Donnerstag, 7. August 2025

Leisten muss sich wieder lohnen

Jedes Mal, wenn jemand in meiner Gegenwart "Schuster, bleib bei deinen Leisten!" sagt, denke ich: "Es heißt 'deinem Leisten'!" (aber verkneife mir natürlich jedweden Kommentar). Es ist eines dieses Sprichwörter, deren Aussage jeder begreift, deren ursprüngliche Bedeutung jedoch kaum noch verstanden oder hinterfragt wird. Bei Schusters Leisten geht es jedenfalls nicht um schmale Bretter, sondern um den Leisten, eine "aus Eisen oder Holz hergestellte Nachbildung des Fußes, die für die Anwendung und Reparatur von Schuhen verwendet wird" (Duden, Bedeutungswörterbuch).

Letzte Woche war ich in der Frankfurter Stadtbücherei, und da lag im Bereich Fremdsprachige Literatur tatsächlich schon der neue Stephen King aus, "Never Flinch" (deutsch: "Kein Zurück"). Ich stürzte mich sofort ins Lesevergnügen und stieß auf folgende interessante Stelle im ersten Kapitel:

"This is not my business. Shoemaker, stick to thy last."
One of her father's sayings. [...] What is a shoemaker's last, anyway? She has no idea and quashes the urge to google it. She does know what her last is: [...]

Let me google that for you, Holly: Der last ist nicht das Letzte, sondern das (natürlich etymologisch verwandte) Pendant zum Leisten: "a form (as of metal or plastic) which is shaped like the human foot and over which a shoe is shaped or repaired". Bei Merriam-Webster, wo ich die Definition herhabe, ist sogar eine Illustration dieses Handwerkerutensils zu sehen.

Mir war nicht klar gewesen, dass es eine englische Entsprechung zu dem deutschen Spruch gibt. In der Wikipedia-Liste der geflügelten Worte findet sich der Grund für die überregionale Verbreitung: "Der römische Historiker Plinius der Ältere erzählt vom Maler Apelles, dass er von einem Schuster darauf hingewiesen wurde, er habe auf einem Bild einen Schuh nicht richtig gemalt. Apelles verbesserte daraufhin das Bild. Als der Schuster nun noch mehr an seinem Bild kritisierte, rief er ärgerlich aus: 'Ne sutor supra crepidam!' 'Schuster, nicht über die Sandale hinaus!'"

In diesem Moment wird mir klar, dass "Schuster, bleib bei deinen Leisten" ja genau so korrekt ist wie die Variante mit "deinem Leisten", weil Singular und Plural formgleich sind. Ha! Bei Wikipedia steht denn auch: "Meist wird dieses Sprichwort jedoch in der Mehrzahl gebraucht ('Schuster, bleib bei deinen Leisten'), was mindestens ebenso sinnvoll ist, da ein Schuster nicht nur einen Leisten, sondern viele verwendet (rechte und linke Schuhe, verschiedene Schuhgrößen etc.)." Im Englischen scheint jedoch last und nicht lasts üblich zu sein.

Mittwoch, 6. August 2025

Kurz notiert: Verräterische Titel

Aus dem letzten "Streifschuss", der Krimispalte im FAZ-Feuilleton:

Auch ein gedankenloses Adjektiv kann weitreichende Folgen haben und einen Titel zum virtuellen Spoiler verkommen lassen. Das literarische Debüt der britischen Anwältin Alexandra Wilson heißt im Original "The Witness". Was völlig reicht. Warum im Deutschen daraus "Die feindliche Zeugin" (Suhrkamp, 367 S., br., 18,- €) werden musste, ist nicht nachzuvollziehen. Und es ist umso ärgerlicher, als dieser Roman ein versiert konstruierter Justizthriller ist.

Das erinnert mich auf ungute Weise an den Film "Der Manchurian Kandidat" (auch im englischsprachigen Original: "The Manchurian Candidate"), wobei ich nur das 2004er Remake gesehen habe. Auch da nämlich verrät der verdammte Titel bereits einen wesentlichen Plotpoint. Selten habe ich einen Kinosaal so erbost verlassen.

Montag, 4. August 2025

Was sprudelt denn da?

Langsam wird's unheimlich! Vor wenigen Tagen zitiere ich in meiner allmonatlichen Titanic-Rückschau Michael Ziegelwagners Wasserfallkritik: "Schon gut, man hat's verstanden: oben noch Wasserfläche, plötzlich Wasserfall, unten wieder Wasserfläche. [...] Ja, wenn es denn andersrum wäre, das Wasser von unten nach oben stürzte, dann, ja dann! müßte ich zugeben, daß der Wasserfall einen großartigen Trick beherrscht."

Just zwei Tage später zwoscht mir auf "Spiegel online" unter der Überschrift "Wasser, das nach oben stürzt" folgender Wissenschaftsartikel entgegen:
Auf alten Satellitenbildern von Grönlands Gletschern haben Forschende ein bisher unbekanntes Phänomen entdeckt: eine Art aufwärts strömenden, gigantischen Wasserfall.
Im Juli 2014 [...] schoss aus mehreren Hundert Meter Tiefe Wasser durch den Eispanzer, wie in einem machtvollen Wasserfall. Nur dass dieser nicht abwärts, sondern aufwärts stürzte. An der Oberfläche sprengte sich die emporquellende Flut den weiteren Weg frei. Eisbrocken, groß wie achtstöckige Häuser, brachen ab und wurden vom Wasser mitgerissen.
Zehn Tage dauerte das Spektakel. Während dieser Zeit schoss so viel Wasser aufwärts, wie in den Niagarafällen binnen neun Stunden abwärts fällt: insgesamt rund 90 Millionen Kubikmeter Wasser [...]
Um zu erklären, was hier geschehen war, zog das Team aus Lancaster die AWI-Glaziologin Humbert hinzu: Offenbar, so ihre Deutung, war Schmelzwasser an einer nahen, aus dem Eis herausragenden Gebirgskuppe bis hinab aufs Felsbett geflossen, wo es sich in einer Mulde unter dem Eis gesammelt hatte. Weiter abfließen konnte es nicht, denn der Gletscher ist in dieser Region am Grund festgefroren. Die Folge: Das Wasser staute sich. Allmählich blähte sich in der Tiefe eine immer größere flüssige Blase, die den darüber liegenden Eispanzer zu einem Dom emporwölbte. [...]
Die Bedeutung des Vorgangs ist noch nicht absehbar. Möglicherweise handelt es sich um ein extrem seltenes Ereignis, wie es nur unter sehr ungewöhnlichen Umständen passieren kann.
Stark vereinfacht anhand einer Nature Geoscience entnommenen Infographik wiedergegeben: Unter die Eisschicht eines Gletschers gelangt irgendwie Wasser, das sich zu einem See sammelt, welcher immer mehr anwächst, bis die Eisschicht dem Druck nicht mehr standhalten kann und aufbricht. Das Wasser des – schönes Wort! – untereisigen Sees schießt fontänenartig heraus; danach stürzt die verbliebene Eisschicht in sich zusammen und hinterlässt einen Krater. Chapaeu, Natur!

Samstag, 2. August 2025

Serientagebuch 07/25

01.07. Gotham 5.01
02.07. Scrubs 5.20
Scrubs 5.21
04.07. Eagleheart 2.01
Eagleheart 2.02
Eagleheart 2.03
Family Guy 23.18
06.07. Lost 1.19 (RW)
Lost 1.20 (RW)
07.07. Gotham 5.02
09.07. Eagleheart 2.04
Eagleheart 2.05
Eagleheart 2.06
10.07. Eagleheart 2.07
Eagleheart 2.08
11.07. Gotham 5.03
Eagleheart 2.09
12.07. Family Guy 23.19
13.07. Eagleheart 2.10
14.07. Scrubs 5.22
Andor 2.01
Andor 2.01
15.07. Andor 2.03
Eagleheart 2.11
Eagleheart 2.12
The Power of Parker 2.01
16.07. Scrubs 5.23
Andor 2.04
17.07. The Power of Parker 2.02
Scrubs 5.24
18.07. Andor 2.05
Family Guy 23.20
25.07. Lost 1.21 (RW)
Lost 1.22 (RW)
27.07. Family Guy 23.11
28.07. The Power of Parker 2.03
29.07. The Power of Parker 2.04
30.07. Family Guy 23.16
31.07. Gotham 5.04

Nach vier Jahren habe ich endlich den "Adult Swim"-Irrsinn Eagleheart fortgesetzt, und da wurde direkt noch eine Schippe draufgelegt: Noch surrealer sind die Handlungsstränge, noch überzeichneter die Charaktere, noch exzessiver die Gewalt ... aber auch noch liebevoller ist die Produktion gelungen, etwa wenn altmodische Public Service Announcements oder old-timey Hollywoodschinken parodiert werden. Ein unvergleichliches Comedy-Juwel.

