Montag, 17. November 2025

Videospiele, die ich gespielt habe

Eieiei, seit meinem letzten Game-Rezensions-Rundumschlag hat sich einiges angestaut. Heute möchte ich endlich diejenigen Spiele, die ich in der Zwischenzeit mehr oder weniger intensiv gespielt (und nicht nur angespielt) habe, in aller Kürze rezensieren. Bilder spare ich mir.

An The Walking Dead: Season One hatte ich an anderer Stelle bereits die gelegentlich auftretenden Übersetzungsunfälle angemahnt. Abseits davon gibt es nicht viel zu meckern. Freilich: Wer hier adventuretypische Raterei oder ausgeklügeltes Gameplay erwartet, mag diese Versoftung ernüchternd finden. That's Telltale for you! Mit Herumprobieren, Bildschirmabsuchen und einem Minimum an Kombinationsgabe kommt man spielend (ha!) durch diesen Mix aus Adventure und interaktivem Film. Hin und wieder wollen Action-Einlagen, in Form von Quicktime-Events, bewältigt werden, auch in den Dialogen ist oft Schnelligkeit gefragt, wenn man sich in einem Gespräch für eine Option entscheiden muss – wobei es die eine richtige selten gibt. Das hat dann, teils episodenübergreifend, Auswirkungen auf den Storyverlauf, was meiner Meinung nach den Wiederspielwert allerdings nicht erhöht. Die Konsequenzen unterscheiden sich in ihrem "Härtegrad" nämlich kaum, will sagen: Egal was man tut, am Ende wird es eh schlimm. Ob ich jetzt Charakter X oder Charakter Y vergraule, ob ich einen Weggefährten der Zombifizierung überlasse oder ihm den Gnadenschuss gebe, es ist doch einerlei. In dieser (nie aufgesetzt wirkenden) Dramatik und überhaupt der allgegenwärtigen Düsternis und Trostlosigkeit ist "The Walking Dead" der Vorlage sehr ähnlich, zumindest der TV-Vorlage; über die Comicreihe kann ich nichts sagen, da ich nur deren ersten Teil gelesen habe. Ich fand die Atmosphäre streckenweise zu bedrückend, doch wo ich die Serie abgebrochen habe, weil sie mir zu pessimistisch, ja zynisch vorkam, werde ich der nächsten Season der Videospiel-Serie (insgesamt vier gibt es) eine Chance geben. Denn spannend war das solide geschriebene und gesprochene Abenteuer allemal.

Auch Open Roads krankte an schlampiger Übersetzung (ich berichtete), aber darüber sah ich hinweg, weil ich dem Genre "emotionale Reise mit Mystery-Elementen" prinzipiell wohlwollend gegenüberstehe. Und immerhin stammt "Open Roads" vom selben Entwicklungsteam wie dem von "Gone Home" und hat Annapurna Interactive als Publisher im Rücken, das uns schon Perlen wie "What Remains of Edith Finch" und "Twelve Minutes" brachte! Dennoch war ich von diesem Mutter-Tochter-Roadtrip nur mäßig begeistert. Die Dialoge und die Navigation durch diese erschienen mir allzu simpel. Die Rätsel sind nicht der Rede wert. Immerhin die Vermittlung des Zeitgeistes (2003 – herrje, das ist ja nun auch schon tiefste Urzeit!) und der Style im Allgemeinen wussten zu überzeugen, auch der Graphik, die nicht jedermanns Geschmack treffen mag (handgezeichnete Cutscenes!), konnte ich etwas abgewinnen.

Keineswegs nur ein besserer "Walking Simulator" ist dagegen Road 96. Hier geht es gameplay-mäßig durchaus zur Sache. Viele Konflikte lösen wir zwar verbal, aber nicht selten muss getüftelt, geknobelt und geforscht werden. Sogar Verfolgungsjagden oder Befreiungsmanöver unter Zeitdruck begegnen uns. Ob und wann, ist dabei unvorhersehbar. Denn das ist der Clou des Spiels aus dem französischen Studio DigixArt: Kein Durchgang gleicht dem anderen. Wir begegnen in jedem Akt als ein/e von mehreren Protagonist(inn)en abwechselnd einem von sieben wiederkehrenden NPCs, wir schlagen uns von Süden nach Norden durch, wobei schon die Wahl des Fortbewegungsmittels (Taxi, per Anhalter, auf Schusters Rappen ...) gravierende Auswirkungen auf die Zukunft hat. "Prozedural generierte Interaktionen" nennt sich das, und dieses Prinzip erhöht den Wiederspielwert natürlich ungemein. "Road 96" ist wie "Open Roads" und vergleichbare Titel in der jüngeren Vergangenheit angesiedelt, hier: den 1990ern, allerdings in einem Paralleluniversum, in welchem ein drastisch abgeriegeltes, klar an die USA angelehntes Land namens Petria von einem herzlosen Diktator regiert wird. Das Ziel der jugendlichen Hauptfiguren: es bis zur Grenze schaffen und diese überqueren. Auf Facebook durfte "Road 96" nicht beworben werden mit der Begründung, es sei "zu politisch", sprich: im aktuellen Klima wohl zu linksradikal bis anarchieverherrlichend.
Von allen Games in dieser Vorstellungrunde ist "Road 96" mein Favorit, nicht nur unter narrativen Gesichtspunkten. Die Unity-Engine wird optimal eingesetzt, die Stimmen sind super, Easter Eggs und Achievements erfreuen das Zockerherz, und der Soundtrack ist ein einziger Banger!

Dredge könnte so etwas wie ein "Stardew Valley" auf dem Ozean sein – abzüglich der sozialen und Rollenspiel-Elemente. Das zunächst beschaulich erscheinende Angel-Abenteuer, bei dem wir sammeln, basteln, verkaufen, unseren Fischkutter aufrüsten, Inseln entdecken und die Weite des Ozeans erkunden, hat mich leider nicht lange gefesselt. Das Einholen der Meerestiere und das titelgebende Dredgen sind nämlich äußerst anspruchsvoll. Das Hauptproblem besteht jedoch darin, dass die In-game-Tage schlicht zu kurz sind. Kaum haben wir unter Aufbietung all unserer Controllerbeherrschungsskills zwei, drei Fische gefangen, dämmert es und Unheil droht. In der Nacht ziehen nämlich namenlose (lovecraft'sche?) Schrecken auf, die unseren Verstand über Bord gehen lassen. Auch unser Kahn will permanent umsorgt werden, denn jeder Navigationsfehltritt führt zu die Steuerung erschwerenden und kostspieligen Beschädigungen.
Sorry, aber dieses Werk von Team17 (ganz recht: dem legendären, 1990 gegründeten Team17) tut weder meinem Seelenfrieden noch meinen Fingergelenken gut. Zum Glück war es im Game-Pass enthalten.

Auch das Ozean-Erforschungs-Simulations-Adventure Under the Waves kann schnell in Stress ausarten und hat mich zudem in anderer Hinsicht überfordert: Die Steuerung und das Zurechtfinden in der Tiefsee übersteigen bisweilen meine Kompetenz. Wer einen ähnlich schlechten Orientierungssinn hat wie ich, wird sich wiederholt "Wo zur Hölle bin ich und wo muss ich hin?!" fragen. Die Missionen sind an sich unterhaltsam und motivierend, lassen jedoch selten Zeit für freies exploring oder Nebenaufgaben wie das Fotografieren der Tierwelt. Wie bei "Dredge" gehen die Tage viel zu rasch vorbei. Habe ich nach getaner Arbeit an meiner Unterwasserstation angedockt und mich in mein behagliches, einsames Quartier zurückgezogen, fühle ich mich aber irgendwie heimisch; beim Herumschlendern in meinem beengten Nest kamen Erinnerungen an "Firewatch" auf. Auch hier erfolgt mein einziger Kontakt zur Außenwelt über ein Funkgerät. Obendrein scheint es wie bei jenem um ein unverarbeitetes Trauma zu gehen. Ihr merkt: Ich stecke bei "Under the Waves" noch ganz am Anfang. Im Gegensatz zu "Dredge" werde ich es weiterspielen, denn ich habe dafür Geld ausgegeben. Außerdem spielt es technisch einige Ligen darüber, denn "Dredge", das vergaß ich klarzustellen, reißt optisch keine Bäume aus.

Ebenfalls noch lang nicht durch bin ich mit Little Nightmares II. Ich stecke momentan fest. Dass die Fortsetzung des Puzzle-Platformers von 2017 mehr Nervpassagen beinhalten würde, hatte ich im Vorfeld gelesen. Meine Geduld wird nun aber derart strapaziert, dass ich ans Aufhören denke. Wären diese übertrieben schweren Stellen nicht, würde das fiese, verstörende, visuell (alb)traumhafte Horror-Game bei mir genau die richtigen Knöpfe drücken. Aber dass ich ständig die richtigen Knöpfe in der jeweils exakt passenden Zehntelsekunde drücken muss, ist zu viel verlangt!

Samstag, 15. November 2025

Is It Carrot Cake?

Ich liebe Rü(e)blitorte. Auf die Idee, selbst eine zu backen, war ich jedoch noch nie gekommen, bis ich zufällig auf ein Rezept namens "Schneller Rüblikuchen" gestoßen bin. Das Rezept ist eines für den Thermomix, kann aber vermutlich mit jeder beliebigen Küchenmaschine umgesetzt werden, die in der Lage ist, Möhren und ganze Mandeln zu zerhacken.

Man muss nämlich (in einem Rutsch!) zerkleinern und vermengen (Thermomix-Einstellung: 30 Sekunden auf Stufe 6): 250 g Karotten (in Stücken), 1 Apfel (in Vierteln), 200 g Mandeln, 5 Eier, 50 g Sonnenblumenöl, 150 g Zucker, 200 g Mehl, 2 TL Backpulver und 1 TL Zimt. Dann gießt man den Teig in eine mit Backpapier ausgelegte Springform und bäckt ihn im vorgeheizten Ofen bei 200 Grad ca. eine halbe Stunde (ggf. nach 20 Minuten die Form mit Backpapier abdecken). DAS WAR'S!

Was soll ich sagen? Dafür, dass dieser Kuchen derart flott und einfach zuzubereiten ist, schmeckt er mindestens akzeptabel! (Mini-Marzipan-Möhren hätte ich noch oben drauf legen sollen, mjamm!) Vielleicht werde ich hier aber in Zukunft gelegentlich raffiniertere Backrezepte teilen.

Donnerstag, 13. November 2025

Die Bibel für alles Mediterrane

Es gibt keine Entschuldigung dafür, dass ich als Inselfreak diesen Prachtband bis vor ein paar Wochen noch nicht in meinem Bücherregal stehen hatte: "Die Inseln des Mittelmeers" von Charles Arnold (Hg.).


Von seiner Existenz weiß ich schon lange, und vor etlichen Jahren hatte ich ihn mir auch schon mal aus der Bibliothek ausgeliehen, aber erst neulich dachte ich mir: Mensch, den musst du doch eigentlich besitzen. Nun besitze ich ihn.

