, Berlin)" an und behaupteten, wir hätten über das Leitungswasser "Booster-Impfungen durchgeschickt".


Nachdem angekündigt worden war, dass das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin Anfang 2016, unmittelbar nach Erlöschen der Urheberrechte, eine kritische Edition von Hitlers "Mein Kampf" herausbringen würde, ging das Team Wolff/Hauck/Riegel noch einen Babyschritt weiter:


Ich mag diese rare Kollaboration sehr, das zeichnerische Zusammenspiel von Hauck und Riegel funktioniert prächtig.

Eine der letzten Gemeinschaftsarbeiten des zu diesem Zeitpunkt längst etablierten, geradezu legendären Duos Tietze/Rürup wiederum findet sich auf S. 44f.: Es geht um das defizitäre deutsche Katastrophenwarnsystem und die für 2015 angekündigte Warn-App.


Der diesmonatige "Das kommt mir doch bekannt vor"-Moment! Ganz Europa streitet im Jahr 2025 über Kriegstüchtigkeit, Wehrpflicht und Militärbündnisse. Und 2015? Forderte EU-Kommissionspräsident Juncker eine gemeinsame EU-Armee ("auch als Signal an Moskau", tagesschau.de). Moritz Hürtgen und ich veranschaulichten diese Vision auf der Doppelseite 34/35:


Neben Putins Truppen machte der Welt im letzten Jahrzehnt aber vor allem die Organisation Islamischer Staat Angst.


Ich möchte in diesem Zusammenhang auch an meinen Startcartoon hinweisen, den ich völlig vergessen hatte, aber ganz unbescheiden ziemlich schnafte finde.

Zu guter Letzt wiederhole ich mein Lob von vor ein paar Monaten für etwas, das in modernen Ausgaben leider vernachlässigt wird: Wegwerfgags in Form von Viertel- oder Achtelanzeigen in den "Briefen an die Leser", wie diese hier aus meiner Feder:


Weiteres Notierenswertes
- Beim Wiederlesen extrem erheitert hat mich Michael Ziegelwagners ebenfalls in den "Briefen" untergebrachte Parodie der SZ-Rubrik "Das Streiflicht" ("Das Steiflicht").
- Auf den Seiten 36 bis 39 kommt das heimliche Highlight des Heftes: die Wiedergeburt des unter Sonneborn regelmäßig geführten "Expertengesprächs" (damals mit dem zu früh verstorbenen Unikum Octo). Tom Hintner, Tim Wolff, Andrea Diener von der FAZ und ich (gute Güte, habe ich in diesem Monat viel gemacht!) diskutierten über Schlafkleidung. Allein für die Fotos lohnt sich die Anschaffung dieses Titanic-Exemplars. Offenlegung: Meine Gewohnheit hat sich seitdem geändert; ich trage heute selbst im Sommer fast ausschließlich Pyjamas.
- Den in der "Humorkritik" vorgestellten "Lieblingsvergleich" (S. 47) habe ich im Something-Awful-Forum entdeckt.
- Wir treten in die Ära von "55ff" ein, in der die Zahl der Beitragenden ins Alberne steigt. Acht Leute haben an dieser Ausgabe mitgewirkt, bei gerade mal zehn Beiträgen (wobei als Beitrag auch Miniaturen wie "Unsere Umlaute" zählen). Herrje!
- David Schuhs Abrechnung mit Matthias Opdenhövel ("Der unfaßbar normal Gebliebene", S. 58f.) darf als Klassiker der Mediennasenkritik gelten und wird u.a. von Stefan Gärtner zu Recht sehr geschätzt und immer wieder zitiert.
- Erste Folge von Heinz Strunks "Intimschatulle". Was für eine Wohltat, was für eine erfrischende Abwechslung nach zig Ausgaben "Strunk-Prinzip"!
- Ob Ernst Kahls altmeisterliche Heilands-Verunglimpfung (U3) wohl für einen veritablen Skandal gesorgt hätte, wäre sie prominenter platziert gewesen?

Schlussgedanke
Wow, ein herausragend eklektisches, wagemutiges, turbulentes Heft! Mein Favorit im laufenden Jahrgang bis jetzt.