Durchweg rund fand ich die fünfte Staffel von Scrubs, welche wohlgemerkt exakt die mittlere ist, was bedeuten kann, dass es von nun an bergab geht. Sei's drum, der Reveal am Ende verspricht spannende Entwicklungen, und solange der mir inzwischen ans Herz gewachsene Cast nicht ausgewechselt ist (was in der finalen oder vielmehr "nachgeschobenen" Season 9 wohl der Fall sein wird) und die Gagfrequenz nicht nachlässt, bin ich weiterhin an Bord.

Ächz, von Family Guy hatte ich tatsächlich zwei Episoden verpasst, nämlich die am 27. und 30. des Monats gesehenen, die, wie alle anderen, im Übrigen nach meinem eigenen System (nach)nummeriert wurden (wie bei den "Simpsons" gab es zwei Episoden außer der Reihe ohne Nummer; aber ich musste sie halt irgendwie durchzählen). Nun ja, das ist alles recht langweilig; von mehr Belang ist gewiss, was ich von der 23. Staffel halte. Ich würde ihr die Schulnote 3 geben: Einiges war heiter, manches fad, weniges doof (sehr bemüht waren etwa die Versuche, der "anti-woken" Zuschauerschaft augenzwinkernd das Wort zu reden, vgl. insbesondere die letzten zwei Folgen). Erstaunlich war, wie schlüpfrig die Plots zum Teil waren.

Donnerstag, 31. Juli 2025

TITANIC vor zehn Jahren: 8/2015


Ohne historische Einordnung (oder sehr gutes Gedächtnis) ist dieser Titel heute nicht ganz leicht zu verstehen, obschon man ahnt, woher der Hase rollt. Ich musste es gerade selbst noch einmal googeln: 2015 war zwar nicht das erste Jahr der im Zuge von Staatspleite, Troika und Austerität sich hochschaukelnden "griechisch-deutschen Verstimmung", aber eine vorläufige Akme derselben, begleitet von teils "bizarren Nazi-Vergleichen" (Stern) vonseiten der von der deutschen Presse und Politik nicht eben mit Samthandschuhen angefassten Hellenen.

Und apropos Hitler! Dies ist das Heft, das den Auftakt des mehrteiligen Pulp-Scrapbook-Comics "Hitler vs. IS" (Hürtgen/Wolff, Werner) enthält:


Und apropos Merkel: Zehn Jahre lief ihre Kanzlerschaft zu jenem Zeitpunkt bereits. Wir hatten zu diesem feierlichen Anlass ein Höhepunkte-Poster in der Heftmitte:


Der diesmonatige Vertreter der Reihe "Artikel, an die ich mich kein bisschen mehr erinnern kann" ist Leo Riegels charmanter Einseiter über eine neue App in der Ära des Car-, Bike- und sonstigen Sharings:


Sehr wohl erinnern kann ich mich noch an das auf der Heftrückseite beworbene, von Hauck & Bauer mit Blut, Schweiß und Tränen organisierte Festival "24 h Cartoon". Ich bin nämlich extra nach Berlin gefahren, um diesem Cartoon-Lese-Marathon beizuwohnen, auch wenn ich verständlicherweise nicht die ganzen 24 Stunden durchzuhalten schaffte. Das, was ich sah, war aber sehr unterhaltsam. Fun fact: Bei ebendiesem Hauptstadtaufenthalt ereignete sich das, was ich unter "Lustige Fahrradgeschichten" (Teil 1 + Fortsetzung) dokumentiert habe.


Kollege Hauck eröffnete mir kürzlich, dass eine Wiederauflage dieses Irrsinns nicht im Entferntesten geplant sei. Allerhöchstens könne man sich vorstellen, zum 24-jährigen Jubiläum ein "10 h Cartoon"-Festival auf die Beine zu stellen ...

Weiteres Notierenswertes
- Die Oettinger-Anzeigenparodie im letzten Heft hatte nicht nur die von mir erwähnte Lieferung von Gratisbier durch die vorbildliche Brauerei zur Folge, sondern auch eine lukrative Gegenanzeige (S. 31). Chefredakteur Tim Wolff fasst im Editorial noch einmal die ganze Angelegenheit zusammen ("Hoch lebe Oettinger!").
- Auf Seite 11 schilt Michael Ziegelwagner in der ersten Folge seiner Naturkolumne, "TITANIC-Naturkritik" benamst (später "Natur - der Kanon", aktuell "Natur am Wort"), den Wasserfall: "Schon gut, man hat's verstanden: oben noch Wasserfläche, plötzlich Wasserfall, unten wieder Wasserfläche. Jeder Depp, der zwei Kochtöpfe besitzt, kann so ein 'Naturschauspiel' in seiner Küche nachbauen. Ja, wenn es denn andersrum wäre, das Wasser von unten nach oben stürzte, dann, ja dann! müßte ich zugeben, daß der Wasserfall einen großartigen Trick beherrscht. Vielleicht, indem man ein Trampolin hinstellt ...?"
- Ein weiterer Artikel Ella Carina Werners, der neben ihrer Abhandlung über internationales Fluchen als legendär bezeichnet werden muss, ist "Maiskolben im Arsch" (S. 58-59) über die Debatten- und vor allem Streitkultur im britischen Unterhaus. "Sieht man zu, wie sich Tories und Labours angriffslustig am Mikro räkeln, lauscht dem höhnischen Gelächter, den unverschämten Zwischenrufen ('sounds like a demented fishwife!'), wird eines immer deutlich: Sie haben Spaß. Sie gehen gern zur Arbeit und am Abend zufrieden nach Hause, voller Vorfreude auf den nächsten Arbeitstag. Während ihre deutschen Kollegen frustriert aus dem Reichstag schlurfen, den 'Trompetenarsch' oder die 'Sackratte' noch immer in der Kehle."

Schlussgedanke
Ausgabe 08/15: keine 08/15-Ausgabe.

Dienstag, 29. Juli 2025

26 neue obskure Kreuzworträtsel-Lösungen

  • Perserteppich: Mir
  • südam. Herberge: Tambo
  • Baumwollgewebe: Perkal
  • russ. Grütze: Kascha
  • oberer Eckzahn des Keilers: Haderer
  • abnehmbare Autodachkonstruktion: Targa
  • zornig: kibig
  • Schönheitspflästerchen: Mouche
  • türk. Wollteppichart: Usak
  • Pflanzeninsel im Moorwasser: Bult
  • orientalische Rohrflöte: Nay
  • Stahlseil: Trosse
  • Salzstock: Diapir
  • alkal. Bad (Gerberei): Äscher
  • Strecker, an Draht geleitete Weinrebe: Bogrebe
  • Boot der Malaien: Prau
  • einfache Geländeskizze: Kroki
  • trad. Rundhaus in Apulien: Trulli
  • Griff am Sensenstiel: Worb
  • kolumb. Feldmaß (10 qm): Area
  • Jagd mit Falken: Beiz
  • Trumpfkarte beim Tarock: Skies*
  • Pfeiler mit Büste: Herme
  • Amazonas-Flussdelfin: Boto
  • russisches Bauernhaus: Isba
  • südamerikanische Blutwurst: Mora**
* oder Skues
** nicht zu verwechseln mit dem "ital. Fingerspiel"


Offenlegung: Manche dieser Wörter sind gar nicht sooo obskur; über den Boto sah ich neulich eine Doko, äh: Doku, und von einer Beiz hat man sicher auch schon mal gehört. Nun, nach so vielen Folgen dieser Reihe nehme ich mittlerweile alles, was halbwegs passt, um die nächsten 26 Items voll zu bekommen.