Man muss vorausschicken, dass das Buch zwangsläufig nicht jede Mittelmeerinsel behandeln kann. Mehr als 1000 Inseln (Definition: "alle vom Wasser umgebenen Landflächen von mehr als einem Zehntel Quadratkilometer") werden lediglich namentlich und mit Lage und Größe aufgeführt, so etwa die recht berühmte französische Île d'If. Nicht wenige Eilande befinden sich in Privatbesitz; über jene dürfen vermutlich gar keine näheren Informationen, geschweige denn Besuchstipps herausgegeben werden.


Die 218 wichtigsten Inseln, und das heißt: alle größeren mit Übernachtungsmöglichkeiten, werden auf je einer Einzelseite mit allerlei nützlichen Informationen vorgestellt.


Locker über das Buch verteilt sind mehrere Aufsätze, z.B. zur Pflanzenwelt oder zur Entwicklung des Tourismus. Im Anhang finden sich ein umfangreicher Statistikteil sowie Satellitenaufnahmen aller relevanten Gebiete des Mittelmeers.


Ansprechende Fotos runden das Werk ab, welches ich hiermit allen, die sich irgend für Inseln begeistern können, wärmstens ans Herz lege.

Dienstag, 11. November 2025

"Bald" nun ist Weihnachtszeit

In den Chor derer, die den alljährlich weiter nach vorn rückenden Verkaufsstart für saisonales Naschwerk beklagen, mag ich nicht einstimmen. "Spekulatius im August! Christstollen im September! Fondant-Dotter im Januar!" – ja ja, wir haben's zur Genüge gehört. Was mir jedoch dieses Jahr auffällt, scheint mir dokumentierenswert: Bereits jetzt, Anfang November, ist an vielen Stellen Weihnachtsdekoration zu sehen. Auf einer Imbissbude im Frankfurter Hauptbahnhof stehen mindestens seit letzter Woche Rentiere und winterliche Ornamente. Am Oberdeck eines Parkhauses in der Innenstadt hängen silbern glitzernde Lichterketten. Diverse Schaufenster sind entsprechend geschmückt. So einen regelrechten Festtags-Drang kannte ich bisher nur aus anderen Ländern. Tannengrün vor dem 1. Advent, das war doch bislang bei uns undenkbar. Es macht den Eindruck, als könnten es die Deutschen heuer kaum erwarten, dass es weihnachtlich wird, als sehnten sie die besinnliche Zeit nicht nur herbei, sondern wollten sie mit aller Gewalt manifestieren.

Wenn ich dran denke, werde ich nächstes Jahr das erste Auftauchen von Xmas-Deko fotografisch festhalten. Ich könnte mir im Übrigen vorstellen, dass man hierzulande demnächst auch das Erntedankfest nach amerikanischer Art begeht, quasi als Nachvornverlängerung der Weihnachtszeit. Halloween, Thanksgiving, Nikolaus, Heiligabend, Silvester, zwei Monate lang "Happy Ho-Ho-Holidays!" – ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll.

Sonntag, 9. November 2025

Ein rätselhafter Screenshot

Des öfteren knipse ich Zeitungsmeldungen ab oder mache Bildschirmfotos von Online-Schlagzeilen, um sie später auf Bluesky witzig zu kommentieren oder sie hier im Blog, mit launigen Sprüchen versehen, zu zeigen. In seltenen Fällen vergesse ich jedoch, was ich mit dieser oder jener Überschrift oder Nachricht vorhatte.Auf meiner Festplatte fand ich heute einen Screenshot mit dieser Zeile vom 25. September:
"Modern Family"-Star: Sofía Vergara verpasst Emmy-Verleihung wegen Augenallergie
Was hat mich daran amüsiert? Als ich den Ausschnitt speicherte, muss ich mir ja irgendwas dabei gedacht haben, aber was immer es war, jetzt ist es weg. Wollte ich vielleicht anmerken: "Verständlich, bei öffentlichen Preisverleihungen sind sehr viele Augen zugegen, da will man nicht hin, wenn man eine Augenallergie hat!"? Reichlich flach. Es sollte eigentlich eine Fingerübung für mich darstellen, mir zu einer Nachricht etwas Originelles einfallen zu lassen. "Hey, meine tränenden Augen sind hier oben!" Ach, keine Ahnung.

Freitag, 7. November 2025

Neues Altes (Juli-Oktober '25)

  • Grab des ersten Mayakönigs von Caracol entdeckt (scinexx.de) Es handelt sich um Te K’ab Chaak, der im Jahr 331 den Thron bestieg und "zum Begründer einer mehr als 460 Jahre lang regierenden Königsdynastie" wurde. In dem Grab, in dessen Nähe sich drei weitere Gräber hochrangiger Mayas fanden, lagen zahlreiche Beigaben, "darunter Jadeschmuck und eine kunstvolle Totenmaske in Form eines Jadeit-Mosaiks, sowie geschnitzte Knochenflöten, vom Pazifik stammende Muschelschalen und elf verzierte Keramikgefäße".
  • Archäologen entdecken antiken Schmuck aus der Römerzeit mit besonderer Bedeutung ("Focus online", 22. Juli) Das Trilobiten-Amulett wurde auf der Müllhalde des Domus einer offenbar wohlhabenden römischen Familie in Galicien gefunden, wobei das Fossil nicht von dort stammt, "sondern aus einer Region wie Kastilien-La Mancha oder Extremadura, etwa 430 Kilometer südöstlich. Das Forschungsteam vermutet, dass das Fossil über Handelswege nach Galicien gelangte." Womöglich schrieb man dem intentionell bearbeiteten Gliederfüßerüberrest magische, schützende Wirkung zu.
  • Familienrezepte bei Neandertalern? Neue Studie deutet auf Traditionen hin (stern.de, 23. Juli) "'Die feinen Unterschiede in den Schnittmustern zwischen [den 70 km voneinander entfernten Höhlen Amud und Kebara im Norden Israels] könnten lokale Traditionen in der Zerlegung von Tierkadavern widerspiegeln', sagt die Studienleiterin Anaëlle Jallon von der Hebräischen Universität Jerusalem. Demnach wurden die Traditionen über Generationen weitergegeben".
  • Rätselhafte Riesenschuhe in römischem Kastell entdeckt (Telepolis, 27. Juli) Die Größe der Schuhe der am Hadrianswall in Northumberland gefundenen Kollektion entsprechen der modernen britischen Größe 41 bis 42. "Emma Frame, leitende Archäologin der Magna-Ausgrabungen, vermutet: 'Wir müssen davon ausgehen, dass es etwas mit den hier lebenden Menschen zu tun hat, die größere Füße und möglicherweise auch eine größere Statur hatten [...]'", was "bedeuten würde, dass einige Angehörige der Militärgemeinschaft in Magna tatsächlich sehr groß gewesen sein müssen. [...] Es könnte jedoch auch andere Erklärungsansätze geben. Könnte es sich beispielsweise um eine Art Schneeschuhe oder Winterstiefel handeln, die zusätzliche Polsterung oder mehrere Paar Socken erlaubten? Ein Brief, der unter ähnlichen Bedingungen wie die Schuhe in Vindolanda erhalten blieb, erwähnt ein Geschenk aus Socken und Unterhosen, das an jemanden geschickt wurde, der dort stationiert war", etwa einem Bogenschützen aus dem wärmeren Syrien, für dessen Anwesenheit es ebenfalls Belege gibt.
  • Coptic City Unearthed in Egypt's Western Desert (Archaeology Magazine, 29. Juli, englisch) Wohnhäuser, Gräber und zwei Kirchen wurden in der ägyptischen Kharga-Oase freigelegt und zeugen von frühem christlichen Leben.
  • Größtes Werkzeug: Archäologen entdecken im Hohle Fels Meißel aus Elfenbein (SWR, 31. Juli) Ein "Team um Archäologie-Professor Nicholas Conard [hat] das einzigartige Objekt im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren als 'Fund des Jahres' präsentiert. [...] 'Mit diesem Fund wird die allgegenwärtige Bearbeitung von Elfenbein immer deutlicher', erklärt Conard. Bisher haben die Archäologen Endprodukte aus Elfenbein gefunden, Schmuckstücke oder Figuren. 'Jetzt finden wir das Werkzeug und Hinweise, dass der Hohle Fels zum Beispiel eine ganze Elfenbein-Werkstatt war.' Die Archäologen der Universität Tübingen sprechen deshalb bereits von einem Elfenbein-Zeitalter für die Periode von vor 43.000 bis 35.000 Jahren."
  • Ältestes Altenheim der Welt entdeckt (israelnetz.com, 21. August) In der antiken Stadt Hippos nahe dem See Genezareth wurde ein Mosaik aus dem 4./5. Jh. freigelegt, das "die Inschrift 'Friede sei mit den Ältesten'" enthält. "Um die Schrift herum sind Bilder angeordnet von Seerosen, Zypressen, Früchten und Gefäßen. Aus der prominenten Lage des Mosaiks am Eingang eines öffentlichen Gebäudes schließen die Forscher, dass die Inschrift damals für die Eintretenden gut sichtbar war. Sie gehen davon aus, dass die Institution ein gemeinschaftliches und spirituelles Zentrum war, das die sozialen Werte der christlichen Stadt widerspiegelte."
  • Menschen haben schon vor 9200 Jahren Getreide mit Steinsicheln geerntet ("Spiegel online", 26. August) Ausgrabungen in der Toda-Höhle im Süden des heutigen Usbekistan legen nahe, "dass die Ernte von Wildgetreide viel weiter verbreitet war als vermutet. Denn dort – Tausende Kilometer nordöstlich des Fruchtbaren Halbmonds etwa auf der Breite von Athen gelegen – fand das Team Steinwerkzeuge, Holzkohle und Pflanzenreste." Die Bearbeitung der somit "ungeplanten" Domestizierung erfolgte mit Steinklingen.
  • „Die Leichen wurden gehäutet und entfleischt, ihre Knochen gekocht“ ("Welt online", 1. September) "Vor rund 5700 Jahren hat in [der nordspanischen Karsthöhle] El Mirador ein regelrechtes Gemetzel stattgefunden, wie Archäologen und Anthropologen jetzt in den 'Scientific Reports' berichten. Unter den Opfern waren sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene. Womöglich wurde eine ganze Familie oder Gruppe ausgelöscht."
  • Als der Mensch sich das Pferd zum Nutztier machte, waren zwei Gene entscheidend ("Welt online", 4. September) Das eine ist für die Stresstoleranz der Tiere zuständig und hat damit Einfluss auf die Domestizierbarkeit, das andere steht "sowohl mit der Anatomie von Rücken und Wirbelsäule als auch mit der Ausdauer in Zusammenhang". Die Forschungsgruppe "hatte das Erbgut von 86 Pferden aus verschiedenen Teilen der Welt und von einem Esel auf 266 verschiedene genetische Eigenschaften analysiert und aus den Ergebnissen einen Stammbaum abgeleitet", der 5000 Jahre in die Züchtungsvergangenheit zurückreicht.
  • Wegweiser in der Wüste: 12.000 Jahre alte Tierabbildungen entdeckt (mdr.de, 2. Oktober) In der arabischen Nefud-Wüste hat ein Forscherteam 60 Felskunsttafeln mit 176 Gravuren entdeckt. Die teils beinahe 13.000 Jahre alten, naturalistischen Abbildungen mit Maßen von bis zu 3 Metern Länge und 2 Metern Höhe zeigen "hauptsächlich Kamele, Steinböcke, Pferde, Gazellen und Auerochsen", die mehr als "künstlerischer Ausdruck waren: '[...] sie waren wahrscheinlich Aussagen über Präsenz, Zugang und kulturelle Identität.' [...] 'Die Felskunst markiert Wasserquellen und Bewegungsrouten und symbolisiert möglicherweise territoriale Rechte und generationsübergreifendes Gedächtnis.'"
  • Kolosse auf Wanderung ("Spiegel online", 9. Oktober) Die Moais auf der Osterinsel sind gewandert! In einem praktischen Experiment wurde eine gewichtsgleiche Kopie von "drei Gruppen bestehend aus je einer Handvoll Menschen abwechselnd an Seilen, die den Koloss umschlingen und ihn dadurch nach vorn schaukeln", in Trippelschritten über eine beachtliche Strecke transportiert. "Die aktuelle Studie widerspricht damit anderen Theorien, laut denen die Statuen auf Holzstämmen verladen und vorwärtsgerollt wurden."
  • Der Nazi-Adler hinter der Rigipswand ("Welt online", 13. Oktober) Zum Schluss keine wirkliche Neuigkeitenmeldung, aber ein dennoch lesenswerter Kurzaufsatz zu durch Naturgewalten ans Licht gekommene historische Zeugnisse.

