Donnerstag, 7. August 2025

Leisten muss sich wieder lohnen

Jedes Mal, wenn jemand in meiner Gegenwart "Schuster, bleib bei deinen Leisten!" sagt, denke ich: "Es heißt 'deinem Leisten'!" (aber verkneife mir natürlich jedweden Kommentar). Es ist eines dieses Sprichwörter, deren Aussage jeder begreift, deren ursprüngliche Bedeutung jedoch kaum noch verstanden oder hinterfragt wird. Bei Schusters Leisten geht es jedenfalls nicht um schmale Bretter, sondern um den Leisten, eine "aus Eisen oder Holz hergestellte Nachbildung des Fußes, die für die Anwendung und Reparatur von Schuhen verwendet wird" (Duden, Bedeutungswörterbuch).

Letzte Woche war ich in der Frankfurter Stadtbücherei, und da lag im Bereich Fremdsprachige Literatur tatsächlich schon der neue Stephen King aus, "Never Flinch" (deutsch: "Kein Zurück"). Ich stürzte mich sofort ins Lesevergnügen und stieß auf folgende interessante Stelle im ersten Kapitel:

"This is not my business. Shoemaker, stick to thy last."
One of her father's sayings. [...] What is a shoemaker's last, anyway? She has no idea and quashes the urge to google it. She does know what her last is: [...]

Let me google that for you, Holly: Der last ist nicht das Letzte, sondern das (natürlich etymologisch verwandte) Pendant zum Leisten: "a form (as of metal or plastic) which is shaped like the human foot and over which a shoe is shaped or repaired". Bei Merriam-Webster, wo ich die Definition herhabe, ist sogar eine Illustration dieses Handwerkerutensils zu sehen.

Mir war nicht klar gewesen, dass es eine englische Entsprechung zu dem deutschen Spruch gibt. In der Wikipedia-Liste der geflügelten Worte findet sich der Grund für die überregionale Verbreitung: "Der römische Historiker Plinius der Ältere erzählt vom Maler Apelles, dass er von einem Schuster darauf hingewiesen wurde, er habe auf einem Bild einen Schuh nicht richtig gemalt. Apelles verbesserte daraufhin das Bild. Als der Schuster nun noch mehr an seinem Bild kritisierte, rief er ärgerlich aus: 'Ne sutor supra crepidam!' 'Schuster, nicht über die Sandale hinaus!'"

In diesem Moment wird mir klar, dass "Schuster, bleib bei deinen Leisten" ja genau so korrekt ist wie die Variante mit "deinem Leisten", weil Singular und Plural formgleich sind. Ha! Bei Wikipedia steht denn auch: "Meist wird dieses Sprichwort jedoch in der Mehrzahl gebraucht ('Schuster, bleib bei deinen Leisten'), was mindestens ebenso sinnvoll ist, da ein Schuster nicht nur einen Leisten, sondern viele verwendet (rechte und linke Schuhe, verschiedene Schuhgrößen etc.)." Im Englischen scheint jedoch last und nicht lasts üblich zu sein.

Mittwoch, 6. August 2025

Kurz notiert: Verräterische Titel

Aus dem letzten "Streifschuss", der Krimispalte im FAZ-Feuilleton:

Auch ein gedankenloses Adjektiv kann weitreichende Folgen haben und einen Titel zum virtuellen Spoiler verkommen lassen. Das literarische Debüt der britischen Anwältin Alexandra Wilson heißt im Original "The Witness". Was völlig reicht. Warum im Deutschen daraus "Die feindliche Zeugin" (Suhrkamp, 367 S., br., 18,- €) werden musste, ist nicht nachzuvollziehen. Und es ist umso ärgerlicher, als dieser Roman ein versiert konstruierter Justizthriller ist.

Das erinnert mich auf ungute Weise an den Film "Der Manchurian Kandidat" (auch im englischsprachigen Original: "The Manchurian Candidate"), wobei ich nur das 2004er Remake gesehen habe. Auch da nämlich verrät der verdammte Titel bereits einen wesentlichen Plotpoint. Selten habe ich einen Kinosaal so erbost verlassen.

Montag, 4. August 2025

Was sprudelt denn da?

Langsam wird's unheimlich! Vor wenigen Tagen zitiere ich in meiner allmonatlichen Titanic-Rückschau Michael Ziegelwagners Wasserfallkritik: "Schon gut, man hat's verstanden: oben noch Wasserfläche, plötzlich Wasserfall, unten wieder Wasserfläche. [...] Ja, wenn es denn andersrum wäre, das Wasser von unten nach oben stürzte, dann, ja dann! müßte ich zugeben, daß der Wasserfall einen großartigen Trick beherrscht."