Montag, 28. Juli 2025

Hingehbefehl: O25

Wie schon 2023 und 2021 dient heuer die ehemalige Robotron-Kantine in Dresden der Biennale Ostrale als Spielstätte und wird es wohl auch in Zukunft tun. Auch wenn die Rundgangskonzeption ein wenig angepasst wurde, wirkt das Konzept bereits jetzt, als hätte es nie ein anderes gegeben. Und nicht nur die Räumlichkeiten haben mich überzeugt, auch die ausgestellten Werke entpuppten sich (wieder einmal) als echte Hingucker. Dem diesjährigen Motto "Never Grey" verpflichtet, protzten viele Exponate mit Farben und Mustern, auch ihr Formen- und Detailreichtum, die in sie geflossene Kreativität und der Fleiß überwältigten mich schier. Noch bis zum 5. Oktober kann die Ostrale besucht werden.












Freitag, 25. Juli 2025

Von Technik enttäuscht

Ich hatte bis vor wenigen Monaten nichts an Spotify auszusetzen, ja empfand diese Plattform in der Bezahlversion sogar als deutlich komfortabler, funktionaler und anregender als Prime Music. Die Zeit des freudenreichen Musikstreamings scheinen jedoch vorbei zu sein. Letzte Woche habe ich mein Abonnement gekündigt. Ich werde es erst wieder erneuern, sobald mindestens drei neue "Drei Fragezeichen"-Folgen erschienen sein werden, die ich sodann hintereinander weg hören kann. Der Algorithmus, jenes höhere Wesen, das wir verehren, wurde einfach immer schlechter. Es wird mir nur noch Musik aus exakt dem gleichen Genre vorgeschlagen, das ich jeweils zuletzt abgespielt hatte. Ich habe ein Jazz-Album gehört, zack!, wird mir nur mehr ausschließlich Jazz empfohlen. (Ausgedachtes Beispiel!) Das Schlimmste ist, dass diese Empfehlungen zu nichts zu gebrauchen sind. Vielleicht bin ich ja über die Jahre zu anspruchsvoll geworden, vielleicht kenne ich inzwischen sämtliche guten Interpreten, Fakt ist, dass mir die vorgeschlagenen Alben kaum noch gefallen und nach wenigen Tracks von mir abgebrochen werden. Sollten die Geschmackserkennungsroutinen nicht stetig besser werden?

Wo ich schon am Nörgeln bin, muss ich, so leid es mir tut, mich einmal mehr über Google auslassen. Google Drive hat ja wohl die sinnfreieste, benutzerunfreundlichste, verwirrendste, chaotischste Oberfläche, die man von einem Cloudspeicher erwarten kann bzw. eben nicht erwarten kann, wenn man schon einmal mit Dropbox oder der eigenen Festplatte zu tun hatte, Sakrament!

Mittwoch, 23. Juli 2025

Der schwedische Meisterstreich

Wenn man im Ikea-Restaurant die leckeren vegetarischen Köttbullar bestellt, wird das Gericht von der Tellerausgeberin mit einem Fähnchen versehen, damit die Kassenperson weiß, dass sie die Veggie-Variante abzurechnen hat.


Ich habe mir nun folgenden Lifehack (hihi, ihr versteht: Hack) ausgedacht: Man behält das Fähnchen ein, bringt es beim nächsten Ikea-Besuch mit, bestellt im Restaurant die fleischhaltigen Köttbullar, steckt vorm Bezahlen das Fähnchen heimlich in eines der Bällchen und spart so einen Euro, denn die Veggie-Köttbullar sind billiger als das Original.

Würde ich natürlich nie machen; was hätte ich davon? Ich würde auch nie dazu anstiften! Zu welcher Straftat würde in diesem Fall überhaupt angestiftet? Betrug? Erschleichung von Leistungen? Urkundenfälschung? (Kann ein mit einem preisschildähnlichen Objekt versehener Fleischklops eine Urkunde im juristischen Sinn darstellen?

Sonntag, 20. Juli 2025

"Tintling" revisited

Vor einer Weile fand ich in meinem Papiergerümpel eine Postkarte, die zugleich ein Gutschein für ein gratis Exemplar des Tintling war: Man musste sie nur unter Angabe der eigenen Adresse an die Tintling-Redaktion schicken. Das tat ich, und wenig später fand ich Ausgabe 5/2024 der renommierten Pilzzeitung im Briefkasten.


Damit hatte ich die Jubiläumsnummer knapp verpasst, zwei Monate zuvor war Heft Nr. 150 erschienen, und für die zu diesem Anlass eingegangenen Glückwünsche bedankt sich die Herausgeberin in ihrem Editorial: "Das war sehr wohltuend und motivierend, vor allem vor dem Hintergrund meiner derzeit empfindlich angeschlagenen Gesundheit und der damit einhergehenden eingeschränkten Leistungsfähigkeit. Geradezu will es mir so scheinen, als sei mit der magischen 7 vor der Null soeben die Schwelle zum Greisentum überschritten worden."

Ja, Karin Montag verantwortet den Tintling nach wie vor mit Herzblut und Elan im Alleingang. ("Mit Ellenbogenschmalz" hätte ich fast geschrieben, aber das fand ich etwas eklig. Wobei es im Reich der Pilze von Haus aus etwas eklig zugeht, wie wir gleich wieder sehen werden.) Die Gestaltung ist noch immer so liebevoll wie die Texte fachkundig und unterhaltsam sind und die Bildunterschriften amüsant. Und auch die Leserbindung wird gepflegt. Direkt die ganze zweite Seite bekommt ein Pilzfreund zur Verfügung gestellt, der "bei einem Trüffelurlaub in Istrien Ende Oktober 23" einen außergewöhnlichen Fund gemacht hatte: einen Trüffelkalender mit "21 x 30 cm großen Trüffelfotos".

Den Aufmacher bildet der dritte und letzte Teil über "Die Japaner und die Pilze", verfasst von Peter Raff (†). Es geht um die Heian-Zeit (794-1185), um Rätselgedichte und die Pilzküche.


Es folgt ein etymologischer Exkurs über den lateinischen Namen des Wechselfarbigen Dotter-Täublings (Russula risigallina), der im Bereich der Mineralogie, bei Goethe und bei Pseudolatinisierungen endet. Herrlich!

Der französische Botaniker und Mykologe René Maire (1878-1949) wird gewürdigt. Dann kommt die reich illustrierte Folge 2 von "Pilze im Elsass" ("Dachpilze, 2. Teil"), sodann "Abgefallene Winterpilze. Teil 3 – Kernpilze an Maulbeere, Robinie und Vogelbeere" von Hartmut Schubert. "Unter der Rinde" von Maulbeeren, "geradezu unsichtbar, verbirgt sich der Maulbeerkugelpilz (Splanchnomena phorcioides). Wie schon im ersten Teil beschrieben, muss man mit einer möglichst scharfen Rasierklinge einen feinen Schnitt von ein bis zwei Millimeter in der Rinde machen, dann kommen diese Kernpilze zum Vorschein." Und auch an Robinien ist einiges "los":


In der bereits 13. Folge einer Reihe über "Pilze bestimmter Höhenstufen" befasst sich die Chefredakteurin mit einigen Trichterlingen auf Alpenpässen, so etwa mit dem Stinkenden Almen-Trichterling, der "einen fleischockerlichen, stark hygrophanen Hut mit lange eingebogenem Rand" hat. "Er riecht frisch fischig-tranartig, später pilzig-unangenehm". Ein anderer, der Düstere Gebirgs-Trichterling, "riecht nach Scheunenstaub mit fruchtiger Komponente und schmeckt pilzig-banal". Der Beitrag schließt mit Nicht-Makroaufnahmen alpiner Landschaft.


Weiter geht's mit zehn Seiten über "Meinhard Mosers beste Speise-Speierlinge". Jener Herr Moser lobte in einem Buch von 1960 über die Gattung Phegmacium den Geschmack des Büscheligen Schleimkopfs (Cortinarius turmalis), was die Autorin zu einer Bestandsaufnahme weiterer essbarer Schleimköpfe und Klumpfüße beflügelt hat. "Da der Büschelige Schleimkopf [...] der Spitzen-Speise-Schleierling schlechthin zu sein scheint, überlassen wir die fachlichen Feinheiten den Taxonomen und konzentrieren uns hier im Sinne der Themenstellung lieber auf den saarländischen Wahlspruch: 'Hauptsach gudd gess'." Ich muss sagen, dass die gezeigten Vetreter wirklich äußerst schmackhaft aussehen.