Donnerstag, 6. November 2025

Die Quittung gekriegt

Überaus entzückt war ich, als ich neulich diesen portugiesischen Brotaufstrich sah:


Erklärung: Unser deutsches Wort Marmelade ist eine Entlehnung aus ebenjenem portugiesischen Wort marmelada, das auf der Schachtel steht. Das wiederum ist eine Ableitung von marmelo "Quitte" und hat die Bedeutung "Quittenmus". Und genau um dieses Produkt handelt es sich! Marmelada hat sich also die ursprüngliche, enge Bedeutung bewahrt, und Quittenmarmelade heißt eben nicht, analog zu bspw. marmelada de laranja (Orangenmarmelade), "marmelada de marmelo".
Nichtlinguistinnen mögen jetzt mit den Schultern zucken, aber ich kann mich über so etwas freuen wie Bolle.
Geschmeckt hat's übrigens so mittel.

Dienstag, 4. November 2025

Serientagebuch 10/25

01.10. Futurama 10.01
02.10. Alien: Earth 1.05
03.10. 19-2 2.01
Futurama 10.02
04.10. How Are You? It's Alan (Partridge) 1.01
05.10. How Are You? It's Alan (Partridge) 1.02
19-2 2.02
06.10. Futurama 10.03
07.10. The Simpsons 37.02
08.10. Alien: Earth 1.06
09.10. How Are You? It's Alan (Partridge) 1.03
11.10. Lost 2.09 (RW)
13.10. The Paper 1.05
Alien: Earth 1.07
How Are You? It's Alan (Partridge) 1.04
14.10. Futurama 10.04
How Are You? It's Alan (Partridge) 1.05
15.10. Alien: Earth 1.08
16.10. 
How Are You? It's Alan (Partridge) 1.06
19.10. 
19-2 2.03
21.10. 
19-2 2.04
23.10. 
19-2 2.05
25.10. 
19-2 2.06
26.10. 19-2 2.07
19-2 2.08
28.10. 
19-2 2.09
29.10. 19-2 2.10

Obwohl ich im Oktober keine einzige Folge South Park gesehen habe, muss ich die 27. Staffel hier und jetzt rezensieren, da kurzfristig entschieden wurde, diese nach der gerade mal fünften Episode enden zu lassen und nicht mal einen Monat später mit der 28. Staffel zu beginnen. Das verstehe, wer will.
Wie für viele andere stellte Season 27 für mich eine absolute Glanzleistung dar: Die Serie hat wieder zu sich gefunden, ist so ätzend, geschmacklos und caustic, wie es die Umstände nötig machen. Den derzeitigen Präsidenten kann und sollte man kein Deut respektvoller behandeln und darstellen, als wie es hier getan wird; die krudesten satirischen Mittel sind gerade angemessen, und Trump als South-Park-Hussein 2.0 reinkarnieren zu lassen, ist nachgerade genial. Der Story-Arc um Trump, Vance, Satan & Co. ist denn auch das Beste an dieser Mini-Staffel und entschädigt für einzelne schwächere Subplots (wer wird sich in einem Jahr noch an Labubus erinnern?). So kann es weitergehen! Und geht es auch, sofern der gestern von mir gesehene Auftakt von Season 28 aussagekräftig ist.

Die Prequel-Serie Alien: Earth gehört, und auch mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da, zum Großartigsten, was dieses Jahr im Bereich High-Prestige-Drama vorgelegt wurde (und so viel gibt es davon zwischen all der mittelmäßigen Stangenware gar nicht mehr, oder?). Schon die erste halbe Stunde zieht einen direkt in den vertrauten und geschätzten Kosmos des Originalspielfilms hinein, fängt dessen Atmosphäre, den Look & Feel perfekt ein. Noah Hawley kann's anscheinend doch noch! (Er schreibt übrigens auch Bücher; seinen Thriller "Vor dem Fall" habe ich letztes Jahr gelesen und fand ihn so lala.) Dass die Hauptprotagonisten Kinder in Erwachsenen- bzw. Teenagerkörpern sind ("Hybriden"), mag bisweilen verstören, aber die eigentlichen Stars sind ohnehin die grauslichen Kreaturen. Wer befürchtet, dass man zu lange warten muss, bevor man einen klassischen Xenomorph zu Gesicht bekommt (vgl. "Prometheus"), wird beizeiten eines Besseren belehrt. Überraschend war, dass das "Wunderkind" Boy Kavalier (die Namen sind mitunter leicht doof) mich nicht so sehr nervte, wie die von dem Timothée Chalamet für Arme verkörperte Figur es drauf anlegte.

And suddenly ... eine neue Alan-Partridge-Serie! How Are You? It's Alan (Partridge) ist abermals etwas völlig Anderes als die vorangegangenen Produktionen um Steve Coogans Kultfigur (Mockumentary, Fake-Talkshow, Podcast etc.), nämlich eine Dokureihe mit dem vorgeblichen Ziel, die seelische Gesundheit Großbritanniens zu beleuchten. Natürlich geht es nur am Rande um mental health, denn Partridge legt seine Erkundungen so an, dass sie sich letztlich nur um Partridge drehen. Die üblichen Verdächtigen tauchen in Nebenrollen auf, es gibt zahlreiche Verweise auf frühere Geschehnisse sowie diverse Nebenstränge aus dem Privatleben des gefallenen Entertainers, die wie üblich zum Schießen resp. zum Fremdschämen sind, u.a. um Alans Lebensgefährtin. Superb!

Dass ich im letzten Drittel des Monats ausschließlich die zweite Staffel von 19-2 geschaut habe, lag daran, dass Amazon Prime entschieden hat, diese kanadische Polizeiserie, deren erste Staffel ich vor beinahe zehn Jahren sah, aus seinem Programm zu entfernen. Ich musste mich also ranhalten. Schade, dass ich die Staffeln 3 und 4 nun so bald nicht werde konsumieren können, aber eine unbestimmt lange Pause tut nach den letzten zehn Folgen ohnehin gut, denn das war ganz schön harter Stoff. Allein die Premiere, welche in Deutschland eine FSK-18-Freigabe erhalten hat, setzte mir mit ihrer drastischen Schilderung eines Schulmassakers gehörig zu, und auch am Ende wird es ziemlich unangenehm. Womöglich ist "19-2" zu realistisch, was andererseits ihre große Stärke ist. An "Line of Duty" kommt sie freilich nicht ran, aber mehr als ein handelsübliches Procedural oder gar plumpe "Copaganda" ist sie allemal. Erfreulich war, dass den einnehmend gespielten Nebencharakteren weit mehr Platz eingeräumt wurde als in Season 1.

Freitag, 17. Oktober 2025

In eigener Sache: Blogpause, Seitenstraße

Wie ihr merkt, ist hier seit einer Weile nicht viel los. Ich sag's frei heraus: Ich habe mir ein irrwitziges, nachgerade ungesundes Maß an Verpflichtungen und Projekten aufgebürdet, so dass ich der Bloggerei nicht die Zeit und Zuwendung widmen konnte und kann, die sie verdient hat. (Insbesondere dauert es mich, heuer nicht von der Buchmesse berichten zu können.) Somit verkünde ich eine zweiwöchige Blogpause. Im November geht es frisch weiter! Bis dahin könnt ihr die neueste Folge von Seitenstraße hören; immerhin diese aufzunehmen und zu schneiden ließ mein Terminkalender zu. Den Podcast findet ihr auf Soundcloud (s.u.) sowie bei Spotify, Apple Pocasts, Amazon Music und Podcast.de.

Montag, 13. Oktober 2025

Wo alle Brünnlein fließen

Schmunzeln musste ich, als ich dies im Something-Awful-Forum las:

one of my defining memories of Germany is flying into Tegel for the first time, being thirsty, and asking a visitor information person where the nearest water fountain was.
He looked at me very sternly and said "In Germany we do not have such things!"

Stimmt schon: Im Vergleich zu beispielsweise Frankreich sind wir hier mit öffentlichen Wasserspendern und Trinkbrunnen nicht gerade gesegnet. Doch es wird besser! Viele Gemeinden haben in den vergangenen Jahren welche aufgestellt, in Frankfurt sind es inzwischen 24 Stück, und in meinem Wohnörtchen befinden sich sogar gleich zwei in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Offenen Bücherschrank. Freilich, da ist noch Luft Wasser nach oben, aber man muss bedenken, dass in Deutschland auch das Leitungswasser trink- und genießbar ist und Durst somit auch in Bedürfnisanstalten und überall, wo es Waschbecken gibt, gestillt werden kann.

Zur Brunnensuche empfehle ich die Seite trinkwasser-unterwegs.de: Postleitzahl/Stadt eingeben oder Standort erkennen lassen und alle Labungsquellen in der Umgebung finden.

Samstag, 11. Oktober 2025

Zwei gute Zitate über Literatur

"Wir schrieben weder wegen des romantischen Schriftstellerlebens – die Wirklichkeit ist eine Karikatur davon – noch für Geld – das wäre Selbstmord –, noch für den Ruhm – ein überkommener Wert, den unsere Zeit durch Berühmtheit ersetzt hat –, noch für die Zukunft – sie hat uns nichts aufgetragen –, noch um die Welt zu verändern – es ist nicht die Welt, die verändert werden muss – oder um das Leben zu ändern – es ändert sich nie –, auch nicht aus Engagement – das überließen wir lieber den Schriftsteller-Heroen –, so wenig, wie wir die zweckfreie Kunst feierten – die eine Illusion ist, denn irgendetwas leistet Kunst immer. Aus welchem Grund also schrieben wir? Wir wussten es nicht, und das war vielleicht unsere Antwort: Wir schrieben, eben weil wir es nicht wussten, wir schrieben, um auszudrücken, dass wir nicht mehr wussten, was wir auf der Welt anderes tun sollten als zu schreiben, ohne Hoffnung, aber ohne uns einfach damit abzufinden, unbeugsam, mit Freude und bis zur Erschöpfung, mit dem einzigen Ziel, so gut wie möglich daraus hervorzugehen [...]"