Mittwoch, 26. März 2025

In der Schärfe liegt die Würze

Ich nasche gerne Wasabinüsse. Zahlreiche Produkte buhlen um meine Gunst, doch erfuhr ich vor Jahren aus einem Fernsehbeitrag – den ich auf Anhieb auf Youtube wiedergefunden habe; er stammte aus der Sendung "ZDFbesseresser" –, dass es sich bei den in unseren Supermärkten erhältlichen Sorten durchweg um Mogelpackungen handelt. "Von exotischem Wasabi kaum eine Spur", lautete das Resümee. "Um den scharfen Wasabigeschmack und die leuchtend grüne Farbe zu imitieren, trickst die Industrie ordentlich": Geringer Erdnussanteil, noch geringerer Wasabi-Anteil bis zum Nichtvorhandensein (Ersatz durch Senf- und sonstige Aromen plus Farbstoff; "Wasabi-Style" o.ä. schreibt man dann kleinlaut auf die Packung), und das bei teils völlig überzogenen Preisen.

Nun fiel mir ein französisches Produkt in die Hände, das nicht nur verblüffend preiswert war, sondern einen Wasabi-Anteil von 0,3 Prozent versprach! Zum Vergleich: Die Nüsse von "Rewe Beste Wahl" weisen "nur homöopathische 0,003 Prozent Wasabi" (Foodwatch) auf. Und wahrlich, das merkt man! Die Meerrettichnote ist so dominant, dass man gar nicht erschmecken kann, womit die grünen Bollen überhaupt gefüllt sind.


Entgegen dem, was der Serviervorschlag ("suggestion de présentation") nahelegt, stecken weder Aprikosen noch Pistazien in der Teigumhüllung, sondern ausschließlich Erdnüsse (arachides). Doch wie gesagt: Selbst wenn da etwa eine Trockenfrucht drin wäre, würde ich sie nicht erkennen. Obendrein ist der pikante Knuspermantel nämlich ziemlich dick. Dennoch beträgt der Nussanteil ordentliche 37 Prozent, das sind zehn Prozentpunkte mehr als in den Rewe-Nüssen.


Von der Packung werde ich noch lange zehren. Mehr als fünf dieser Snackeinheiten kriege ich nicht runter, bevor ich mit Tränen in den Augen nach Luft schnappe. Das weckt die Lebensgeister, das pustet die Nebenhöhlen durch – herrlich!

Montag, 24. März 2025

Lutetia, Brunswick & Co.

Im Jahr 2016 fotografierte ich diesen Leserbrief eines Herrn O. aus H. ab:


Dem Abschnitt über Nizza kann ich etwas hinzufügen. Zufällig kurz nachdem ich beim Handyspeicherausmisten auf dieses Foto gestoßen bin, hörte ich nämlich in einem Zug einen Mann telefonieren, der zwar italienisch sprach, aber sowohl "Nice" statt "Nizza" als auch "Menton" statt "Mentone" sagte! (Die italienische Form Mentone ist mir überhaupt bisher nur ein einziges Mal untergekommen, nämlich in einem Roman von Dorothy Sayers. Ende der 1930er Jahre war das, zumindest in England, offenbar noch die bevorzugte Schreibweise, obwohl Menton bereits 1861 Frankreich eingegliedert wurde.)

Selbstverständlich bin ich mir bewusst, dass Ortsnamen politischen Sprengstoff bergen können, man denke an aktuelle Debatten à la "Kiew vs. Kyjiw". Nicht selten spielt Subjektives, Biographisches, Persönliches hinein, wenn es um die Bevorzugung der einen oder der anderen Variante geht; Robert Gernhardt nennt im Bericht einer 1993 begangenen Estlandreise seine Heimatstadt konsequent "Reval". Generell halte ich es bei der Frage Exonym oder Endonyme pragmatisch. Ich sage "Bratislava", weil ich mir sicher bin, dass acht von zehn Gesprächspartnern mit "Pressburg" nichts anzufangen wüssten; ich sage "Danzig", weil mir das leichter von der Zunge rollt als "Gdansk"; und ich sage "Thiruvananthapuram" statt "Trivandrum", weil ich mich als Freund und Kenner von Bharat zu erkennen geben möchte, haha.