Nach einer Anekdote aus dem Nachlass eines im Mai 2024 verstorbenen Pilzberaters betreten wir die Welt der Zwerg-Seitlinge (Resupinatus). Auch hier spannende Erläuterungen zu Nomenklatur und Wortherkunft. Ein Kreuzworträtsel ("Pilzworträtsel") dient der Zerstreuung, bevor mit Folge 43 der "Pilzwortsammlung", diesmal: "von Schmückendem und Geschmücktem", der Hauptteil dieser Ausgabe beschlossen wird. Vorgestellt werden Arten, die namentlich und/oder physiologisch etwas mit Schmuck zu tun haben; so begegnen uns der Armbandpilz, der Bernsteinstielige Häubling, der Geschmückte Glockenschüppling, aber auch das Polster-Schönauge und der Smaragdgrüne Eichenbecherling.


Im Nachrichtenblock am Ende der Ausgabe lesen wir von einem Streit darüber, ob der Amethystfarbene Lacktrichterling giftig oder essbar ist (tendenziell ja, wegen seines Anteils nicht-organischen Arsens). Außerdem wird der Absturz einer 74-Jährigen beim Schwammerlsuchen im Inntal vermeldet ("Pilzsammeln in Österreich scheint gefährlicher zu sein als sonstwo."). Wir erfahren zudem, dass zwei US-Pilzsammler im Süden des Steinernen Meeres in Bergnot geraten waren. Es wird auf das Programm "Schwammerl sind unsere Rettung" der bayerischen Kabarettistin Luise Kinseher sowie auf das Sachbuch "Stammen Pilze aus dem All?" hingewiesen. Fazit: 100 Seiten Pilzspaß und -ernst vom Feinsten!

Donnerstag, 17. Juli 2025

Stanford and Sohn

In meinem Notizdokument (notizen.txt) stand noch ein Link, von dem ich nicht mehr weiß, warum ich ihn darin aufgenommen hatte. Er führt zum Wikipedia-Eintrag "Stanford University". Vermutlich ging es mir um diese zwei Interessantheiten: 1. Ihr Spitzname ist "Die Farm" ("the Farm"), denn auf dem Hof der Stanfords in Palo Alto wurde sie 1891 eröffnet. 2. Der Wahlspruch der Universität lautet "Der Luft der Freiheit weht". Jawoll, auf deutsch.


Das ist ein Ausspruch des Reformators Ulrich von Hutten. Zu gerne würde ich den Satz von amerikanischen Studierenden ausgesprochen hören. Ganz im Ernst, ich finde es mausig, wenn Amerikaner deutsch sprechen. Bei Latein dagegen – einer Sprache, in der viele Uni-Mottos formuliert sind – rollen sich mir die Zehennägel hoch, vernehme ich sie aus US-amerikanischen Mündern.

Dienstag, 15. Juli 2025

Neues Neues (von der Sneakerfront)

Sosehr mich der Abschied gleich dreier Paar Schuhe in den vergangenen Wochen auch dauerte, so erfreut bin ich darüber, inzwischen ansehnlichen Ersatz gefunden zu haben. Zuerst nämlich ...


... erwarb ich dieses (preisreduzierte!) Paar in der Frankfurter Filiale des angeschlagenen Skaterausstatters Titus. Es sind erstaunlicherweise meine ersten Exemplare der Marke New Balance.


Klar, weiße Sohlen sind nicht unproblematisch, vor allem in einer Region mit so unsteten Sommern wie der unseren. Ich werde tunlichst darauf achten, sie nur bei Trockenheit zu tragen. Gleiches gilt umso mehr für diese stylischen Treter:


Die habe ich bei eBay bestellt. Ich wusste gar nicht, dass Vans mal eine Special Edition "National Geographic" rausgebracht hat! Andererseits entdecke ich regelmäßig mir unbekannte Spezialkollektionen, die übrigens mittlerweile zum Teil für dreistellige Beträge gehandelt werden. Jedenfalls rief ich mir ins Gedächtnis, dass ich in der Vergangenheit gute Erfahrungen damit gemacht hatte, bei eBay blind Sneakers in Größe 44,5 zu kaufen. Beim Scrollen stieß ich auf dieses Paar zum fairen Preis und schlug zu.


Es schließt endlich jene Lücke in mir, die entstanden ist, nachdem ich vor ca. acht Jahren in einem Urlaub nicht die Super-Mario-Vans mitnahm, die einfach so in einem Geschäft auslagen und mir gepasst hätten.

So, damit ist das Kapitel Fußbekleidung (vorerst) abgeschlossen. Das soll ja hier kein Modeblog werden.

Sonntag, 13. Juli 2025

Neues Altes (Mai-Juli '25)

Wir beginnen mit etwas, das ich im März übersehen hatte:

  • Enträtselt dieses Fundstück die Minoer-Schrift? (scinexx.de, 26. März) Ein Elfenbeinring mit Elfenbeingriff, von der Form an einen Handspiegel erinnernd, weist eine aus 119 Zeichen bestehende Inschrift in Linear A auf. Das Kultobjekt stammt aus einem um 1700 v. Chr. errichteten Heiligtum in Knossos, das unter den Resten eines römischen Tempels verborgen lag.
  • Monumentales Relief aus dem Palast Assurbanipals entdeckt (Spektrum.de, 19. Mai) Das Fragment gehörte zu einer einst etwa zwölf Tonnen schweren, fünfeinhalb Meter langen und drei Meter hohen Reliefplatte im Thronsaal aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Neben dem assyrischen Herrscher selbst zeige das gut erhaltene Relief die Gottheiten Assur und Ištar.
  • Über 100 Ruinen der Chachapoya-Kultur in Peru entdeckt ("Spiegel online", 23. Mai) In einem schwer zugänglichen Gebiet der Anden wurden mithilfe von Lasertechnik Strukturen der als "Wolkenmenschen" oder "Nebelkrieger" bekannten prähispanischen Kultur identifiziert, die zwischen dem 7. und 16. Jahrhundert "hoch entwickelte urbane Zentren, zeremonielle Plattformen, Felsengräber und landwirtschaftliche Terrassen" in erstaunlichen Höhen angelegt hat.
  • Spektakuläres antikes Mosaik ab sofort in Israel zu sehen (Evangelische Zeitung, 27. Mai) Das Mosaik von Be’er Shema (Birsama) stammt aus byzantinischer Zeit (324-638 n. Chr.) und zeigt "55 Medaillons mit Jagdszenen, Tieren und Szenen des täglichen Lebens".
  • Forscher entdecken fast 3000 Jahre alte Mayastätte in Guatemala ("Spiegel online", 30. Mai) Der sich auf 16 Quadratkilometer erstreckende Ort im Regenwald wurde "Los Abuelos" ("Die Großeltern") getauft, "da dort zwei anthropomorphe Steinskulpturen gefunden wurden, die vermutlich dem Kult der Vorfahren gewidmet waren [...]. Bei den Ausgrabungen kamen zudem ein Observatorium, Pyramiden, Altäre, Stelen-Fragmente und Keramiken zum Vorschein." Rund ein Jahrtausend lang soll der unweit Tikal aufgefundene Tempel "für rituelle Zwecke genutzt und dann aufgegeben worden sein, bis er um 800 n.Chr. von späteren Bewohnern wieder in Benutzung genommen wurde".
  • Qumran-Schriftrollen sind wohl älter als gedacht ("Spiegel online", 5. Juni) "Forschende um Mladen Popović von der Universität Groningen haben eine Methode entwickelt, die Radiokarbondatierung mit einem KI-System namens Enoch kombiniert. Diese KI analysiert Schriftmerkmale wie Kurven, Winkel und andere geometrische Details, um das Alter der Manuskripte präzise zu bestimmen. Das Ergebnis: Einige der Schriftrollen könnten sogar aus der Entstehungszeit des Alten Testaments stammen."
  • Magdeburg: Spektakuläre Erkenntnisse zu Überresten im Grab von Otto I. (MDR, 24. Juni) Bei Sanierungsarbeiten am Kaisergrab im Magdeburger Dom wurde dieses geöffnet, und es sind "menschliche Überreste, Textilien und Grabbeigaben sichergestellt worden". Handelt es sich bei dem Skelett tatsächlich um Otto den Großen? "Erste Messungen hätten ergeben, dass der Mann im Sarg etwa 1,79 Meter groß gewesen sei. Damit sei er mindestens zehn Zentimeter größer als viele andere Männer der Zeit gewesen. Die Knochen ließen zudem darauf schließen, dass er Reiter gewesen sei. Alles spreche für Otto, betonte Meller. Die Knochenerhaltung des Schädels sei 'herausragend'. Das würde eine 'perfekte Gesichtsrekonstruktion' ermöglichen und eine realistische Abbildung des Kaisers Otto erlauben: 'In spätestens einem bis eineinhalb Jahren werden wir dem Kaiser, wenn er es denn ist, ins Gesicht sehen.'"
  • Archäologen entdecken 9000 Jahre alte, rätselhafte Beweise für Matriarchat (Chip, 1. Juli) Die Analyse von rund 400 DNA-Strängen aus menschlichen Überresten in Çatalhöyük ergab, "dass die Blutlinien nicht über männliche, sondern über weibliche Nachfolger weitergegeben" wurden, somit "in erster Linie in der Familienpolitik nicht die Männer, sondern die Frauen das Sagen hatten". Dies decke sich mit der Annahme eines durch verhältnismäßig viele Funde weiblicher Figurinen indizierten Göttinnenkultes sowie der Tatsache, dass in der Stätte "weibliche Verstorbene mit weitaus mehr Grabgeschenken bedacht" wurden als männliche.
  • Erstes Genom aus dem alten Ägypten offenbart Verbindung nach Mesopotamien (Der Standard, 3. Juli) Einem Team des Francis Crick Institute und der Liverpool John Moores University ist es gelungen, erstmals das vollständige Genom eines Menschen aus dem alten Ägypten zu entschlüsseln. Der Töpfer, "der vor rund 4500 bis 4800 gelebt hatte und im heutigen Dorf Nuwayrat, 265 Kilometer südlich von Kairo, begraben wurde", wo man 1902 sein Skelett fand, war demnach "zu 80 Prozent ein durchschnittlicher Nordafrikaner", doch "20 Prozent seines genetischen Erbes ließen sich zu Personen zurückverfolgen, die in der Region des Fruchtbaren Halbmonds weiter im Osten gelebt hatten".
  • Hymne an Babylon nach 3.000 Jahren wieder lesbar (Deutschlandfunk, 4. Juli; Audio) Dank einer KI-gestützten Analyse liegt eine populäre, oft kopierte Hymne an die Stadt, ihre Bewohner und den Gott Marduk vollständig vor. (Mitteilung der LMU München)
  • Archäologen legen 3500 Jahre alte Stadt in Peru frei ("Spiegel online", 7. Juli) Es handelt sich um die Stätte Peñico, 200 km nördlich von Lima. Erbaut wurde sie vermutlich zwischen 1800 und 1500 v. Chr. "In den Gebäuden entdeckten [die Wissenschaftler] zeremonielle Gegenstände, Tonskulpturen von menschlichen und tierischen Figuren sowie Halsketten aus Perlen und Muscheln."
  • „Diese Entdeckung verändert unser Verständnis grundlegend“ – Neandertaler betrieben „Fabriken“ ("Welt online", 9. Juli) Eine Studie am Fundort Neumark-Nord 2 bei Halle "legt nahe, dass die Neandertaler prähistorische 'Fettfabriken' an einem gezielt gewählten Seeufer betrieben: Systematisch wurden dort die Knochen von mindestens 172 großen Tieren wie Hirschen, Pferden und Auerochsen verarbeitet. 'Solche komplexe Praktiken galten bislang als typisch für deutlich spätere Menschengruppen – nun ist klar, dass sie bereits vor 125.000 Jahren zum Repertoire der Neandertaler gehörten', heißt es in der Studie."
  • Archäologen bergen Teile des legendären Leuchtturms von Alexandria (Telepolis, 11. Juli) Das antike Weltwunder soll (digital) rekonstruiert werden. 22 bis zu 80 Tonnen wiegende Steinblöcke werden dazu aus dem Meer gehoben und demnächst "millimetergenau per Fotogrammetrie gescannt". "Überraschend stießen die Forscher auch auf Teile eines bislang unbekannten Pylons im ägyptischen Stil aus der hellenistischen Periode."