--- Mohamed Mbougar Sarr: Die geheimste Erinnerung der Menschen

"Unter Literaturgattungen herrscht eine brutale Hierarchie. Es gibt Versepen, Gesänge und tausendseitige Gesellschaftsromane, die alles überdauern. Es gibt unsterbliche Dramen, deren Personal unverwüstlich durch die Zeiten schreitet. Und natürlich Lyrik, die dem Wort unsterblich einen tieferen Sinn verleiht.
Aber dann gibt es eben auch die kleineren Formen, die keine allzu lange Lebensdauer haben. Eintagsfliegen aus Worten. Wie zum Beispiel den Schüttelreim, diesen Nichtsnutz, dessen Reimzwang sich so eng um seinen Inhalt schlingt wie ein Judogriff und der es nie so weit gebracht hat wie sein hochbegabter großer Bruder, der Haiku, der als runder Kiesel auf dem Grund des Baches rollt oder sich als Nebelschwade im Wipfel eines Ginkos verfängt.
Von allen literarischen Spielarten am meisten missachtet scheint mir aber unzweifelhaft die Anekdote zu sein. Keiner weiß so recht, was sie eigentlich sein soll. Ist sie kurz, oder darf sie auch etwas länger sein, muss sie immer amüsant sein, oder gibt es sie auch ernsthaft? Sogar der Witz hat es da besser erwischt. Der Witz weiß immer, wo er hinwill, geradewegs zur Pointe. Ist der Wesenskern einer Anekdote ihre mündliche Wiedergabe, oder kann sie es unbeschadet in die Verschriftlichung schaffen? Liest man nach, was eine Anekdote sein soll, stößt man auf folgende Definition:
Die wichtigste Eigenschaft einer Anekdote ist, dass sie 'treffend' ist.
Was wäre nun in einer Geografie der literarischen Formen die Anekdote? Ich wage zu behaupten: eine winzige Quelle, aus der ununterbrochen, seit Anbeginn der Zeit, das klarste Wasser sprudelt. Müde und ausgelaugt vom Besteigen literarischer Achttausender kann man sich hier erfrischen und kurz verweilen."

--- Joachim Meyerhoff: Man kann auch in die Höhe fallen

Donnerstag, 9. Oktober 2025

Meine konservativste Meinung

Diesen Beitrag habe ich bereits am 10.3.2021 angelegt, dann jedoch nie ausgebaut, weil mir seine Veröffentlichung jedes Mal, wenn ich an ihn dachte, unpassend erschien. Sein Thema ist seit Jahren fortwährend und unabhängig vom aktuellen politischen Wind Gegenstand hitzig geführter Diskussionen. Es geht um die Erbschaftssteuer, und meine Meinung dazu mag manche überraschen, sie ist nämlich, wie man der Überschrift entnehmen kann, eher dem konservativen Lager zuzurechnen. Ich finde – ohne den abgeschmackten Spruch mit dem Herz und dem Verstand zu bemühen –, ab 40 darf man sich selbst als dem Selbstverständnis nach links der Mitte Stehender eine konservative Meinung leisten (ab 50 eine zweite und pro folgendem Lebensjahrzehnt eine weitere). Und meine ist: Die Erbschaftssteuer sollte abgeschafft werden.

Dass ich schließlich jetzt damit um die Ecke komme, hat den Grund, dass ich auf gutes argumentatives Rüstzeug gestoßen bin, zugegebenermaßen an diesbezüglich wenig überraschender Stelle. Rainer Hank hat in der letzten FAS seine Kolumne "Hanks Welt" der Erbschaftssteuer gewidmet, und auch wenn ich nicht allen Punkten darin zustimme, seien die einleuchtendsten Passagen, in denen er seine Forderung "Schafft die Erbschaftssteuer ab!" begründet, wiedergegeben. Die Erbschaftssteuer sei eine "Strafsteuer", schreibt Hank und lädt zu einem Gedankenexperiment ein:

Menschen, die ihr ganzes Vermögen noch rechtzeitig vor ihrem Tod verjuxen [... ,] können dieses Geld nach Gutdünken abschlagsfrei verteilen: Kreuzfahrten buchen, Ferienhäuser kaufen, Dreisterne-Restaurants testen, teure Partnerinnen und Partner aushalten. Sie haben das Geld bereits versteuert und Einkommen-, Körperschafts- oder Kapitalertragsteuer drauf bezahlt. Sobald sie aber ihren wirtschaftlichen Erfolg an die Nachkommen weitergeben, müssen diese abermals Steuern bezahlen. Sollten sie Menschen beschenken, mit denen sie nicht verwandt sind, die sie aber für bedürftig halten, langt der Fiskus umso unverschämter zu.

Der zugrunde liegende Denkfehler oder vielmehr "Taschenspielertrick" des Staates, so Hank weiter, bestehe darin, dass er "die Perspektive vom Erblasser auf die Erben wechselt und denen vorwirft, ihre Erbschaft sei leistungsloses Vermögen". Was es, und hier streben unsere Sichtweisen dann doch auseinander, freilich ist! Rechtfertigt das jedoch, den Vermögensfluss innerhalb einer Familie, deren Stellenwert die Regierung doch seit je und Schwarz-Rot wieder verstärkt betont, radikal zu verengen? Dem Staat sollte daran gelegen sein, dass junge Leute sorgen- und schuldenfrei in die Zukunft starten. Das wäre eine Perspektive, welche in der Tat auf die Erbenden zielt, aber fair ist.

In Hinblick auf die Erblasser könnte man nun wohlwollend annehmen, dass deren Vermögen das Resultat lebenslanger harter Arbeit, klugen Investierens, vielleicht auch eisernen Sparens ist, und ganz gewiss wird es das in vielen Fällen auch sein, gerade in den sog. alten Bundesländern, wo Kapitalanhäufung in den circa vier goldenen Nachkriegsjahrzehnten auch für Schichten unterhalb der Oberschicht kein Hexenwerk war. Die Befürworter einer strengen Erhöhung der Erbschaftssteuer gehen indes davon aus, dass volle Geldspeicher gar nicht anders als durch Gaunerei und Ausbeutung entstanden sein können. Seien wir ehrlich: Viel zu viele Millionäre und Milliardäre hierzulande sind garantiert nicht durch Ehrlichkeit zu dem geworden, was sie sind. Aber eben hier muss der Gesetzgeber Schranken installieren. Ebenso auf der Hand liegt es, dass Superreiche über dubiose Kanäle und sonstige Mittel verfügen, mit denen sie schmerzhafter Besteuerung und etwaiger Bestrafung zu entgehen wissen. Auch hier ist es an den Herrschenden, entsprechende Rechtsgrundlagen zu schaffen, Grauzonen auszulöschen, hemmungsloses Scheffeln zu verunmöglichen.

Im letzten Abschnitt seines Beitrags liefert Rainer Hank einen meist übersehenen Beweis dafür,

dass die geltende Erbschaftssteuer nicht nur generell, sondern auch immanent ungerecht ist. Denn sie verschont die Fabrikanten. Es ist nicht in Ordnung, dass Unternehmenserben von der Steuer befreit werden, wenn sie die Belegschaft und Firma eine bestimmte Zeit erhalten. [...] Es gibt genügend gute Vorschläge, das bestehende Steuerrecht gerechter zu machen, indem man die Sätze für alle deutlich senkt, dann aber auch die Fabrikbesitzer verpflichtet, Steuern zu zahlen.

Eine Extrawurst für Fabrikanten sollte einen besonders fuchsig machen, bedenkt man, wie viele deutsche Dynastien vor allem dank Zwangsarbeitern, Enteignungen und Unterstützung des NS-Regimes groß geworden sind. Wie gesagt: "Die da oben" müssten an den wirklich ungerecht gestellten Schrauben drehen. Stattdessen gehen sie den einfachsten Weg und fühlen sich dabei wie Robin Hood. "Das Label 'soziale Gerechtigkeit' camoufliert die fiskalische Gier, die sich das Geld dort holt, wo etwas zu holen ist."

Was aber wäre nun wie zu ändern? Ich glaube, dass die Uneinigkeit darüber gar keine Frage von links vs. rechts ist. Hinderlich und schädlich ist eine menschlich-gesellschaftliche Eigenschaft, die ich als typisch deutsch diagnostiziere: Missgunst. Missgunst darf nicht mit Neid gleichgesetzt werden, denn Neid vermag auszulösen, dass man nach Höherem strebt und aus diesem Antrieb heraus irgendwann tatsächlich aufsteigt, er kann somit etwas Positives sein; sorry, wenn das arg neoliberal klingt. Missgunst hingegen heißt: Ich kann es nicht haben, also soll mein Nachbar es auch nicht haben! Ein letztes Mal R. Hank: "Mehr Gleichheit stellt man am besten nicht durch Umverteilung her, indem man den Menschen etwas wegnimmt (Erbschaftssteuer). Langfristig effektiver und moralisch überzeugender ist es, möglichst viele Menschen zu befähigen, reich zu werden." Sollen doch die Reichen immer reicher werden – wenn gleichzeitig die Armen weniger arm und schließlich selber reich werden! Wohlstand für alle: So konservativ ist diese Forderung doch gar nicht, oder?

Offenlegung: Ich selbst habe noch nie etwas geerbt und bin von dem ganzen Komplex persönlich nicht betroffen.

Dienstag, 7. Oktober 2025

Wer ist Garrett?

Ein breites Grinsen bemächtigte sich meines Gesichts, als ich letzte Woche "Jeopardy!" sah. Einer der Kandidaten in der Sendung vom 25.9. war Erik Nielsen (M.):


Vorgestellt wurde er als "Vertretungslehrer aus Hollywood", Comedy-Fans dürfte Erik Charles Nielsen jedoch als Schauspieler bekannt sein, der eine kleine wiederkehrende Rolle in "Community" hatte. Tatsächlich war "Garrett Lambert" in jener Sitcom meine Lieblingsnebenfigur; ich musste über jeden einzelnen seiner Auftritte lachen! Dass er bei "Jeopardy!" antreten würde, hatte ich zuvor im Something-Awful-Forum gelesen. Ob ich ihn auch ohne diese Vorab-Info erkannt hätte? Gewiss hätte ich mich die ganze Zeit gefragt: Woher kenne ich den? Schade, dass er am Ende als Zweitplatzierter nach Hause gehen musste. Dabei lag er für einen kurzen Moment sogar in Führung, hatte ein "Daily Double" erwischt und korrekt beantwortet.