Samstag, 22. März 2025

Möhren

Möhren, Karotten, Mohrrüben ... Ich verwende die verschiedenen regionalen Bezeichnungen für die orangefarbenen Pfahlwurzeln wahllos durcheinander. So oder so bin ich kein riesen Fan des Gemüses. Wenn ich eine Möhre knabbere, fühlt sich das zwar stets gesund an, aber auch irgendwie falsch. Wie beim Verzehren einer rohen Paprikaschote bin ich jedes Mal froh, wenn es vorbei ist. Wie die Paprika hat freilich auch die Mohrrübe ihre Daseinsberechtigung. Bisweilen brauche ich eine oder zwei für ein Rezept. In solchen Fällen würde ich gerne eine oder zwei kaufen, leider gibt es, zumindest in den meisten Supermärkten, Karotten nur in Zehnkilosäcken. Wo und wie bewahrt man so viele Möhren auf? Diese Frage wusste der Aufdruck auf einem 1-kg-Beutel, den ich letzte Woche bei Rewe erstand, zu beantworten:


Ich liebe, dass das Wort "bitte" in Versalien gesetzt ist: Tun Sie die Möhren in den Kühlschrank, WIR FLEHEN SIE AN! Einwand: Wenn die Lagerung im Kühlschrank die bevorzugte ist, wieso steht auf dem Siegel rechts "kühlschrankgeeignet"? Das ist ja, als würde man auf eine Packung Grillwürste schreiben "UNBEDINGT IN DER PFANNE BRATEN", und daneben prangte ein Label "pfannengeeignet".

Donnerstag, 20. März 2025

Meine zehn zuletzt gesehenen Filme

Asteroid City
Dieses extrem wesandersonnige Wes-Anderson-Meta-Theaterstück von 2023 habe ich auf einem Flugzeugmonitor gesehen, was die Strahlkraft der grandiosen Cinematography ein wenig geschmälert haben mag. Die pastellfarbenen Bauten in der US-amerikanischen Wüste (wo genau eigentlich? Ich glaube, der Bundesstaat wird nie genannt) machen selbst im Briefmarkenformat was her. Zu den neckischen Details in diesem eindrucksvollen Setting gehört u.a. ein Roadrunner, der mit seiner berühmtesten Verkörperung in der Popkultur ("Meep-meep!") mehr gemein hat als mit einem echten Rennkuckuck. Auch an den Dialogen kann man sich erfreuen, und natürlich an dem schon fast übertrieben prominenten Cast.

The Watchers
... stand nicht unbedingt auf meiner Watchlist, vor allem weil ich in zwei Kritiken gelesen habe, dass dieser Mystery-Thriller "vorhersehbare" Twists aufweise, aber da er ebenfalls im In-Flight-Entertainment zur Auswahl stand, habe ich ihm eine Chance gegeben. Zunächst einmal: Ich habe keinen der Twists erwartet, ja ich habe kaum was erwartet, weil ich über die Handlung so gut wie gar nichts wusste. Man muss ihr einige Freiheiten zugestehen: Das Ausgangs-Szenario ist ein übernatürliches und wirft selbst bei erhöhter suspension of disbelief diverse Fragen auf, etwa "Wovon ernähren sich die 'Gefangenen'?", "Wo waschen sie sich?" etc. Womöglich hätte man auch das Ende etwas eindampfen können.
Trotzdem: Ich habe schon weitaus blödere Horrorstreifen gesehen. Die Waldatmosphäre ist angenehm gruselig, hier zeigt die von mir schon für "Servant" gelobte Regisseurin Ishana Night Shyamalan, was sie kann.