Freitag, 11. Juli 2025

Das hat sich doppelt (nicht) gelohnt

Ich bin derzeit im Besitz vierer Netto-Coupons, die mir je 5,- € Rabatt gewähren, wenn ich für mindestens 30,- € einkaufe. Theoretisch ein wahrer Schatz, auf dem ich da sitze, praktisch aber sinnlos: Wann kauft man schon mal für mehr als 30 Euro bei Netto ein? Gestern probierte ich trotzdem mein Glück. Ich packte diverse Schnapper, die ich vorher aus dem Wochenprospekt herausgeschrieben hatte, in meinen Einkaufswagen und legte noch manch anderes, was ich gar nicht benötigte, dazu. An der Kasse wurde dann ein Betrag von etwas über 25,- € fällig. Gutscheineinlösung nicht möglich.

Draußen dämmerte es mir: Ich hätte einfach ein Päckchen Kaffee kaufen sollen! (Reminder: Die aktuellen Kaffeepreise in Deutschland sind skandalös hoch.) 500 Gramm Kaffeepulver von Melitta (das war diese Woche das "günstigste") hätten 6,99 € auf die Gesamtrechnung geschlagen, womit diese auf über 30 Euro gesprungen wäre; mit Einlösung des Coupons wären wieder 5,- € abgezogen worden, wodurch mich der Kaffee, naiv gerechnet, bloß 1,99 € gekostet hätte. Ich Narr!

Doch dann studierte ich, an der Ampel stehend, die Quittung. Mir war ein Stück Gouda doppelt berechnet worden! Ich also zurück in die Filiale und den Fehler beanstandet. Nachdem mir der Kassierer den zu viel entrichteten Käsepreis (3,99 €) rückerstattet hatte, war ich doppelt froh: erstens weil ich keinen Verlust gemacht hatte, zweitens weil die Rechnung nun wieder auf insg. unter 23 Euro gefallen war, wodurch ich nicht mal im Falle eines Kaffeekaufes in den Genuss des 5-Euro-Rabatts gekommen wäre.

Was wäre wohl passiert, wenn ich den Kaffee mitgenommen hätte? Ich hätte in toto >30,- € latzen müssen, aber 5,- € wären dank Coupon abgezogen worden. Nach der Gouda-Stornierung wäre die Gesamtrechnung jedoch wieder in den nicht rabattierungsfähigen Bereich gerutscht. Hätte ich also 5,- € nachzahlen müssen? Das sind so Alltagsproblemchen ...

Mittwoch, 9. Juli 2025

Sommer ist a-kommend

Wikipedia sieht sich dieser Tage schweren Vorwürfen ausgesetzt. Eine FAS-Recherche hat mangelnde Aktualität und ein nicht unerhebliches Fehlervorkommen offenbart: "Mindestens jeder dritte Artikel hat ein Problem." Kann sein, dass ich die Online-Enzyklopädie fortan mit einer etwas großzügiger bemessenen Prise Salz konsultiere, dessen ungeachtet möchte ich betonen, dass ich immer wieder auf Artikel stoße, die sich durch beispiellose Informationsdichte bei gleichzeitig hohem Unterhaltungswert auszeichnen.

Völlig zu Recht wurde der Eintrag "Sumer is icumen in" 2010 in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen: eine launig-abenteuerliche musik-, literatur- und sprachwissenschaftliche Lesereise! Wie bin ich überhaupt darauf gestoßen? Ich las neulich an anderer Stelle, dass es sich bei diesem auch Sommerkanon genannten mittelenglischen Lied, das mir erstmals in dem Folk-Horror-Kultfilm "The Wicker Man" (1973) begegnet war, um den ältesten überlieferten Kanon der europäischen Geschichte handelt. Angegeben war in jener Quelle sowohl die neuenglische Übertragung des Titels / der ersten Zeile als "Summer is a-coming" als auch die deutsche Übersetzung "Der Sommer ist gekommen". Das wunderte mich nun, war ich doch davon ausgegangen, dass a-coming eine Verlaufsform ist (vgl. Bob Dylan: "The times, they are a-changing"). Der Wikipedia-Artikel klärt diese Diskrepanz in Hinblick auf die Uneindeutigkeit der behandelten Jahreszeit auf:

Der mittelenglische Text des Sommerkanons wurde im Lauf der Jahrhunderte immer wieder an den Sprachwandel angepasst. Den meisten modernen Bearbeitungen ist gemeinsam, dass sie die erste Textzeile mit dem leicht archaisierenden, aber nichtsdestoweniger unmittelbar verständlichen „Summer is a-coming in“ wiedergeben. In dieser Form ist der Kanon insbesondere unter musikalischen Laien sehr bekannt. Problematisch ist hierbei, dass das mittelenglische sumer eine beträchtliche Bedeutungsverschiebung durchgemacht haben müsste, wenn der Text – der heutigen Auffassung entsprechend – als „Frühlingslied“ begriffen wird. Zur Entkräftung dieser Inkonsistenz wird vorgebracht, dass im Mittelalter der 1. Mai als Tag des Sommeranfangs angesetzt wurde, ein Datum, das nach gegenwärtiger Vorstellung noch in den mittel- und westeuropäischen Frühling fällt. Ferner verfälscht „a-coming“ als Verlaufsform den Sinn des mittelenglischen Partizips icumen („gekommen“).