Es bleibt die Frage: Ab wann gilt man als berühmt genug, um nicht mehr in einer regulären "Jeopardy!"-Ausgabe an den Start gehen zu dürfen? Ist man mit 43 Credits bei "Community" und einem Stand-up-Auftritt bei Conan noch kein Fall für "Celebrity Jeopardy"? Nun, laut imdb hat sich Nielsen seit 2019 aus dem Schauspielgeschäft zurückgezogen (wobei er zurzeit immerhin in der Animationsserie "Krapopolis" regelmäßig als Sprecher zu hören ist), und schließlich wurde er weder als actor angekündigt noch war seine Fernsehkarriere Thema der Vorstellungsrunde. Ein Mann mit normalem Beruf ohne Starallüren, sympathisch! Von mir aus darf er aber bald mal wieder irgendwo vorsprechen.

Sonntag, 5. Oktober 2025

Word of the week

Diese Woche im Zusammenhang mit dem Shutdown in den USA ein neues englisches Wort gelernt: furlough. Es bedeutet "jmd. (zwangs)beurlauben", als Substantiv entsprechend "⁠(Zwangs-)Beurlaubung; Freistellung". Auf Häftlinge bezogen kann es mit "Freigang" übersetzt werden. In einem NBC-Newsticker zum Thema, der (Stand: 3. Oktober) mit "Trump and Democrats dig in as federal workers face furloughs" überschrieben ist, kommt das Wort sehr oft vor. Von "hundreds of thousands of government workers who are typically furloughed during a shutdown" ist da die Rede, und in einem Eintrag wird eine galgenhumorige Grußformel unter Regierungsangestellten zitiert: "'Happy furlough!' a staffer wished an arriving member of her team like she would intone a birthday greeting."

Laut Merriam-Webster taucht furlough (als Nomen) erstmals im Jahr 1631 auf. Seine Herkunft ist niederländisch: mittelndl. verlof "Erlaubnis" mit lof : mhd. loube "Erlaubnis" (vgl. er-laub-en und natürlich auch Urlaub: "In der höfischen Sprache der mhd. Zeit bezeichnete [urloup 'Erlaubnis'] dann die Erlaubnis wegzugehen, die ein Höherstehender oder eine Dame dem Ritter zu geben hatte. In der Neuzeit bezeichnet 'Urlaub' die [offizielle] vorübergehende Freistellung von einem Dienstverhältnis". Duden Herkunftswörterbuch).

Freitag, 3. Oktober 2025

Albernes zum Wochenschluss

Merkreime zur Unterscheidung von Teigtaschen nach ihrer geographischen Herkunft

Momos schmecken nicht nur Zwergen / in Tibet und in Nepals Bergen.

Schon aus dem Dönerladen kannt' i' / die Köstlichkeit der Türken: Mantı.

Nie isst sie der Mongole pur. / Gebraten werden sie: Chuushuur.

Liest man in Japan wohl Spinoza? / Egal. Verspeisen tut man Gyōza.

Man füllt's mit Hackfleisch (auch vom Nandu?) / und nennt's auf koreanisch Mandu.

In Polen gilt es fast als Drogi: / Teigtaschen-Methadon Pierogi.

Auf "Siopao", das sag' ich Ihnen, / reimt sich mitnichten "Philippinen".

In ganz Georgien, nicht in Mali, / kennt man den Snack namens Khinkali.

Tsatsiki drauf, dazu Retsina, / na klar, Wan Tan sind typisch China!

"Was Russisches? Das ess' ich eh nie." / Wer so was sagt, kennt nicht Pelmeni.

Mittwoch, 1. Oktober 2025

Serientagebuch 09/25

01.09. Hostage 1.03
02.09. Eagleheart 3.01
Eagleheart 3.02
03.09. Andor 2.09
Andor 2.10
04.09. Hostage 1.04
Eagleheart 3.03
South Park 27.04
05.09. Hostage 1.05
The Paper 1.01
06.09. Lost 2.05 (RW)
Lost 2.06 (RW)
07.09. The Paper 1.01
08.09. Gotham 5.08
09.09. Eagleheart 3.04
Eagleheart 3.05
Andor 2.11
11.09. Andor 2.12
13.09. The Guest 1.01
The Guest 1.02
Eagleheart 3.06
Lost 2.07 (RW)
14.09. The Paper 1.03
15.09. Gotham 5.09
16.09. Eagleheart 3.07
19.09. The Guest 1.03
Lost 2.08 (RW)
23.09. Eagleheart 3.08
Eagleheart 3.09
The Guest 1.04
24.09. Gotham 5.10
25.09. South Park 27.05
Alien: Earth 1.01
Eagleheart 3.10
26.09. Alien: Earth 1.02
Alien: Earth 1.03
27.09. Alien: Earth 1.04
29.09. Gotham 5.11
Gotham 5.12
30.09. The Paper 1.04
The Simpsons 37.01

Es gibt moderne Serien, die greifen eine Trope auf, die man schon gefühlte hundert Mal verhandelt sah, schaffen es aber durch handwerkliche Virtuosität und das Hinzufügen kleiner Variationen und Subversionen, sie frisch und überraschend wirken zu lassen. "Hijack" war so ein Beispiel: Aus der Thriller-Prämisse Flugzeugentführung noch etwas Neues herauszukitzeln und damit eine der spannendsten Serien der letzten Jahre vorzulegen – Kudos!
Ein weiterer Fall ist Hostage, bei der es um Folgendes geht: Der Mann der britischen Premierministerin wird, gemeinsam mit seinen Kollegen von Ärzte ohne Grenzen, in Französisch-Guyana als Geisel genommen. Wenn seine Frau nicht von ihrem Amt zurücktritt, stirbt er. Ausgerechnet jetzt, wo die Premierministerin vor einem Treffen mit der französischen Präsidentin steht, welches die Spannungen zwischen den beiden Nationen wenigstens teilweise lösen soll! Doch auch sie wird auf pikante Weise erpresst ... Gähn? Keineswegs! Der Fünfteiler kommt verlässlich mit schockierenden Enthüllungen um die Ecke, stellt Dinge infrage und auf den Kopf und erinnert mitunter an die besten Momente von "24". Wie bei "Hijack" steckt auch hier Domestic Terrorism hinter allem, und natürlich – insoweit wird dann doch wieder ein Klischee bedient – gibt es auch den ein oder anderen Maulwurf.
Insgesamt ein Tip-top-TV-Event ohne Hänger und Abschweifungen, in dem die nie enttäuschende Suranne Jones die Hauptrolle übernimmt. Und Julie Delpy, das war mir vorher nicht bewusst, ist schon eine verdammt coole Socke.

Durchaus einige Längen hat dagegen die zweite Staffel Andor. In ihrem Anspruch, den Charakteren viel Raum für Entwicklungen zu geben, Fallhöhe aufzubauen und die Tiefen aller Nebenplots auszuloten, schießt die Vorgeschichte von "Rogue One" gelegentlich übers Ziel hinaus und dehnt einzelne Akte ins Unnötige. "Ja ja, wir haben's verstanden!", will man da rufen. "Andor" weiß, dass es das von der Kritik geliebte Prestige-Drama im Star-Wars-Universum ist, eine wohltuende Kur nach bzw. zwischen zuletzt hingerotzt erscheinenden Abenteuern wie "Ahsoka" und "The Acolyte" (beide habe ich nicht gesehen, werde es aber nachholen und bin mir sicher, dass ich trotzdem kaum über die Maßen enttäuscht sein werde, haha).
Wie dem auch sei: "Andor" ist erwachsen, tut bisweilen weh, traut sich was, ist, kurzum, toll.

The Guest ist ein BBC-Vierteiler mit einem unverbrauchten, aber fähigen Cast. Im Fokus steht eine junge arbeitslose Frau, die von einer reichen Unternehmerin zufällig (?) aufgegabelt und als Reinigungskraft angestellt wird und bald in das luxuriöse Eigenheim einziehen darf. Dort ist nichts, wie es scheint (aber nicht in einem übernatürlichen Sinne) ... Ein packender Thriller mit zahlreichen Twists, psychologischem Horror und einer Prise Gesellschaftskritik.

Zu Eagleheart fällt mir kaum noch etwas ein, das ich nicht schon in meiner Kurzrezension der zweiten Staffel geschrieben hätte. Der Humor mag nicht jedermanns Sache sein, aber für mich war das rasend übergeschnappte "Eagleheart", das kann ich mit einigem Abstand festhalten, eine der komischsten Serien, die je produziert wurden.

Und nun habe ich Gotham geschafft! Auch hier fallen mir kaum Punkte ein, die ich nicht schon in Bezug auf die vorangegangenen Staffeln losgeworden bin. Auch Season 5 war ein einziges Up & Down. Richtiggehend geärgert habe ich mich über einzelne Episoden, nur um aus der jeweils nächsten wieder mit einem befriedigten Grinsen rauszugehen. Am blödesten fand ich zuletzt, dass die stakes zwar immer wieder hoch sind, aber praktisch keine Bedeutung haben. Mit viel Tamtam und Tschingtarassabumm wird alle naslang auf eine Klimax zugesteuert, die jedoch nichts in den Zuschauenden auslöst, weil sie entweder nichts Singuläres ist (wie oft das GCPD belagert wird, kann man am Ende kaum mehr zählen) oder ohne Konsequenzen bleibt. [Spoiler] Wayne Manor explodiert – na und?, wird halt wiederaufgebaut. Das Wayne-Enterprises-Hauptquartier wird zerstört – was soll's, ist doch nur vorübergehend. Eine Figur stirbt? Pff, die kommt wieder (was wir allein schon daher wissen, dass sie in Batmans Erwachsenenalter eine Rolle spielen wird)! Dass regelmäßig besonders nervige Antagonisten aus dem "Jenseits" zurückkehrten oder sonstwie reaktiviert wurden, habe ich, glaub ich, schon in der Vergangenheit moniert: Das schreckliche "Joker"-Stand-in (die Serie verfügte nicht an den Rechten an dem Charakter) hat einen Zwillingsbruder; just shoot me!
Beklatschen muss ich allerdings das Ende. Die letzte Folge ist mehr Epilog denn Schlusskapitel, sie versetzt uns zehn Jahre in die Zukunft (wobei sich die Masken-Abteilung keinerlei Mühe gegeben hat, die handelnden Personen irgendwie altern zu lassen) und leitet subtil, hoffnungsvoll und gänsehauterzeugend in die Ära des Dunklen Ritters über. So muss ein gelungenes Serienfinale aussehen.

Montag, 29. September 2025

Den Wahrem Schoemen Gutem

Hier ein kleiner Blick hinter die Kulissen von Titanic. Jeder Beitrag wird bis zur Drucklegung von mindestens fünf verschiedenen Personen gelesen. Auch einseitige Cartoons und Fotowitze gehen standardmäßig durch mehrere Hände. Und doch rutschen selbst in solchen wortarmen Bildseiten gelegentlich Fehler bis ins fertige Heft durch, so etwa bei Hannes Richerts Startcartoon in der aktuellen Ausgabe (die Fehlschreibung in einer Sprechblase ist dem Künstler selbst aufgefallen – jedoch niemandem in der Redaktion!). Um ein Haar hätte diesmal zudem in Renke Brandts "Welträumchen" (S. 59) ein Fehler überlebt. Erst nach dem regulären Korrekturlauf fiel mir auf, dass in der Zeile "Verbinden Sie Hausarbeit mit etwas Angenehmen" ein Buchstabe falsch ist: Es muss "Angenehmem" heißen.