Ant-Man and the Wasp: Quantumania
Und schließlich nutzte ich das Bordprogramm (es war ein sehr langer Flug), um die Ant-Man-Trilogie abzuschließen, deren erste zwei Drittel mir ja viel Vergnügen bereitet hatten.
Bei Gott, ich habe innerhalb einer Franchise noch nie so einen Qualitätsabfall erlebt. "Ant-Man" 1 und 2 waren im besten Sinne familientauglich, "Quantumania" ist Kinderkram. Vor allem war das Spaßige an den Vorgängern, dass man die uns bekannte Welt aus einem ungewohnten Blickwinkel, dem eines auf Insektengröße geschrumpften Menschen, gesehen hat. Durch kreative Makroaufnahmen hat man die Wunder der Natur und des urbanen Raumes mit offenem Mund neu entdeckt. Teil 3 spielt fast von vorne bis hinten in der Quantenwelt, die zwar mit abgefahrenen Bewohnern gefüllt ist, zu der ich als Zuschauer aber keinen Bezug habe und auch nicht aufzubauen imstande bin. Von der Handlung zu schweigen: "Quantumania" stellte, wie ich Wikipedia entnehme, den Auftakt zur fünften MCU-Phase dar. Tja, von mir aus. Mich lässt das alles kalt. Paul Rudd nimmt mich mit seinem Charme und Humor nach wie vor ein, freuen kann man sich auch über Bill Murray, als Gesamtpaket sind diese zwei Stunden jedoch der reine Stuss. Kappes, Mist, Dummfug, vertane Lebenszeit. Immerhin Michelle Pfeiffer sollte man mit Preisen überhäufen. Mit GOLDENEN HIMBEEREN!

UHF – Sender mit beschränkter Hoffnung (OT: UHF)
Auch diesem Film habe ich mich unter besonderen Umständen ausgesetzt: Ich war hundemüde, musste ihn aber schauen, da er wenige Stunden später aus der Amazon-Prime-Videothek verschwand. Das tat ich zudem im Bett liegend, so dass mir wiederholt die Augen zufielen. Das, was ich mitbekommen habe, war aber sympathisch und gute Laune machend. Weird Al Yankovic spielt die Hauptrolle in dieser Komödie von 1989, in der übrigens auch die damals noch nicht abgedriftete Victoria Jackson einen größeren Part innehat. Das unbeschwerte Eighties-Feeling vermittelt sich so gut wie die Kino- und Radioleidenschaft aller Beteiligten. Nur bei wenigen Gags dachte ich 'Hm, würde man heute nicht mehr bringen'.

Lake George
Wieder mal ein Fall von "Wieso lief diese Perle völlig unter dem Radar???". Ich meine: Nichts, wo Carrie Coon und Shea Whigham mitspielen, kann wirklich schlecht sein. Dass "Lake George" nach seiner US-Kino- und VoD-Premiere Ende letzten Jahres jedoch so gut wie gar kein Echo fand (einen deutschen Release gab es meines Wissens nicht), ist eine Schande.
Genre: Thriller-Drama mit Romanzen-, Komödien- und Roadmovie-Anleihen.

Hallo Spencer – Der Film
Hier bin ich gewissermaßen befangen, weil ich mit zweien der Drehbuchautoren befreundet bin. "Hallo Spencer" enthält viel Schönes, reichlich Sentimentales, einiges Witziges. Von Letzterem mehr und Vorletzterem weniger hätte dem TV-Film gut getan und wäre, wie ich weiß, auch im Sinne der Macher gewesen. Dennoch: Es geht um eine vergessene Kinderserie, ausrangierte Klappmaulpuppen und einen alten Zeiten nachhängenden Künstler, da sind Nostalgie und Schwermut programmiert.
Die Sets sind herzallerliebst, Rainer Bock ist absolut glaubwürdig, und eine Gesangseinlage von Dirk von Lowtzow hat mich mehr berührt, als ich es für möglich gehalten hätte.

Susan … verzweifelt gesucht (OT: Desperately Seeking Susan)
Die "Susan" im Titel dieser in Amerika offenbar Kultstatus genießenden Verwechslungskomödie wird gespielt von ... Madonna (die in einer Szene zu einem Lied von Madonna tanzt). Die Hauptrolle hat Rosanna Arquette übernommen, in weiteren, kleineren Rollen sind Laurie Metcalf, John Turturro, Giancarlo Esposito und Steven Wright (!!!) zu sehen. Ha-ha funny ist Susan Seidelmans 1985er BAFTA- und Golden-Globe-nominiertes Werk nicht unbedingt, aber ich mochte die ausgeklügelte, wendungsreiche Handlung, die Roger Ebert angeblich "verwirrend" fand. Ich habe, glaub' ich, alles verstanden, nur einmal habe ich zwei männliche Charaktere verwechselt.