Es ist lohnend und erheiternd, einen Blick auf den vollständigen Text des sechsstimmigen Stücks zu werfen:

Sumer is icumen in,
Lhude sing cuccu!
Groweþ sed and bloweþ med
And springþ þe wde nu,
Sing cuccu!
Awe bleteþ after lomb,
Lhouþ after calue cu.
Bulluc sterteþ, bucke uerteþ,
Murie sing cuccu!
Cuccu, cuccu, wel singes þu cuccu;
Ne swik þu nauer nu.

Der Sommer ist gekommen
Kuckuck, singe laut!
Es wächst die Saat, die Wiese grünt
Und das Gehölz schlägt aus,
Singe, Kuckuck!
Die Aue [das Mutterschaf] blökt nach dem Lamm,
Die Kuh muht nach dem Kalb.
Der Ochse rührt sich, der Bock furzt
Singe froh, Kuckuck!
Kuckuck, Kuckuck, wie schön singst Du, Kuckuck.
Nun schweige niemals mehr.

Auch zu dem auffälligsten Satz darin hat Wikipedia etwas zu sagen:

Besonders umstritten ist bis heute die Deutung des Teilsatzes bucke uerteþ. Dabei ist nicht nur unklar, von welchem Tier bei bucke genau die Rede ist – neben dem naheliegenden Ziegenbock werden auch Rehbock oder Hirsch vorgeschlagen. Ausgesprochen kontrovers wird vielmehr die Bedeutung des Verbs uerteþ diskutiert, da die vermeintliche idyllische Schilderung der im Frühling wiederauflebenden Natur inhaltlich wie stilistisch nur schwer vereinbar scheint mit der Flatulenz eines Paarhufer-Männchens. Während manche Interpretationen folgern, farteth sei im Mittelenglischen weniger derb konnotiert gewesen als das moderne englische farts beziehungsweise das verwandte deutsche furzt, bestreiten andere überhaupt einen Zusammenhang mit dem aus dem Altenglischen belegten feortan und postulieren eine Umdeutung des lateinischen Verbs vertere (im Sinne von „sich [unruhig] hin- und herbewegen“), so dass die problematische Vokabel letztlich nur ein Synonym des vorangegangenen sterteþ sei.

So ernüchternd letztgenannte Deutung auch sein mag, neige ich doch dazu, mich ihr anzuschließen, gerade eingedenk der Verwandtschaft von vertere mit wirbeln und werben i.S.v. "balzen" – das passt doch zu einem ausgelassenen Böckchen im Frühling!

Dienstag, 8. Juli 2025

Das Symbolfoto des Monats

So bebilderte die FAZ einen Artikel, in dem es um die Migrationspolitik von Giorgia Meloni ging:


Absicht oder Zufall? Egal, ich musste schmunzeln.

Sonntag, 6. Juli 2025

Mehr als ein Carr-iereratgeber

Das hätte ich auch nicht gedacht: dass ich mal freiwillig ein self-help book aufschlagen würde. Aber wenn es von Jimmy Carr kommt, dessen Treiben ich seit über 20 Jahren verfolge (in Amsterdam habe ich ihn sogar live gesehen) und dessen Humor-Abhandlung "Only Joking" (2006, mit Lucy Greeves) bei mir im Bücherregal steht, dann muss ich es lesen. Zufällig wartete es im Bereich "Fremdsprachige Literatur" der Frankfurter Zentralbibliothek darauf, von mir mitgenommen zu werden.


Es liest sich bei aller (überraschenden) Aufrichtigkeit und Feinfühligkeit wirklich launig, zumal der Autor nicht darauf verzichtet, Biographisches (inkl. seinen Ärger mit dem Finanzamt) einzuflechten und mit erhellenden Einsichten in die britische Comedy-Szene unterhält (u.a. gibt es einen ganzen Abschnitt über das Edinburgh Fringe). Und ich konnte so einiges für mich persönlich "mitnehmen". Hier sind ein paar Worte übers Scheitern, das Lernen aus Fehlern und die Power des Ausprobierens:
Be bad. Be gloriously and ridiculously bad. Stink up the place.
Have the courage and the conviction of your suckiness. Failure is incredibly freeing, unless you're an escapologist.
Being wrong reminds you that nobody, and I mean nobody, is wholly right. I mean, even David Bowie was in Tin Machine. Getting stuff wrong, and acknowledging that, frees you from being defensive. And being defensive is the quickest way to shut down creativity.
Being wrong is hard – I mean being totally wrong, 100 per cent wrong. It's hard to get stuff perfect and it's hard to fuck up perfectly. But it's pretty easy to get stuff half right. And when you have something half right, then you have a draft, you've filled the blank page. You've got something to work on. Getting it wrong is how you'll defeat procrastination.

... über Kreativität und wie der Begriff heutzutage missverstanden, verwässert und verengt wird:

When we talk about creatives, we have a tendency to think about musicians or artists, we think about people who produce something called 'art' as if it should be reserved for museums and galleries, and only practised by a very few, special people. We put creativity over there and everything else is 'serious business'. Seriously? Fuck that. So dumb. So elitist.
I say this because, before Shell, I worked in advertising. [...] I worked alongside 'the creatives' who did creative stuff: copywriters and graphic designers. It's the dumbest thing. In a company of 200 people, thirty of them were labelled 'creative', as if the rest of us shouldn't even think about doing anything imaginative. We had been put in our place: 'Don't you lot go about having ideas. We've got ideas covered.'
Creativity is not a special thing in a special box in a special room. It's crazy thinking because any business does better if it's open to creativity. Any work can be creative. Architects are creative, as are gardeners, chefs, strippers, cab drivers, nurses, accountants (accountants can be incredibly creative, let me tell you). It's not about what you do, it's how you do it, that's what makes your job creative. [...]
Sometimes the word 'creative' is a problem. If the term is too hippyish for you there are other words available: try 'productive' or 'inventive'.

Und das hier könnte 1:1 von mir stammen:

[...] anxiety is a constant hum in my life.
I look at it this way: yes, I have the lows of anxiety, but I also have the highs of creativity.
Anxiety is the flip side of creativity it's a gift. A gut-wrenching, pain-in-the-arse, nightmare gift. But it's the thought that counts. If you're suffering with anxiety, great news: you're a creative person.
The downside to a creative mind is that it's always on. Anxiety: it's your creativity with nothing to do. Give your creative mind something to do or it'll drive you crazy.
When I'm feeling anxious, I try and refocus my anxiety on something positive, I try to give my mind something to do other than worry. Start simple. Do anagrams, solve a puzzle, anything that gets your mind going.

Das Buch ist auch deshalb so gut konsumierbar, weil es in kurze, knackige Kapitel und Unterkapitel gegliedert ist, denen zudem geistreiche, aufschreibenswerte, meist witzige Zitate vorangestellt sind.

Freitag, 4. Juli 2025

Eine Frucht wird politisch

Ich habe die Mangostan kennengelernt, als sie in Deutschland, wenn überhaupt, noch unter dem Namen Mangosteen zu bekommen war, was, wie ich erst später lernte, wohl die englische Schreibweise ist. Dieses Jahr begegnete mir die schmackhafte Frucht im Frankreich-Urlaub wieder, später dann auf meinem Frankfurter Stamm-Wochenmarkt. Der Preis betrug immer noch 1,50 Euro pro Stück, ist also hierzulande wenigstens nicht höher geworden. Anders als in Kambodscha, das derzeit mit Thailand Grenzstreitigkeiten austrägt, die – wie politische Konflikte so oft – einschneidende Folgen für das Leben der kleinen Leute zeitigen.