Als wie üblich wenige Tage nach Redaktionsschluss die Ausgabe für die App-Version aufbereitet wurde, fragte unser damit betrauter Web-Admin und IT-Chef, ob es nicht "Angenehmen" heißen müsse (ja, das ist ein [mindestens] sechstes Augenpaar, das über jeden Heftinhalt drüberschaut). Ich grübelte, so wie ich zuvor gegrübelt hatte, als mir das inkorrekte n zum ersten Mal ins Auge gestochen war. Denn inkorrekt ist es selbstverständlich; man ersetze "Angenehmem" bloß mal durch ein anderes Wort, schon würde niemand mehr darüber stolpern: "mit etwas Schönem", "mit etwas Rotem" oder auch "mit etwas Unzweideutigem" (die Länge oder "Komplexität" des Wortes spielt keine Rolle, wie man sieht).

Warum kommt uns "mit etwas Angenehmem" mindestens komisch, wenn nicht gar ungrammatisch vor? Da diese Form des (substantivierten) Adjektivs angenehm auch in anderen Verbindungen als mit "mit etwas" befremdlich wirkt (auf mich zumindest; auf Sie ebenfalls?), muss es die Lautfolge -mem sein, die dieses regelrechte Unbehagen auslöst (wie gesagt: bei mir zumindest; für eine repräsentative Umfrage fehlen mir gerade die Mittel). Auch hier hilft uns die Ersatzprobe weiter. Man lasse sich folgende Adjektive, jeweils im Dativ Singular Maskulinum, auf der Zunge bzw. vor der Netzhaut zergehen: anonymem, zahmem, bequemem. Sie sind, sehr laienhaft formuliert, irgendwie doof auszusprechen. Es ist womöglich das Aufeinandertreffen zweier ms am Wortende, die nur durch einen Vokal (genauer: ein Schwa) getrennt sind, das "uns" unschön oder widernatürlich erscheinen will. Bei der Folge -nen stutzen wir nicht, und bei der Artikulation neigen wir dann eher dazu, die zwei Nasale zusammenzuziehen ("wir renn'n"). Nun ja, vermutlich hat mein Rumgespinne hier überhaupt keine Substanz, ich wollte nur schnell aufschreiben, was mir zu "etwas Angenehmen" alles eingefallen ist. Ich könnte mir vorstellen, dass es dazu bereits einen Fachaufsatz oder eine Monographie oder mehrere gibt.

Samstag, 27. September 2025

Trauriges zum Wochenende

"Also beim Vierteljahrhundertjubiläum bin ich wieder dabei!", schrieb ich einst in Bezug auf ein stattgehabtes Klassentreffen. Heute wäre es nun soweit, doch ich armer Tropf muss dem großen Fünfundzwanzigjährigen in Dresden fernbleiben, denn zum zweiten Mal seit Dezember 2022 hat mich Corona erwischt. Drei Tage lag ich mit dem gesamten Symptomportfolio flach, erst heute spüre ich leichte Besserung, bin sogar in der Lage, einen Blogbeitrag zu verfassen (diesen hier). Eingefangen haben muss ich mir die Seuche vor einer Woche auf dem Oktoberfest oder auf der zehneinhalbstündigen Horrorzugfahrt von ebendort zurück. (In der Theorie total genial: in etwas über fünf Stunden ohne Zusatzkosten mit nur einem Umstieg von München nach Frankfurt fahren! Aber vor den Deutschlandticketreisegenuss hat der HErr die Großstörung gesetzt.) Zu allem Übel habe ich (zumindest deutet vieles auf mich) am Dienstag auch noch unseren aktuellen Redaktionspraktikanten angesteckt, und das, wo ohnehin gerade so einiges "rumgeht".

Mehrere Mitfeiernde haben mir per Whatsapp gute Besserung gewünscht und ihr Bedauern über mein Fernbleiben ausgedrückt, was mich sehr gerührt hat. Fakt ist: Könnte ich mich heute Abend per Fingerschnipsen auf das Event beamen, hätte ich nur wenig Freude an dem dortigen mexikanischen Buffet, denn mein Geschmacks- und mein Geruchssinn funktionieren nur je zur Hälfte (und damit besser als während meiner 2022er-Infektion, als diese Sinne für mehrere Tage komplett ausgeschaltet waren [Update Samstagabend! Sagen wir: zu einem Viertel]). 

Es ist nicht nur das Klassentreffen, das ich verpasse: Das ganze Wochenende hatte ich perfekt durchgeplant! Bereits am Freitagabend stand ein Besuch des Vortrags "Insekten auf Leichen" von Mark "Dr. Made" Benecke auf dem Plan (was man halt mit der Familie so unternimmt ...), heute wäre ich zu Globetrotter gegangen, hätte eine Boulderhalle besucht und hatte sogar schon die Lektüre auserkoren, die ich der Dresdner Hauptbibliothek (aka der besten Bibliothek der Republik) entleihen wollte. Morgen wären eine Wanderung und endlich mal wieder ein gescheiter Döner fällig gewesen. Stattdessen kümmere ich mich um liegengebliebene Petitessen wie Rundfunkgebührenüberweisung, Update meiner Veröffentlichungsliste und Meldung des voraussichtlichen Jahresarbeitseinkommens 2026 an die Künstlersozialkasse.

Doch was nützt es, zu jammern? Nüscht! Weswegen ich jetzt damit aufhöre.

Mittwoch, 24. September 2025

Kurz notiert: Höflich abgeraten

Am Eingang meiner (neuen) Stamm-Volksbank-Filiale hängt dieses Poster:


So ein Hinweis ist mir noch nirgendwo aufgefallen. Ist "Sprengen lohnt sich nicht!" das neue "Diebstahl/Einbruch lohnt sich nicht!"? Automatensprengungen sind jedenfalls, dies sei für die Nachwelt festgehalten, seit ein paar Jahren en vogue. Jemand, der es gar nicht auf das Geld abgesehen hat, sondern aus purem Vergnügen an der Destruktion rumsprengt, wird freilich hinterher sagen: "Doch, hat sich sehr wohl gelohnt!" Solche Leute gibt's ja leider auch.

Montag, 22. September 2025

Regionalexpress Augsburg-Würzburg

Frau A, Ende Dreißig: "Kann ich mich hier neben Sie auf den Boden setzen? Ich bin nämlich im Home-Office." Sie setzt sich im Gang auf den Boden des heillos überfüllten Zuges und arbeitet am Notebook.

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Damenausflugstruppenmitglied: "Ach, das ist ein COCKTAIL, den ich hier trinke. Habt ihr auch einen COCKTAIL? Inge, hast du deinen COCKTAIL schon getrunken? Hihihi."

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Schaffnerin weist per Durchsage darauf hin, dass der Zug in Treuchtlingen geteilt wird und man der Anzeige entnehmen möge, in welchem Zugteil man sich befinde.
Frau I: "Was, was, was?"
Mann: "Sie hat erklärt, wie man erkennt, welcher Zugteil wohin fährt."
Frau II: "Es müsste mal Schulungen geben für alle, die berufshalber über Lautsprecher reden: Laut, langsam und deutlich!"

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Meine Sitznachbarin, zu der Reisenden ihr gegenüber: "Ich hab jetzt nachgeguckt, und es stimmt wirklich, die Tagesschau hat was dazu gebracht: Die Deutsche Bahn lässt absichtlich Züge ausfallen!"
Gegenüber Sitzende: "Ah ja. Aber irgendwie logisch. So sparen die wieder Geld, für den Einsatz, für das Personal ..."

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Weibliche Stimme im dicht gedrängten Eingangsbereich: "Warum zeigen Sie mir das? Warum soll ich mir das ansehen? Was? Von wegen Fahrgastrechteformular! Was halten Sie davon, wenn ich die Polizei davon informiere? Die würde das sicher sehr interessieren! Nein, nichts 'Pssst'!!! Nach alldem, was die [Familienname] getan haben!!!"

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Frau 1: "Was war das denn?"
Frau 2: "Da hat wohl jemand was über irgendwelche Verbrecher auf dem Handy angeguckt."

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Eine Frau um die Dreißig packt ein nacktes Brötchen aus einer Bäckertüte und eine Flasche Mayonnaise aus einer Tasche, beißt einmal von dem Brötchen ab und quetscht sodann dick Mayo darüber. Ein Mann um die Sechzig steigt hinzu, hantiert mit einem Regenschirm.
Frau: "Au! Passen Sie doch auf mit dem Regenschirm!"
Mann: "Da kann ich doch nix dafür!"

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Frau B: "Als wir den Ausflug nach Weimar gemacht haben, da ham wir ne Bratwurscht gegessen, die war vorzüglich."
Frau C: "Ja, in Thüringen machen sie schon auch sehr gute Würscht."
Frau B: "Ja ja, so hat jede Region ihr Ding ..."

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Frau A, die kurzzeitig auf einem Sitzplatz gearbeitet hat, kommt zurück und hockt sich wieder in den Gang.
"So, ich setz mich wieder hier unten hin, mir gefällt das hier."
Mitfahrerin: "Sehr gerne, wir mögen Ihre Gesellschaft!"

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Frau X: "Setz dich doch alldieweil, wenn der Paul aufm Klo ist!"
Frau Y: "Nein, der kommt doch gleich wieder."
Frau X: "Aber das dauert doch ewig, bis der sich den Weg durch die ganzen Menschen gebahnt hat!"
Frau X: "Ha, guck, da kommt er doch!"
Frau Y: "Nanu, Paul, das ging ja schnell."
Paul: "Ich war gar nicht. Hier ist doch kein Durchkommen."

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Damenausflugstruppenmitglied 2, die Älteste im Bunde, sehr streng zu der Bodensitzerin: "Darf ich fragen, warum Sie hier auf dem Boden sitzen? Vorhin hatten Sie doch Gelegenheit, auf einem Stuhl zu sitzen!"
Frau A: "Ach, mir macht das nichts aus, und die anderen stört das nicht."
DATM2, plötzlich ausnehmend freundlich: "Na, dann ist ja gut. Sie haben mir bloß so leid getan! Wären Sie doch da sitzen geblieben!"

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DATM1 oder 3: "So, wir nehmen jetzt schon mal unser Gepäck runter, damit es gleich beim Aussteigen schneller geht. Entschuldigung, ob Sie mir vielleicht meine Tasche runterheben könnten?"
Mann, zwischen 60 und 70 Jahre, sehr barsch: "Muss das denn jetzt schon sein? Bis Steinach sind es noch zehn Minuten!"
DATM: "Wir wollen nachher die Leute nicht behindern ..."
Mann: "So was Unvernünftiges!"

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Mayonnaisefrau, in ihr Handy: "Ja, ich wollte dir nur sagen, dass du jetzt bei der Polizei aktenkundig bist. Die kennen jetzt deinen Namen ... Das weißt du ganz genau. [lauter] Lass mich ausreden! Denk dran, was ihr 2016 getan habt, du und deine Nazi-F***en-Familie. [brüllt etwas auf Türkisch] Ihr seid jetzt polizeibekannt! AKTENKUNDIG! Mafia-F***e!!!"