Albert Brooks: Defending My Life
Man macht sich hierzulande gar keinen Begriff davon, wie einflussreich und wichtig Albert Brooks für die US-amerikanische Comedy war. Sein bester Freund, der nicht weniger bedeutsame Regisseur Rob Reiner, hat dem inzwischen 77-Jährigen 2023 für HBO ein Denkmal gesetzt. Eine erhellende, abwechslungsreiche, zackige Doku mit vielen O-Tönen komischer Menschen und legendären Film- und Fernsehmomenten.

Kings of Hollywood (OT: The Comeback Trail)
Ein anderes Urgestein läuft in dieser schwarzen Klamotte zu später Höchstform auf: Robert De Niro hat diebische Freude in seiner Rolle als abgehalfterter Hollywood-Produzent, der über Leichen geht, um seine horrenden Schulden zu begleichen. Knittergesicht Tommy Lee Jones als Westernheld ist nicht minder herrlich. Morgan Freeman und Zach Braff sind auch am Start, und es gibt eine wunderbare Tom-Cruise-Parodie.

Der große Eisenbahnraub (OT: The [First] Great Train Robbery)
Zum Abschluss noch ein Klassiker. Im Laufe der Jahrzehnte erblickten mehrere "Eisenbahnraub"-Spielfilme das Licht der Kinowelt. Dieser hier ist die Michael-Crichton-Version von 1979: Crichton hat seinen eigenen Roman verfilmt (Drehbuch & Regie: Crichton), Sean Connery, der damals als Sexsymbol galt und dies auch nach gefühlt fünf Minuten qua Entkleidung beweisen muss, gibt den Gentleman-Dieb, Donald Sutherland seinen Komplizen. Ein launiger Caper-Movie, in dem lediglich die unnötige Tötung einer Nebenfigur die Gaudi bremst. Die vereinzelte Langatmigkeit wird im Laufe der 110 Minuten durch gefällige Actionszenen aufgebrochen.

Dienstag, 18. März 2025

Immer wieder King

Nachdem es schon vorgestern um die Kurzgeschichtensammlung "Ihr wollt es dunkler" ging, soll hier meine Gesamteinschätzung von Stephen Kings zuletzt erschienener Einzelveröffentlichung folgen. Ich habe wahrscheinlich schon einmal geschrieben, dass ich Kings Kurzprosa noch mehr schätze als seine Romane. Zumindest wurde ich noch nie von einem seiner Short-Story-Bände enttäuscht, während mir einige (wenige) der Langformriemen nicht ganz so sehr zusagten. Auch "You Like It Darker" ist mindestens solide. Ein bisschen "mehr vom Gleichen" hier, ein paar echte Überraschungen da (u.a. die Rückkehr einer Figur aus einem früheren Werk), dazwischen immer wieder Beweise dafür, dass der Altmeister es noch draufhat.

Ich kann und möchte die einzelnen Geschichten nicht mit Worten bewerten und benutze deshalb erstmals etwas, dem die Würze der Kürze innewohnt und das mich gleichzeitig zu entschlossenen Meinungen zwingt: Sterne! Sie mögen sowohl der Diskussionsanregung dienen als auch der Entscheidungsfindung, falls jemand nicht den ganzen Wälzer lesen möchte.

Zwei begnadete Burschen (Two Talented Bastids) ★★★★☆
Der fünfte Schritt (The Fifth Step) ★★★★☆
Willie der Wirrkopf (Willie the Weirdo) ★★☆☆☆
Danny Coughlins böser Traum (Danny Coughlin's Bad Dream) ★★★★★
Finn (Finn) ★★★☆☆
Auf der Slide Inn Road (On Slide Inn Road) ★★★☆☆
Das rote Display (Red Screen) ★★★☆☆
Ein Fachmann für Turbulenzen (The Turbulence Expert) ★★★☆☆
Laurie (Laurie) ★★☆☆☆
Klapperschlangen (Rattlesnakes) ★★★☆☆
Die Träumenden (The Dreamers) ★★★★☆
Der Antwortmann (The Answer Man) ★


Sonntag, 16. März 2025

In die Röhre gesprochen

In der Geschichte "Die Träumenden" in Stephen Kings letztem Kurzprosaband "Ihr wollt es dunkler" ("You Like It Darker") erwähnt der Ich-Erzähler, der als Stenograf beschäftigt ist, dass er bei seiner Arbeit gelegentlich eine Stenomaske tragen muss. 'Was zur Hölle ist eine Stenomaske?', fragte ich mich.