"Mittlerweile wurden auf Anweisung der thailändischen Regierung die Grenzen komplett geschlossen", vermeldet die aktuelle Jungle World. "Vor allem auf den Märkten macht sich das Fehlen von Obst und Gemüse aus Thailand bemerkbar. Hout Lon, eine Händlerin auf dem Großmarkt in Battambang, erzählt, dass Gemüse nun aus Vietnam käme und deutlich teurer sei. [...] Dem stimmt die Händlerin Chan Kaju zu: 'Die meisten Früchte sind teurer geworden, wie zum Beispiel die violette Mangostan, die normal für bis zu 700 Riel (0,14 Euro) pro Stück verkauft wird. Aber jetzt ist der Preis auf bis zu 1.300 Riel (0,26 Euro) gestiegen.'"

Mittwoch, 2. Juli 2025

Serientagebuch 06/25

02.06. Scrubs 5.13
Person of Interest 3.23
04.06. Scrubs 5.14
11.06. Family Guy 23.17
Doctor Who 15.08
13.06. The Simpsons 00.75
19.06. Grace 5.03
21.06. Lost 1.16 (RW)
24.06. Scrubs 5.15
Scrubs 5.16
25.06. Grace 5.04
27.06. Scrubs 5.17
Scrubs 5.18
29.06. Lost 1.17 (RW)
Lost 1.18 (RW)
30.06. Scrubs 5.19

Zur Großartigkeit von Person of Interest hatte ich mich ja vor einer Weile schon en passant geäußert. Das hohe Niveau der vorherigen Staffeln konnte die dritte konstant halten. Mittendrin wurde man von dem Ausscheiden einer Hauptfigur schockiert, gegen Ende hin gab es eine schöne Eskalation, und nach dem Finale liegen die Karten neu gemischt auf dem Tisch und warten darauf, in einer vierten Staffel – die dann aber hoffentlich wieder mehr Stand-alone-Folgen enthalten wird – ausgespielt zu werden.

Ganz ehrlich: Die zweite "New New Who"-Staffel war viel zu kurz, um ein prägnantes Bild in meinem popkulturellen Gedächtnis zu formen; ich könnte nicht sagen, was charakteristisch für die vergangenen Doctor Who-Episoden war. Dabei war sie genau so lang wie die vierzehnte. Nun gut, es gab das Götterthema, es gab das Comeback der ... Aber ach, ich will Leuten, die das Ganze noch sehen wollen, nicht die Spannung verderben, weswegen ich auch nicht auf die für mich sehr überraschende letzte Szene von "The Reality War" (wovon ich immerhin circa 85 Prozent verstanden habe) eingehen möchte. Vom 15. Doktor hätte ich gerne noch mehr gesehen. Wann, wenn überhaupt, es nun mit "Doctor Who" weitergeht, hängt, soweit ich das sehe, von der Gnade Disneys ab, oder?

Der Drang zur "Verthrillerung", den ich in der vierten Staffel von Grace (kritisch) wahrgenommen hatte, hat sich mit der nunmehr fünften Staffel wieder ausgeschlichen. Sehr klassisch geht es in den vier neuen (und zum Glück nicht letzten!) Episoden zu. Aufmerksam wie eine Raubkatze muss man freilich sein, um den Faden der dichten Kriminalstorys nicht zu verlieren, einzig die vierte Folge, anhebend wie ein Gerichtsdrama, variiert das Tempo, verläuft angenehm linear, geradlinig und beinahe behäbig, zumindest bis zur Hälfte, ab der dann erneut und beherzt der Turbo eingelegt wird. Sehr packend und unterhaltsam, das alles. Schade bloß, dass Craig Parkinson nicht mehr dabei ist.

Montag, 30. Juni 2025

Dinge, die man beim Umziehen findet [Rubrik wieder da!]

Ich habe mich, bis auf eine Ausnahme, von meiner Sammlung von Presseheften aus meiner Zeit als Filmkritiker (lol, wie hochtrabend!) getrennt:


Und zwar keineswegs schweren Herzens – wann hätte ich mir diese Druck-Erzeugnisse jemals wieder zu Gemüte geführt? Das obige Foto möge ein letztes Mal veranschaulichen, wie viel Geld Filmverleihe, zumindest die größeren, einst in ihre PR gesteckt haben. Heutzutage ist digitales Pressematerial zum Herunterladen die Regel, so dass allenfalls Layoutkosten anfallen; für hochwertige Drucke oder gar Goodies und Gimmicks wird nix mehr ausgegeben.

Wesentlich mehr weh tat es mir, mich von zwei weiteren Paaren Schuhen zu verabschieden. Sie habe ich nicht beim Umzug gefunden, ich habe sie sogar frohen Mutes in die neue Wohnung mitgenommen. Im nun vollends angebrochenen Hochsommer fällt mir jedoch auf, dass die Latschen nicht mehr allzu frisch riechen, zudem sind sie an mehreren Stellen zerschlissen.


Die Vans habe ich in einem Urlaub gekauft, und sie erwiesen sich tatsächlich als perfekte Urlaubsschuhe. Wo ich die "Rockstar"-Schuhe herhabe, weiß ich nicht mehr. Höchstwahrscheinlich von Ebay. Es handelt sich um eine Spezialedition der Marke Etnies, die ich nicht deswegen kaufte, weil ich Fan von "Rockstar" bin (bei Gott, es gibt wenig, was ich weniger gern tun würde als einen Energydrink zu trinken!), sondern weil ich sie stylisch fand. Und immer noch finde, seufz.

Samstag, 28. Juni 2025

R.I.P. Stern-TV-Magazin

Als ich gestern den neuen Stern (er kam mit einem Tag Verspätung) schüttelte, auf dass die TV-Beilage, die das berühmt-berüchtigte Schwedenrätsel enthält, herausfalle, wurde ich enttäuscht: Die Beilage fehlte. Hrmpf, dachte ich, die muss auf dem Postweg verloren gegangen sein; das war in der Vergangenheit schon ein-, zweimal passiert. Als ich das Magazin später durchblätterte, erwartete mich auf der letzten Doppelseite dies:


Sämtliche Rätsel des TV-Heftchens sind ins Muttermagazin gewandert! Und die TV-Beilage selbst? Scheint abgeschafft worden zu sein. Schade. Gerade jetzt, wo ich nicht mehr nur terrestrisches Antennenfernsehen empfange, sondern dank Satellitenanlage auch wieder Privatsender reinkriege, hätte ich gerne regelmäßig eine Programmzeitschrift auf dem Couchtisch liegen. Abgesehen davon habe ich das Stern-TV-Magazin stets deswegen gern aus der Redaktion mit nach Hause genommen (das ist mein Privileg als Seniorredakteur), weil es sich daheim viel behaglicher rätselt als im Büro. Das Kreuzworträtsel im dicken Stern und dann noch am Konferenztisch auszufüllen, fühlt sich nicht richtig an.

Ob wegen der Einstellung des TV-Beilegers ein Sturm der Entrüstung droht? Ich werde nächste Woche die Leserbriefe danach durchforsten.

Donnerstag, 26. Juni 2025

TITANIC vor zehn Jahren: 7/2015

Manchmal, leider sehr selten, kommt es vor, dass jemand auf der Titelkonferenz einen Vorschlag hinlegt, bei dem sich alle sofort einig sind: Der isses. Dieser Gag von Elias Hauck war so ein Fall. (Und es handelt sich noch nicht mal um den lustigsten Hauck-Titel aller Zeiten; der ist nach wie vor unveröffentlicht und wartet auf den perfekten Zeitpunkt ...)


Gut, dass wir den dagegen nur hintendrauf gedruckt haben:

Nicht weil ihn mehrere Gewährsleute aus dem Titanic-Umfeld schlicht nicht verstanden haben (nein, das ist kein Grund – man muss ja auch die Jugend ködern), sondern weil man rückblickend festhalten kann, dass der Sith-Lord in der dritten Star-Wars-Trilogie nun wirklich kein Schwein interessiert hat.

"Zäune, Schiffsunglücke, Thomas de Maizières Konterfei: Nichts konnte die dreisten Elendsflüchtlinge aus der ganzen Welt abschrecken, und jetzt haben wir hier den Ausländersalat. Darum hat das Innenministerium Deutschlands beste Agenturen damit beauftragt, der Bevölkerung mit Werbekampagnen die neuen exotischen Zutaten bekömmlicher zu machen."
Ja, 2015 fiel es uns noch einigermaßen leicht, das Topthema Flüchtlingskrise satirisch zu verarbeiten, was uns – in diesem Fall Moritz Hürtgen, Tim Wolff und mir – hier ganz ordentlich gelungen ist, wie ich auch zehn Jahre später noch finde. Mindestens zwei Mal haben wir diesen Artikel vor affirmierendem Publikum vorgetragen. Visuell ansprechend (Gestaltung: Martina Werner) ist die Strecke obendrein geraten. Stimmt es also doch, was ich so oft höre: "Das müssen doch herrliche Zeiten für Satire sein!"? Nein.