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Das waren, wohlgemerkt, Dialoge und Dialogfetzen während einer einzigen, rund zweistündigen Bahnfahrt. Etliche weitere bemerkenswerte Gesprächsteile habe ich leider vergessen.

Samstag, 20. September 2025

Drei kleine Worte

Durch die britische Miniserie "The Guest" (Besprechung folgt) erfuhr ich von einem alternativen globalen Orientierungs- bzw. Ortungssystem, von dem ich noch nie gehört hatte, obwohl es seit über zehn Jahren existiert: what3words. Ich werde die Startseite des Unternehmens hier nicht verlinken, denn angesichts herber finanzieller Verluste in jüngerer Vergangenheit und wiederholter Kritik an der Praktikabilität steht zu befürchten, dass dieser Link eher früher als später ins Leere laufen könnte.

Das Prinzip ist das folgende: what3words hat die Welt in 3x3 m große Quadrate eingeteilt und jedes Quadrat mit einer Kombination aus drei durch Punkte separierten Wörtern markiert. Beispielsweise hat ein beliebter Aussichtspunkt in meiner Wohngegend, der Dettweiler Tempel, die "Koordinaten" ///kartoffel.vororte.igel. Wobei man ihn auch mit Hilfe der Angabe ///erwachte.katze.bewohnt finden würde, oder auch ///erstens.sommer.tänzer. (Der Kartenmarker weicht übrigens ein wenig vom tatsächlichen Standort ab; hier müsste mal jemand justierend eingreifen.) Die Kleinteiligkeit begründet das Londoner Unternehmen wie folgt: "Straßenadressen sind im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß. Sie sind nicht genau genug, um Orte wie Gebäudeeingänge präzise zu beschreiben. Für Parks oder in vielen ländlichen Gegenden gibt es überhaupt keine Straßenadressen. Das erschwert das Finden bestimmter Plätze und macht es in Notfällen unmöglich, genau zu beschreiben, wo Hilfe nötig ist." Insbesondere Firmen könnten Dreiwortadressen teilen, um es Partnern und Kunden zu ermöglichen, sich punktgenau zu ihrem Sitz lotsen zu lassen. Das Navigieren selbst erfolgt auf der Webseite oder in der App über Schnittstellen zu Google Maps, Apple Maps, Waze, Bing Maps und Citymapper.

Und ja, die haben tatsächlich den gesamten Planeten gerastert, auch die Ozeane! Wir sprechen hier von rund 57 Billionen Quadraten. Die "Adressnamen" im Meer setzen sich allerdings ausschließlich aus englischen Wörtern zusammen, während die Rechtecke auf dem Festland neben Englisch auch wahlweise auf Deutsch (s.o.), Spanisch, Türkisch, Gujarati, Kasachisch oder mit Wortmaterial aus vielen anderen Sprachen angezeigt werden können; es handelt sich dabei nicht um die jeweiligen Übersetzungen. "Die englische Wortliste von what3words besteht aus 40.000 Wörtern [...] Jede weitere what3words-Sprache verwendet eine Wortliste mit 25.000 Wörtern zur Abdeckung der weltweiten Landfläche. Die Listen gehen durch mehrere automatisierte und menschliche Prozesse, bevor sie nach einem Algorithmus sortiert werden, der die Verwechslungsgefahr minimieren soll, und beleidigende Wörter werden entfernt." (Wikipedia)


Das Prinzip ist schon irgendwie genial, und ich wünsche what3words, dass es noch lange bestehen bleibt und stärker wahrgenommen wird. Doch wie zukunftsfähig ist es wirklich? Die bei Wikipedia angeführten Kritikpunkte leuchten ein: "Der alltägliche Nutzen des Systems ist gering. Ohne elektronisches Gerät können w3w-Adressen nicht lokalisiert werden, und der Abstand zwischen zwei w3w-Adressen kann nicht abgeschätzt werden. Dadurch ist es schwer, Fehleingaben von unbekannten Orten zu erkennen. Auch die einfache Merkbarkeit ist fraglich, da die Wortliste viele sinnähnliche und Pluralversionen mancher Wörter enthält. [...] Dadurch, dass entgegen der Behauptungen von what3words annähernd gleich klingende Adressen durchaus nur wenige Kilometer voneinander entfernt sein können und das System sprachgebunden ist, kann es für Fremdsprachler sehr schwer bis unmöglich sein, sie sicher zu unterscheiden." Ganz zu schweigen von dem nicht völlig undenkbaren Fall, dass in einer Adresse ein Wort ersetzt oder auch nur ein einziger Buchstabe geändert wird ...

Donnerstag, 18. September 2025

Ich fliege ins All!

Nächstes Jahr ist es soweit, meinen Boarding Pass habe ich schon:


Nun gut, ich geb's zu: Leibhaftig werde ich an der Artemis-II-Mission nicht teilnehmen. Aber immerhin mein Name wird auf einer SD-Karte gespeichert, zusammen mit (Stand: 18.9.2025) über 510.000 anderen. Diese Karte wird auf der Orion verstaut und saust sodann Richtung Mond. Wer kommt mit?

Dienstag, 16. September 2025

Gnocch' on wood


Das sieht mal wieder nach nix aus (habe ich erwähnt, dass Fotografieren nicht meine Stärke ist?), dennoch weist dieses Bild eine Besonderheit auf: Als ich das Ursprungsfoto in XnView beschnitten habe, ist es mir ungeplant gelungen, ein perfektes Quadrat auszuwählen (800x800 Pixel)!

Was ist nun hier zu sehen? Ich will's verraten: das Ergebnis eines Rezepts aus der FAS-Rubrik "Katrin kocht", das ich minimalst angepasst habe und wegen extremer Lecker- und Einfachheit zur Umsetzung empfehle.

2 EL Olivenöl in einer Pfanne erhitzen, 1 Stange Porree in dünnen Ringen, 1 Knoblauchzehe (zerdrückt) sowie 6 getrocknete Aprikosen in feinen Streifen hineingeben. Salzen und pfeffern, 2 Minuten braten, dann den Inhalt einer 500-g-Packung Gnocchi (Kühlregal) hineinpurzeln lassen und sogleich 100 g Ziegenfrischkäse, 1 EL Tomatenmark und 200 ml Weißwein dazugeben. (Im Rezept steht, dass man statt Wein auch hellen Balsamico oder Wasser nehmen kann. Ich habe ca. 175 ml Weißwein abgemessen und mit hellem Balsamico aufgefüllt. Essig allein fände ich zu krass, Wasser wiederum zu fad.) Alles bei mittlerer Hitze vorsichtig verrühren, bis nach ein paar Minuten eine schöne Sämigkeit erreicht ist. Pfanne vom Herd nehmen, das Gemisch mit 2 EL Petersilie (gehackt) und ein paar Spritzern Zitronensaft krönen, nach nochmaligem Verrühren abschmecken und mit dem Rest des Ziegenfrischkäses (je nach Packung 50 bis 100 g) getoppt auf 2 Tellern servieren. Yummy!

Sonntag, 14. September 2025

Podcast-Empfehlung (in nicht eigener Sache)

Wieso habe ich das jetzt erst entdeckt (via "Hör- und Gucktipps zum Wochenende" c/o "BildBlog")??? Der Podcast "Hollywoodgeflüster" (auch als Video auf Youtube) beschäftigt sich mit der "Welt der Synchronisation und wird von Charles Rettinghaus, einer Legende der deutschen Synchronbranche, moderiert. Bekannt als die deutsche Stimme von Stars wie Jamie Foxx und Robert Downey Jr., lädt er regelmäßig prominente Gäste aus der Synchronsprecher-Szene ein" (Eigenbeschreibung). Rettinghaus höre ich derzeit wieder regelmäßig – bei meinem "Lost"-Rerun (Harold Perrineau, "Michael"). Und auch die allermeisten Gäste habe ich schon ein- oder mehrmals im Ohr gehabt. Absolut faszinierend, die Menschen hinter der Stimme zu sehen und privat zu erleben!

Freitag, 12. September 2025

VdJ

Und wieder mal steht sie an: die Wahl zum Vogel des Jahres. Ich habe soeben meine Stimme für die Waldohreule abgegeben. Eulen mag ich generell, und die bis eben nicht in meinem aktiven Tiergedächtnis vorhandene Waldohreule ist mir ein My bzw. ein Uhuuu sympathischer als die ebenfalls kandidierende Schleiereule. Jene dünkt mir zu kommerziell; ich könnte mir vorstellen, dass sie wegen ihrer phänotypischen Nähe zur Schneeeule von vielen Harry-Potter-Fans erkoren wird. Die Amsel wiederum scheint mir als offensichtliche Low-key-Bewerberin ins Rennen geschickt worden zu sein, das ist mir zu langweilig. Über mangelnde Aufmerksamkeit soll sie sich angesichts ihrer Verbreitung und des stabilen Bestandstrends (+14 % bei gegenwärtig geschätzten 7.650.000 bis 9.300.000 Brutpaaren) nicht beschweren! Putzig ist auch der Zwergtaucher, "unser kleinster heimischer Lappentaucher" (NABU), und das Rebhuhn hat schon wegen ihres Gefährdungsstatus eine Chance verdient ("Durch die Ausräumung der Landschaft und den hohen Pestizideinsatz mangelt es ihnen an Lebensraum und Nahrungsmöglichkeiten. Die wenigen verbliebenen Habitate sind anfällig für Fressfeinde und werden zusätzlich durch den Menschen bejagt"). Ich möchte selbstverständlich niemanden beeinflussen. Abgestimmt werden kann noch bis zum 9. Oktober.

Mittwoch, 10. September 2025

Byzantinische Botschaften

Gerade ausgelesen:


Das war so packend wie ein Krimi und vollgestopft mit überraschenden Erkenntnissen nach neuestem Forschungsstand. Lediglich eine Passage möchte ich auszugsweise wiedergeben, bezieht sie sich doch zufällig – bzw. angesichts des Themas überhaupt nicht zufällig – auf etwas, das ich vor einiger Zeit hier im Blog behandelt habe: die nordischen Runen in der Hagia Sophia:

Überall in der Kirche finden sich Graffiti, kyrillische und griechische, armenische und lateinische. Die meisten wurden schätzungsweise zwischen dem 11. und dem 15. Jahrhundert angefertigt und enthalten sowohl Namen als auch Bilder von Tieren, Waffen und Wappen. [...]

2009 wurde eine neue aufregende Entdeckung gemacht. Auf der Suche nach weiteren kyrillischen Inschriften fotografierte ein Team russischer Forscher akribisch alle Flächen mit möglichen Schriftzeichen und nahm die Bilder genau unter die Lupe. Alles, was irgendwie nach Runen aussah, schickten sie einer Runologin, Elena Melnikova, die schließlich einen Erfolg vermeldete. Eine dritte Runeninschrift, die auf einer marmornen Fensterbank in der nördlichen Galerie gefunden wurde, besagte: "Arinbarðr hat diese Runen geschnitten." Aufgrund ihrer besonderen Ritzart wurden diese Runen von Melnikova auf die Zeit zwischen dem frühen elften und dem zwölften Jahrhundert datiert, also auf das Ende der Wikingerzeit. (S. 346f.)