Just zwei Tage später zwoscht mir auf "Spiegel online" unter der Überschrift "Wasser, das nach oben stürzt" folgender Wissenschaftsartikel entgegen:
Auf alten Satellitenbildern von Grönlands Gletschern haben Forschende ein bisher unbekanntes Phänomen entdeckt: eine Art aufwärts strömenden, gigantischen Wasserfall.
Im Juli 2014 [...] schoss aus mehreren Hundert Meter Tiefe Wasser durch den Eispanzer, wie in einem machtvollen Wasserfall. Nur dass dieser nicht abwärts, sondern aufwärts stürzte. An der Oberfläche sprengte sich die emporquellende Flut den weiteren Weg frei. Eisbrocken, groß wie achtstöckige Häuser, brachen ab und wurden vom Wasser mitgerissen.
Zehn Tage dauerte das Spektakel. Während dieser Zeit schoss so viel Wasser aufwärts, wie in den Niagarafällen binnen neun Stunden abwärts fällt: insgesamt rund 90 Millionen Kubikmeter Wasser [...]
Um zu erklären, was hier geschehen war, zog das Team aus Lancaster die AWI-Glaziologin Humbert hinzu: Offenbar, so ihre Deutung, war Schmelzwasser an einer nahen, aus dem Eis herausragenden Gebirgskuppe bis hinab aufs Felsbett geflossen, wo es sich in einer Mulde unter dem Eis gesammelt hatte. Weiter abfließen konnte es nicht, denn der Gletscher ist in dieser Region am Grund festgefroren. Die Folge: Das Wasser staute sich. Allmählich blähte sich in der Tiefe eine immer größere flüssige Blase, die den darüber liegenden Eispanzer zu einem Dom emporwölbte. [...]
Die Bedeutung des Vorgangs ist noch nicht absehbar. Möglicherweise handelt es sich um ein extrem seltenes Ereignis, wie es nur unter sehr ungewöhnlichen Umständen passieren kann.
Stark vereinfacht anhand einer Nature Geoscience entnommenen Infographik wiedergegeben: Unter die Eisschicht eines Gletschers gelangt irgendwie Wasser, das sich zu einem See sammelt, welcher immer mehr anwächst, bis die Eisschicht dem Druck nicht mehr standhalten kann und aufbricht. Das Wasser des – schönes Wort! – untereisigen Sees schießt fontänenartig heraus; danach stürzt die verbliebene Eisschicht in sich zusammen und hinterlässt einen Krater. Chapaeu, Natur!

Samstag, 2. August 2025

Serientagebuch 07/25

01.07. Gotham 5.01
02.07. Scrubs 5.20
Scrubs 5.21
04.07. Eagleheart 2.01
Eagleheart 2.02
Eagleheart 2.03
Family Guy 23.18
06.07. Lost 1.19 (RW)
Lost 1.20 (RW)
07.07. Gotham 5.02
09.07. Eagleheart 2.04
Eagleheart 2.05
Eagleheart 2.06
10.07. Eagleheart 2.07
Eagleheart 2.08
11.07. Gotham 5.03
Eagleheart 2.09
12.07. Family Guy 23.19
13.07. Eagleheart 2.10
14.07. Scrubs 5.22
Andor 2.01
Andor 2.01
15.07. Andor 2.03
Eagleheart 2.11
Eagleheart 2.12
The Power of Parker 2.01
16.07. Scrubs 5.23
Andor 2.04
17.07. The Power of Parker 2.02
Scrubs 5.24
18.07. Andor 2.05
Family Guy 23.20
25.07. Lost 1.21 (RW)
Lost 1.22 (RW)
27.07. Family Guy 23.11
28.07. The Power of Parker 2.03
29.07. The Power of Parker 2.04
30.07. Family Guy 23.16
31.07. Gotham 5.04

Nach vier Jahren habe ich endlich den "Adult Swim"-Irrsinn Eagleheart fortgesetzt, und da wurde direkt noch eine Schippe draufgelegt: Noch surrealer sind die Handlungsstränge, noch überzeichneter die Charaktere, noch exzessiver die Gewalt ... aber auch noch liebevoller ist die Produktion gelungen, etwa wenn altmodische Public Service Announcements oder old-timey Hollywoodschinken parodiert werden. Ein unvergleichliches Comedy-Juwel.

Durchweg rund fand ich die fünfte Staffel von Scrubs, welche wohlgemerkt exakt die mittlere ist, was bedeuten kann, dass es von nun an bergab geht. Sei's drum, der Reveal am Ende verspricht spannende Entwicklungen, und solange der mir inzwischen ans Herz gewachsene Cast nicht ausgewechselt ist (was in der finalen oder vielmehr "nachgeschobenen" Season 9 wohl der Fall sein wird) und die Gagfrequenz nicht nachlässt, bin ich weiterhin an Bord.

Ächz, von Family Guy hatte ich tatsächlich zwei Episoden verpasst, nämlich die am 27. und 30. des Monats gesehenen, die, wie alle anderen, im Übrigen nach meinem eigenen System (nach)nummeriert wurden (wie bei den "Simpsons" gab es zwei Episoden außer der Reihe ohne Nummer; aber ich musste sie halt irgendwie durchzählen). Nun ja, das ist alles recht langweilig; von mehr Belang ist gewiss, was ich von der 23. Staffel halte. Ich würde ihr die Schulnote 3 geben: Einiges war heiter, manches fad, weniges doof (sehr bemüht waren etwa die Versuche, der "anti-woken" Zuschauerschaft augenzwinkernd das Wort zu reden, vgl. insbesondere die letzten zwei Folgen). Erstaunlich war, wie schlüpfrig die Plots zum Teil waren.