In den Zehnerjahren hatte der Craftbier-Hype seinen Höhepunkt erreicht, und da hatte ich folgende Idee für eine Anzeigenparodie:


Wenige Wochen später schickte uns die Brauerei Oettinger einen Kasten ihres Pilseners (oder waren's gar mehrere?) nebst freundlich-launigem Anschreiben. Nett! Von mir aus hätte OeTTINGER (Eigenschreibweise) ruhig ein eigenes Craftbier auf den Markt bringen können, gegen eine kleine, faire Gewinnbeteiligung, versteht sich.

Völlig vergessen hatte ich, dass Chefredakteur Wolff in dieser Ausgabe sich anschickte, nach den erfolgreichen Wurst-Werbeseiten der Schmitt/Sonneborn-Ära eine neue titanische Imagekampagne für ein urdeutsches Grundnahrungsmittel zu lancieren.


Weiteres Notierenswertes
- Armin Laschets Klausurenaffäre! Wer erinnert sich noch daran? In den "Briefen an die Leser" kann man alles nachlesen (S. 8-9).
- Eine Wohltat war es, im Folgemonat nach Michael Ziegelwagners Weggang nicht auf ihn verzichten zu müssen. Sein halbseitiger Beitrag "Neues aus der Dioskurenforschung" (S. 11) kann als Vorläufer der bis heute fortgeführten, lediglich ein paarmal den Namen gewechselt habenden "Naturkritik" verstanden werden.
- Wie ich oben schrieb: Man muss gelegentlich versuchen, jüngere Leserschichten anzusprechen. Ebendies taten Leo Fischer und Moritz Hürtgen mit einer todenhöferschen Fake-Reportage mit dem Berliner Rap-Trio KIZ als Gästen (S. 24ff.). Rätselhaft-bizarr.
- Das dürften heute auch nur noch Titanic-Historiker wie ich wissen: Erst- und einmalig konnte für diese Ausgabe Julia Trompeter verpflichtet werden. Die erfolgreiche Schriftstellerin machte für uns einen Selbstversuch mit dem Ernährungstrend Paläo (S. 36-38)!
- Jenes Diättagebuch ist Teil eines Food-Spezials, in welchem ein weiteres unserer beliebten Expertengespräche stattfand (Thema: Frühstück).

Schlussgedanke
Wieder ein sehr formenreiches Potpourri. Ein schönes Sommerheft.

Dienstag, 24. Juni 2025

Ade, Großstadthölle! Servus, Berge!

So, ich lebe jetzt im Hochtaunus.




*record scratch* Wie es dazu gekommen ist, fragt ihr euch? Nun, durch eine Mischung aus Glück, Entschlossenheit und Durchhaltevermögen. Vorausgegangen waren dem Umzug neun Monate des beschwerlichen, kräftezehrenden, frustrierenden Suchens. Dass die Kaputtheit des Wohnungsmarktes in Großstädten besonders deutlich spürbar ist, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Aber selbst im erweiterten Umland von Frankfurt ist es heute so gut wie unmöglich, ein halbwegs menschenwürdiges Zuhause zu finden. Der Suchradar im Online-Immobilienmarktplatz der Wahl war dementsprechend auf zahlreiche Kreise bevorzugt im grüneren Teil des Rhein-Main-Gebiets ausgedehnt worden.

Denn feststand: "Mainhattan" musste es nicht länger sein. Wenn nicht gar durfte. Begeistert und optimistisch hatte ich mich dort einst niedergelassen, war stets bereit, die amerikanischste aller deutschen Citys gegenüber von ihr Abgeschreckten zu verteidigen: Das nächtliche Glitzern, das internationale Flair, die Museen, die Parks, die Buchmesse, politisch stabile Leute, Grie Soß, Apfelwein, das hat schon was. Zuletzt jedoch zermürbte mich die zusehends schmutziger, lauter und gefährlicher werdende Stadt nur noch. Wenn ich aus dem Urlaub oder von einem Kurztrip zurückkehrte, stieg in mir die Beklommenheit und Abscheu, je mehr ich mich Frankfurt näherte, und kam ich dann im Hauptbahnhof an, schrumpfte mein Lebenswille zu einem durchgekatschten Kaugummi zusammen.

Nach 14 Jahren Frankfurt-Bockenheim nun also Königstein im Taunus. Genauer: Falkenstein, ein Stadtteil, der das Gütesiegel "heilklimatischer Kurort" trägt, und zwar, wie man nicht müde werden darf zu erwähnen, unabhängig von der Einstufung Königsteins, "eine bundesweit einzigartige Konstellation, dass ein Stadtteil einer Kurstadt über eine eigenständige Prädikatisierung verfügt" (Wikipedia). Auch über eine eigene Burg verfügt das 2700-Seelen-Nest, ich sehe sie, wenn ich aus dem Küchenfenster schaue. Zusammen mit der Burg Kronberg und der Burg Königstein (s. Foto oben) bildet sie die Eckpunkte des Drei-Burgen-Wegs. Überhaupt, die Wandermöglichkeiten! Zu Startpunkten von Ausflügen müssen ab sofort keine Anfahrten mehr zurückgelegt werden, denn diese entfallen, wenn die eigene Adresse quasi der Ausgangsort ist. (Sie sind freilich nicht aus der Welt, denn den Odenwald, den Vogelsberg, das Mittelrheintal usw. möchte ich auch in Zukunft nicht vernachlässigen.) Drei Schwimmbäder sind fußläufig zu erreichen, man begegnet jeden Tag faszinierenden Greifvögeln, es bieten sich spektakuläre Blicke auf die Skyline, und so sehen Teile meiner möglichen Arbeitswege aus:




Dank der guten ÖPNV-Erschließung hier oben habe ich Tag für Tag die Wahl, ob ich eine längere oder eine kürzere Strecke gehe, um mich mit einem Bus zu einer S-Bahnhaltestelle bringen zu lassen, von wo aus ich zum Frankfurter Westbahnhof fahre, in dessen Nähe ich nach wie vor als Titanic-Redakteur tätig bin – und wo sich meine Ex-Wohnung befindet (das vormittägliche Ankommen fühlt sich im Moment noch ein wenig bittersüß an; umso süßer ist es, abends der ungeliebten Pfui-Metropole den Rücken zu kehren).

Den Luxus eines fünfminütigen Arbeitsweges aufzugeben, habe ich gern in Kauf genommen. Je nachdem wie ich meine Pendelroute gestalte, kann ich entweder länger lesen oder länger durch die Natur spazieren – eine von zweien meiner liebsten Freizeitbeschäftigungen ist somit zwangsläufig Bestandteil eines gewöhnlichen Tages in meinem Leben! Klar, ich will nicht ausschließen, dass ich irgendwann einmal, vielleicht im Winter, Unlust beim Verlassen des Hauses empfinden werde. Bis es soweit ist, erfreue ich mich aber an meiner neuen Heimat.





Zum Schluss müssen wir freilich noch über den Elefanten im Raum reden. Jedes Mal, wenn ich jemandem erzähle, in welcher Gegend ich aufgeschlagen bin, höre ich Sätze wie "Oha, der feine Herr!" oder "Sind da nicht die ganzen Reichen?". Ja, Königstein ist die Gemeinde mit der höchsten Millionärsdichte Deutschlands. Ja, in meiner Umgebung stehen Häuser, die man mit dem Ausdruck Villa abwerten würde. Aaaaber erstens teile ich mir die Miete mit einer zweiten Person (richtig, Zusammenziehen war der Hauptgrund für den Wohnsitzwechsel), zweitens sind die Quadratmeterpreise in Frankfurt derart durch die Decke geschossen, dass man inzwischen von einem "Speckkern" statt von einem "Speckgürtel" sprechen müsste! Eine Querstraße von meiner ehemaligen Wohnung weiter zahlt man 1600 Euro kalt für zwei Zimmer. Mietspiegel, oh weh! Kronberg und Oberursel standen übrigens ebenfalls auf unserer Wunsch- und Bewerbungsliste. Dort wie hier trifft man bodenständige, sympathische Menschen.