"Eine Stenomaske wird verwendet, wenn Gespräche zwischen mehreren Personen von einer anderen Person aufgezeichnet oder gedolmetscht werden, insbesondere beim Simultandolmetschen", weiß die Webseite Konferenztechnik.de. "Die dicht am Mund des aufzeichnenden Sprechers anliegende Maske lässt zum einen nur die Worte des aufzeichnenden Sprechers in die Aufzeichnung oder Übertragung einfließen und verhindert zum anderen einen akustischen 'Echoeffekt' durch das ständige Nachsprechen im selben Raum für die eigentlichen Gesprächsteilnehmer." Die Markteinführung folgte 1954 in den USA (die King-Geschichte spielt im Jahr 1971).

Noch nie in meinem Leben habe ich dieses Utensil im Einsatz gesehen, weder in der Fiktion noch im echten Leben. Es ist ein ulkiger Anblick, man denkt an Gasmasken, Aliens und Bane aus dem Batman-Universum. Überzeugt euch selbst: Bildersuche "Stenomaske".

Freitag, 14. März 2025

Albernes zum Wochenschluss

Lustiger Tipp zum Umgang mit Menschen
Man kennt das ja: Da äußert jemand einen nicht besonders klugen Satz, und ein sich clever wähnender Zeitgenosse entgegnet etwas in der Art von: "Ach was, Einstein?!" Viel besser als diese ironische Betitelung mit dem Namen eines berühmten Genies fände ich aber die völlig willkürliche Anrede mit berühmten Namen, und zwar in allen möglichen Situationen. Ist klar, was ich meine? Nein? Hier ein paar Beispiele:
- "Kannst du bitte noch lauter reden, Frau von der Leyen!"
- "Wohoho, Nikola Tesla hat angerufen!"
- "Du bist doch besoffen wie Clara Schumann!"
- "Tolle Hose, Brian Eno!"

(Original geschrieben am 5.10.2011)

Mittwoch, 12. März 2025

Immer wieder Jim

Die neue Ausgabe des Podcasts "The Dollop" befasst sich mit dem US-Schauspiler Jim Caviezel, der zuletzt mit dem mindestens fragwürdigen, weil mit QAnon-Fantasien unterfütterten Thriller "The Sound of Freedom" in die Kritik geriet (aber auch überaus erfolgreich war). Noch habe ich die Folge nicht gehört, bin aber schon gespannt auf wahnwitzige Caviezel-Fakten.

Ich habe ja immer noch die famose Network-Serie "Person of Interest" in der Mache und überlegte, nachdem die ideologischen Irrwege des "Passion Christi"-Stars ans Licht gekommen waren, ob ich damit nicht aufhören sollte. Nur, dachte ich, wäre das nicht ungerecht gegenüber all den anderen kreativen Köpfen, die an den fünf Staffeln mitgewirkt haben? Die Frage nach der Trennung von Werk und Künstler muss man von Fall zu Fall entscheiden. Sachen, in die Neil Gaiman involviert ist, kann ich inzwischen tatsächlich nicht mehr konsumieren, da wird mir schlecht. Fakt ist: Jim Caviezel ist in "Person of Interest" großartig und passt so perfekt in seine Rolle wie die übrigen Ensemblemitglieder in die ihren.

Fakt scheint auch zu sein: Der Mann hat schlicht nicht alle Murmeln beisammen. Schon vor Monaten habe ich einen Twitter-Thread mit Jim-Anekdoten gescreenshottet, und wann wäre eine bessere Gelegenheit, diese mit euch zu teilen? Viel "Vergnügen"!