Aber das ist noch nicht alles!

Das ist noch nicht alles, denn in der Kirche wurde noch eine weitere Entdeckung gemacht. Bei der Untersuchung von mehr als 30 Graffiti-Darstellungen von Schiffen stellte der Forscher Thomas Thomov fest, dass es sich bei vier von ihnen um Wikingerschiffe handelte. Das überzeugendste Beispiel ist auf einer Säule in der Ecke derselben Galerie zu sehen, in der, nur erwa zehn Meter entfernt, Halfdans Inschrift gefunden wurde. Man muss allerdings schon genau hinschauen, um das – knapp unter Augenhöhe in den Stein geritzte – Schiff zu erkennen. Ein Teil ist unverwechselbar: der nach links gewendete Kopf eines Drachen mit einem nach vorn schauenden Auge. Der Hals ist nach unten gebogen und geht in den Rumpf eines schlanken Schiffs über, dessen Proportionen von jedem, der schon einmal ein Wikingerschiff gesehen hat, sofort wiedererkannt werden. [...] Eine weitere Zeichnung auf der anderen Seite der Säule könnte zwei weitere Schiffe zeigen, die nebeneinander in einem Hafen liegen. Diese Darstellungen sind überzeugend, und es gibt keinen Grund, sie für Fälschungen zu halten. (S. 347)

Dass die Inschriften und Zeichnungen von Angehörigen der Warägergarde hinterlassen wurden, ist nicht so unzweifelhaft, wie ich es bei meiner Erstrecherche herausgelesen hatte und wie es mein Blogbeitrag vom Mai insinuiert. "Waren Halfdan und Arinbarðr Mitglieder der Warägergarde?", fragt die Autorin auf Seite 350. Tatsächlich spricht einiges dafür. Doch nicht zwangsläufig müssen alle Nordmänner, die sich zu jener Zeit in der Hagia Sophia befanden, der legendären kaiserlichen Leibgarde angehört haben. Umgekehrt waren nicht alle Warägergardisten "Wikinger". Zwar bestand die Warägergarde "überwiegend aus Skandinaviern, aber ihr konnten auch andere Nationalitäten angehören. Nach der Schlacht bei Stamford Bridge zum Beispiel wuchs die Zahl der Angelsachsen, die nach der Niederlage gegen Wilhelm der Eroberer (zufällig ebenfalls ein Nachkomme der Wikinger) aus England geflohen war." (S. 351)

Sonntag, 7. September 2025

Kurz notiert: Olfactory overload

Hin und wieder gehe ich vor der Arbeit oder während einer Pause zu dm und kaufe Haushaltsprodukte, die ich folglich in der Redaktion, in der ich arbeite, zwischenlagern muss. Das ist bisweilen störend, aus einem banalen, aber nicht zu vernachlässigenden Grund: Reinigungsmittel, beispielsweise Badhygieneprodukte, duften stark. Zum Teil so stark, dass der Duft in Gestank übergeht. Besonders schlimm sind Blauspüler à la "WC-Blau", aber, wie ich am Freitag lernte, auch Wäscheparfüm hat es in sich! Ich mag "Lenor Non-Stop Frische" sehr gern, doch mein Stoffbeutel, in welchem sich die (ungeöffnete!) Dose der Sorte "Aprilfrisch" befand, musste ich im äußersten Winkel meines Büros platzieren, um nicht über die Maßen belästigt zu werden. Was ich damit sagen will: Angenehme Sinneserregungen können in unangenehme umschlagen, wenn sie gar zu intensiv sind.

Freitag, 5. September 2025

Die drei ??? und das magische Handy (Noch ein Update-Update)

Zum ersten Mal durfte ich auf meinem neuen Google Pixel 9 (ich berichtete) ein Android-Update aufspielen. Es war fast 1 GB groß. Groß war auch die Überraschung nach dem Neustart: Auf dem Display ist plötzlich mehr Platz! Obwohl es physisch wohl kaum gewachsen ist. Ich komm und komm nicht drauf, wie der zusätzliche Oberflächenfreiraum entstanden sein könnte. Sind die App-Icons geschrumpft? Ach, hätte ich doch vor der Aktualisierung einen Screenshot gemacht. So sah es jedenfalls nach dem Update aus:


Und jetzt, nach etwas Schieberei, so:


Youtube schaue ich eigentlich kaum auf dem Smartphone, aber ich wusste nicht, welcher Anwendung ich sonst eine Positionierung auf der ersten "Seite" zugestehen sollte. Spotify? Dort habe ich zurzeit keine Premium-Mitgliedschaft (die übrigens kürzlich teurer geworden ist!).

PS: Wer mit Blick auf den Display-Shot glaubt, mich auf der Schloßstraße 118 antreffen zu können – dort halte ich mich nie auf. Das GPS verortet mich falsch, warum auch immer.

Mittwoch, 3. September 2025

Filmtitel XXXI

Bookworm → Born to Be Wild - Die Jagd nach dem schwarzen Panther (DVD-Titel)
Bâtiment 5 → Die Unerwünschten – Les Indésirables
The Return From the Other Planet → The Code
Au fil des saisons → Funny Birds – Das Gelbe vom Ei
L'amour ouf → Beating Hearts
Fall → Fall – Fear Reaches New Heights
Jamais sans mon psy → Voilà, Papa! – Der fast perfekte Schwiegersohn
Sex → Oslo Stories: Sehnsucht
Vicious Fun → Ein Serienkiller kommt selten allein
The Bunker → Bunker 06: Das Exitus-Protokoll
Sinners → Blood & Sinners
Novocaine → Mr. No Pain
Stake Land II → Vampire Nation – Badlands
Bonnard: Pierre et Marthe → Die Bonnards – Malen und Lieben
The Friend → Loyal Friend
Les barbares → Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne
Rom → Bella Roma
Sidelined: The QB and Me → The Bad Boy and Me
Monnaie de singe* → Auch große Scheine können falsch sein
Hold Back the Night → Teufelskommando – Marinekorps "Pantherkatze" schlägt zu
The Human Jungle → Immer jagte er Blondinen
Dragonfly Squadron → Kampfstaffel Feuerdrachen 

* monnaie de singe, "Affengeld", heißt "wertloses Geld"

Montag, 1. September 2025

Serientagebuch 08/25

01.08. South Park 27.01
02.08. Andor 2.06
03.08. Lost 1.23 (RW)
Lost 1.24 (RW)
Lost 1.25 (RW)
04.08. The Power of Parker 2.05
05.08. Digman 2.01
07.08. Digman 2.02
The Power of Parker 2.06
11.08. South Park 27.02
13.08. Gotham 5.05
Digman 2.03
16.08. Andor 2.07
17.08. Lost 2.01 (RW)
Lost 2.02 (RW)
18.08. The Escape Artist 1.01
19.08. Gotham 5.06
21.08. Digman 2.04
South Park 27.03
The Escape Artist 1.02
The Escape Artist 1.03
22.08. Andor 2.08
23.08. Hostage 1.01
24.08. Lost 2.03 (RW)
Lost 2.04 (RW)
25.08. Digman 2.05
26.08. Hostage 1.02
27.08. Digman 2.06
28.08. Gotham 5.07
29.08. Digman 2.07
31.08. Digman 2.08

Jaaaaaa, (etwas verspätet) zum 20. Jubiläum machen wir einen Lost-Rewatch, wobei ich die zweifelhafte Ehre habe, den Part des Eingeweihten zu übernehmen. Die Reaktionen einer Person, die rein gar nichts über "Lost" weiß, zu erleben, ist zum Teil spaßig, andererseits kommt bei mir regelmäßig der unerfüllbare Wunsch auf, mein Gedächtnis löschen zu können und diesen einmaligen Trip noch mal frisch und unvorbereitet zu machen. Dennoch habe ich verständlicherweise das ein oder andere vergessen. Vor allem war mir nicht mehr bewusst, wie dicht und spannend die erste Staffel bereits war. In meiner Erinnerung lag der Fokus in den ersten Folgen noch mehr auf Abenteuer denn auf Mystery, aber beides wird auf höchstem Niveau kultiviert, dazu kommen die menschlichen Dramen, aber auch ruhigere Momente sowie gelegentlicher Humor. Kein Wunder, dass ich damals beizeiten angefixt war. Es wird sich zeigen, inwieweit diese bis heute von mir als beste Serie aller Zeiten verteidigte Show dem Zahn der Zeit widerstanden hat. Fakt ist: Look and feel sind nach wie vor sauber, modern, überhaupt nicht angestaubt. Das einzig Altmodische ist die mittlerweile unvorstellbar hohe Zahl an Episoden pro Staffel.

Über die erste Staffel von The Power of Parker schrieb ich, dass es sich bei der Haupt- und Titelfigur um "einen der unsympathischsten Antihelden aller Zeiten" handele, dem man "genüsslich" dabei zusehe, "wie ihm der Teppich unter den Füßen weggezogen wird". Das muss man in den neuen Folgen etwas relativieren: Gedemütigt, geerdet und partiell geläutert, zieht Martin Parker hin und wieder unser Mitgefühl und sogar so etwas wie Sympathie auf sich. Freilich sind es nunmehr seine Ex-Frau und seine Geliebte, mit denen wir mitfiebern; wie alle drei aufgrund eines "tödlichen" Missgeschicks zu einer Schicksalsgemeinschaft formiert werden, ist köstlich. Die dritte Staffel, die ausweislich der finalen Szene unvermeidbar ist, dürfte noch turbulenter werden.

Der BBC-Dreiteiler The Escape Artist von 2013 hätte m.M.n. als Fernsehfilm mit der Hälfte der Laufzeit besser funktioniert. Etliches wirkt langgezogen, mehere Szenen mit unbedeutenden Nebenfiguren hätte man bedenkenlos streichen können. Der Justiz-Thriller vermag nichtsdestotrotz zu packen, nicht zuletzt mit einem schockierenden (und moralisch herausfordernden) Endtwist. Die Darstellungen der Gerichtsprozesse sind intensiv, obendrein lehrreich (Schon gewusst? Im schottischen Strafrecht bestehen Jurys aus 15 statt zwölf Geschworenen, und es gibt neben "guilty" und "not guilty" das Verdikt "not proven"), und David Tennant ist, apropos Darstellungen, über jeden Zweifel erhaben. Nicht minder einnehmend ist der junge Toby Kebbell ("Servant") in der beängstigenden Co-Hauptrolle.

Schade, dass auch die neue Season von Digman wieder nur zwölf Episoden umfasste. Die Pointen in dieser extrem tight geschriebenen Erwachsenen-Animationsserie reichten allerdings für 24. Ich wünschte, "Family Guy" und Konsorten wären noch zu so viel Spritzigkeit und Einfallsreichtum fähig. Dass der "Comedy Central"-Spaß mit Andy Samberg obendrein abwechslungsreiche (wenn auch enorm bekloppte) Geschichten zu bieten hat, hebt ihn sogar noch über den erwähnten Seth-MacFarlane-Dauerbrenner.